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als ein durch außerordentliche göttliche Hilfe gelingendes irdisches Triumphiren des unterdrückten Judenvolkes über die bisherigen Unterdrücker.

Da galt denn mehr als je das Wort des babylonischen Jesaja: „Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker." Wieder wie zu Jeremias Zeiten trieb das Volk, dem Jahwe einst seine Gebote gegeben und seinen Ratschluß kund gethan, in Verstocktheit und Verblendung dem jähen Untergange zu, und wenn die Verheißung „daß von Zion das Gesez ausgehen solle und des Herrn Wort von Jerusalem an alle Völker der Erde" noch Recht behalten sollte, so mußte Gott selbst sich dem Menschenherzen noch einmal offenbaren in der Reinheit und Fülle seines Wesens und durch das Licht solcher Selbstkundgebung an die Menschheit die dunklen Pfade und Irrsale menschlicher Geschicke erhellen.

Und diese Offenbarung kam, dieses Licht ging auf und machte das Jesaiaswort zur Wahrheit: „Das Land Sebulon und das Land Naphthali und das Galiläa der Heiden am See siehet ein großes Licht." Das Menschenkind aber, in welchem dieses Licht für alle die anderen in die Welt trat, hieß Jesus von Nazareth.

Jesus von Nazareth.

Indem wir uns für heute die Aufgabe stellen, dieses einzigartige Menschenleben nach seinen reinmenschlichen Bedingungen und Zusammenhängen, sowie sie auf dem gegenwärtigen Standpunkt unserer Kenntnisse uns als streng thatsächliche Geschichte erscheinen, kurz zu beleuchten und somit all' das beiseite lassen, was in der Überlieferung der Evangelien vielleicht nicht unmittelbar als Thatsache sondern nur als eigenartige Spiegelung der Person und Leistung Jesu im Bewußtsein der Mit- und Nachlebenden anzusehen ist, beanspruchen wir nichts weniger, als diesen Jesus von Nazareth aus den Zeitverhältnissen und Bildungseinflüssen heraus etwa vollständig zu erklären. Ich habe es ja schon angedeutet: sein Erscheinen auf Erden ist und bleibt für uns ein göttliches Wunder, bei dem wir mehr als bei jedem anderen Geschehen, von dem uns Kunde ward, das Hereintreten einer höheren Geistesmacht in den Gang der Erdendinge gewahr werden. Aber derselbe heilige Wille, der uns Jesum von Nazareth sandte, hat doch auch alles andere geschehen heißen, und dem gleichen Urgrund des Seins, der am See Genezareth ein Menschenleben ohne Gleichen sich entfalten ließ, entstammt doch auch alles, was vor und mit diesem Menschenleben in Weisheit oder Thorheit, in Liebe oder Haß, in Erhebung oder Trauer über die Erde dahinging. Wer hier Zusammenhänge

leugnen wollte, würde die Idee eines göttlichen Weltplanes vernichten und wer da meinte, daß diese Zusammenhänge unserem schwachen Verstand nicht zugänglich wären, würde sich voreilig des edelsten Vorrechtes begeben, mit dem Gott das höchste Geschöpf dieses Planeten ausgestattet hat. Eine Vorausseßung allerdings habe ich hiebei einfließen lassen und will sie noch ausdrücklich hervorheben. Unsere neutestamentlichen Berichte über Jesus von Nazareth sind nicht strenge Geschichte in dem Sinne, den wir heute diesem Wort beilegen, sie berichten nicht lediglich objektive Thatsachen, sondern sie geben den Eindruck wieder, den die Person Jesu in bestimmten Kreisen, bei bestimmten Personen zurückgelassen hat, und damit zugleich die eigen= tümlichen Vorstellungsformen, in denen man sich hier der Bedeutung Jesu bewußt wurde. Das heißt, diese Berichte stellen das Göttliche wohl dar, sind aber an sich nicht unmittelbar göttlich, sie sind menschlich. Diese Auffassung erst macht uns möglich, einer für das Empfinden großer Kreise heute unleidlichen Vermischung von Göttlichem und Menschlichem, Ewigem und Zeitlichem, bei der doch gewöhnlich das Göttliche, Ewige zu kurz kommt, aus dem Wege zu gehen.

