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Dass Menander schielte, wie darnach erzählt wird, stammt aus Suidas, der von Clericus unter den Testimonia angezogen ist. Dagegen darf Menanders Kunst, Flöte zu blasen, an Kleists Klarinettespiel erinnern und auch das Folgende kann recht wohl für Kleist gelten: 'Die Lebhaftigkeit seines Geistes und die Reizbarkeit seiner Sinne leihen ihm bey Gelegenheit etwas schwärmerisches, das zuweilen in Begeisterung übergeht; aber im Grund ist er (wenn ich mich nicht sehr an ihm irre) ein so kaltblütiger Sterblicher, als ein Athener und ein Dichter möglicher Weise seyn kann. Er liebt das Vergnügen und die Freude mehr als Ruhm und Geld; und wenn seine Komödien die Werke aller seiner Zeitgenossen und Nebenbuhler verdunkeln und auslöschen, wie die Mittagssonne den Mondschein und das Sternenlicht, so ist weder Ruhmsucht noch Begierde, dem grossen Haufen zu gefallen, die Ursache davon, sondern eine angebohrne Liebe zum Schönen, und ein Kunstgefühl, das ihm nicht eher erlaubt, die Hand von einem Werke abzuziehen, bis es so rund, glatt und vollendet ist, dass sein zartes Gefühl nichts mehr daran zu polieren findet. . . . Seinen grossen Ruhm hat ihm nicht die Volksgunst und der Beyfall des grossen Haufens, sondern das Gefühl und Urtheil der gebildetsten unter seinen Zeitgenossen gemacht'. (S. 38 f.) Menander dichtet während seines Verhältnisses zu Glycerion an den Adelphen (S. 30), mit denen er unfehlbar zu siegen hoffte; so setzte Kleist alles an seinen Guiskard, für den freilich eine innere Verwandtschaft mit den Adelphen nicht gesucht werden kann. Seine Muse befinde sich sehr wohl, er mache sich gute Hoffnung, einen wohlverdienten Sieg über den launischen und willkürlichen Geschmack der Athener zu erringen, schreibt Menander (S. 21), und Kleist konnte das Gleiche sagen. Menander bekennt Glycerion, sein Drama sei unter ihrem Einfluss geboren, wünscht, es von ihr vorgelesen zu hören, um gewiss zu sein, dass daran nichts zu poliren sei (S. 30); so mag auch Luise die Vertraute des Guiskarddramas gewesen sein: ihren Einfluss sehe ich in der rührenden Sorge Helenas für des greisen Vaters Schlummer und Ruhebedürfniss, und ihre Theilnahme an Kleists Dichtung belege ich mit folgender Stelle

aus dem schon oben benutzten Briefe. 'Ich habe ein Lustspiel von ihm hier [in Weimar, wo Der zerbrochene Krug am 2. März 1808 in Scene ging] aufführen sehen welches aber gänzlich durchfiel. Diesen Winter bekam ich Gelegenheit wieder ein Schauspiel, Käthchen von Heilbronn und Erzählungen von ihm zu lesen. Ich dächte man könnte keinen von diesen seinen Werth absprechen, aber es kann sehr viel an allen getadelt werden, sowie viel fehlt bis sie vollendet genannt werden könten. Er ist aber einer von den ausgezeigneten Poetischen Genien dieses Zeitalters'.

Inwieweit die unbeständige Mädchenschwärmerei Menanders in Wielands Augen für Kleist zutraf, bleibe dahingestellt; für seine Auffassung von dessen Charakter scheinen aber doch ein paar Züge aus dem Liebesleben Menanders von Belang. Menander hat das Eigene, dass die feurigste Liebe, deren er fähig ist, ihn nicht hindert, klar zu sehen (S. 28); er ist ehescheu; zwar 'Glycera ist in der That ein bezauberndes Mädchen', schreibt Menander, aber ein bezauberndes Mädchen macht darum noch keine gute Ehfrau... Itzt ist sie unbefangen, anspruchslos, unverfälscht, und von der Scheitel bis zur Fusssohle lauter Herz. Wird sie ... immer bleiben, was sie itzt ist? Ich will es glauben, aber das Sicherste bleibt doch, sich ans Gegenwärtige zu halten, und aufs ungewisse Künftige so wenig als möglich zu wagen' (S. 33). Und ganz besonders mahnt an Kleists Benchmen gegen seine Braut, was Glycerion über Menander schreibt (S. 81): Er lässt allen seinen Launen und Unarten den Zügel..., übersieht sich selbst alles, und nimmt es dafür mit mir so scharf, als ob Er sich nichts vorzuwerfen, ich hingegen die grösste Ursache hätte, alles von ihm zu ertragen'. Auch der wiederholte Ausspruch Menanders: 'doch nur ein Weib' eignet wohl in Kleists Mund.

