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lebte dort bereits in behaglicher Stellung, und als das Gestirn Göthe's dort aufging, folgten Herder, Schiller bald nach, auch Voß blieb einige Zeit und in Jena bereitete sich, während der große, einsame Denter, Imanuel Kant, in Königsberg alterte, die neue speculative Bewegung durch Fichte, Schelling, Hegel vielverheißend vor. Dort also, in demselben Lande und unfern der Wartburg, wo Luther sein Reformationswerk reif gedacht hatte, sollten auch die verspäteten dichterischen Blüthen und Gedankenfrüchte des protestantischen Geistes in der Poesie und in der Philosophie sich entfalten und zeitigen.

Unter diesen Umständen mußte allerdings die weitere Entwicklung der Literatur, insbesondere der dramatischen, einen eigenen Weg nehmen. Ein kleiner gebildeter, feiner empfindender Kreis trat an die Stelle des großen Publicums: an der momentan wirkenden, populären Kraft, die sich aus ihren Jugendwerken ergoß, büßten Göthe und Schiller unter diesem Einflusse wohl vieles ein, aber sie gewannen an größerer Freiheit und Unabhängigkeit des Kunstprincips. Wohl fehlte ihnen nun die lebhafte Berührung mit der Gesellschaft, mit dem wogenden, drängenden Leben der verschiedenen Stände und Menschenclassen; es fehlte ihnen jener Verkehr mit dem Ganzen des Volkes, der gleich das Schifflein des Dichters steigen macht, es mit vollen Segeln dahingehen läßt, und - man sollte es wenigstens glauben - namentlich dem Dramatiker ganz unentbehrlich ist. Bei einer günstigeren Entwickelung der nationalen Existenz fann man sich gar nicht denken, daß das

Bedeutende in der Poesie aus einer solchen isolirten Position der Dichter hervorgehen solle. Wie aber damals die gesellschaftlichen und politischen Zustände Deutschlands geartet waren, konnte dies eben als kein großer Verlust gelten. Eine imposante, großartige Concentration der nationalen Kräfte in einer bedeutenden Stadt gab es nirgends; weder Berlin, noch weniger aber Wien konnten das deutsche Leben als solches abspiegeln und repräsentiren. In den Reichsstädten waren die Formen der Eristenz meist verengt, verdumpft, philisterhaft, an den übrigen größern oder kleinern Hofhaltun gen richtete man sich ein Klein-Versailles ein, caricirte die französische Frivolität ins Plumpe und Cynische, und schmiedete Antichambre-Intriguen und Hofränke. Von diesen verkrüppelten und entarteten Formen des deutschen Lebens mußte sich die höhere Richtung der Poesie abwenden und ihre Darstellung jenem Naturalismus überlassen, der sich nicht viel darum fümmert, ob er bei dem, was er erfaßt, auch saubere Hände bebält. Will man aus der Literatur erfahren, wie das deutsche Leben damals wirklich beschaffen war, in welcher Flachheit und Versumpfung es sich befand, in welchen engen und trivialen Interessen es sich bewegte, so braucht man nur die Stücke von Schröder, Iffland, Kogebue zu lesen. Wohl den bedeutenderen Geistern der Literatur, und wohl auch uns, daß sie von dieser Wirklichkeit, an der sie sich nicht befruchten, und die sie nicht vers edeln konnten, in heilsamer Jsolirung sich abwandten. Durch sich selbst gebildet, traten sie dann als die wahren Bildner des Volkes hervor, und schenkten ihm

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gleichsam aus dem Privatvermögen ihres Geistes die hohen Ideale reiner Menschlichkeit. Homer war der verkörperte Genius seines Zeitalters, Shakespeare war bei seiner ungemeinen Größe doch nur das individuelle Organ der aufgesammelten Kraft seiner Epoche, die in ihm zum höchsten Ausdruck gelangte Göthe und Schiller haben durch die persönlichen Errungenschaften ihres Geistes, zu denen die Nation fast nichts beigetra= gen, die ganze Nation gehoben und gebildet. Gleich dem aufgeklärten Despoten des 18. Jahrhunderts, die ihre wohlthätigen Reformen mit Gewalt einführten, nöthigten die Fürsten der deutschen Literatur ihr höheres Kunstprincip dem deutschen Volke auf, bis dieses in ihm den Geist erkannte, von dem es, allerdings ohne seine eigene Schuld, abgefallen war, und in begeisterter Einstimmung sich um die Standbilder seiner Dichter sammelte. Beide, Göthe und Schiller, wirkten jeder in seiner Weise ästhetisch erziehend auf die Nation ein: jener, indem er ihr das dichterische Bild seines eigenen, individuellen Entwicklunggangs in Wilhelm Meister, in Faust u. s, w. in verklärter Form entgegenhielt, dieser, indem er durch die Macht allgemeiner Ideen und Anschauungen, durch die bewegende Gewalt bedeutender historischer Stoffe auf sie zu wirken suchte. Die ästhetische Confession, die sie mit einander theilten, war aber der unbedingte Glaube an das griechische Ideal, welches beide so ganz in die Tiefe ihres schaffenden Geistes aufnahmen. Göthe's Faust stieg in die Unterwelt hinab, um den Schatten der Helena heraufzuholen, Schillers Muse führte die Götter von Griechenland auf

