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geradezu mit einem entschiedenen patriotischen Selbstgefühl auf. Obgleich er für ein neues, modisches Ameublement nach französischen Mustern sorgt, packt er zugleich mit dem Stolz der wirthschaftlichen Hausfrau Alles heraus, was von aufgestapeltem Garn und Linnen in den Schränken liegt und stellt es in seinem „nöthigen Vorrath zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst" zur Schau. Sein Inventar über die deutsche Literatur weist nicht weniger als 1200 Schauspiele aus, von denen freilich nur ein sehr geringer Theil nach den Regeln der Alten eingerichtet ist; aber zum wenigsten sei dies doch, wie Gottsched hervorhebt, ein sehr anständiger literarischer Haushalt, mit dem sich schon weiter wirthschaften lasse, und der auch den Muth zu einer erneuten Production erwecken könne. Nach den ersten Anläufen und Versuchen seiner Schule erklärt er sich schon äußerst zufrieden und indem er das Neue sammt dem Alten überschlägt, ergiebt sich ihm in allen größeren Dichtungsarten ein Facit, mit dem man sich vor aller Welt sehen lassen könne.

„Von Heldengedichten“ so schreibt er in seiner kritischen Dichtkunft —,,haben wir nicht nur unter den Alten den Theuerdank und Froschmäusler, sondern auch Hohenberg's Habsburgischen Ottobert und geraubte Proserpina, und Postel's sächsischen Wittekind. Sind diese auch nicht so gut, wie Homer, Virgil und Voltaire (und in der That die Fabeln an sich oder die Gedichte selbst find besser gerathen, als die rauhen garftigen Verse), so sind sie doch nicht schlechter als das, was Marino, Ariost, Chapelain, St. Amand und Milton in dieser Gattung geliefert haben. (!!) Man muß sich nur über die sclavische Hochachtung vor dem Ausländischen, die uns Deutschen mehr geschadet als genüßt hat, erheben.“

Und weiterhin heißt es:

"In Trauerspielen haben wir den Ausländern nicht nur den Gryphius, Hallmann und Lohenstein, sondern auch sehr viel andere neuere Dichter entgegenzuseßen. Thun es diese einem Corneille und Racine noch nicht in Allem gleich, so haben sie auch viele von den Fehlern dieser beiden Franzosen nicht an sich, und können es doch theils mit den neueren Franzosen, theils sowohl mit den Welschen als mit den Engländern aufnehmen, deren Schaubühne in großer Verwirrung ist. In der Komödie haben wir nicht nur Dedekind's, Gryphius', Riemer's und Weisens, sondern eine große Menge anderer Stücke in den Händen, die seit 200 Jahren bei uns gedruckt worden. Halten diese keine Vergleichung mit den Luftspielen des Molière und Destouches aus, so dürfen wir dennoch weder den Welschen noch den Engländern im geringsten weiHen – es sei denn in der Liebe unseres Vaterlandes, worin es uns jene unftreitig zuvorthun; doch zeigen sich auch hier schon eis nige muntere Köpfe, die durch glückliche Proben uns Hoffnung machen, daß wir den Franzosen nicht lange mehr den Vorzug werden zugestehen dürfen."

Also frisch darauf losgesteuert und fortgeschrieben! Dies ist der Schluß Gottsched's. Jegt wird es mit dem Steuerruder der Regel, das ich euch in die Hand gegeben, um so besser vorwärts gehen, wenn früher schon ohne Regel so Reputirliches geleistet wurde! Kann zwar unter uns gesagt das altfränkische Zeug

uns selbst nicht mehr genügen, nachdem ich euch so herrlich über das Wesen der Dichtkunst aufgeklärt habe; so dürfen wir es uns doch nicht merken lassen, und namentlich den Ausländern, die schon hochmüthig genug find, nicht gar zu viel zugeben.

Hat nun Gottsched in der That, indem er mit solcher Entschiedenheit die sclavische Hochachtung" des Ausländischen zurückweist, indem er sagt, jegt seien die

Lehrjahre vorüber und die Zeit der Originaldichtungen da die deutsche Poesie schließlich emancipiren und auf eigene Bahnen lenken wollen? Nichts weniger als dies! Mit den Originalwerken hat es Gottsched nicht so gemeint, daß die deutsche Literatur endlich Ureigenthümliches schaffen, aus ihrem eigenen Geiste sich neue Formen bilden werde; er verstand es nur so, daß sie jest bereits die Kunstgeheimnisse der Franzosen völlig weg habe, und bald schon poetische Producte jeder beliebigen Gattung ebenso elegant, polirt und regelrecht, wie die Franzosen werde zu liefern im Stande sein. In Gottsched selbst hatte Deutschland ohnehin schon seinen Boileau, wenn nicht noch mehr; singt ihn doch Friedrich Melchior Grimm, der nachmalige Freund der Encyklopädisten, mit folgenden Versen an: Großer Geist, du, den die Klügften schäßen,