Für eine tiefere Kenntniss Kleists wird aus alle dem nicht eben viel gewonnen, doch haben die Äusserungen darum einen gewissen Werth, weil Kleist nach der Ansicht seines vorzüglichen Biographen Brahm von Wieland am zutreffendsten erkannt wurde. Für Wieland ergibt sich Wichtigeres; dass er in so hohen Jahren, unter einer Einkleidung, an welcher der Philologe den ersten Antheil zu

haben scheint, persönliche Verhältnisse verdichtet, zeugt für den wahren Lebensgehalt seiner Poesie, zeugt gegen das freche Urtheil der Romantiker. Sophie Brentano und Wieland leben im Aristipp, Kleist und Luise in Menander und Glycerion, und auch in dessen Seitenstück Krates und Hipparchia scheint Wielands Familie durch; Hipparchia in Männerkleidung mag eine äusserliche Erinnerung an Kleists Ulrike sein, die so verkleidet auch bei Wieland erschien. Ihm war das Griechenthum lebendige Gegenwart, keine todte Welt.

Menander - Kleist vergass Glycerion - Luise nicht. Als er nach Jahren wieder an Wieland schrieb, fehlt die Frage nach der 'vortrefflichen Tochter' nicht. Der Brief, an demselben Orte wie der Luisens erhalten, lautet:

Dressden, den 17. December 1807.

Pirnasche Vorstadt, Rammsche Gasse Nr. 123.1) Mein verehrungswürdigster Freund,

Mein Herz ist, wie ich eben jetzt, da ich die Feder ergreife, empfinde, bei dem Gedanken an Sie noch eben so gerührt, als ob ich, von Beweisen ihrer Güte überschüttet, Osmanstädt gestern oder vorgestern verlassen hätte. Sie können mich, und die Empfindung meiner innigsten Verehrung Ihrer, noch viel weniger aus dem Gedächtniss verloren haben, da Ihnen die göttliche Eigenschafft, nicht älter zu werden, mehr als irgend einem andern Menschen zu Theil geworden ist. Im März dieses Jahres schrieb ich Ihnen zweimal vom Fort de Joux, einem festen Schloss bei Neufchâtel, wohin ich durch ein unglückliches, aber bald wieder aufgeklärtes, Misverständniss, als ein Staatsgefangener abgeführt worden war. Der Gegenstand meines Briefes war, wenn ich nicht irre, der Amphitryon, eine Umarbeitung des Molierischen, die Ihnen vielleicht jetzt durch den Druck bekannt sein wird, und von der Ihnen damals das Manuscript, zur gütigen Empfehlung an einen Buchhändler, zugeschickt werden sollte. Doch alle Schreiben, die ich von jenem unglücklichen Fort erliess, scheinen von dem Commandanten unterdrückt worden zu sein; und so ging die Sache einen ganz anderen Gang. Jetzt bin ich willends mit Adam Müller, dem Lehrer des Gegensatzes, der hier, während mehrerer Winter schon, ästhetische, von dem Publico sehr gut

1) Schnorr von Carolsfeld schreibt mir gütig: 'Gemeint ist die Rampische Gasse. Das Haus Nr. 123 lag von der Gegend dem Festungsgraben gegenüber nach dem Rampischen Schlage zu gerechnet linker Hand auf dem jetzt Pillnitzer Strasse genannten Theile der Rampischen Strasse.'