Zu den menschlichen Beziehungen, in denen das Leben Jesu hineingestellt ist, gehört nun nächst dem größeren Volksganzen, dessen Glied er war, seine galiläische Heimat. Den Kreis der Heiden nannte es schon jenes Jesajawort, denn neben und zwischen den Israeliten saßen noch viele andere Völkerschaften in dieser Landschaft — zum Teil infolge der wechselvollen Geschicke, welche sie erlebt hatte besonders herbeigelockt durch den regen Handelsverkehr, den die große Karawanenstraße von Damaskus nach der Mittelmeerküste in diese Gegend brachte. Dem jerusalemischen Juden galt

der galiläische Volksgenosse nicht als vollwichtig, wie jene Zweifelfrage des Nathanael erkennen läßt: Was kann von Nazareth gutes kommen? Und doch hatten diese Berge und Thäler, der Karmel und der Kischonbach mit der Ebene Jesreel die großen Entscheidungskämpfe der israelitischen Heldenzeit gesehen, und die Tapferkeit von Sebulon und Naphthali verkündete das Deboralied noch den spätesten Geschlechtern. Dazu kam eine Mannigfaltigkeit und Fülle der Naturausstattung wie nirgends sonst im jüdischen Lande. In einer Längenausdehnung nicht größer, als wie wir sie an hellen Tagen von unserem Zibinsgebirge bis zum Zeidener Berg übersehen, und höchstens halb so breit, reichte Galiläa einerseits fast bis an die Meeresküste, von der es nur der schmale Streifen phönizischen Landes trennte, andererseits bis an das malerische Gestade des herrlichen Sees Genezareth, des Edelsteins der Landschaft. Und zwischen beiden Berge, Hügel, Thäler in reicher Abwechselung, die Wohnsige einer dichtgedrängten äußerst rührigen Bevölkerung, die kein Pläßchen unbenußt ließ. Auf den Bergen weidet die Herde, an den sonnigen Abhängen wächst die Rebe, wechselnd mit Olive und Feige; in den Gärten graben sie, der Säemann bestellt im fruchtbaren Grunde das Land, das bis 100-fältige Frucht bringt und seine Scheunen füllt; und vollends das Ufer des fischreichen Sees mit seinen Städten und Flecken entlang der großen Handelsstraße bietet ein Bild bewegten Lebens und mannigfachster Hantierung, wie es uns aus den Gleichnisreden Jesu mit so wunderbarer Anschaulichkeit entgegentritt. Und um den ganzen Kreis menschlicher Daseinsformen auszumessen, fehlen auch der Könige Häuser nicht: unmittelbar am See die Stadt Tiberias oder Sepphoris, die Residenz des Herodes Antipas, des unter Roms Bot

mäßigkeit hier regierenden Landesherren; nördlich vom See Julias, und ein paar Wegstunden weiter am Abhang des Hermon Cäsarea Philippi, beides Städte des Philippus, eines Viertelsfürsten von gleicher Machtstellung, wie die des Herodes. So ziemlich in der Mitte zwischen dem Meer und dem See nahe dem Kreuzungspunkt zweier Handelswege liegt hoch an muldenförmigem Bergabhange das Städtchen Nazareth. Von den umgebenden Bergkuppen übersieht man das ganze Land bis hinauf zum schneebedeckten Hermon, während sich nach Süden der Blick in den Hügeln Samariens verliert. Hier wächst im kinderreichen Hause des Zimmermanns Josef sein Erstgeborner unter dem Segen ererbter jüdischer Familiensitte auf, die der Galiläer vielleicht nicht mit der herben Peinlichkeit aber dafür mit um so größerer Wärme und Innigkeit pflegt als der Stammesgenosse in Judäa. Die äußeren Verhältnisse allerdings bescheiden in einem Maße, von dem wir uns kaum eine Vorstellung machen können. Die vier Wände des Hauses aus luftgetrockneten Lehmsteinen aufgeführt, weiß getüncht, schließen einen flurartigen Raum mit einigen Schlafkammern auf beiden Seiten ein. Ein paar kleine Luftlöcher erseßen die Fenster. Auf dem flachen Dach befindet sich noch eine turmartige Kammer. Wohl bedarf man des Hauses unter dem milden Himmelsstrich auch nur wenig; das tägliche Leben spielt sich meist im Hofe ab. Die Lebensansprüche sind gering, das Handwerk des Vaters giebt in der dichtbevölkerten Gegend ge= nügenden Unterhalt, um nichts von drückender Sorge zu empfinden. Aber in dieser Enge und Dürftigkeit, wie sie uns erscheinen würde, welcher innere Reichtum, welche Fülle wertvollsten Lebensgehaltes! Selbst wenn die Überlieferung des Hauses dasselbe nicht zum Stamme

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