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durch Blut vermittelter Zauber kann den Toten für eine Weile das Bewußtsein wieder geben. So findet sie Odysseus auf seiner Hadesfahrt. In einer zweiten Abteilung des Totenreichs, in welche Hermes Psychopompos die Schatten der Freier führt, haben die Schatten, die dort wohnen, wie Agamemnon, wenig= stens die Erinnerung an die Vergangenheit bewahrt.

Neben der Vorstellung, daß das Leben im Totenreich nur eine schattenhafte Fortseßung des Diesseits sei, findet sich auch schon in einzelnen homerischen Stellen die strafende Gerechtigkeit in der Erings, welche namentlich den Meineid rächt (Jl. 3, 279; 9, 571; 19, 260). Später werden die Erinyen zu einer Mehrzahl. Im Reich des Hades hält Minos Gericht über die Toten; Orion beschäftigt sich, wie auf Erden, mit der Jagd; dem Tithos wird von zwei Geiern die Leber zerfleischt zur Strafe dafür, daß er sich an der Leto vergriffen; Tantalos steht in einem Teich und verschmachtet, da das Wasser, so oft er trinken will, zurückweicht, ebenso die herrlichen Früchte über ihm, so oft er darnach greift; Sisyphos muß einen Stein bergan wälzen, der immer wieder hinabrollt (b. 11, 576 ff.). Bei Pindar findet sich auch die Sage von Irion, der an ein feuriges Rad gebunden rastlos umgetrieben wird, weil er nach der Liebe der Hera trachtete; bei späteren Schriftstellern die Sage von den Töchtern des Danaos, welche Wasser in ein durchlöchertes Faß schöpfen müssen, weil sie ihre Männer im Schlaf ermordet hatten. So hat die griechische Phantaste die Höllenqualen in ergreifender und doch nicht zu krasser Weise ausgemalt.

Die homerische Vorstellung vom Elysion, einem seligen Aufenthalt, gehört eigentlich gar nicht in die Lehre vom Totenreich, denn Menelaos wird nicht als gestorben, sondern als lebend dorthin entrückt, Od. 5, 560 ff.:

„Nicht ist Dir es beschieden, erhabener Fürst Menelaos,

Im rosseweidenden Argos den Tod und das Schicksal zu dulden; Nein, fernab zur Elysischen Flur, zu den Grenzen der Erde, Senden die Götter dich einst, die unsterblichen, wo Rhadamanthys Wohnt, der blonde, und leichtestes Leben den Menschen beschert ist, (Nie ist da Schnee, nie Winter uud Sturm noch strömender Regen, Sondern es läßt aufsteigen des Wests leicht atmenden Anhauch Immer Okeanos dort, daß er Kühlung bringe den Menschen), Weil du Helena hast, und Eidam ihnen des Zeus bist."

Diese elysischen Fluren sind nicht ein Teil des Hades, aber auch nicht der Götterhimmel, sondern ein seliger Aufent= halt an den Grenzen der Erde, wohin einzelne Günstlinge der Götter entrückt werden. Menelaos kommt dahin nicht wegen besonderer Werke, sondern als Gemahl der Helena, der Tochter des Zeus. Dagegen Hesiod spricht von Inseln der Seligen am Okeanos als einem Aufenthalt von Gestorbenen, wo die Heroen seines vierten Zeitalters unter der Herrschaft des Kronos ein glückliches Leben führen. Pindar läßt nach orphischpythagoreischer Lehre zu den seligen Inseln diejenigen Menschen gelangen, welche dreimal auf der Oberwelt und in der Unterwelt unsträflich gelebt haben. Dort ist die Burg des Kronos und Rhadamanthys als Richter. Dort wohnt auch Achilleus.