aufgenommene, Vorlesungen gehalten hat, ein Kunstjournal herauszugeben, monatsweise, unter dem Titel, weil doch einer gewählt werden muss: Phöbus. Ich bin im Besitz dreier Manuscripte, mit denen ich, für das kommende Jahr, fragmentarisch darin aufzutreten hoffe; einem Trauerspiel, Penthesilea; einem Lustspiel, der zerbrochene Krug (wovon der Gh. Rth. v. Göthe eine Abschrift besitzt, die Sie leicht, wenn die Erscheinung Sie interessirt, von ihm erhalten könnten); und einer Erzählung, die Marquise v. O.. Adam Müller wird seine ästhetischen und philosophischen Vorlesungen geben; und durch günstige Verhältnisse sind wir in den Besitz einiger noch ungedruckter Schriften des Novalis gekommen, die gleichfalls in den ersten Heften erscheinen sollen. Ich bitte Sie, mein verehrungswürdigster Freund, um die Erlaubniss, Sie in der Anzeige als Einen der Beitragliefernden nennen zu dürfen; Einmal, in der Reihe der Jahre, da Sie der Erde noch, und nicht den Sternen angehören, werden Sie schon einen Aufsatz für meinen Phöbus erübrigen können; wenn Sie gleich Ihrem eigenen Merkur damit karg sind. Ferner wünsche ich, dass Sie den H. Hoffrath Böttiger für das Institut interessiren mögten; es sei nun, dass Sie ihn bewegten, uns unmittelbar mit Beiträgen zu beschenken (wir zahlen 30 Th. pro Bogen *) oder auch nur, diese junge litterarische Erscheinung im Allgemeinen unter seinen Critischen Schutz zu nehmen. Ich werde gerne selbst deshalb meinen Antrag bei ihm machen; doch ein Wort von Ihnen dürfte mich leicht besser empfehlen, als alle meine Dramen und Erzählungen. Ich wollte, ich könnte Ihnen die Penthesilea so, bei dem Kamin, aus dem Stegreif vortragen, wie damals den Robert Guiskard. Entsinnen Sie sich dessen

wohl noch? Das war der stolzeste Augenblick meines Lebens. So viel ist gewiss: ich habe eine Tragödie (Sie wissen, wie ich mich damit gequält habe) von der Brust heruntergehustet; und fühle mich wieder ganz frei! In Kurzem soll auch der Robert Guiskard folgen; und ich überlasse es Ihnen, mir alsdann zu sagen, welches von beiden besser sei; denn ich weiss es nicht. Wo ist denn Louis? Was macht ihre vortreffliche Tochter Louise? und die übrigen Ihrigen? Vielleicht, dass ich in Kurzem mit Rühle, dem Gouverneur des Prinzen Bernhard, zu Ihnen komme, und mich völlig wieder in Ihrem Gedächtniss auffrische, wenn die Zeit doch mein Bild bei Ihnen ein wenig verlöscht haben sollte. Erfreuen und beehren Sie bald mit einer Antwort Ihren

treuen und gehorsamen
Heinrich von Kleist.

*) wir verlegen selbst.

Einer Erläuterung bedarf der Brief nicht. Zum Phöbus gab Wieland, ganz mit der Cicero-Übersetzung beschäftigt,

keinen Beitrag. Böttiger muss sich lebhaft für die Zeitschrift bemüht haben; Heinrich Gessner schreibt ihm am 25. Februar 1808 (Bibliothek Dresden): 'Glück zu zu Ihrem Phöbus, auf dessen erste Erscheinung ich begierig bin. Ich halte viel auf meinem alten Freund Kleist, aber ob eben sein ungeregeltes genialisches Wesen, zu einem regelmässigen Gange geeignet sei, weiss ich nicht. Seit Jahren weiss ich nichts mehr von ihm, und erst las ich in irgend einem öffentlichen Blat, dass er nach einer französischen Festung deportirt war, gewis auch so schuldlos als man sein kann. Wenn Sie ihn sehen, so sagen Sie ihm Alles herzliche von mir.'

Graz.

Bernhard Seuffert.

Das Zeugniss des Camerarius über Faust.

Im Goethe-Jahrbuch 10, 256 habe ich auf ein bisher ganz unbekanntes Zeugniss über den historischen Faust hingewiesen. Da dasselbe eine gewisse Bedeutung in Anspruch nehmen darf, so sei es gestattet, hier auf dasselbe etwas näher einzugehen, die Folgerungen genauer zu präcisiren, welche sich aus dem Brief des Camerarius ziehen lassen, und über den Mann, der von Camerarius als Vertrauter oder Freund des Faust eingeführt wird, die erreichbaren Angaben zu machen.

Der Briefwechsel des Joachim Camerarius 1), in welchem sich das Zeugniss findet, zerfällt in zwei Theile, die aber durch die Person des Camerarius miteinander verbunden werden. Der erste Theil bringt Briefe der Mitglieder des Erfurter Poetenkreises, des mutianischen Ordens; die meisten Briefe sind von Mutian, neben ihm erscheinen Eoban, Bruno

1) Libellus Nouus, Epistolas Et Alia Qvaedam Monvmenta Doctorum superioris et huius aetatis complectens. Quae scripta omnia eiusmodi sunt, vt eorum cognitio neque utilitate caritura, et uoluptatem legentibus allatura esse uideatur. Editus studio Joachimi Camerarij Pabeperg. Lipsiae Johannes Rhamba exprimebat Anno Christi M. D. LXVIII. Cum Priuilegio Quinquennij.

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