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wegen des zu Grunde gelegten Sagenstoffes mit Recht zum Muster diente. Schon die Zaubersphäre, in welcher sie sich bewegt, rechtfertigt eine gewisse Willkür in der Anlage, die ausgiebige Verwendung von geheimnißzvollen und geisterhaft dunkeln Gestalten, den Gebrauch so vieler Symbole und Allegorien, die verwegene Maschinerie der Bühne, das bunte Spiel des Wizes, den mystischen, in Ideen und Personen, wenigstens äußerlich, ganz mittelalterlichen Schluß, die freie Bewegung der Verse und vieles Einzelne. Ueber die Zulässigkeit solcher Freiheit läßt sich in gegebenen Fällen streiten. Im Ganzen will es uns nicht scheinen, als ob der Dichter in Fassung und Form auch des zweiten Theiles die Grenze. des Rechten weit überschritten habe; nur paßt dann hier zu der volksthümlichen Freiheit der Bewegung der classische Kunststil nicht mehr.

Man kann nicht erwarten, daß die Darstellung der Culturentwicklung im zweiten Theile eine solche subjective Wärme, psychologische Tiefe, so viel Leidenschaft verrathe, wie die ergreifenden Scenen des ersten Theiles. Hier ist Alles unmittelbarer Ausdruck des lebhaften Gefühls, durchaus menschlich und ungesucht; dort waltet in einer objectiven Welt statt der Unmittelbarkeit die Berechnung, statt der Natur die Kunst; ja eine gewisse gesuchte Künstlichkeit konnte bei der Schwierigkeit der Umrahmung so umfassender Gemälde und der Verkörperung so geistiger Gedanken nicht ausbleiben. Will man sich aber die Natur und Größe der Aufgabe recht vergegenwärtigen und weniger das Interessante als das Kunst- und Ideenreiche suchen und anerkennen, so wird man sich vielleicht auch über die Unverständlichkeit, Eintönigkeit und allegorische Blutlosigkeit des zweiten Theiles weniger beklagen. Ein guter Kern von Wahrheit ist freilich in diesen Ausstellungen nicht zu verGietmann, Parzival, Faust 2c.

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kennen. Man wird sogar den Vorwurf der Unnatürlichkeit in mancher Erfindung und in der Sprache nicht ganz abweisen können. Das sind eben Fehler des neuen classischen Stiles, welchen Göthe bei abnehmender Geisteskraft, wie es scheint, immer einseitiger ausbildete. Dieser Stil ist freilich idealer, würdevoller und kunstreicher; bei diesen Vorzügen, oder vielmehr bei der einseitigen Uebertreibung derselben, finden aber Individualität, Gemüth und Natur nicht immer ihre Rechnung. Das Spiel mit seltsamen Allegorien und noch seltsameren, das Alterthum schlecht vertretenden Gestalten der Mythe verdient auf keinen Fall als antik oder classisch zu gelten; es streift an Abgeschmacktheit und Eitelfeit. Manche Wortbildungen, Wendungen und Reime sind ganz unzulässig und unziemlich. Der erste Theil leidet seinerseits an dem Fehler der Regellosigkeit und noch mehr der Ueberschwänglichkeit in sachlicher und sprachlicher Hinsicht; er wirkt sehr aufregend, aber mehr auf die Sinne als den Geist. Einige aus dem Leben gegriffene Scenen zeichnen sich indessen ohne Zweifel durch unnachahmliche Frische und Natürlichkeit aus, und der tragische Widerstreit der beiden Triebe in der Menschenbrust ist vollends von erschütternder Wirkung. Dafür steht aber wieder Auerbachs Keller und Einiges in der Gretchengeschichte ziemlich tief, und darf man die Walpurgisnacht auf dem Blocksberg mit dem Nachspiel getrost zum dramatischen Unsinn rechnen. Andererseits fehlt es im zweiten Theile nicht an bewunderungswürdiger Erfindung, Jdeenreichthum und kunstvoller Einkleidung der Gedanken. In der Sprache herrscht sogar, Alles in Allem genommen, mehr Klarheit und Geschmack als in der an der Verschwommenheit und Ueberspanntheit der überwallenden Empfindung nicht selten theilnehmenden Darstellung jener älteren Stücke. Wie glücklich auch in den spätesten Theilen

oft Stimmung, Versmaß und Ausdruck harmoniren, erkennt man mit Erstaunen, wenn man etwa den V. Akt näher auf diese Eigenschaft prüft.

