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dessen Umgegend das älteste Runendenkmal, das goldene Horn, stammt, hatte er sich als Jüngling 1757 nach der Universität Jena gewandt. Dort waren seine 'prosaischen Gedichte und seine von Lessing gelobten Tändeleien' (beide erst 1759 erschienen) entstanden: harmlose anakreontische Spielereien im Geschmack seiner Zeit, zierlich, sprachgewandt und, die Tändeleien wenigstens, theilweise nicht ohne Phantasie. Die nähere Beschäftigung Gerstenbergs mit altnordischer Poesie wird in die Zeit fallen, als er 1759 in seine Heimat zurückkehrte. 43) Das Jahr darauf trat er in dänische Dienste und zog 1763 nach Kopenhagen 44), wo er zu Klopstock in nahe Beziehung kam. 1766 erschien sein 'Gedicht eines Skalden'. 45) Gleichzeitig gab Gerstenberg 1766-1767 die Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur 46) heraus, die als kritisches wissenschaftliches Organ in erster Linie die Kenntniss Shakespeares 17) und diejenige nordischer Poesie 48) in Deutschland förderten.

43) Nach Redlich. Nähere Nachrichten über Gerstenbergs Studium stehen leider nicht zu Gebote. Vgl. Anm. 34.

44) In diesem Jahre erschienen von Gerstenberg unter anderm seine drei nach Gleims Vorbild gedichteten Kriegslieder eines Kgl. dänischen Grenadiers bei Eröffnung des Feldzugs 1762.

45) Dies ist der Titel der Dichtung in der ersten Ausgabe, die in Quart und nach der Sitte der Zeit anonym erschien. Das Titelblatt enthält ausser dem Namen der Dichtung und der Angabe des Verlagsortes und -jahres (Kopenhagen, Odensee und Leipzig, | Verlegts Gabriel Chr. Rothens Witwe und Proft. | 1766.) eine Vignette, auf der ein altnordischer rauher hüglichter' Altar dargestellt ist, wie ihn Gerstenberg Collect. 13 ausführlich beschreibt: 'Grösstentheils bestehen sie (die Altäre) aus einem Erdhügel, auf dessen Gipfel drey Steine von ausnehmender Grösse einen vierten, der etwas breiter und flacher ist, stützen, so dass das Ganze wie ein Tisch auf drey Füssen anzusehen ist.'

46) Gewöhnlich nach dem Ort ihres Erscheinens als Schleswigsche Litteraturbriefe bezeichnet. Ausser Gerstenberg, der den Haupttheil schrieb, steuerten der Etatsrath Fleischer, Funk und der Oberkriegskommissar Kleen einiges bei. 1770 liess Gerstenberg folgen: Über Merkwürdigkeiten der Litteratur, Der Fortsetzung erstes Stück, Hamburg und Bremen. Bey Johann Hinrich Cramer 1770. Über das erste Heft kam die Fortsetzung, in welcher die Briefform aufgegeben war, nicht hinaus.

47) 'Versuch über Shakespears Werke und Genie' vierzehnter bis achtzehnter Brief.

48) Neben den in Leipzig, Berlin und Halle herausgegebenen kri

Der nordischen Dichtung sind der achte, elfte und einundzwanzigste Brief gewidmet. Der Anfang des achten Briefes macht insofern seinem Schreiber alle Ehre, als Gerstenberg ein Memoire sur les poëmes de Mr. Macpherson von der Hand eines Irländers empfiehlt, eine Abhandlung, die den Ossian - Schwindel aufdeckt, den Gerstenberg, wie er hinzufügt, von Anfang an durchschauet hatte. Dies mag der Grund sein, warum sich in Gerstenbergs Skaldengedicht so wenig Anklänge an den Caledonier finden. 49) Nachdem Gerstenberg den Leser auf Percys Reliques of Ancient English Poetry, die im Jahre zuvor (1765) erschienen waren, aufmerksam gemacht hat, geht er dann zu den KimpeViser über, von denen er mehrere Proben in eigener Übersetzung gibt. Der Schreiber fühlt dabei seine ganze Seele befeuert und beklagt lebhaft den jammervollen Zustand ihrer Überlieferung. Da die Neugierde des fingirten Adressaten durch diese Mittheilungen gereizt wurde, erschien der elfte Brief 'von der alten runischen Poesie'. Nach einem Auszuge aus Syvs Vorrede zu den Kiåmpe-Viser, worin von der Natur der alten dänischen Poesie geredet wird, gibt Gerstenberg (S. 150 ff.) in Anlehnung an Ole Worms Litteratura Runica Bemerkungen über die Prosodie, Metrik und Bildersprache altnordischer Dichtungen und theilt am Schluss das Egill Scallagrimlied in einer selbstgefertigten Übersetzung mit.

