wir die Religionsentwicklung in der ganzen Menschheit zu verstehen versucht. Wir haben die Religion nicht als eine psychologische Eigentümlichkeit der Menschen betrachtet, die man mit philosophischen Begriffen ganz ergründen und in ihrer Entwicklung vollständig darstellen kann, sondern vom theologischen Standpunkt aus als eine Offenbarung Gottes an die Menschheit, welche in der Stimme des Gewissens gleichsam ihren ständigen Siz hat, aber im Verlauf der Zeit durch die Macht der Sünde immer wieder getrübt und unwirksam gemacht wird, daher neuer, besonderer Offenbarung bedarf, um die Erkenntnis Gottes, der Welt und des eigenen Herzens und das Verlangen nach dem Heil wieder in die richtige Bahn zu bringen. In Christo ist diese göttliche Offenbarung in ihrer ganzen Fülle und Klarheit mitgeteilt, so daß die niedrigsten wie die gebildetsten Heiden, auch Buddhisten und Mohammedaner, wenn der Vater sie zum Sohne zieht, d. h. wenn sie der Stimme ihres Gewissens folgend zu Jesu sich wenden, in ihm ihren Heiland erkennen und sich zu ihm hingezogen fühlen. Wenn trozdem das Christentum langsamere Fortschritte macht als der Islam in Afrika und im Indischen Archipel, so sind eben die sittlichen Forderungen der Hemmschuh, welche die große Menge zurückhält. Wenn dagegen durch den Übertritt der Häupter die Bewegung zum Christentum erleichtert wird, tritt häufig eine Verunreinigung des Christentums ein, die wieder neue Krisen herbeiführt. So geht's im Christentum mehr als in andern Religionen durch innere Kämpfe, denn das Reich Jesu Christi ist nicht von dieser Welt. Aber eben darin erweist sich das Christentum als die einzige Religion, in welcher die religiöse Idee in ihrer Reinheit und Wahrheit und in ihrer Verbindung mit der höchsten Sittlichkeit und mit der höchsten Seligkeit zur Erscheinung kommt. Das wird sich durch alle Jahrhunderte bewähren, und Christus wird recht behalten mit dem Wort: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen (Matth. 24, 35).