Unsere Stellung zu den Eingangs (Nr. 122) mitgetheilten Urtheilen dürfte hiermit nun auch genügend bestimmt sein; die Vergleichung mit den dem "Faust" verwandten Dichtungen wird weiter unten noch einige Ergänzungen bringen. Um jedoch unser Gesammturtheil noch einmal kurz auszusprechen, so glauben wir den Grundfehler des Faustdramas in der ausgesprochensten unchristlichen Weltanschauung zu finden, in welcher es vom Beginn bis zum Schlusse gedichtet ist. Was der Mensch ohne Glauben, Gnade, Kirche und Erlöser denkt und fühlt, hofft und liebt, strebt und lebt, inmitten einer christlichen Welt und ihr zum Trok, das ist Gegenstand dieses weitausschauenden Gedichtes. Es wirkt verderblich, wenn man sich in seiner Atmosphäre heimisch fühlt und auf seine Tendenz unvorsichtig eingeht. Tausenden mag es unerseßlichen Schaden für's Leben ge= bracht haben, und in die Hand der unbehutsamen Jugend gehört es auf keinen Fall; es würde den kindlichen Glauben gefährden und durch lüsterne Bilder, hie und da durch eigentliche Zoten die Reinheit beflecken. Die seltene Wahrheit freilich, mit welcher Stimmung und Schicksal des Helden (bis zu dem handgreiflich überstürzten Schlusse) gezeichnet werden, benimmt für den gereiften und einsichtsvollen christlichen Leser dem Gifte seine schlimmste Wirkung, indem er die Gnade des Glaubens um so höher schätzen lernt, je mehr er die Rath- und Aussichtslosigkeit des Unglaubens meint mit Händen greifen zu können. Nichts wirkt tragischer auf das christliche Gemüth, als wenn es einen Göthe an der Aufgabe scheitern sieht, Aufschluß über die entscheidendsten Lebensfragen zu geben. Doch wie viele lesen wohl den

"Faust", welche so befestigt sind in der christlichen Ueberzeugung und den erforderlichen Ernst und Bildungsgrad mitbringen, um den Weizen von der Spreu, die heilsame Frucht von den Giftbeeren zu scheiden? Auch manche zum Theil tief einschneidende stilistische und ästhetische Mängel zieht jener religiös-sittliche Grundfehler nach sich, vor Allem die Verkennung jener wesentlichen Anforderung des Stoffes, daß das innere Seelenleben des Helden auch im zweiten Theile den Kern- und Lichtpunkt der Dichtung ausmache. Demnächst sind die zahlreichen Abschweifungen vom Gegenstande, die sich durch nichts rechtfertigen, scharf zu rügen. Die übrigen Fehler des Dramas sind von untergeordneter Bedeutung und, nach unserer Ansicht, überhaupt nicht so groß, wie sie oft dargestellt werden. Der „Faust“ ist durchaus nicht arm an ächter Poesie, ja vermöchte, bei besserer Grundrichtung, wohl manche sonst gefeierte Werke der Literatur aufzuwiegen. Wegen der Gefahren für Glaube und Sittlichkeit jedoch, welche er vielen, ja sehr vielen Lesern bereiten muß, kann die Lesung desselben nur wenigen empfohlen werden, und namentlich solchen „Lesern“ nicht, welche ihn (auch den zweiten Theil!) zu studiren voraussichtlich weder Lust noch Fähigkeit haben. Wer aber, mit der nöthigen Vorbildung ausgerüstet und gegen die Gefahren gefeit, aus Beruf oder einem wichtigen Grunde das schwierige Gedicht gelesen hat, wird doch nur zu oft die große Mühe schlecht belohnt finden. Der Dichter selbst ist dem Ueberdrusse mehr als einmal erlegen 1.

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Vgl. Adam Müller, Ethischer Charakter von Göthe's Faust. Dieses Werk ist leider erst eben zu unserer Kenntniß gelangt und hat nicht mehr benügt werden können.

Gesammtbild des Menschenlebens

im Spiegel classischer Dichtungen.

„Laßt uns das lehte Wort von Allem hören: Fürchte Gott und halte Seine Gebote! Denn das ist der ganze Mensch.“

(Pred. 12, 13.)

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