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Der Menschensohn und seine Sendung an die Menschheit.

Vortrag auf der Missions-Konferenz zu Halle a. S.

von D. Martin Kähler.

Wir, die wir leben und überbleiben auf die Wiederkunft des Herrn,"1) mit der Hoffnung ist Saul von Tarsus ausgezogen um innerhalb der Grenzen eines Menschenlebens seine Arbeit daran zu vollbringen, daß in dem Namen Jesu sich alle Kniee beugen zur Ehre Gottes, des Vaters.) Die Hoffnung auf die ganz nahe Entscheidung hat ihm und der alten Christenheit die Missionsarbeit nicht überflüssig erscheinen lassen. Solche Stellung fußt gewiß nicht auf kluger Berechnung des Durchführbaren. Den Antrieb bildet die Liebe Christi3) und das Bewußtsein, allen denkbaren Arten von Menschen gegenüber zum Schuldner) geworden zu sein durch die Gnade, welche ihm, dem ersten aller Sünder,5) widerfahren ist. Ist ihm die Welt gekreuzigt und er der Welt,®) so darf sie sich nicht mehr zwischen ihn und alle, d. h. jeden) Menschen stellen. Nicht bloß die Lust an der Eroberung der Welt und der Geiz läßt die Welt klein erscheinen, und keinen Winkel der Erde zu fern und zu unheimlich, um dort zu siedeln. Wem sich der Horizont der Ewigkeit erschlossen hat, dem ist das alles noch viel gewisser und vor ihm schrumpfen auch die Zeitmaße zusammen. Jede Politik, auch die Kirchenpolitik, auch die Missionspolitik, kann nicht anders, als das Erreichbare berechnen und erstreben. Die von Christo ausgehende Liebe trägt eine andre Notwendigkeit in sich; sie macht sich an die Kleinarbeit, die nur allzu sichtbar unzureichend ist, und glaubt daran, daß die Samenförner des Reiches Gottes eine Lebenskraft haben, deren Wachstum nicht erstickt werden kann und der keine irdischen Grenzen gesteckt sind. Wann und wo die Christenheit und die Christen in der festen Zuversicht des ewigen Zieles darauf verzichten, in dieser Welt heimisch zu sein und sie sich heimisch zu machen, dann und da regt und entfaltet sich ihre Kraft zur Welteroberung, nämlich nicht für sich, sondern für den, der nicht von dieser Welt war. Wann und wo man die Welt „fromm spricht“ und fromm zu machen sucht, erschöpft sich

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die Kraft darin, die Maschine der Kirchenanstalt im Gange zu halten und den Frieden zwischen dem Evangelium und der Welt in der Kirche zu stiften, der doch wider die Natur der Sache ist;1) über dieser Danaiden-Arbeit erlahmt dann aber der Mut für die weltweiten Aufgaben des Reiches Gottes.

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Warum die Erinnerung an diese Versuchung in einer Zeit, die doch sonder Zweifel eine Blütezeit der Mission ist? Täuschen wir uns nicht, die Blüten und Früchte unsrer Missionsarbeit wachsen an dem Stamme, der aus dem Pietismus erstanden ist; aus dem Pietismus, der welterobernd wurde wie das Urchristentum, weil er weltfrei war, wie das Christentum der Apostel. Es gehen Stimmungen und Betrachtungen unter uns um, welche dem kräftigen Baume seine Nahrung entziehen würden, wenn sie zur Herrschaft gelangten, welche ihm die Nahrung beschränken, wo immer sie Eindruck machen. Die aus Beobachtung der Natur abgeleitete Entwicklungslehre," wendet man heute auch auf die Religionen an, um sie unter das Naturgesez des Werdens und Vergehens zu stellen; eine Missionsarbeit, welche die Verbreitung der Kultur zu überholen, ihr zuvorzukommen sucht, achtet diese Denkweise zum Mißglücken verurteilt; nehme sie doch die Frucht voraus, welche ihrer Zeit reif vom Baum fallen wird. Und die erwartete Frucht ist dieser Denkweise durchaus nicht notwendig ein Sieg des biblischen Christentumes. Eine Theologie, welche die Erwählung mit dem geschichtlichen Gange der Kirche verwechselt, wird leicht dazu führen, daß man den Missionseifer des vorwißigen Eingreifens in die Fügung des Gottes anklage, der die Geschichte wenigstens in ihren großen Zügen lenkt. Dergleichen und ähnlichen Erwägungen gegenüber wird es nicht überflüssig sein, wenn wir uns von neuem vergewissern, daß es dem Christentum eingestiftet sei, und zwar von und mit eben demjenigen, dessen Namen es trägt - seiner Aufgabe nach Menschheitsreligion zu sein, und für die Verwirklichung dieser Aufgabe keine Grenzen anzuerkennen, weder der Zeit noch des Raumes. Es hat nicht nur den Naturtrieb des Wachstumes, wie alles, was auf Erden lebt, nicht nur die selbstische Herrschsucht jeder sogenannten „Sache", mit der sich Menschen und Kreise eins seßen, um sie und sich zur Geltung zu bringen; es hat einen Auftrag, eine Sendung, und darf im Gehorsam des Glaubens die Verantwortlichkeit dafür auf den Urheber abschieben, ob die Ausführung ratsam und möglich sei. Denn darin sind wir hier einig, daß es der Christenheit nicht zieme, fich altklug anzu

