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4.

Wetzlar d. 14. December 1771.

Sie schreiben mir alles was für mein Herz wichtig ist wenn Sie mir in Ihrem Briefe sagen dass Sie alle wohl und vergnügt sind; was Sie mir sonst von Braunschweig schreiben könnten interessiret höchstens nur meine Neugierde bis auf wenige Ausnahmen ... Meinen Patron habe ich seit der letzten Visite von der ich Ihnen geschrieben habe noch nicht wieder gesehn, und hoffentlich werden wir noch lange auf den Fuss leben. Ihn durch Freundschaft zu gewinnen zu suchen, wie Sie mir in Ihrem vorigen Briefe riethen ist eine blos unmögliche Sache. Auf meiner Seite

weil mir alle verstellte Freundschaft unmöglich ist; nicht aus einer [abgerissen] moralischen Delicatesse sondern weil mir die Natur die Fähigkeit zur Verstellung versagt hat Auf seiner Seite, weil ihn durch Freundschaft regieren zu wollen, ebenso fruchtlos sein würde als den Esel durch Musik zur Mühle führen zu wollen Alles was ich über mich erhalten kann ist nicht rachsüchtig gegen ihn zu sein, und gegen einen so verächtlichen Menschen der mir dabei so tückischer Weise zu schaden gesucht hat, ist das auch glaube ich genung

Dass [abgerissen, wohl zu ergänzen: v. Zwierlein die Aufführung des Grafen Bassenheim gerechtfertiget hat mich sehr gewundert, da ich ihn kein Wort davon gesagt Höfler hat das also hier auch ausgebreitet? ist das nicht ein Schurke Eine besondere Freundschaft hat an des v. Z. Briefe keinen Antheil; ich habe ihn noch nicht mehr als 3 mal gesehn ... Empfehlen Sie mich allen die sich meiner erinnern Ich glaube ich werde Ihnen dadurch nicht viel Mühe machen

Die Briefe 5 vom 30. November 1771 (Copie) und 6 vom 10. März 1772 enthalten ausführliche Erörterungen über Höflers fortgesetzte Chicanen. Nach der ersten Rechtfertigung des Beschuldigten hätten ihm der Erbprinz und der Herzog selbst Gerechtigkeit widerfahren lassen. 1) Bald

1) Höfler hatte (nach Koldeweys Mittheilung) zu seinem Secretär einen gewöhnlichen Copisten vorgeschlagen. Als ihm statt dessen in Jerusalem ein Assessor von der Justizkanzlei zu Wolfenbüttel beigegeben wurde, kam der argwöhnische Beamte seinem neuen Untergebenen von vornherein unwillig entgegen. Am 9. November 1771 beschwert sich Höfler beim Herzog, weil Jerusalem sich weigerte, die Dictatur (wo Protocolle dictando vervielfältigt wurden) zu besuchen, nachdem ihm der Vorgesetzte die Schlüssel zur Registratur entzogen hatte. Nachdem Hofrath von Ditfurth auf Ersuchen als Unparteiischer wirklich unparteiisch einen geheimen Bericht erstattet, erhält Jerusa

darauf erfolgte eine neue Beschwerde Höflers über Jerusalems Nachlässigkeit unter Vorzeigung eines von diesem copirten Actenbogens mit Schreibfehlern. 2)

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7.

Wetzlar d. 31. März] 1772.

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Ich wünsche von Herzen dass Sie die Anlage welche ich Ihnen hierbei schicke mit eben dem kalten Blute lesen mögen mit dem ich sie gelesen habe. Stutzig hat sie mich gemacht aber das ist es alles Jetzt hätte ich sie nicht mehr erwartet, und so wahrlich niemals Aber ich Narre der ich mich auf meine Unschuld verliess Ich war anfänglich willens, sie Ihnen nicht zu schicken. Aber ich kann es nicht, weil ich nun das, was ich Ihnen in meinem vorletzten Briefe schrieb, gänzlich wieder zurücknehmen muss. Eine solche Begegnung ist unerhört! — Ohne einmal meine Verantwortung zu fordern Ich werde mich indessen verantworten und zwar werde ich es wohl in einem Memorial an den Herzog selbst thun müssen. Heute kann ich nicht, denn heute habe ich das Rescript erst erhalten, ich würde daher heute nicht in dem gehörigen Tone antworten können, ich will es Ihnen denn auch erst zuschicken. Ich sehe es zwar voraus, dass mir dies nichts helfen wird; aber dieser Schritt muss doch erst noch gethan sein, ehe sich ein anderer thun lässt. Denn erhalte ich keine Antwort die mich rechtfertiget und zwar wieder per rescriptum, so muss ich mir nun nothwendig alle Mühe geben andere Dienste zu suchen und Sie bitten alles dazu zu thun Bis jetzt waren es noch eigentlich blosse private Kränkungen des Höfler über die ich mich zu beschweren hatte. Aber durch diesen neuen Vorfall wird an mir der Charakter eines ehrlichen Mannes öffentlich gekränket. Denn der ist kein ehrlicher Mann der seine Pflichten vorsetzlich vernachlässiget aber auch der nicht der sich den Vorwurf davon mit Gedult machen lässt, wenn ihn nicht die äusserste Noth dazu zwingt und also erst alles versucht ehe man dies erträgt

Eine jede Stelle sie sei in was für einem Stande sie will wird mir willkommen sein wenn sie mir auch nur den dürftigsten

lem eine gelinde Vermahnung und Höfler wird zu besserer Behandlung seines nächsten Untergebenen aufgefordert.

