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als Gegensatz zu jeder eine starke Staatsordnung ermöglichenden Reichsordnung und in ihren schlimmen Folgen betrachtete, hatte er länger als ein halbes Jahrhundert mit sich herumgetragen, ehe er zur dichterischen Gestaltung desselben gelangte. Er erlebte die Auflösung des Deutschen Reiches, die er weniger als viele andere bedauerte. An der Neugestaltung nach den Befreiungskriegen nahm er lebhaften Antheil, um nur zu bald gründlich enttäuscht zu werden. Wenn er sich endlich bei dem deutschen Bundestage beruhigte, so geschah es, weil ihm nicht allein die Unordnung der allerwidrigste Zustand war, sondern er auch in seinem höhern Alter das dringende Bedürfniss nach Ruhe fühlte. Erst in seinem letzten Lebensjahre, als er am Schlusse des vierten Actes des zweiten Theiles des Faust darstellen wollte, wie der Kaiser nach dem durch Zauberkunst erfochtenen Siege die Reichsangelegenheiten neu ordnet, nachdem er dem Faust den gesammten Meerstrand zum Lohne für seine Hilfe geschenkt hat, dramatisirte er in freier parodischer Weise die Ertheilung der Vorrechte an die Kurfürsten durch die goldene Bulle. Der scharfe Spott auf die in ihr für alle Folgezeit festgesetzte allerhöchste Reichsordnung hat in den geschniegelten Alexandrinern die glücklichste Form gefunden. Zur Einzelerklärung haben wir nur eines hinzuzufügen. In den Versen:

Auch werd' ich seiner Zeit mich von den Theuren trennen,
Dann sei es eure Pflicht den Folger zu ernennen.
Gekrönt erhebt ihn hoch auf heiligem Altar,

habe ich unter dem Altar den Thron verstanden mit Be-
ziehung auf die Stelle der Übersetzung von Manzonis Ode
auf Napoleon, wo es heisst, dieser sei zweimal zum Staub
gedrängt, zweimal auf dem Altar gewesen. Aber dem
Dichter schwebt vielmehr die Erhebung auf den wirklichen
Altar vor.
In älterer Zeit wurde nach der feierlichen
publicatio und praesentatio des Gewählten dieser in
einer bestimmten Kirche auf den Altar erhoben und dem Volke
gezeigt: so geschah es bei Heinrich VII. in der Kirche der
Predigermönche, bei Ludwig IV. in der Bartholomäuskirche.
Durchaus verschieden davon war die Erhebung auf den Thron

Karls des Grossen, die erst nach der Krönung erfolgte. Ob Goethe mit Bewusstsein die Erhebung auf den Altar nach der Krönung statt nach der Wahl setzte, ist für die Sache ziemlich gleichgültig; es war ihm nur darum zu thun, den Kaiser für seine Nachfolger die Ehre des Altars fordern zu lassen, welchem Verlangen selbst der Erzbischof nicht zu widersprechen wagt, der gleich darauf seine Macht über den Kaiser unverfroren auszubeuten weiss. Die Stelle erhält auf diese Weise einen neuen Stachel.

Köln.

Heinrich Düntzer.

Handschriftliches von und über
Heinrich von Kleist.

1.

Alexander Meyer-Cohn, dem wir schon so manche Förderung verdanken, hat mir nicht nur einen Einblick in seine Kleist-Handschriften, sondern auch die öffentliche Verwerthung gestattet. Zunächst zwei ungedruckte Billets. Das erste, gerichtet an den Verleger des Phöbus, den Kleist schon im Mai 1800 bei Göschen oder Cotta anzubringen suchte (Werke hg. v. Zolling 1, CXVI f., hg. v. Muncker 4,330), ist ein interessantes Zeugniss für das Zerwürfniss mit Adam Müller; das zweite betrifft die 1810 in der Realschulbuchhandlung erschienenen 'Erzählungen', die nach den novelas exemplares des Cervantes 'Moralische' heissen sollten. Welche Übersetzung von Persiles und Sigismunde gemeint ist, weiss ich nicht. Als Adressaten haben wir G. A. Reimer anzusehen; hinter dem Herr der Überschrift ist ein Name wegradirt.

An den Hrn. Buchhändl. Walther Wohlgeb. zu Dressden.