1) Matth. 10, 34. Joh. 15, 18 f.

stellen, als vermöge sie über den Heiland hinauszuwachsen, ob es nun ein großer Apostel sei, dem man das zuschreibe, oder ein kulturreises Jahrhundert; vollends etwa das unsre, welches an seiner Grenze statt „schön in reifer Menschlichkeit dazustehen" ratlos in die Zukunft schaut, ungewiß, ob der Friedensbau unter der Eifersucht der Völker oder unter dem Haß der Stände zusammenbrechen wird.

Die thätige Ausführung jenes Auftrages nennen wir eben nach der göttlichen Sendung „Mission"; und unsre Aufgabe heute ist es, das gute Recht und die Pflicht zu dieser Mission in der Sendung oder Mission dessen nachzuweisen, den die heil. Schrift den „Boten (Gesendeten, Apostel) und Hohenpriester unsers Bekenntnisses"1) nennt.

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I. Unser Thema wählt zur Bezeichnung unsers Herrn jenen Namen, der schon seinen Zeitgenossen ein Rätsel 2) war und es in der That ge= wissermaßen noch immer ist. Die Wahl dieses Ausdruckes setzt eine besondre Beziehung dieses Namens der Menschensohn" 3) zu dem Berufe Jesu voraus, der ihm die ganze Menschheit zum Wirkungsfelde giebt. Und dessen werden wir uns vorerst vergewissern müssen. Dabei kann es nun hier nicht meine Aufgabe sein, die verschiedenen gelehrten Erklärungen dieses Namens zu durchmustern und eine von ihnen zu wählen. Vielmehr bin ich als Dogmatiker gewöhnt, nach Kräften mich auf dem schmalen Boden anzusiedeln, welchen die verschiedenen Auslegungen als gemeinsamen behaupten oder frei lassen. Unbestreitbar dürfte nun folgendes sein: 1. Jesus vermeidet es in der ersten Zeit, sich ausdrücklich als den Messias oder Christus zu bezeichnen, braucht dagegen diesen Namen, der damals nicht zu den gangbaren messianischen Bezeichnungen gehörte ;) vermutlich eben deshalb. Indem er sich so nannte, wollte er vorerst nicht als der verheißene König von Israel betrachtet sein. 2. Wenn er sich so bezeichnete, so war das nicht nur eine Umschreibung für ich;" denn er sagt oft genug schlechtweg ich. Wie würde es uns flingen, wenn wir hörten: kommt her zu dem Menschensohn, alle, die

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3) Luthers Übersetzung des Menschen Sohn" entspricht nicht der Thatsache, daß eine Übersetzung aus dem Aramäischen vorliegt; der Artikel gilt nicht für Mensch“, sondern für den zusammengeseßten Ausdruck „Menschen-Sohn oder -Kind;“ deshalb ist oben immer genau der Menschensohn eingeseht; das ist an sich nebensächlich, nur gegenüber einer falschen Auslegung zu betonen, wonach „der Mensch“ für die Menschheit“ abstrakt oder kollektiv stehen soll.

4) Matth. 16, 13 f. Joh. 12, 34.

ihr mühselig und beladen seid," oder: „Vater, der Menschensohn dankt dir, daß du dieses vor den Weisen verborgen hast u. s. w.," während wir das Gewicht empfinden, wenn es heißt: „damit ihr sehet, daß der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden," oder „niemand fähret gen Himmel, denn der Menschensohn, der im Himmel daheim ist."1) Wo er persönlich mit den Menschen verkehrt und wenn er betet, hat der einfachste aller Menschen keine gespreizte Titulatur angewendet. Wo er sich so bezeichnet, da spricht er von seinem Auftrag und Werke sonder gleichen und will darauf aufmerksam machen, daß er solche hat und ausführt. 3. An welcher Stelle in seiner heil. Schrift nun auch Jesus den Anlaß für die Wahl dieses Namens mag gefunden haben, der Ausdruck Menschensohn" bezeichnet zunächst uns Menschen eben als Menschenkinder, und wenn sich nun ein einzelner „das Menschenkind" nennt, also nicht ein Menschenkind wie alle andern, auch nicht dieses Menschenkind, nämlich dieses einzelne unter den vielen andern, so gewinnt jeder unbefangen Erwägende den Eindruck, Jesus will also seine Zugehörigkeit zum menschlichen Geschlechte als etwas für ihn Besondres herausheben, wie es das für niemanden außer ihm gewesen ist und sein konnte. Es war drum nicht schlecht gehört, wenn etliche Theologen meinten, er habe dabei an den verheißenen Weibessamen, an das Kind des Geschlechtes gedacht, in welchem dieses seinen besten Sproß, seine reifste Frucht zeugt. Und doch findet sich keine Anlehnung an dergleichen in den Reden Jesu, während er mehr als einmal in seinen Aussagen über den Menschensohn unverkennbar Worte aus Daniel im Sinne hat; wie er denn diesen Namen weitaus am häufigsten braucht, wo er von seinem Lebensausgange spricht, von seinem Tod und seiner Erhöhung nach des Vaters Rat und Verheißung.2) Nun vergleicht jenes Buch der Gesichte alle Israel feindlichen Weltreiche und ihre Fürsten mit Tieren, dagegen das vom Himmel

1) Matth. 11, 28 f. 25. Matth. 9, 6. Joh. 3, 13.