Gleich bei seinem Erscheinen hatte Gerstenberg seinem Skaldengedicht eine Erläuterung der Eddensprache und der Anspielungen in diesem Gedichte' beigegeben, durch welche Goethe von der Lektüre zurückgeschreckt wurde. 50) Die Erklärungen waren aber gleichwohl so unvollständig und mangelhaft ausgefallen, dass der Verfasser, um den Klagen über die Dunkelheit seiner Dichtung abzuhelfen, den einundzwanzigsten Litteraturbrief schrieb: 'Collectanea über

tischen Zeitschriften suchte Gerstenberg eine neue, ebenbürtige vierte, mit besonderer Geschmacksrichtung, in den Litteraturbriefen zu gründen.

49) Vgl. aber unten S. 181. 182 f.

50) An Friederike Oeser: 'Gerstenbergs Skalden hätt' ich lange gern gelesen, wenn nur das Wörterverzeichniss nicht wäre'.

das Gedicht eines Skalden'. In diesen schweift er ab auf allerlei allgemeine Fragen über das altnordische Alterthum; er gibt längere Excurse über die Namen Gotland und Seeland (Nr. 12) und über den Unterschied zwischen den verschiedenen Bezeichnungen für den Himmel bei den Alten (Nr. 9). Am Schlusse kommt es Gerstenberg selbst zum Bewusstsein, dass er seiner Aufgabe nicht nachgekommen ist; er schliesst S. 454 mit den für ihn bezeichnenden Worten: 'Ich erwarte nicht, Ihnen durchgehends Genüge gethan zu haben; ich wünsche bloss, dass ich im Stande gewesen sein möge, Ihre Aufmerksamkeit auf das zu sehr vernachlässigte Studium einer alten Fabel-Lehre, die in ihrer Art ganz einzig, und wo ich nicht sehr irre, der griechischen weit vorzuziehen ist, einigermassen rege zu machen'.

Zwischen der gelehrten Beschäftigung mit altnordischer Mythologie und dem Versuche, dieselbe in modernen Dichtungen neu zu beleben, ist ein grosser Schritt. Gerstenberg ist der Bahnbrecher, soweit die deutsche Dichtung in Frage steht; darüber hinaus nicht. Denn wenn Gerstenberg lediglich von einem Zufall des Augenblicks' spricht, der ihn dazu geführt habe, altnordische Mythen in seinem Skalden zu verwenden, so verschweigt er, dass ihm die Anregung dazu von einem dänischen Vorbilde gekommen ist, das er selbst im 19. und 21. Litteraturbrief seinen Lesern in deutscher Übersetzung mittheilt. Gerstenbergs Vorbild ist Tullins 'Die Neue Edda oder Gylfs zweyte Reise', 51) Für uns ist es schwer, in dieser didaktischen Allegorie des dänischen Dichters aus dem Vernunftzeitalter die Ideen der alten Edda' mit Gerstenberg wiederzuerkennen, denn das altnordische Kleid, welches den Tullinschen Regentenspiegel aus dem Zeitalter der Aufklärung bedecken und

51) Tullins Gedicht erschien mit seinem andern 'von der Seefahrt', aus welchem Gerstenberg Auszüge mittheilt, im ersten Bande der von der 'Dänischen Gesellschaft zur Aufnahme des Geschmacks' herausgegebenen Schriften, welchen Gerstenberg im neunzehnten Briefe eine Besprechung zu Theil werden lässt. Der Dichter, den seine Landsleute für den ersten grossen Dichter ihrer klassischen Epoche halten, war bereits 1765 gestorben.

Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte II

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schmücken soll, ist allzu fadenscheinig. 52) Tullin gibt eine Fortsetzung von Gylfaginning. Als Sprecher ist Gylf selbst gedacht. In kurzen Worten erzählt der nordische König von seiner in der Edda ausführlich berichteten Fahrt nach Asgard und von dem, was er in der Götterwohnung gesehen und gehört hat. An das Ende des Eddaberichtes, wonach der König sich plötzlich auf der Erde wiedergefunden habe, knüpft Tullins Fortsetzung an. Seit der zauberhaft visionären Fahrt nach Asgard ist Gylf schwermüthig und tiefsinnig. Als ein Jahr darauf Dürre sein Land befällt, gibt das Volk ihm die Schuld. Gylf richtet ein inbrünstiges Gebet an Alfader, ihm die Satzungen der seligen Geister zu künden. Da erscheint ein Jüngling, der ihn im Auftrage des höchsten Gottes durch das Weltall hindurch zum Himmel geleitet. Weiter aber als bis zum Vorhof von Valoskialf, wo die drei Nornen die Schicksale der Menschen abwiegen, darf Gylf nicht dringen. Um ihm die rechte Einsicht zu geben, wird er nun vom Himmel auf einen Planeten versetzt, auf dem menschenähnliche Wesen wohnen. Unter ihnen soll Gylf, wie ihm sein Begleiter eröffnet, umherreisen, um von ihnen, die neuntausendmal schneller denken und handeln als die Menschen, die ungeschminkte Wahrheit zu hören und erst dann wieder auf die Erde zurückzukehren. Das kurze Gedicht Tullins ist von moralischen Vorschriften erfüllt, die dem Reisebegleiter Gylfs in den Mund gelegt sind.

