Wahrhafter Rächer der Schuld bist du, Gebetsherr, laß uns besiegen den Zorn des bösen Feindes! Er, dem man ruft in Schlachten, sich naht mit Ehrfurcht, der kommt in Kämpfen und Beut' um Beute austeilt, Er, der Gebetsherr, trieb weg wie einen Wagen all unsre Feinde, die schaden wollten. Mit feuriger Glut versenge die Dämonen, die dich bewährten Helden gelästert haben! Vernichte die Dämonen, die ringsum flüstern! Opfergeborner, die wollst du uns verleihen! und geben nichts auf Lieder, Herr der Gebete! gingen die Berge entzwei vor deinem Glanze. da los der Wasser dunkelumhüllte Wogen. Sei du, Herr der Gebete, auch diesem Liede ein Führer, laß gedeihn auch unsre Enkel! Das, was die Götter fördern, ist alles glücklich: laß reich an Helden uns laut beim Feste singen! (Dilger, a. a. D. S. 52-54.) Jeder Leser der Weda-Lieder wird darüber befremdet sein, daß das, was in einem Lied einem bestimmten Gott zugeschrieben wurde, in einem andern als Tat eines andern Gottes gepriesen wird, daß fast jeder Gott so gepriesen wird, als ob er der Allerhöchste wäre. Dieser Kathenotheismus oder Henotheismus, wie M. Müller ihn nennt, ist kein Monotheismus; es werden tatsächlich viele Götter angerufen; aber er läßt sich aus cinem ursprünglichen Monotheismus leichter erklären als aus einem ursprünglichen Polytheismus. Die indischen Götter find nicht so plastische Gestalten, wie die griechischen; Maßlosigkeit ist das Charakteristische des Hinduismus, und der Henotheismus geht, wie wir in den späteren Weda-Liedern sehen, über in den Pantheismus. Auch in sittlicher Beziehung ist der Übergang vom Waruna- zum Indradienst eine absteigende Linie. 2. Das Verhältnis der Menschen zu den Göttern in den Die Weda-Lieder sind Opferlieder. Da jedoch die erklärenden Brahmana - Schriften größtenteils aus späterer Zeit stammen und die Anschauung einer späteren Zeit in die Lieder hineintragen, ist es schwierig, den Kultus des indischen Volkes zur Zeit der ältesten Lieder genau darzustellen. Immerhin geben die Lieder selbst und die Vergleichung mit der altpersischen Religion einige Anhaltspunkte für die älteste Zeit. Nirgends findet man in den Liedern eine Spur von Tempeln und Götterbildern. Der Opfernde bestreut einen Plaz, der zum Opfern geeignet ist, mit Opfergras, auf welchem die Götter sich niederlassen sollen, um die dargebrachten Gaben in Empfang zu nehmen: Milch, Butter, Reis, Gerste und den Somatrank. Aber auch Tieropfer wurden dargebracht, in älterer Zeit weit mehr als später, wo sie ohne Zweifel durch den Einfluß des Buddhismus reduziert wurden. Das größte und kostbarste ist das Roßopfer, welches die Könige bei feierlichen Gelegenheiten spendeten, wo eine Menge von Priestern funktionierte. Aber auch schon beim gewöhnlichen Opfer begegnen uns im Rig-Weda 4 verschiedene Arten von Priestern: der Hotar hat die Lieder aufzusagen, der Udgâtar hat zu singen, der Adhwarju hat die äußeren Geschäfte zu besorgen, und über den dreien steht der Brahman, der Oberpriester, welcher darüber zu wachen hat, daß alles gesetzmäßig zugehe. Wenn die Bitte nicht gewährt wurde, ließ sich bei dem schon in alten Zeiten komplizierten Ritual irgend ein Fehler nachweisen. Schon von den Brahmanen des Jadschur - Weda sagt v. Schröder: „Wir werden sie nicht freisprechen können von dem Vorwurf, Gebet und Opfer schamanisch zu mißbrauchen. Das Opfer mit seinen einzelnen Teilen, Sprüchen und Verrichtungen ist zum mächtigen Zaubermittel geworden, das in der Hand der Kundigen zu den höchsten Zwecken ver hilft. Sei er Mensch oder Gott: vom Opfer hängt er ab, und Höheres, Mächtigeres kann er nicht erringen als jene felsen= feste Kenntnis des Rituals, die auch in den kleinsten Kleinig= feiten nicht schwankt. Sie wird zur Waffe in seiner Hand, zur gewaltigen, siegreichen Waffe, der sich alles im Himmel und auf Erden beugen muß. In Maitr. Sanh. 1, 11, 3 heißt es: die Lebenskraft wird durch das Opfer, der Odem wird durch das Opfer, das Auge wird durch das Opfer, das Gehör wird durch das Opfer, der Geist wird durch das Opfer u. s. m." (v. Schröder, Indiens Literatur und Kultur, S. 118. 141. 