Du, den wir dem Horaz mit Recht zur Seite seßen,
Dem Frankreich's Boileau weicht 2c.:

Warum sollten unter solcher Leitung auch die deutschen Corneille's, Racine's und Molière's noch lange ausbleiben? Wie etwa der Industrielle sagt: dies ist ein so ausgezeichneter Stahl, daß man ihn von dem englischen kaum mehr unterscheiden kann ja man würde ihn gewiß mit ihm verwechseln, wenn nicht der Fabriksstempel bewiese, daß wir ihn hier zu Lande erzeugt haben so, meinte Gottsched allen Ernstes, werde man auch bald sagen können, wir erzeugen jest in Deutschland regelmäßige Poesie nach allen Gesegen des Aristoteles, Horaz und Boileau auf das Beste; dieser Artikel, der früher nur in Frankreich zu haben war,

ist jegt bei uns in gleicher Dualität vorräthig, und wäre nicht der sprachliche Unterschied, der ihn zu unserem Eigenthume stempelt, so würde man die Werke unserer neuesten Dichter mit jenen der französischen Classifer nahezu verwechseln. Während er also von anzuhoffenden originalen Meisterstücken spricht, strebt er eigentlich ganz unbewußt die völlige Verwischung des Nationalen und Eigenthümlichen an. Wie es für ihn nur eine einzige Regel giebt, so auch nur eine einzige mustergiltige Poesie: die deutsche Dichtung durfte daher nichts specifisch And eres hervorbringen, als die französische, wenn es nicht wieder etwas Schlech= tes werden sollte. Das Gute in der Literatur - konnte im Sinne der Gottsched'schen Poetik nicht ein Neues sein, sondern nur die immer sorgfältigere, immer ge= feiltere Reproduction des anerkannten Alten; und hatten schon die Franzosen sich eingebildet, die Griechen im Sinne des antiken Ideals selbst corrigirt zu haben, warum sollten es die Deutschen sich nicht zutrauen, in fortgesetter Steigerung wieder die Franzosen zu corrigiren?

Um dieses Ziel zu erreichen, genügte es nicht, der deutschen Literatur blos den plebeiischen Charakter abzustreifen; sie mußte noch unter einen dauernden positiven Einfluß gestellt, durch eine förmliche Dictatur des Geschmacks disciplinirt werden, damit sie nicht wieder in verschiedene Richtungen zerfahre, sondern sich einem leitenden Gedanken unbedingt unterordne. In diesem Sinne war Gottsched gleich anfangs darauf be

dacht, die von Burkhard Mende gegründete Görliger Gesellschaft, die er in Leipzig vorfand, zu seinem Organe umzuschaffen; sie sollte fortan unter dem Namen deutsche Gesellschaft" gleichsam eine akademische Obervormundschaftsbehörde der erneuten Dichtung, ganz nach dem Vorbild der Académie française in Paris, vorstellen. Wir verlangen zwar," sagt Gottsched, weder unserer Fähigkeit noch unseres Ansehens halber einer so großen Akademie an die Seite gesezt zu werden. Wir kennen unsere Schwäche sehr wohl - unsere Absichten aber sind zum wenigsten mit den ihrigen einerlei."

Das literarische Treibhaus stand nun da - aber um recht stattlich auszusehen, hätte es sich eigentlich an eine Palastwand lehnen, im Garten eines Großen stehen sollen. Die Académie française war aus einer Privatgesellschaft des Cardinal Richelieu hervorgegangen; für die deutsche Gesellschaft suchte erst Gottsched einen kleinen deutschen Richelieu, der sich die Protectorswürde antragen ließe. Er fand sich in der That in dem föniglich polnischen Staatsminister Grafen v. Manteuffel, einem Cavalier von feiner französischer Bildung und einem der einflußreichsten Männer am Dresdner Hofe. Auf ihn wurde speculirt, daß durch seine Vermittlung die deutsche Gesellschaft zu einer königlichen oder kurfürstlichen erhoben werde. Der Hof könnte," so proponirt Gottsched seinem Gönner, etwa die Beschäftigungen der beiden Parisischen Akademien, nemlich der Académie française und des belles Lettres mit ein ander in einer einzigen verbinden und alsdann könnte

"

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