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ohne daß die eine Erzählung irgendwie von der andern abhängig ist. Das Leben der Patriarchen verläuft Jahre lang in ganz gewöhnlichem Geleise. Sie müssen um der Hungersnot willen in weite Ferne ziehen, werden nicht wunderbar gespeist. Sie haben allerlei Streitigkeiten zu schlichten u. dergl.

Angesichts dieser Tatsachen ist es eine Willkür, die Patriarchengeschichte aus der Geschichte zu streichen und sie als Sagen zu behandeln, die „zum Material der Predigt gemacht wurden und der Gotteserkenntnis des 9. und 8. Jahrhunderts einen bestimmten Ausdruck geben" (Chant. d. L. S. I, 251). Nach der modernen Darstellung sind auf einmal israelitische Stämme vorhanden. Woher sie kommen, weiß man nicht. Windler bezweifelt sogar trok Hof. 12, 10 ihre Einwanderung aus Ägypten. Was Mose eigentlich getan hat, um sie zu einem Volk zu vereinigen, das bleibt im Dunkel. Überhaupt ist die ältere Geschichte der Ifraeliten nach moderner Darstellung ein grauer Nebel, aus welchem plößlich der Prophet Amos auftaucht. Wenn der Nationalgott der Ifraeliten, Jahweh, nach Delizschs Entdeckungen, die aber von andern bezweifelt werden, in Babylonien sich findet, so betrachten wir das nicht als eine Abhängigkeit der Israeliten von den Babyloniern, sondern als einen Rest aus der Urreligion bei den Babyloniern.

Viel klarer geschichtlich als alle modernen Konstruktionen erscheint die Darstellung des Alten Testaments. Da offenbart fich Gott dem Abraham und befiehlt ihm, auszuziehen in ein Land, das er ihm zeigen werde, und gibt ihm die herrlichen Verheißungen. Im Glauben muß Abraham ziehen, ohne zu wissen wohin. Es geschehen keine Wunder, um ihn und seine Karawane durch die Wüste zu führen. Erst in Kanaan an= gekommen, erfährt er durch eine neue Erscheinung seines Gottes, daß er dieses Land ihm geben werde. Aber neue, schwere Glaubensproben harren seiner.

Die Art, wie Gott mit Abraham und seiner Familie verkehrt, wird als Gotteserscheinung (Theophanie) bezeichnet. In der Gestalt eines Engels, des Engels Jahwehs, oder mehrerer Engel erscheint er. Wären diese Erscheinungen erst in späterer Zeit konstruiert worden, so wäre wohl hinzugefügt worden, er sei erschrocken, in der Meinung, er müsse sterben. Abraham verkehrt ganz kindlich, vertraulich mit seinem Gott, obgleich auch er vor seiner Majestät sich unwürdig fühlt (1 Mof. 18, 3 ff., 27).

Die Gotteserscheinungen werden bei den Patriarchen immer seltener. Bei Jakob ist es nur der rätselhafte Kampf bei seiner Rückkehr nach Kanaan (1 Mos. 32, 25 ff.), welcher den entscheidenden Wendepunkt in seinem Leben bildet, daß aus dem hinterlistigen Jakob der Gotteskämpfer Israel wird. Sonst offenbart sich ihm Gott durch Träume. Bei Joseph finden wir keine Gotteserscheinung. In Ägypten hört alle besondere Offenbarung an die Kinder Israel auf. Gott will sein Volk selbständig machen, daß es glaubt, ohne zu sehen. Aber es zeigt sich, wie wenig es imstande ist, mit eigener Kraft den Glauben der Väter festzuhalten. Es wird dahingegeben in eine Sklaverei, aus welcher es mit menschlicher Macht nicht frei werden kann. Da muß sich ihm sein Gott wieder offenbaren als der Gott, welcher selbst das mächtige Kulturvolk Ägyptens niederwerfen und das unterdrückte Israel erheben kann. Nur durch solche Erfahrungen konnte der verblaßte Dienst des Gottes Israels in seinen Nachkommen wieder aufleben und ein ganzes Volk beherrschen, daß es so ganz ab= weichend von allen Nachbarvölkern dem einen unsichtbaren Gott anhing. Dazu bedurfte es aber, nachdem die Familie zum Volk herangewachsen war, eines bestimmt formulierten, sittlich-religiösen und bürgerlichen Gesezes.

