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Eine genauere Kenntnis der Religionen, wie sie seit Hegels Zeiten namentlich durch die Erforschung der orientalischen Literatur möglich geworden ist, hat gezeigt, wie die Hegelschen Stichworte nicht immer die betreffende Religion richtig charakterisieren. Die ganze Entwicklung des Religionsbegriffs entspricht der biblischen Anschauung nicht, und es muß uns auffallen, daß das Judentum bei Hegel niedriger tariert wird als die griechische und die römische Religion. Überdies wird der Mohammedanismus, eine Religion von mehr als 200 Millionen Anhängern, in Hegels Religionsphilosophie mit keiner Silbe erwähnt. Nach Hegels philosophischem System sollte eigentlich der Islam höher stehen als das Christentum, weil er später entstanden ist; aber um dies zu behaupten, war Hegel doch noch ein zu guter Christ, und so wurde diese Religion ignoriert.

Pfleiderer hat die Religionen eingeteilt in naturbefangene (heidnische) und naturfreie, so daß zu den lepteren gehört: der Mosaismus als die Verehrung des Übernatürlichen nach seiner Erhabenheit über der Natur, das Christentum als die Verehrung des Übernatürlichen nach seiner Versöhnung mit der Kreatur, und der Islam als die Verehrung des Übernatürlichen in seinem Rückfall in die Natur. Allein auch hier wird ein Merkmal auf Kosten von andern. hervorgehoben. Tiele unterscheidet Naturreligionen und ethische Religionen, Siebeck: Naturreligion, Moralitätsreligion und Erlösungsreligion. Allein der Unterschied zwischen Naturreligion und Moralitätsreligion läßt sich innerhalb des Heidentums nicht überall genau feststellen.

Bei dieser Schwierigkeit, die Religionen nach ihrem Wesen zu klassifizieren, hat Mar Müller die philologisch-ethnographische oder genealogische Einteilung als die einzig richtige bezeichnet, d. h. die Religionen werden nach der sprachlichen Verwandtschaft der Völker zusammengestellt. Dieser Einteilung sind auch die zwei neuesten Lehrbücher der Religionsgeschichte im wesentlichen gefolgt: Chantepie de la Sausfaye, Lehrbuch der Religionsgeschichte (2 Bände, 2. Aufl. Freiburg u. Leipzig 1897), und C. v. Orelli, Allgemeine Religionsgeschichte (Bonn 1899).

Wir werden als Unterabteilung diese Einteilung nach der sprachlichen Verwandtschaft gelten lassen, aber für die Haupteinteilung eignet sie sich nicht; denn da kommen z. B. in der

semitischen Familie zu verschiedenartige Religionen unter eine Rubrik.

Wir müssen vor allem eine Abteilung von Religionen ausscheiden, bei welchen wir keine Religionsgeschichte geben können, sondern nur eine Religionsbeschreibung, weil die betreffenden Völker keine Literatur haben, und wir also von dem Stand ihrer Religion in früheren Jahrhunderten nichts wissen. Das sind die unkultivierten Völker in den vier außereuropäi= schen Erdteilen. Diese Völker sind nicht zu einem größeren Ganzen zusammengewachsen, und die Wesen, welche von ihnen verehrt werden, sind lokal verschieden; aber wir werden sehen, daß die Art und Weise ihrer Religion merkwürdig zusammenstimmt, daß sie die Idee des einen Gottes weit mehr bewahrt haben als die Kulturvölker, daß aber nicht dieser eine Gott, sondern Geister, welche ste selbst als Gott untergeordnete bezeichnen, von ihnen verehrt, mit Opfern besänftigt und durch Zauberei überwunden werden müssen. Es hätte keinen Wert, wenn wir alle diese Religionen im einzelnen darstellen wollten. Wir können uns mit einigen Beispielen begnügen. Diese Religionen der sogenannten Naturvölker stellt auch Chantepie de la Saussaye als ersten Abschnitt voran.