2) Nach den Acten hatte sich Höfler am 8. Februar 1772 von neuem über Jerusalems Nachlässigkeit beschwert und ihm gänzlich unwahr und widersinnig Vergnügungssucht vorgeworfen. Nach abermaligen vermittelndem Bericht Ditfurths wird die an Höfler früher gerichtete Ermahnung wiederholt und dem jungen Jerusalem ein nachdrücklicherer Verweis ertheilt, dessen Wirkung Brief 7 spiegelt. Übrigens sendet Höfler schon am 11. April abermals Nörgeleien über seinen Secretär ein.

Lebensunterhalt verschafft Je geringer die Vortheile sind mit denen ich meine jetzigen vertausche je wahrscheinlicher wird es einem jeden werden dass mir Unrecht geschehen ist Und fürchten Sie ja nicht dass es mich jemals gereuen wird genöthiget gewesen zu sein eine andere Lebensart anzufangen. Dazu kenne ich mich viel zu gut. Sie wissen es selbst dass ich in meiner Entschliessung nicht übereilt bin Auch Sie werden dabei nichts verliehren. Sie wünschen mich glücklich zu sehn, und das werde ich in jeder andern auch der unbequemsten Lage weit mehr sein, als in meiner jetzigen so wie sie nun ist Mit was für einem demüthigen Gesichte würde ich in Braunschweig herum gehn müssen wenn ich nicht ebenso öffentlich wieder gerechtfertiget werden sollte als ich beschimpft bin

Noch eines bitte ich Sie, verliehren Sie ja kein Wort dieser Sache wegen, damit es ja nicht scheinen möge dass ich den Namen eines ehrlichen Mannes als ein Geschenk wieder erhalten hätte das man mir um Ihrer Willen gemacht Ihre Antwort erwarte ich mit nächster Post Mein Kopf und mein Herz sind viel zu voll als dass ich Ihnen noch mehr in der Kürze schreiben könnte Gott segne Sie alle.

Eiligst

8.

Ihr gehorsamster Sohn

Dienstag d. 14. [April 1772].

Wenn sich die Zeiten in den letzten neun Monaten nicht so sehr verändert hätten, so schickte ich mich jetzt wahrscheinlicher Weise dazu an, selbst zu Ihnen zu kommen, anstatt Ihnen zu schreiben; aber nun ist daran nicht zu denken. O wie segne ich den Engel der mir die Freude raubt. .... Ich für mein Theil würde mich sehr darüber freuen wenn die Visitation noch nicht abgebrochen wird. Es würde mir eine unerträgliche Kränkung gewesen sein, wenn ich bei den gegenwärtigen Umständen hätte zurückreisen müssen, denn alsdann wäre alle Rechtfertigung zu spät gekommen. Wenn ich hier meinen Abschied nehme so weiss ich wenigstens dass mich das hiesige Publicum rechtfertiget, wer aber dort? Hier haben Höfler und ich Zeugen unserer Conduite dort aber keine; und ich hoffe dass ich hier in eben so gutem Credit stehe als der worin Höfler steht schlecht ist. Ich würde dies nicht selbst sagen wenn ich nicht glaubte es Ihrer Beruhigung schuldig zu sein Vor einiger Zeit hat mir der Kerl wieder einen erzgroben Streich gespielt. Sie wissen dass er ein ausdrückliches Rescript bekommen hat ich selbst habe es gesehn dass er mir meine Diäten immer für ein ganzes Vierteljahr auszahlen soll. Am Anfange dieses Monats schicke ich ihm die Quittungen für 3 Monat, anstatt der Diäten für 3 Monat aber bekomme ich sie nur von einem, und er lässt mir zurück sagen,

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dass ich das übrige nicht bekommen könnte, da es nicht gewiss wäre wie lange wir noch hier blieben gleichsam als wenn es von ihm dependire herzogliche Rescripte nach seinem dummen Gutdünken wieder aufzuheben. Ausserdem ist es die elendeste Schicane... Nächstens wird mein Lob noch weiter in Braunschweig verbreitet werden. Unser H. Canzlist reiset nach Braunschweig, um sich eine Frau zu nehmen. Der Laffe hat sich für 400 Fl. Kleider ausgenommen. Wenn es wahr ist was einer von den fürstlichen Bedienten, die der Gesandte hier hat, meinem Ernst gesagt, so bekömmt der Canzlist 1200 Fl. wie ich. Was Wunder dass Se. Excellenz der Gesandte mich mit ihm auf einen Fuss setzen. Aber der brave Mann er verdient es denn er ist des H. von Höfler Geschöpf O bravo bravissimo!

