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bald in dieser, bald in jener Richtung poetisch gesteigert - aber Stoff fand er genug in seinem reichen Gemüth, um ihnen allen Leben und überzeugende Wahrheit zu verleihen. Schon seine Charakteranlage, das unruhige Streben, seine eigene Lebenslage immer neu zu erponiren, zu verwickeln und zu lösen, das Bedürfniß des Streites um die ernstesten Dinge zeigt uns den Dichter jenes Schlages, den er so einzig vertrat. Der kämpfende und ringende Mensch mußte ihm auch als der höchste Gegenstand der Dichtung gelten; abgewendet von jener Poesie der Muße und des Ausruhens, besonders von jener naturbeschreibenden und idyllischen Dichtung, die damals die Flächen der deutschen Literatur mit ihren Pflanzungen überkleidete, suchte er ihr wahres Wesen in dem Schauspiel ringender Kräfte, einer ernsten, durch sittliche Motive aufgeregten Welt.

Ein fühner Schwimmer, besonders wo es galt, ge= gen den Strom zu schwimmen ein Held selbst in den bescheidenen Verhältnissen, in denen er lebte nicht ohne einen gewissen abenteuerlichen Drang, doch nur um seinem Leben einen höheren Wellenschlag zu geben - ein unermüdeter Kämpfer für das Wahre und Rechte, und dabei so ganz fern von persönlichem Ehrgeiz, so gleichgültig gegen das Aeußere des literarischen Erfolges in dieser Art steht Lessing vor uns da. Gerade mit diesen Eigenschaften haben wir in ihm das dramatische Genie jener Epoche erkannt, welche gar zu sehr geneigt war, die Sehnen der Dichtung abzuspannen, und statt der Gesinnung und That die Betrachtung

und Empfindung für das höchste Object der Poesie zu halten. Trogdem, daß sich das Lessing'sche Drama in der bürgerlichen Sphäre hielt oder nicht hoch darüber hinausgriff (wie denn auch im Nathan trog Orient und Ritterthum der schlichte bürgerliche Charakter durchschlägt): überall liegt doch in demselben ein Kern echt heroischer Gesinnung, der die tiefsten Wurzeln in den Boden des Gemüthes senkt, und nicht blos in den üppigen Ranken einer großsprechenden Rhetorik wuchert. Eben jener tragischen Großsprecherei stellte Lessing diese einfache, ehrliche Kunstform in dem tieferen Sinne, wie er sie auffaßte, zur heilsamen Reaction gegenüber. Mögen unsere Dichter niemals dieses bescheidene, aber innerlich kräftige Heldenthum gering achten, diese Heroen im Bürgerrock, die bei all' ihrem anspruchslosen Wesen den Helden Shakespeare's näher stehen, als so manche Könige und Königinnen in modernen Dramen, die nur in rhetorischem Flitterkram prunkhaft einherstolziren!

Nachtrag zur Charakteristik Tessing's.

I. Rückblicke auf Tessing's Tehrjahre. *)

Der Bildungsgang Lessing's war kein rasches, unge= hemmtes Fortschreiten zu den glänzenden Resultaten, mit denen. er später die Nation überraschte. Es dauerte längere Zeit, ehe er den eigenen Weg sich ausfand, und es entschlossen wagte, ganz er selbst zu sein.

Karl Lessing sagt in der Biographie seines großen Bruders über einige von ihm selbst später verworfene Lustspiele aus den Jahren 1747-50, daß man schwerlich aus ihnen den Dichter der,,Minna von Barnhelm" prophezeien konnte. Eher wird man in seinen ersten Versuchen auf tritischem und dramaturgischem Gebiete einzelnen Aufblißen begegnen, in denen sich der künftige Verfasser der,,Literaturbriefe“ und der „Hamburgischen Dramaturgie“ ahnen läßt. Aber auch hier wagt sich die eigenthümliche Auffassung nur an wenigen Stellen hervor. Da übrigens das Neue blos als gelegentliches Aperçu, nicht als siegreiche Ueberzeugung auftritt, vermag es dem Alten noch nicht recht den Boden abzugewinnen.