Das biblische Wort für Heiden, sowohl das griechische als das hebräische, bezeichnet ursprünglich Völker. Während in der Bibel kein Zeitpunkt angegeben ist, wann das Heidentum entstanden sein soll, werden wir wohl annehmen dürfen, mit der Zerteilung der Menschheit in einzelne Völker, nach dem babylonischen Turmbau, sei nach biblischer Anschauung auch das Heidentum entstanden. Bei den Kainiten haben wir keine Andeutung über eine heidnische Religion. Wir werden annehmen müssen, ihre Abwendung von Gott sei bewußter Unglaube gewesen, der mit der Vertilgung des ganzen Geschlechts gestraft wurde. Nach der Sintflut erscheint die Sprachenverwirrung und die Zerteilung der Menschheit in verschiedene Völker einerseits als Strafe für den neuen Abfall, andrerseits aber werden wir die Entstehung des heidnischen Aberglaubens als eine Wohltat für die abgefallene Menschheit betrachten müssen, sofern dieselbe nicht ganz religionslos geworden ist, nicht in einen so direkten Gegensatz gegen Gott sich stellen konnte wie die Kainiten. Wie der Tod einerseits eine Strafe für den

Sündenfall ist, andrerseits eine Wohltat für den fündigen Menschen, sofern dieses sündige Leben nicht ewig dauert, so weiß die göttliche Weisheit allenthalben die Strafen in Wohltaten für den sündigen Menschen zu verwandeln.

Während die unkultivierten Völker sich nicht in größerer Anzahl zusammenschlossen, haben die Kulturvölker selbständige Nationen gebildet, welche in Sprache, Sitten und Religion gegen andere Nationen sich abschließen und durch feste Ordnungen für das ganze politische und religiöse Leben zusammengehalten werden. Die politische Organisation muß als geheiligt und unantastbar dargestellt werden durch das religiöse Gesek. Die Priesterschaft ist bei den religiösesten Völkern ein sehr einflußreicher Stand, in Indien wie in Israel an die Abstammung von einem besonderen Geschlecht gebunden. Je einflußreicher die Priesterschaft ist und je häufiger Opfer dargebracht werden, desto ausgebildeter ist auch das Opferritua I. Es ist zum festen Gesek geworden. Blutige Opfer finden wir allenthalben in den Nationalreligionen. Eine Symbolik führt das Volk in die religiösen Ideen ein und hält es in einem gesezlichen Ritus fest. Wie man den Kindern durch Bilder die religiösen Ideen beibringen muß, so erscheint auch im Kindesalter der Menschheit die Symbolik als die angemessene Kultusform.

Daran schließt sich bei phantasiereicheren heidnischen Völkern die Mythologie, in welcher der dichterische Sinn im Blick auf die umgebende Natur und die Lebensverhältnisse der Menschen, auch im Zusammenhang mit sprachlichen Eigentümlichfeiten, in jedem einzelnen Volk auf besondere Weise das göttliche Wesen ausmalt. So verliert sich die Idee des einen Gottes in der Mannigfaltigkeit der Naturgewalten, welche dichterisch personifiziert werden, und in der Vielheit der Völker, welche ihre Nationalgötter haben. Aber es sind im Unterschied von den unkultivierten Völkern nicht sowohl Dämonen, welche durch Opfer beschwichtigt oder durch Zauberei ausgetrieben werden müssen, sondern gute Götter, wiewohl auch bei Kulturvölkern noch Elemente der Zauberei vorkommen. Die Wahrsagerei spielt noch eine große Rolle; doch ist sie etwas kultivierter in Orakeln, Auguren u. dergl.

Wir werden also die Nationalreligionen als eine besondere Klasse von Religionen bezeichnen dürfen, und zu den

Nationalreligionen gehört auch die des Volkes Israel. Durch göttliche Führung wird dieses Volk abgesondert von den andern Völkern, durch göttliche Offenbarung wird es vor Vielgötterei bewahrt und mit dem reinsten Sittengeset des Altertums, mit einem reichen Opferritual, mit einer schönen Symbolit und mit einem an ein besonderes Geschlecht gebundenen Priesterstand ausgestattet. Wir sehen: troß der göttlichen Offenbarung bleibt es auf derselben religionsgeschichtlichen Entwicklungsstufe wie die damaligen Heidenvölker, soweit es sich um nationale Formen handelt. Es muß auch das Kindesalter der Menschheit mit seiner Symbolik durchmachen.