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9.

Dienstag d. 28. [April 1772].

Dabei bleibt es ein für alle mal bei mir wenigstens der Antrag mag sein wie er will; so ist er für mich um den Abschied zu fordern gut genung So gewiss ich meinen vorigen Aufenthalt mit jedem andern ungern vertausche; so gewiss mir kein Glück auf der Welt das Vergnügen bei Ihnen zu sein ersetzen kann; so gewiss komme ich so wie ich jetzt bin nicht wieder zurück Mit meinem Willen wenigstens nicht und ich hoffe auch Sie werden es nicht wollen

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Die nächsten drei Briefe 10 vom 5. Mai, 11 vom 27. Juni (von Herbst veröffentlicht), 12 vom 12. September 1772 (Copie) handeln über das bisher erfolglose Suchen nach einer neuen Stellung in Dresden, Berlin und Gotha.

In Abraham Kästners Nachlass findet sich ein gleichzeitiger Brief Jerusalems, den ich hier einreihe.

13.

Wetzlar d. 15. August 1772.

Wohlgeborener Herr

Hochzuverehrender Herr Hofrath,

Ich wage es mit ehrfurchtsvoller Furchtsamkeit, Ew. Wohlgeboren hiermit einige kleine philosophische Versuche vorzulegen, die ich in den Nebenstunden, welche mir meine hiesigen 3) trockenen Geschäfte übrig lassen, entworfen habe. Sehn Sie diese kleinen Versuche als unreife Früchte an, von einem Boden,

3) Es handelt sich also nicht um die von Lessing veröffentlichten, in Wolfenbüttel verfassten Aufsätze, sondern um die neuen Wetzlarer Abhandlungen, welche Kielmannsegge gesehen. Da sie Kaestner wahrscheinlich doch zurückgesandt, hat Jerusalem dieselben mit seinen anderen Papieren vernichtet.

auf dem eigentlich nur die dürre Saat der Gesetze und des Staatsrechts gebauet wird Wie sehr werden sie die Unfrucht

barkeit des Boden und des Clima verrathen!

Hinzu füge ich das Concept eines Briefes vom Abt Jerusalem, dem Vater Karl Wilhelms, mit unbekannter Adresse (an Ditfurth wohl). Er bittet den Adressaten, bei der Entsiegelung von Wilhelms Papieren zugegen zu sein. Von Werth sind folgende Äusserungen:

14.

Nehmen Sie theuerster Mann indessen die Versicherung von mir an, dass so lange der Name dieses Sohnes, ach! er war mehr, er war mein zärtlichster mein vertrautester Freund! (ach was für ein sanfter Gedanke sonst) in meiner Seele gegenwärtig sein wird, (und wann würde sich der einen Augenblick verlieren können) dass auch der Ihrige mit der innigsten Regung der Dankbarkeit unzertrennlich dabei gegenwärtig bleiben wird. Ihre grossmüthige Protection hat ihn zwar nicht schützen können, aber sie ist ihm sein grösster vielleicht sein einziger Trost gewesen. Er hat Sie und Ihr Haus mir nur allein genannt

Die Schwester Wilhelms, Friederike Jerusalem, Chanoinesse zu Wülfinghausen (geb. 1759, Dichterin), fügte dem Blatte die Bemerkung bei: 'Die ersehnten Papiere sind leider leider alle vernichtet gewesen, es hat sich nichts davon gefunden.' Eben dieselbe theilte dem Archivrath Kestner in Hannover am 8. August 1833 mit, dass selbst der Abschiedsgruss, welchen der Unglückliche für seine Angehörigen hinterliess, nicht abgesandt wurde! Trotzdem habe der Vater Höfler als Urheber des Unglücks wohl erkannt und im ersten Schrecken dessen Namen genannt.

Der Stil der Briefe des jungen Jerusalem lässt auf einen hochbegabten und selbstbewussten Verfasser schliessen; 'ein leerer eitler Bursche', wie ihn Schlosser nennt, war er nun wohl nicht.

Charakteristisch tritt der Hang zur Einsamkeit, die Verachtung der grossen Welt, hervor, ein Kennzeichen von Jerusalems Geistesverwandtschaft mit den sentimentalen Genies. Dieser trotz aller Ableugnung gegenüber dem zurechtweisenden Vater (Brief 1) echt Rousseausche Zug, diese früh hervortretende weltfeindliche Philosophie (ebd.), dieses Sehnen nach einem kleinen Amt und dem engen

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