*) Zur Ergänzung von Abschn. IV. S. 149 ff.

Baver: Bon Gottsched biz Schiller.

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Die Vorrede zu den „Beiträgen zur Historie und Aufnahme des Theaters", welche Leffing als 21jähriger Jüngling im Vereine mit Mylius (1750) herausgab, macht allerdings in ihren Hauptstellen den Eindruck eines Programmes, das kühne Neuerungen verspricht. *) Sie lies't sich fast wie das erste Concept zu dem berühmten sieben zehnten Literaturbrief, in welchem Lessing von dem französirenden Theater Gottsched's und dessen Vorbildern auf Shakespeare's hohes Muster hinweist; und doch ist dieser Brief erst neun Jahre später geschrieben worden!

Schon hier die entschiedene Rüge der ausschließlichen Nachahmung der Franzosen, die das deutsche Theater so einförmig gemacht hätte; hier bereits der Rath an die deutschen Dramatiker, ihr Augenmerk neben den Alten auch auf das englische und spanische Theater zu richten, da Shakespeare, Dryden, Wicherley, Vanbrugh, Congreve, dann Lope de Vega, Augustin Moreto u. a. m. Dichter seien,,,die man bei uns fast nur dem Namen nach kenne, und die gleichwol unsere Hochachtung nicht minder verdienten, als die gepriesenen französischen Poeten." Auch hier weiterhin, wie in dem obenangeführten Literaturbrief, die bedeutsame Aeußerung,,,es sei gewiß, wenn der Deutsche in der dramatischen Poesie seinem eigenen Naturelle folgen wollte, so würde unsere Schaubühne mehr der englischen als der französischen gleichen.“ Endlich auch hier, wie dort, die Schußrede für die älteren, von Gottsched so hart mitgenommenen Stücke der Deutschen. Von ihnen hätten viele, sagt Leffing schon an dieser Stelle, doch einen allzu verächtlichen Begriff.,,Es ist wahr, sie sind wenig regel

*) Leffing's sämmtliche Schriften, herausgegeben v. K. Lachmann, neu durchgesehen von W. v. Maltzahn. III. Band. S. 7.

mäßig, sie haben wenig von den Schönheiten, die jezt Mode sind; allein wer vielen von ihnenfden Wiß, das ursprünglich Deutsche und das Bewegende abspricht, der muß sie entweder nicht gelesen, oder seinen Geschmack allzusehr verekelt haben."

Doch wo bleiben die Consequenzen dieser so kühn hingestellten Anschauungen? Wir suchen sie in der Kritik, welche die,,Beiträge“ üben, noch vergebens! Sobald man nach einer treffenden Bemerkung Hettner's*) an jene berühmte Stelle des 17. Literaturbriefes denkt, in welcher Lessing alle Verdienste Gottsched's um das deutsche Theater leugnet und die tief einschneidende Behauptung aufstellt, es wäre zu wünschen, daß jener sich,,nie mit dem Theater vermengt" hätte: so macht es einen seltsamen Eindruck, wenn Lessing in dieser Vorrede gerade Gottsched an die Erfüllung seines Versprechens, eine Geschichte des deutschen Theaters zu schreiben,,,mit unruhigem Verlangen“ erinnert, weil ,,er sehr geschickt dazu sein, und seine Verdienste, die er unwidersprechlich um das deutsche Theater habe, dadurch zu ihrer vollkommenen Größe steigern würde."

Damals glaubte also Lessing noch an Gottsched, und doch lagen jene Anschauungen, mehr als im bloßen Keime, schon in seinem Geiste, durch die später dem Gottschedianismus sein nothwendiger Sturz bereitet werden mußte. So Widersprechendes hat eben nur in dem Kopfe eines Jünglings Platz, der gleichzeitig schon das Neue ahnt und sich doch noch von dem Alten imponiren läßt. Zum Ueberfluß seht nun Leffing noch die französische Lehre von den drei Einheiten unter die ersten, selbst dem Schüler bereits bekannten Anfangs

*) Literaturgeschichte des 18. Jahrh. III. Theil 2. Buch. S. 497.

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