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poration,, ad exemplum rei publicae" gestaltet war 1. Doch nicht blofs der abstrakte Kirchenbegriff wurde den Römern entgegengebracht, sondern auch eine schon recht konkrete äufsere Form und Darstellung desselben, in der altjüdischer Ritualismus wieder aufgelebt und mächtig geworden war. Die hohe Geistesfreiheit, mit der Christus alle nationalen Schranken, alle kleinlichen Dogmen und Gesetze durchbrochen hatte, konnte sich schon unter seinen Jüngern nicht behaupten. Von Paulus in ihm eigentümlicher Weise wiederhergestellt, musste sie dennoch abermals im Verlaufe der christlichen Entwickelung, in der nachapostolischen Zeit einem formalistischeren Geiste weichen. Die volkstümliche Wertschätzung alter nationaler Gebräuche, von denen selbst ein Petrus sich nicht hatte freimachen können, nahm überhand; das Amt und seine Zeremonieen, besonders die Salbung und Handauflegung, erhielten einen heiligen Charakter mit übernatürlicher Wirkung 2. Für unsere Darstellung kommt es zunächst nicht darauf an, wie weit diese Veräusserlichung Platz griff, sondern dafs sie nur überhaupt zum Ausdruck kam und der sinnlichen Religiosität der Römer einzelne Anknüpfungspunkte bot. Die italische Volksreligion, so wie sie im Herzen von jedermann lebte, nähert sich am meisten dem Fetischismus. ,,Man würde den Götterglauben der Römer richtiger Pandämonismus nennen als Polytheismus", sagt Preller. Derselbe nennt den römischen Wunder- und Aberglauben so ausgebreitet,,, wie er auf solcher Stufe der Zivilisation sonst unerhört ist" 4. Die Gottheiten waren ursprünglich und noch in historischer Zeit nur Symbole, Fetische, wie z. B. Mars im Speere verehrt und gesalbte Steine

1) Gierke, Deutsches Genossenschaftsrecht III, 77–87 u. 124. 2) ὑμεῖς τὸ χρίσμα ὃ ἐλάβετε, μένει ἐν ὑμῖν, καὶ οὐ χρείαν ἔχετε ἵνα τις διδάσκῃ ὑμᾶς, ἀλλὰ τὸ αὐτὸ χρίσμα διδάσκει ὑμᾶς περὶ πάν των, καὶ ἀληθές ἐστιν καὶ οὐκ ἔστιν ψεῦδος, καὶ καθὼς ἐδίδαξεν ὑμᾶς μένετε ἐν αὐτῷ 1Joh. 2, 27. τὸ χάρισμα τοῦ Χριστοῦ, ὅ ἐστιν ἐν σοὶ διὰ τῆς ἐπιθήσεως τῶν χειρῶν μου 2 Tim. 1, 6 vgl. 1 Tim. 4, 14. Act. 8, 17; 10, 38, ferner 2 Mos. 30, 22-33. 3 Mos. 8.

3) Röm. Mythologie I, 48 ff.

4) Ebenda I, 60.

angebetet wurden 1. Eigentlich getrennt haben aber die Römer ihre numina niemals von deren Erscheinungsformen, Bildern, Statuen, ja selbst Namen 2. In ihren Anrufungen und Bezeichnungen glaubte man die Gottheiten faktisch enthalten und gebunden, weshalb alles auf das rechte Wort ankam3. Damit hängt aufs engste die Reliquienverehrung zusammen, die der römischen Nation von altersher eigen ist. Man zeigte das strohgedeckte Haus des Romulus, den heiligen Feigenbaum, an dem der Kasten mit den Zwillingen gelandet war. Sogar des Aneas Fahrzeug war zu sehen, und die Sau, die ihm den Weg gewiesen, befand sich wohl erhalten in gepökeltem Zustande im Vestatempel. Der lituus des Romulus, mit dem er das Glückszeichen zur Gründung Roms gewonnen, sowie das troische Palladium wurden als heilig aufbewahrt. Die Götter hatten einen niedrigen, naiven, innigen Charakter 5 und ragten nach uralter Vorstellung in den Kreis menschlicher Rechtsverhältnisse herein 6; haben sie doch sogar ein eigenes Eigentums- und Erbrecht, das von ihren Priestern vertreten wird. Daher schreibt sich auch die Gewohnheit, zu Kultuszwecken Schenkungen zu machen; desgleichen ist das Gelübde ein uralter römischer Brauch. Es gilt als ein Kontrakt, der die betreffende Gottheit bindet, zur Gegenleistung verpflichtet; denn die Götter sind Hilfsinstrumente, verhalten sich zum Menschen wie Gläubiger zum Schuldner 8.