2) Zählt man die Aussprüche, welche in den drei ersten Evangelien gleichmäßig vorkommen, nur je einmal (wie ich denn im Folgenden Aussprüche, welche bei allen drei Evangelisten oder bei zweien vorkommen, immer nur einmal, zumeist aus Matthäus, anführe), so bedient sich Jesus des Namens 35 mal; davon sind 8 (Matth. 12, 40. 17, 9. 22. 20, 18. 26, 2. 24. 45. Luf. 24, 7.), in denen er von Tod und Auferstehung redet; 15 (Matth. 10, 23. 13, 41. 16, 27. 19, 28. K. 24 u. 25 7 (8) mal. 26, 64. Lut. 12, 40. 17, 30. 18, 8. 21, 36.), in denen er auf seine Wiederkunft weist; 4 (Matth. 9, 6. 12, 8. 13, 37. (18, 11) Luk. 19, 10.), in denen in andrer Art seine besondre Vollmacht zum Ausdrucke kommt. Nur 8 (Matth. 8, 20. 12, 32. 11, 19. 16, 13. 20, 28. Luf. 6, 22. 17, 22. 22, 48.) sind es, bei denen man über die Beziehung zweifelhaft sein kann; die Mehrzahl wird sich den ebengenannten

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her begründete Gottesreich unter Israel mit einem Menschensohne.1) Da steht dem rein irdischen und deshalb eigentlich untermenschlichen Menschentum ein Gotte gemäßes Menschentum gegenüber, bei dem man doch unwillkürlich an die Gottesbildlichkeit des Menschen erinnert wird, die ihn von allen bloßen Erzeugnissen der Erde unterscheidet. Die Heiligen des Höchsten" stellen das wahre Menschentum dar, eben wegen ihrer Angehörigfeit an Gott. Es zeigt sich schon hier, was uns noch weiter begegnen wird: Der am höchsten gespannte Anspruch des theokratischen Vorrechtes biegt sich von selbst so um, daß der religiöse Kern die Hülle des geschichtlichen Volkstumes der Juden zersprengt. Ob man nun an 1 Mose 3, das Protevangelium, und Psalm 8, ob an Daniel 7 anknüpfe in keinem Fall erinnert die Bezeichnung an den Davidssohn, der nur Israel gehört; ob sie an den Beginn der biblischen Menschheitgeschichte mahne, oder mit dem Anspruch auf Weltherrschaft und Weltgericht sich verknüpft zeige, sic eröffnet einen umfassenden Gesichtskreis. 4. Hat nun Jesus jeine Jünger zuerst daran gewöhnt, in ihm den Menschensohn zu sehen, und sie bei den Voraussagen seines entscheidenden Lebensendes überwiegend dabei festgehalten; hat ihm (in dem entscheidenden Bekenntnisse seiner Jünger) der Menschensohn das Subjekt, und Christus oder Messias oder Sohn Gottes (oder Heiliger Gottes) das Prädikat sein können,2) dann kann die Gewißheit, der Messias Israels zu sein, in dem, was man sein messiauisches Bewußtsein zu nennen pflegt, in dem Bewußtsein um seine besondre Lebensaufgabe, nicht das erste gewesen sein; gewiß nicht dem Werte nach, wahrscheinlich auch der Zeit nach nicht. Es steht auch ohne die Entscheidung über die Sonderbedeutung dieses Namens fest so darf man wohl sagen daß Jesus seiner Umgebung erst vorleben und sagen wollte und mußte, was er war, um dann diesen seinen Lebensinhalt für sie und uns an das Stichwort zu knüpfen: Jesus von Nazareth der Messias. Hier, wie das auch in allen Aussagen von Gott der Fall ist, hier giebt nicht das Prädikat dem Subjekte, sondern das Subjekt dem Prädikate seinen Inhalt. Und dann haben auch wir das Recht, an jene von ihm zuerst und überwiegend gebrauchte Selbstbezeichnung eben den Inhalt zu heften, welchen er durch sein Leben dem Messias-Titel ge= schaffen hat.

Kategorieen eingliedern. Die johanneischen Stellen (zu denen 5, 27 nicht zählt, da hier nicht der Name steht) schließen sich meines Erachtens dem obigen Ergebnisse bestätigend an; sie handeln auch von den sonderlichen Beziehungen zum Himmel und dem besondern Werke dessen, der erhöht werden mußte.

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