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Die eleusinischen Mysterien laden ein mit der Verheißung: „Selig der Mensch, welcher diese heiligen Handlungen geschaut hat; wer aber uneingeweiht ist und unteilhaftig der heiligen Begehungen, der wird nicht gleiches Los haben nach seinem Tode, im dumpfigen Dunkel des Hades." Den Eingeweihten wird also ein bevorzugtes Schicksal nach dem Lode verheißen. Aber schon im Leben, heißt es weiter, ist hoch beglückt, wen die beiden Göttinnen lieben; sie schicken ihm Plutos, den Reichtumspender, ins Haus als lieben Herdgenossen. Dagegen wer Kore, die Herrin der Unterwelt, nicht ehrt durch Opfer und Gaben, der wird allezeit Buße zu leisten haben" (Rohde, a. a. D. S. 259). Man hat schon vermutet, in den Mysterien sei das Verschwinden des Samenforns in der Erde und das Wiederaufkeimen als Vorbild für das Schicksal des Menschen gelehrt worden. Aber man hat dafür keinen Anhaltspunkt, und die Lehre von der Auferstehung des Leibes wäre dann wohl den Griechen kein so fremdartiger Gedanke geblieben. Immerhin sind die Vorgänge in der Finsternis, die Schrecknisse und Schauer vor der Weihe, die nach Plutarch der Erscheinung eines wunderbaren Lichtes, freundlicher Gegenden und heiligen Gesängen vorangingen, sicherlich für viele ein Sinnbild für die Wanderung der Seele durch Dunkel zum Licht geworden. Ein Anziehungspunkt für viele waren jedenfalls auch die prächtigen, geräuschvollen Aufzüge und die mannigfaltigen Spielereien und Neckereien, welche mit den auf eine ganze Woche sich erstreckenden Festlichkeiten verbunden waren.

Daß die Griechen über die homerische Anschauung vom

Jenseits hinausgekommen sind und die Seele als eine ewige, ihrem Wesen nach unsterbliche Substanz erkannt haben, werden wir nicht zum wenigsten dem Einfluß der Platonischen Philosophie zuschreiben dürfen. Wenn auch die Präeristenz der Seele, welche Platon gelehrt hat, nicht allgemein angenommen wurde, und wenn in dieser Philosophie der Leib nur zu sehr als Kerker der Seele erscheint, so ist doch die Selbständigkeit der Seele und ihre Unsterblichkeit in einer Weise betont worden, daß auch christliche Kirchenlehrer sich gerne an diese Philosophie angeschlossen haben.

Noch müssen wir eine Art des Gottesdienstes besprechen, welche mit dem Unsterblichkeitsglauben näher zusammenhängt: den Heroendienst. Die Griechen verehrten eine ganze Reihe von Wesen, welche nach der Sage ursprünglich Menschen waren. An ihrer Spize steht Herakles, der Mann von unbezwingbarer Stärke, der Nationalheld der Griechen, der Sohn des Zeus und der Alkmene, der Gattin des Königs Amphitryon in Tiryns. Namentlich zwölf Heldentaten, welche er in seiner Dienstbarkeit bei Eurystheus ausführte, werden besungen. Von denselben lesen wir das Heraufholen des Kerberos schon bei Homer. Hesiod erwähnt den Kampf mit dem nemeischen Löwen, mit der lernäischen Wasserschlange, bei welcher für einen abgehauenen Kopf immer zwei hervorwuchsen, und den Raub der Rinder des Geryones. Der erymanthische Eber, welcher Arkadien verwüstete, die Reinigung des Augiasstalls in Elis und die übrigen Heldentaten finden sich bei Pindar und den Tragikern, und alle der Reihe nach erzählt in Apollodors „Bibliothek“ aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. Herakles hat die Welt von allerlei Übeln gereinigt, und nachdem er gerungen, gedient und geduldet, gefehlt und gebüßt, ist er von dem Scheiterhaufen auf dem Deta, den er für sich selbst anzünden ließ, unter dem Rollen des Donners in den Götterhimmel erhoben worden, wo er als Gatte der Hebe in ewiger Jugend lebt. - Die Grundlage für die Sage bildete ohne Zweifel ein Held aus dorischem Stamm. Aber die Heraklessage ist wahrscheinlich mit Lokalgöttersagen und auch mit auswärtigen Götter- und Heldensagen verbunden worden, als die Griechen ein Handelsvolk geworden waren. Ob er ursprünglich Sonnengott gewesen und erst später zum irdischen Helden geworden sei, wie manche neuere annehmen, ist sehr zweifelhaft. Es ist Mode geworden, allen Euemerismus

zum voraus abzuweisen, d. h. alle Erklärung von Mythen aus geschichtlichen Tatsachen, wie sie Euemeros um 300 v. Chr. versucht hat. Wenn auch das Schema des Euemeros einseitig ist, so ist doch die Abweisung aller Erklärung aus historischen Tatsachen, die von der absichtslos dichtenden Sage gesteigert wurden, ebenso einseitig. Denn man verliert damit vollends alle Anhaltspunkte für die Kenntnis der ältesten Geschichte; und die Ausgrabungen haben bewiesen, daß Troja, Mykenä, Tiryns und andere Königssige existiert haben, deren Könige man zu Göttern machen wollte. Vollends bei einer Person wie Herakles, die von der Sage selbst als Mensch bezeichnet wird, handelt es sich gar nicht um Euemerismus, wenn man einen historischen Ausgangspunkt annimmt. Daß in der Vorzeit stärkere Menschen gelebt haben, ist in der Erinnerung vieler Völker erhalten geblieben.