Ew. Wohlgebohren

sehe ich mich genöthigt, zu melden, dass der Contract, in welchem der Hofr. Müller die Forderung der Phöbus-Redaction, in Pausch und Bogen, für 136 Thl. an Sie abgetreten hat, gänzlich ohne mein Vorwissen abgeschlossen worden ist.

Ich zweifle nicht, dass Ew. Wohlgeb. dieser Umstand unbekannt war, und dass der Hofr. Müller Ihnen die Versicherung gegeben hat: ich wäre von diesem Schritte unterrichtet.

Inzwischen ist, durch ein so wenig freundschaftliches Verfahren, wozu noch andere Schritte kommen, die nicht hierher gehören, das gute Einvernehmen gestört worden, das bisher unter uns obwaltete.

Wenn also Dieselben, wie mir der Hofrath versichert, den Phöbus, für das nächste Jahr, in Verlag nehmen wollen: so trete ich entweder von der Redaction zurück, oder suche mir einen andern Corredacteur, als den Hofr. Müller.

Indem ich Ew. Wohlgebohren gefällige Erklärung über diese Puncte erwarte, habe ich die Ehre, zu sein,

Dressden, d. 5. April 9.

Willsche Gasse, Löwen-Apotheke,

4 Treppen hoch.

[An G. A. Reimer, 1809]

Lieber Herr.

Ew. Wohlgebohren,

ergebenster

Heinrich v. Kleist.

Ich schicke Ihnen das Fragment meines Kohlhaas, und denke, wenn der Druck nicht zu rasch vor sich geht, den Rest, zu rechter Zeit, nachliefern zu können.

Es würde mir lieb sein, wenn der Druck so wohl ins Auge fiele, als es sich, ohne weiteren Kostenaufwand, thun liesse, und schlage etwa den Persiles vor.

Der Titel ist: Moralische Erzählungen von Heinrich von Kleist.
Ihr treuer und ergebener
H. v. Kl.

Den Brief an Ulrike, Chalons 8. Mai 1807, hat Koberstein S. 122 ff. nach einer ungenauen Abschrift der Empfängerin gedruckt. Ausser orthographischen Kleinigkeiten bietet das Original, ein Quartbogen, folgende Varianten: 122, 1 theuerste, 12 doch [über dass] jetzt; 123, 13 diese, 20 kurz ü. d. Z., 22 Staatsgefangen oder Kriegsgefangen; 124, 1 nun 12 sollen aus können, 14 es mich aus mir nichts übrig als, 18 f. eignen unsrer, 21 Hülfloseste, 23 deutlich Angern, 24 meine ganze Hoffnung beruht auf dich, 25 Mai aus Juni, 26 von.

vor,

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Kleists Fabel Die Bedingung des Gärtners gibt Zolling 4,413 nach einer Handschrift der Kgl. Bibliothek zu Berlin. Unser Quartblatt erweist sich durch folgende Correcturen als älter: 18 der über ein, 19 noch vor wirklich, 35 eures über des; 24 steht richtig Geriesel.

Das Folio 'An die Königinn von Preussen. Sonnet'. stimmt, wiederum abgesehen von bedeutungslosen Kleinigkeiten der Schreibung und Interpunction, mit der Hand

schrift der Kgl. Bibliothek (Zolling 1, 52) überein. Z. 7 trotz über das in [?]. Das Quartblatt 'An Friedrich Wilhelm den Dritten. . . . ergibt als einzige Varianten gegenüber dem Separatabdruck (1,49) in Preussen für von Preussen, 22 heilige und bietet Z. 4 ebenfalls schöne, was erst Julian Schmidt in starke geändert hat. Endlich sei noch erwähnt, dass das 'Kriegslied der Deutschen' auch in Görres Rheinischem Merkur Nr. 223 (15. April 1815 als 'Kriegslied für die teutschen Jäger' abgedruckt ist, wohl aus Das befreite Europa 1814, wie die Lesarten 2 Feind, 3 noch im Spalier, 7 zungenheiss aber 4 ihre zeigen.