1) Preller I, 114ff. 339; Marquardt, Röm. Staatsverwaltung III, 5; Döllinger, Heidentum und Judentum, S. 473. 633.

2) Friedländer, Sittengesch. Roms II, 323 f.; III, 501 ff.; Döllinger a. a. O., S. 631 ff.; Preller I, 137 ff. 339; II, 169 ff.

3) Mommsen, Röm. Gesch. I, 172f.; Döllinger, S. 471. 475; Preller I, 94. 132. 135 ff.; Jhering, Geist des röm. Rechts II,

463. 479 etc.

4) Mommsen, R. G. I, 48; II, 453; Preller I, 124; II, 169 f.; Friedländer II, 168 ff.

5) Mommsen, R. G. I, 164f.; Friedländer II, 38. 482; Preller I, 55.

6) Gierke, Deutsches Genossenschaftsr. III, 62.

7) Löning, Gesch. des deutschen Kirchenrechts I, 216 f.

8) Preller I, 133; Mommsen, R. G I, 172f.; Döllinger S. 471. 477. 527; Ranke, Weltgesch. III, 122.

Die Ähnlichkeit all' dieser Vorstellungen mit der römischkatholischen Religiosität und dem Heiligendienst fällt von selbst in die Augen, aber das überleitende, einheitliche Verständnis der inneren Verwandtschaft zwischen antik-heidnischem und christlichem Romanismus kann nur vermittelst des staatlichen Einheitsbegriffes gewonnen werden, wie oben bereits angedeutet wurde. Praktisch war das Wesen der Römer, praktisch auch ihre Religion, denn sie hatte im Grunde nur den Beruf, den Staat und seine Institutionen zu heiligen, zu durchgotten. Dazu war sie da, und dazu war sie gut mit ihrem sinnlichen Charakter. Der Staat galt als älter denn die Götter des Staates und die res divinae, wie der Maler älter ist als das Gemälde 1. Der Staat ist die allererste Schöpfung, der allererste Ausdruck des absoluten göttlichen Willens und Wirkens; erst in ihm kann die Religion existieren, weil das Volk selbst, die Nation in ihm erst erschaffen wird. Darum also hatte die Reichsidee, wie sie in der Kirche gegeben war, samt ihrer Organisation in den judaistischen Formen solch ungeheuren Wert für den Römer; darum sagt Hermas 2: ἐκκλησία πάντων πρώτη ἐκτίσθη. Alle Auspicien werden zurückgeführt auf jenes grofse Zeichen, wodurch die Götter dem Romulus die Ermächtigung gaben, die Stadt zu gründen, das römische Volk zu stiften, und ihm das Königtum desselben übertrugen. Dieser Fideikommifs göttlichen Schutzes ging von Hand zu Hand durch die Könige und die Reihe der Konsuln und sonstigen Oberbeamten", und ganz ähnlich: „Also wird, der hohe Göttersegen, unter dem die berühmte Roma gegründet ist', von dem ersten königlichen Empfänger in stetiger Folge auf den Nachfolger übertragen und die Einheit des Staates trotz des Personenwechsels der Machthaber unveränderlich bewahrt" 3. Erstaunlich und frappant

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1) Mommsen, R. G. II, 417; Preller I, 35; Marquardt III, 3.

2) vis. II, 4 vgl. vis. I, 1, 6 und Clem. Rom. im 2. Korintherbrief XIV etc.