Herakles ist vollständiger unter die Götter aufgenommen worden als andere Heroen, welche von Hesiod Halbgötter genannt werden. Ebenso Theseus, der jonisch-attische Held neben dem dorischen Herakles. Theseus soll neben vielen andern rettenden Heldentaten den Minotauros im Labyrinth zu Kreta getötet haben, welchem die Athener alle neun Jahre fieben Jünglinge und sieben Jungfrauen opfern mußten. Durch den Faden der Ariadne fand er den Ausgang aus dem Labyrinth. Mit Herakles soll er die Amazonen bestegt haben. Der schon genannte Prometheus gehört unter die Halbgötter, auch die meisten trojanischen Helden, namentlich aber einzelne lokale Größen. Der Kultus derselben schloß sich vorzugsweise an ihre Gräber an. Rohde zieht daraus den Schluß, daß der Heroenkultus auf dem Ahnenkultus beruhe, daß bei einem allgemeinen Ahnenkultus die Ahnen vornehmer Geschlechter auf diese Weise verehrt worden seien (Rohde, a. a. D. S. 147). Allein der Ahnenkultus wird von neueren Religionshistorikern in unberechtigter Weise zu einer allgemeinen Schablone gemacht (wie auch der Totemismus, wo Tiere verehrt werden). Allgemeinen Ahnenkult haben wir in China kennen gelernt. In dieser Weise finden wir ihn in Griechenland von alters her nicht; sonst müßte die Anschauung der homerischen Gedichte vom Jenseits eine andere sein. Durch die Ausgrabungen sind Königsgräber geöffnet worden, und wenn in denselben Spuren von Totenopfern sich finden, so ist damit Wurm, Religionsgeschichte.

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ein Heroenkultus konstatiert, aber nicht ein allgemeiner Ahnenkult. Der Heroendienst kommt nicht vom allgemeinen Ahnendienst her, sondern eher das Umgekehrte. Die Ahnen der hervorragenden Familien werden verehrt, andere möchten die ihrigen auch emporbringen. Auch der Heiligendienst in der christlichen Kirche ist nicht aus einem allgemeinen Ahnendienst hervorgegangen, sondern der Personen, welche durch ihr Wirken und Leiden Hervorragendes für die Gemeinde geleistet, hat man nach ihrem Tode gedacht. Wenn wir also in der späteren griechischen Religion einen weit verbreiteten Totenkult finden, werden wir denselben nicht aus den ältesten Zeiten ableiten, sondern eher als eine spätere Erweiterung des Heroendienstes ansehen dürfen. Eine mit der Zivilisation verbundene Sentimentalität erzeugt gerne einen allgemeinen Totenkult.

5. Kultus, Verfassung und Sittlichkeit in der griechischen Religion.

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Der Kultus war in der griechischen Religion eine Angelegenheit des Staats. Jeder Bürger war verpflichtet und berechtigt, sich daran zu beteiligen. Der Staat trug die meisten Kosten des öffentlichen Kultus und ruhte selbst auf religiöser Grundlage. Die Alten konnten sich die Familie, den Stamm, selbst künstlich gemachte Abteilungen, wie die Phylen des Kleisthenes, und auch den Staat nur als Kultusgemeinschaft denken; der Staat betrachtete dementsprechend seine Kulte als die Bedingung seiner Eristenz. Die Religion bildete bei den Griechen kein Gebiet für sich; die Bürgerpflicht hatte einen religiösen Charakter, und die religiöse Pflicht war ein Geset des Staates (Chantepie de la Saussaye, a. a. O. II, S. 293). Die Gesezgeber Lykurg, Drakon, Solon waren also auch religiöse Gesezgeber. Sie haben nach der Sage auf den Antrieb der Götter die Gefeße gegeben. An dem Gesez der Stadt durfte man nicht rütteln, wenn auch Kritik über homerische Göttersagen ungestraft blieb. Aber die Priester gewannen feine so einflußreiche Stellung wie in Indien und Persien. Sie waren keine im ganzen Land verbreitete Kaste, wenn auch einzelne Kulte in bestimmten Familien ihr erbliches Priestertum hatten. Der einzelne Priester war nur für das bestimmte Heiligtum angestellt; er war 3. B. Priester des Zeus

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