den deutschen Parnaß, ja sogar die antikisirende Schickfalsanschauung in die moderne Tragödie ein.

Diese abstract idealistische Richtung, auf die dramatische Poesie angewendet, hatte trog ihrer Reinheit und ihres hohen Adels doch etwas Bedenkliches. Bei andern Völkern, wo sich die Literatur auf normalem Wege zur dramatischen Blüthe gegipfelt hatte, war diese gleichsam das Leben ihres Lebens, das circulirende Blut ihrer Adern, der Ausdruck ihrer höchsten Empfindungen und Interessen, das Denkmal ihrer durchgekämpften Conflicte, ihrer geschichtlichen Prüfungen, ihres nationalen Stolzes. In diesem Sinne verlangte auch Shakespeare vom Schauspiele, es solle dem Jahrhunderte gleichsam das Spiegelbild und den Abdruck seiner Gestalt vorhalten. Wie ganz anders faßt dagegen Schiller auf der Höhe seiner künstlerischen Reife die Bestimmung der Bühne auf:

Leicht gezimmert nur ift Thespis' Wagen,
Und er ist gleich dem acheront'schen Kahn;
Nur Schatten und Zdole kann er tragen,
Und drängt das rohe Leben sich heran,
So droht das leichte Fahrzeug umzuschlagen,
Das nur die flücht'gen Geister fassen kann.

Der Schein soll nie die Wirklichkeit erreichen,
Und siegt Natur, so muß die Kunst entweichen.

Wir sind jezt anderer Ansicht. Wir fordern von der Poesie, daß sie uns nicht blos den Schatten, sondern den innersten Kern der Realität vorführe, daß sie die Wahrheit des Lebens potenzire und verstärke, nicht sie durch sogenanntes Idealijiren, durch ästhetisches Zuschleifen der Form entkräfte und abschwäche. Das

Ideal der Kunst und der Dichtung gilt uns nur als die in reinerer Form gefaßte Wirklichkeit, nicht aber als etwas ihr Entgegengeseztes und getrennt Gegenüberstehendes.

Wir stellen auch diese Forderungen mit Recht; nur muß aber da der Dichter, der Künstler mit seinem Zeitalter in innerer Uebereinstimmung stehen: er muß das Bedeutende, das er darstellen möchte, auch außer sich, in der umgebenden Wirklichkeit finden. War dies aber auch in der Zeit Göthe's und Schiller's der Fall? Keineswegs! Damals war das Ideal in der That dem Leben entgegengesegt, es war nicht aus der unmittelbaren Gegenwart des deutschen Lebens hervorgegangen, fonnte bei der unpoetischen Sterilität desselben nicht aus ihm hervorgehen. Die Kunstansichten Schiller's und Göthe's haben manches Unrichtige und Einseitige, wenn man sie als ästhetische Principien, die den Anspruch allgemeiner Geltung machen, auffassen will; nimmt man aber an, daß durch dieselben zunächst die Beziehung des künstlerischen Schaffens unserer classischen Dichter zu ihrer Zeit ausgedrückt sei, so ist gegen sie kaum etwas einzuwenden.

Es geht ein unverkennbarer bürgerlicher Grundzug durch die deutsche Literatur: sie hat nichts Aristokratisches, nichts Vornehmes und Chevalereskes, wie die französische und spanische, zum Theil auch die englische Poesie. Es liegt dies an den schon früher berührten Verhältnissen Deutschlands, an der Zerbröckelung des großen Ganzen der Nation durch Kleinstaaterei und reichsstädtische Specialitäten: da mußte noth2

Baser: Von Gottsched bis Schiller.

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