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Als Geschenk aus Theodor Storms Bibliothek besitze ich ein Exemplar der Penthesilea, das statt der Angabe 'Tübingen, im Verlage der Cottaischen Buchhandlung und gedruckt in Dresden bei Gärtner' nur die Worte 'Dresden, gedruckt bei Carl Gottlob Gärtner' bietet. Kleists Briefe an Cotta vom 7. Juni und 24. Juli 1808 (Muncker 4, 329 ff.) lehren, dass die Bitte um Übernahme des Verlags erst erging, als schon sieben von den elf Bogen gesetzt waren, und dass der Dichter dem Dankschreiben sogleich ein Exemplar beischloss. 350 waren schon an Sortimenter abgegangen. Vorher aber muss Kleist zur Vertheilung Exemplare mit jenem Titelblatt benutzt haben, das noch nichts von Cotta meldet. Titelblatt sowie das in meinem Exemplare noch fehlende Schlussblatt 'Verbesserungen' sind nur angeklebt. Auf dem Titelblatt steht die eigenhändige Widmung 'An den Hrn. Baron v. Buol [?] von H. v. Kleist.' Der Buchbinder in Kopenhagen (seine Marke ist eingeklebt), wo Storms Verwandter den Band 'von der Karre' kaufte, hat den Band so beschnitten, dass der Name des Empfängers verstümmelt wurde. Die ersten Buchstaben lese ich 'Buo' ohne u-Haken. Durch 'Baron v. Buol, hiesigen K. K. chargé d'affaires' bezieht Kleist nach dem Dresdener Brief vom 8. Dezember 1808 Wiener Sendungen postfrei (Zolling 1, CXVIII). In den Briefen an Ulrike wird er seit dem September 1807 mehrmals als Freund erwähnt (Koberstein S. 137).

Berlin.

Erich Schmidt.

2.

Wielands Sohn Ludwig war 1802 in der Schweiz mit Heinrich von Kleist befreundet geworden. In die revolutionären Wirren Helvetiens verwickelt erhielt er im Oktober 1802 einen Ausweisungsbefehl, als dessen nächste Veranlassung der Frevel bezeichnet wurde, dass er 'mit Hrn. v. Kleist vor dem General Quartier gestanden und gelacht hätte', worauf ihnen beiden von einem Hartschier 'Namen und SicherheitsCharte' abgefordert wurde (Heinrich Gessner an seinen Schwiegervater Wieland Bern, 3. November 1802; vgl. Zolling, H. v. Kleist in der Schweiz S. 161). Um Ludwigs rasche Abreise zu ermöglichen, änderte Kleist seinen Reiseplan und wählte die dem Freunde amtlich vorgeschriebene Richtung. Dies ist der 'sehr wesentliche Dienst' Kleists gegen Ludwig, dessen der Vater Wieland später Erwähnung thut (Bülow, H. v. Kleists Leben und Briefe S.33). So führte denn Ludwig, zu seinem Vater nach Ossmannstedt zurückkehrend, im November 1802 auch seinen hilfreichen Freund da ein. Kleist wohnte zunächst in Weimar, brachte aber oft ganze Tage auf dem gastfreien Landgute zu, wo ihm ein Zimmer eingeräumt wurde. In der zweiten Januarwoche siedelte er völlig dahin über trotz einer sehr hübschen Tochter Wielands'. Der Ausdruck befremdet; Kleist scheint der Liebesgefahr ausweichen zu wollen. Wirklich verfing er sich; 'in Kurzem werde ich Dir viel Frohes zu schreiben haben', meldet er der Schwester im Januar 1803, 'denn ich nähere mich allem Erdenglück'. Aber schon die Nachschrift dieses Briefes zeigt den Umschlag: 'Ich habe mehr Liebe gefunden, als recht ist, und muss über kurz oder lang wieder fort; mein seltsames Schicksal! Wenigstens bis zum Frühjahr möchte ich hier bleiben'. Und im März: 'Ich habe Osmannstädt wieder verlassen... Ich musste fort und kann Dir nicht sagen, warum? Ich habe das Haus mit Thränen verlassen, wo ich mehr Liebe gefunden habe, als die ganze Welt zusammen aufbringen kann, ausser Du! ! Aber ich musste fort!' 'Alles, was süss ist', lockte ihn in Wielands Familie zurück. 'O Ihr Erynnien mit Eurer Liebe!' klagt er. Diese Liebe wider Willen

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