So hätten wir als zweiten Teil der Religionsgeschichte die Nationalreligionen: die heidnischen Nationalreligionen, die wir dann nach der Sprachverwandtschaft zusammenstellen, und die israelitische Religion, von der wir nur die mit den heidnischen parallelen oder abweichenden Grundzüge und die Einwirkungen der benachbarten heidnischen Religionen besprechen.

Wie der einzelne Mensch über das Kindesalter hinausstrebt und die Wahrheit ohne Bild erfassen möchte; wie der einzelne Mensch nicht immer unter dem Gesez und unter der Vormundschaft stehen, sondern selbständig werden möchte; wie er erkennt, daß die symbolischen blutigen Opfer ihn doch nicht reinigen können von seinen Sünden, und nach einem Erlöser sich sehnt: so sehen wir auch in der Geschichte der Religionen einen Fortschritt über das Kindesalter hinaus. Die Gesezesreligion kann den Menschen nicht auf die Dauer befriedigen, die Priesterschaft soll nicht immer zwischen Gott und dem Menschen stehen, der Mensch möchte unmittelbar zu Gott kommen und die Wahrheit ohne Symbol erfassen. Die blutigen Opfer verlieren ihre Bedeutung, denn der Mensch braucht einen Erlöser, eine Person, durch deren Vermittlung er wirklich aus der Sünde und ihren Folgen herauskommt; ja die Schranken zwischen den einzelnen Ständen und den einzelnen Nationen werden aufgehoben: eine erlösende Universalreligion für die ganze Menschheit wird. verkündigt.

Diese Gedanken bewegten nicht nur die alttestamentlichen Propheten, sie wurden schon 500 Jahre vor Christi Geburt

auch an den Ufern des Ganges verkündigt. Der Erlöser schien gekommen zu sein, der den Pfad gezeigt hat, freilich zu einer bloß negativen Erlösung, so daß es dem Menschen als das größte Glück erscheint, wenn mit dem Tod alles aus ist. Aber es haben Millionen von Menschen die Erlösung durch Buddha als die frohe Botschaft angenommen, und diese Religion hat sich über ihr Heimatland hinaus in ganz Ostasien verbreitet. Sie macht den Anspruch, Universalreligion zu werden wie das Christentum.

So zeigt die Religionsgeschichte, wie auch die außerhalb der göttlichen Offenbarung stehende Menschheit nach demselben Ziele strebt, welches durch die Offenbarung erreicht wird. Aber der Buddhismus bleibt der Versuch einer erlösenden Universalreligion. Nur das Christentum kann wirklich die Erlösung bringen, auch nicht die 600 Jahre später entstandene Religion, welche die ganze Welt erobern möchte.

Die Juden erwarteten einen Messias, der sie von der Herrschaft der Römer befreien und neben der religiösen Erneuerung fie zum ersten Volk der Erde machen sollte. Wir sehen in der Versuchungsgeschichte, wie verlockend der Satan Jesum dazu verführen wollte. Die Verbindung von neuen religiösen und patriotischen Ideen ist im stande, große Massen in heiliger Begeisterung mit fortzureißen und alle kleinlichen Hindernisse zu überwinden.

Was Jesus abgewiesen, das hat 600 Jahre später Mohammed übernommen: er ist ein solcher Messtas geworden, der mit den neuen religiösen Ideen auch eine politische Herrschaft anstrebt, und Gott hat es als Zuchtrute für die entartete Christenheit geschehen lassen, daß auch dieses falsche Messiasreich aufgerichtet wurde. Der reine Monotheismus, der geistliche Charakter des Gottesdiensts, der keine Bilder braucht, kann dem aus dem Heidentum herausgekommenen Menschen imponieren. Aber erlösen fann der Islam die Menschheit nicht, sondern nur fanatisieren. Geist und Fleisch bleiben immer gemischt. Die Nationalreligion ist nicht wirklich abgestreift, die Völker werden arabisiert, der Koran darf in keine andere Sprache überseßt werden. Der religiöse Fortschritt ist nur theoretisch, nicht praktisch, nicht geistlich-sittlich. Aber den Anspruch, Universalreligion zu werden, macht auch der Islam.

So hätten wir als die drei Teile der Religionsgeschichte:

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