Wie Tullin, führt auch Gerstenberg seinen Helden redend ein53); und wie Gylf von den himmlischen Palästen der altnordischen Sage erzählt, so erspart uns auch Gerstenbergs Thorlaug nicht die Aufzählung derselben. 54)

52) Gerstenberg urtheilt anders Litt.-Briefe S. 317: 'Die neue Edda, die in Prose geschrieben ist, preise ich Ihnen ganz besonders an. Der Verfasser hat sich vortrefflich in die Ideen der alten Edda zu setzen gewusst; seine Schreibart ist edel, reizend, körnigt und blumenreich; und seine Allegorie so schön und unterhaltend, dass Sie sie sicher den besten Addisonschen an die Seite setzen können'.

53) Daher der zweite Titel des Gedichtes: 'Prosopopoema Thorlauger Himintung des Skalden.'

54) Motivirt durch die Schönheit der königlichen Schlösser, welche der Skalde erblickt.

Das Gedicht eines Skalden spielt auf Sandholm, dem Landsitz des Dichters und Kopenhagener Hofpredigers J. A. Cramer, welcher als Bremer Beiträger bekannt ist. Bei Sandholm an der Landstrasse von Blauströd nach Hirschholm, in einer romantischen Gegend von Seeland' liegen zwei alte Hühnengräber und ein rauher hüglichter' Altar. 55) Als Cramer die Einleitungsode zu seiner Psalmenübersetzung singt 5), wird der Staub in der Urne des einen Grabes lebendig. Der Geist des Skalden Thorlauger Himintung entsteigt seiner Gruft und glaubt sich, als sein entzückter Blick auf die königlichen Lustschlösser (Hirschholm und Friedrichsburg) und die Majestät im Hain (Friedrich V. in Friedensburg, seiner Sommerresidenz) fällt, nach Valholl zu Alfadur versetzt (Erster Gesang).

Jedoch die holde Täuschung verfliegt bald, und feierliches Grauen überkommt den Skalden, als er sieht, dass sein blutbetriefter Fuss auf dem Grabmal seines Freundes Halvard ruht. Durch den Nebel der Jahrhunderte hindurch schaut er im Geiste sich mit seinem Freunde wieder im Schatten des Eichenhaines wandeln zur nächtlichen Entscheidungsstunde, die die Götter herbeiführen. Als nämlich Thorlaug und Halvard an den nahen (Sel-)See57) kommen,

55) Ich habe in der Inhaltsangabe die Örtlichkeiten, welche dem Dichter nach seinen Anmerkungen vorschwebten, in Klammern hinzugesetzt. Sandholm liegt etwa 3 Meilen nördlich von Kopenhagen am westlichen Ende des Selsees, an dessen Ostspitze das Königsschloss Hirschholm steht. Gerstenberg lässt den Skalden nicht nur Hirschholm, sondern auch die Schlösser Friedrichsburg und Friedensburg erblicken. Beide liegen meilenweit von Sandholm entfernt in nördlicher Richtung. Vgl. Pontoppidans Dänischen Atlas, zwei Theile, deutsche Übersetzung von Scheibe, Kopenhagen und Hamburg 1766 und 1767 I 2, 46 Kap. 5, wo von der Gegend des Amtes Hirschholm gesagt wird, sie sei dem Auge lustig und angenehm, indem sie meistens aus Holzungen und süssem Wasser besteht'. Pontoppidans Werk, das Theil II Kap. 4 eine genaue Karte der in Frage kommenden Gegend bietet, wird von Gerstenberg Collect. 13 am Schluss genannt. Die dänische Ausgabe erschien bereits 1763 und 1766.

56) Am Schluss des vierten Gesanges werden aus derselben einige Verse angeführt.

57) Der sich von Sandholm nach Hirschholm ausbreitet und einige Meilen im Umfange hat' (Collect. 7).

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