3) Mommsen, Röm. Staatsrecht I', 15f. u. Röm. Gesch. I,

63.

ist die Übereinstimmung dieser antiken Vorstellung vom Staat mit der Successionslehre der römischen Kirche bis zur wörtlichen Ausdrucksweise in dem per manus tradere. Man könnte sich wundern, dass noch niemand, selbst Mommsen nicht, sich durch obige Stellen zu weiterem Vergleichen angeregt gefühlt hat. Der Einheits- und Einigungsbegriff wird nach echt römischer Vorstellung gleichsam körperlich, materiell aufgefafst und geht schlechthin verloren, wenn seine sinnenfällige Darstellung unterbrochen wird. Staat und Volk, wie Kirche und Christenheit, sind göttliche Stiftungen und ruhen zunächst einzig in der Hand des von der Gottheit beauftragten Stifters, würden also mit diesem zerfallen, wenn er sie nicht einem anderen unmittelbar in die Hand legte. Die Römer mufsten demnach bewusst oder unbewusst Christum an die Stelle des Romulus setzen, wenn sie aus ihrem antiken staatlichen und zugleich religiösen Reiche in das der Kirche hinübertraten. Wie nun die alte Stiftung des römischen Staates, sinnlich gedacht, nur durch die Weitergabe und Übernahme derselben seitens der Oberbeamten in unmittelbarer Aufeinanderfolge erhalten werden konnte, so musste diese Vorstellung sich von vornherein auf den Begriff der Kirche übertragen. Entstand in dem „, von Hand zu Hand geben" auch nur die geringste Lücke, so war eben alles dahin, so stürzte die göttliche Stiftung durch diese Lücke ins nichts zurück. Diese Successionslehre finden wir in der römischen Nation seit den dunklen Zeiten ihrer eigenen Entstehung vor; sie durchdrang das ganze Volk, lebte in jedem einzelnen Volksgenossen. Schon im Königtum war dafür gesorgt, dafs das Oberamt nie erledigt werden konnte, weil stets das Zwischenkönigtum da war, in der Regel nur mit ruhender Befugnis 2.,,Damit die Götter dem königlosen Rom den alten Segen nicht entzögen, wurde das Königtum der Form nach beibehalten im rex sacrorum" 3. Dadurch

1) Mommsen, Staatsr. I, 157; II', 5f.; Löning, Deutsches Kirchenr. I, 21.

2) Mommsen, R. G. I, 77, 246. 250; Staatsr. I, 16.
3) Mommsen, Staatsr. II', 13.

sowie durchs Zwischenkönigtum war einerseits der königliche Name erhalten, und anderseits war das konsularische imperium vollständig mit dem königlichen identisch 1. Die Rechtfertigung der Römer, dafs schon nach dem Tode des ersten Königs durch das Zwischenkönigtum die republikanische Ordnung hätte eingeführt werden können und dass schon Servius die Königsherrschaft habe niederlegen wollen und Jahresherrscher einsetzen, ist staatsrechtlich fehlerlos und ,,gleichsam die Probe, dafs die grofse Aufgabe, aus dem Königtum die Republik herzuleiten, vollkommen gelöst war". Hier kann man ermessen, wie der Römer mit allen Fasern seines Empfindens an dem Successionsprinzip, an der Kontinuität hing, wenn die grössten Revolutionen, die ein Volk durchmachen kann, wenn der gewaltsame Umsturz der bestehenden Staatsform jene nicht im leisesten erschüttern konnte und durfte. Ebenso war ja die Entstehung des Kaisertums bekanntermafsen nur die Kumulation verschiedener Ämter auf eine Person und führte zu jenem unwürdigen Spiel mit republikanischen Formen, als bestände die alte Verfassung noch 3. Das Konsulat ward bis ins 6. Jahrhundert selbst von den Einsichtigsten und Besten als höchstes Gut und höchste Ehre der Sterblichen gepriesen. Wenige Erscheinungen der späteren römischen Welt sind so merkwürdig wie diese, dafs selbst die kläglichen Schattenbilder der alten Gröfse jahrhundertelang in so hohem Grade statt des längst entschwundenen Wesens gelten, die alte Ehrfurcht erwecken, den alten, unwiderstehlichen Zauber üben konnte "4. Das macht eben, weil die ganze Religiosität der Nation sich auf das Amt konzentrierte. Von ihm ging Staat und Religion aus. Die Ämter und Beamten sind die Gesamtdarstellung und Tradition, gleichsam die kontinuierliche Urkunde der göttlichen Offenbarung, und gleichen deshalb in gewissem Sinne dem hebräischen Schrift

1) Mommsen, Staats. I, 43; II1, 88; R. G. I, 246.

2) Mommsen, Staatsr. II', 15.

3) Mommsen, Staatsr. II, 710; III1, 330; R. G. III3, 466 ff. 4) Friedländer I, 222.

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