137). - So sehen wir schon im Jadschur-Weda die Anfänge der brahmanischen Priesterherrschaft, wiewohl das Kastenwesen noch nicht so ausgebildet ist, wie später, und die pantheistische Weltanschauung muß dazu helfen, daß die Bramahnen zu Göttern der Erde werden. Die Opfer, die religiöse Ordnung (rita) und der religiöse Glaube, nicht die einzelnen Götter, werden die höchste Großmacht des indischen Völkerlebens“ (Happel, Die religiösen und philosophischen Grundanschauungen der Inder, G. 28). Bitten um geistliche Güter oder um die Gemeinschaft mit Gott, wie in den Psalmen, sucht man vergeblich in den WedaLiedern. Reichtum an Kühen und Rossen ist die am häufigsten wiederkehrende Bitte, dazu etwa Kindersegen und Gesundheit. Wohl tritt in den Waruna-Liedern das Schuldbewußtsein hervor, aber auch die Sünde wird mehr und mehr nur als eine äußere Übertretung der Saßungen angesehen. Für das Opferfeuer bildet die Grundlage das Herdfeuer, welches der Hausvater nach der Hochzeit anzünden und mit täglichen Spenden unterhalten mußte (garhapatyâgni). Zu diesem kamen aber bei feierlichen Opfern noch zwei weitere Feuer, die am Herdfeuer entzündet werden mußten: das eigentliche Opferfeuer (âhavaniya), welches die Götter herbeirufen sollte, und das Südfeuer (dakschinâgni), welches die Dämonen und die abgeschiedenen Geister abwehren sollte, damit sie das Opfer nicht stören. Man tötete das Opfertier, indem man zu ihm sagte: „du stirbst nicht, dir geschieht kein Leid; zu den Göttern gehst du auf schönem Pfade" (R. V. I, 162, 21). Die Tötung wurde durch Ersticken oder Erwürgen ohne Blutvergießen bewirkt. Man suchte dabei zu vermeiden, daß das Tier einen Laut ausstieß; die Hauptpersonen des Opfers wandten den Rücken, bis der Tod des Tiers eingetreten war (Oldenberg, R. d. V. S. 359 f.). Beim Beginn der drei Jahreszeiten, Frühling, Regenzeit und Herbst, sowie an jedem Neumond und Vollmond gab es regelmäßige reichlichere Festopfer. Mit der Entstehung der Welt und des Menschen beschäftigen sich namentlich einige spätere Weda - Lieder, welche schon entschieden pantheistisches Gepräge tragen. Im Henotheismus der früheren Lieder werden die verschiedensten Götter als Schöpfer und Herrscher der Welt gefeiert: Waruna, Indra, Agni, Surja, Soma u. a. Der Name Wischwakarman (Weltenschöpfer), welcher in früheren Hymnen dem Indra beigelegt wurde, ist in R. V. X, 81 zum Namen eines besonderen Gottes geworden. Der Weltschöpfer wird in diesem Liede als Priester dargestellt, der sich selbst, Erde und Himmel opfert. Er wird als riesenhafter Schmiedmeister dargestellt, der mit seinen mächtigen Armen, welche zugleich als Flügel zum Anfachen des Feuers dienten, die ganze Welt zusammenblies. Wo war sein Standort? Woher nahm er das Material zu diesem Bau? Diese Fragen werden in dem Liede gestellt, aber nicht beantwortet. Außer Wischwakarman wird auch Pradschâpati als Schöpfer genannt. Aber er ist ebenfalls kein vor allem eristierender persönlicher Schöpfer, sondern aus dem Urmeer hervorgegangen. Wir fügen noch zwei Lieder aus dem lezten Buch des Nig-Weda bei, welche sich mit der Entstehung der Welt beschäftigen, aber schon sehr die Weltanschauung der folgenden Periode des Brahmanismus verraten. Das eine ist das Nâsadîya Sûkta, R. V. X, 129: Nicht war das Sein, nicht war das Nichtsein damals, und außer diesem Einen war kein andres. Als rings umhüllt von Öde war das Leere, da durch der Büßung Macht entstand das Eine. Zuerst entwickelte sich die Begierde, fie war des Geistes früheste Befruchtung. Weise, die forschten mit Verstand im Herzen, fanden in ihr das Band des Seins und Nichtseins. Quer hingespannt war damals ihre Meßschnur: ob sie wohl unten war, ob wohl darüber? Befruchtende, gewaltige Wesen waren's: Behagen unten und Gewährung oben. Wer weiß es wohl, wer mag es hier verkünden: wer weiß es dann, woher ist es gekommen? ob sie geschaffen ward, ob nicht geschaffen, er weiß es wohl; oder weiß auch er es nicht? Während hier Fragen gestellt werden, weiß der Verfasser des Puruscha Sûkta (R. V. X, 90) den Hergang genauer darzustellen, aber so, daß auch hier die Entstehung der Welt mit der Idee des Opfers verquickt und ein wunderliches Durcheinander von phantastischen Vorstellungen erzeugt wird: V.6—16. Als mit dem Urgeist, als dem Opfertiere, die Götter einst ein Opferwerk vollbrachten, den Urgeist, der im Anfang ward geboren: die Götter, welche Sâdhja sind und Rischi. und alles, was besißt zwei Reihen Zähne: wie viele machten sie aus ihm der Teile? Was nennt man seine Schenkel, seine Füße? |