3. Die Gesetzgebung und die Schicksale des Volks
bis auf Samuel.

Wir haben gesehen, wie die Nationen durch Geseze zusammengefaßt und zusammengehalten worden sind, um einen politischen und religiösen Organismus zu bilden, und zwar nicht nur durch politische und soziale, sondern auch durch Kultusgeseße mit einem festgeordneten Priestertum, einer bestimmten Symbolik, einem für das ganze Volk verbindlichen Opferkultus. Die Religion ist durchaus Staatsreligion. Die bürgerliche Gesellschaft wird geheiligt durch die Kultusgemeinschaft, die Ordnungen des Staats durch die religiöse Ordnung. Nicht erst in späteren Zeiten werden solche Ordnungen aufgestellt. In Babylonien findet sich die Gesetzgebung Hammurabis schon zu Abrahams Zeit. In Indien ist es niemanden eingefallen, die Brahmanaschriften mit ihren kleinlichen Ritualbestimmungen in eine spätere Zeit zu verlegen als

die Upanishads, welche man etwa mit den Propheten vergleichen könnte, sofern sie mehr den Geist der Religion darstellen, und die Brahmanen sind die erbliche Priesterkaste schon in den ältesten Urkunden der indischen Religion. In Persien gehören ebenfalls Ritualvorschriften zu den ältesten Geseßen, und ein Priesterstand ist Träger der Religion in ältester Zeit. In Griechenland ist die politische Gemeinschaft seit alten Zeiten Kultusgemeinschaft, und auf die Gesetzgeber Lykurg, Drakon, Solon werden auch religiöse Gesebe zurückgeführt. Die römische Geschichte ist durch Männer wie Niebuhr und Mommsen kritisch bearbeitet worden, aber feinem ist eingefallen, die komplizierten Priesterordnungen, welche dem Numa Pompilius zugeschrieben werden, in eine späte Zeit zu verlegen, sie etwa als Opposition gegen eingedrungene fremde Kulte zu betrachten.

So widerspricht die Graf-Wellhaufensche Theorie, daß die Propheten in Israel dem Gesek, namentlich dem Kultusgeseß vorangehen und daß der Priesterfoder aus dem Exil stamme, aller religionsgeschicht= lichen Analogie. Was Wellhausen und seine Anhänger dem Mose als Gesetzgeber zuschreiben, ist so dürftig und nebelhaft, daß damit keine Nation religiös und politisch organisiert werden kann. Wir müßten nach der Analogie anderer Völker annehmen, daß von Mose auch der Kultus eine feste Organisation bekommen habe, selbst wenn wir darüber im Alten Testament keine Nachricht hätten. Aber man wird uns einwenden: Wo findet sich in der Richterzeit eine Spur vom mosaischen Geset? Wie wenig hat auch der fromme Samuel darnach gehandelt?" Darauf antworten wir: Die Nichtbeobachtung eines Gesezes beweist nicht, daß es nicht vorhanden war. Dafür finden sich auch in der Geschichte der christlichen Kirche Analogien. Nach Wellhausens Theorie müßte der Römerbrief in der Reformationszeit entstanden sein. Daß die ältesten Propheten, deren Schriften auch von der modernen Kritik als echt anerkannt werden, nur auf dem Boden des Gesezes so reden konnten, wie sie reden, hat namentlich J. Robertson*) nachgewiesen. — Wenn Jer. 7, 21 ff.

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*) James Robertson, Die alte Religion Israels vor dem 8. Jahrhundert. Aus d. Engl. übers. Stuttg. 1896. Nicht zu verwechseln mit Robertson Smith, Lectures on the Religion of the Semites. Lond. 1894.

die sittlichen Gebote höher gestellt werden als die Opfergeseße, so entspricht das ganz der Darstellung im 2. Buch Mosis, wo die Sittengebote zuerst unmittelbar von Gott zum ganzen Volk gesprochen, dann erst die Opfergeseße durch Mose gegeben werden. Daß Jeremia sagen wollte, die Opfer seien gegen den Befehl Gottes, daß er die Restauration Josias verwerfen wollte, kann doch einer, der die Geschichte des Volkes Israel und der Propheten fennt, nicht im Ernst behaupten. Es ist offenbar nur ein starker Ausdruck gegen eine tote Kirchlichkeit, wie Jes. 1, 11—17.

Wenn Ezech. 44, 10—14 den Leviten vorgeworfen wird, daß fie Gößen oder Bilder bedient haben, so ist dies schon Richt. 17,7 ff. und in der späteren Geschichte wohl vielfach begründet. Dehler sagt in bezug auf die zulegt genannte Stelle: „Daß ein organis sierter Levitendienst nicht bestand, ist leicht erklärlich, da die im Pentateuch den Leviten zugewiesenen Dienstleistungen mit der Wanderung der Stiftshütte aufhörten, hinsichtlich der weiteren Berufstätigkeit der Leviten aber im Geseze nichts bestimmt war, und jene Zeit der Zerrissenheit der Theokratie ganz ungeeignet war, neue Kultusordnungen zu erzeugen“ (Oehler, A. T. Theol. II, S. 8). So konnte es wohl geschehen, daß auch bei der Herstellung des richtigen Jahwedienstes eine Organisation des Levitendienstes nicht mehr möglich war.

Wenn wir nun annehmen, daß nicht nur die zehn Gebote, sondern auch das Kultusgeseß, der sogenannte Priesterkoder, die Einseßung des Priestertums in der Familie Aarons, die Bestimmung des Stamms Levi zum Priesterstamm, die Einrichtung der Stiftshütte u. dergl. auf die mosaische Gesetzgebung zurückzuführen sei, so wollen wir damit nicht sagen, daß alle Geseze, welche in den Büchern Mosis stehen, durch Mose gegeben sein müssen. In 1 Sam. 10, 25 wird berichtet, daß Samuel das Königsgesetz in das Buch geschrieben und vor dem Herrn niedergelegt habe. Ein göttliches Geset war es, ob es durch Samuel oder durch Mose gegeben wurde. So werden wir annehmen müssen, daß in das im Heiligtum niedergelegte Gesetzbuch noch manche Nachträge eingetragen worden find. Wir können uns auch kaum denken, daß Geseze z. B. über die Verteilung des Landes, die doch erst nach der Eroberung des Landes richtig verstanden und befolgt werden konnten, schon in der Wüste gegeben worden seien. Aber daß die Stifts= hütte genau in der Form, wie sie beschrieben wird, wirklich

existiert hat, das dürfte doch daraus hervorgehen, daß die nach den gegebenen Maßen angefertigten Modelle eine in allen Teilen vollkommen harmonische, hölzerne Hütte darstellen. Der † Professor Ch. J. Riggenbach in Basel hatte sich ein solches Modell konstruiert und erzählte einmal beim Vorzeigen desselben, es sei ihm bei der Anfertigung bange gewesen, ob die vielen ineinanderzufügenden Balken und kleineren Stücke, wenn sie genau nach den in der Bibel angegebenen Maßen gefertigt werden, auch ein festes, nirgends defektes Gebäude geben, und wie das vollkommen der Fall gewesen, sei ihm das ein Be= weis für die Geschichtlichkeit des A. T. gewesen wie wenige. Würde man mit Stade und andern annehmen, die Stiftshütte habe in Wirklichkeit gar nicht eristiert, nur die Bundeslade, in der nicht Geseßestafeln, sondern Meteorsteine gelegen, sei eine Art Fetisch für die Israeliten gewesen, in einem Zelt aufbewahrt, so wäre es doch merkwürdig, wenn ein erilischer oder nacherilischer Schriftsteller eine so in den vielen Einzelheiten zutreffende Beschreibung eines gar nicht existierenden Heiligtums hätte geben können, denn die Beschreibung des ezechielischen Tempels geht bei weitem nicht so genau ins einzelne ein.

Wenn der Prophet Amos (5, 25) fragt: „Brachtet ihr mir etwa in der Steppe vierzig Jahre hindurch Schlachtopfer und Gaben dar, ihr Israeliten?" so müssen wir wohl beachten, daß es nicht heißt: „habe ich euch befohlen?"

sondern: brachtet ihr mir's dar?" Amos schließt sich dabei wahrscheinlich an 3 Mose 17, 1-9 an, wo den Ifraeliten in der Wüste befohlen wird, wenn sie ein Rind oder ein Lamm oder eine Ziege schlachten, sollen sie es zur Stiftshütte bringen, damit der Priester das Blut an den Altar sprenge und das Fett zum lieblichen Geruch für Jahwe in Rauch aufgehen lasse. Dort wird V. 7 ausdrücklich hinzugefügt: „Und sie sollen ihre Schlachtopfer hinfort nicht mehr den Bocksgestalten opfern, mit denen sie [jest] Abgötterei treiben" (nach Kautschs Überseßung). Wir werden uns also denken müssen, daß namentlich in den 38 Jahren, von denen uns nichts berichtet wird, zwar das Heiligtum eristiert hat, aber die große Mehrzahl des weit in der Steppe zerstreuten Volkes, welche dort aussterben mußte um ihres Unglaubens willen, sich nicht viel um das Heiligtum bekümmerte, sondern den lokalen Geistern opferte. Wunderbar ist die Führung des

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