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ziehen, in jenes stille Schattenland der Schönheit, von dem Schiller in seinem philosophischen Gedicht: „Ideal und Leben“ spricht. Die Dichtung mußte gleichsam von sich selbst zehren, da die sterile Realität ihr feine Nahrung, keinen befruchtenden Inhalt darbot.

Ideal und Leben! dies ist ein Gegensag, der keiner Zeit so sehr angehört, wie der classischen Literaturperiode der Deutschen. Die Ideale des 18. Jahrhunderts wurzeln nicht in der Wirklichkeit, und was in dieser Bestand hatte, war unfruchtbar für die Poesie. Auch in der dramatischen Literatur klang diese Grundstimmung des Zeitalters wieder.

Schon seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts hatte die deutsche Dichtung einen durchaus abstracten Charakter. Sie war die Privatbeschäftigung einzelner Gelehrten und Liebhaber der schönen Wissenschaften, und machte keineswegs einen organischen Bestandtheil des nationalen Lebens aus. Als der lebendige Duell der Poesie im Volfe versiegt war, als der Waffenlärm des Krieges jeden weicheren Wohllaut im Gemüthe verschlang, da beschlossen etwelche fürnehme und hochgelehrte Herren, etwas für die verkommene Sprache und Dichtung Deutschlands aus eigenen Mitteln zu thun. Es war bereits im Jahre des Heils 1617, als auf dem Schlosse Hornstein zuerst die fruchtbringende Gesellschaft oder der Palmenorden“ zu diesem Ende zusammentrat; die „deutschgesinnte Genossenschaft“ und die Gesellschaft der „Hirten an der Pegnig" folgten später nach. Die Herren wußten es nicht, daß man durch das Vereinswesen allerdings viel für humanitäre Zwecke, für die Unterstügung

der nothleidenden Menschheit u. dgl. m. wirken könne, aber erstaunlich wenig für die Poesie. Auf den kümmerlichen Blüthen der Dichtung, die auf diesem dürren Boden wuchsen, lag von vornan der Mehlthau einer frostigen Gelehrsamkeit.

Was im 17. Jahrhundert die gelehrten Genossenschaften vergebens anstrebten, das erreichten die kritischen und schönwissenschaftlichen Zeitschriften, die im 18. Jahrhundert auffamen, wenigstens bis zu einem gewissen Grade. Sie waren natürliche Anziehungspunkte für die Gleichgesinnten und Gleichstrebenden; die literarischen Richtungen schieden sich es bildeten sich freie poetische Gemeinden, wie der Kreis der Leipziger Freunde, die sich um Gärtner, Rabener, Gellert sammelten, später der Göttinger Bund u. s. w. Durch fortschreitende Schärfe und Vertiefung der Kritik kam man über die wahren Aufgaben des dichterischen Schaffens allmälig zur Klarheit. Thomasius machte mit den „freimüthigen Gedanken, oder den Monatsgesprächen über neue Bücher" schon 1688 den Anfang; die Reichsgesegblätter und Edicte der Gottsched'schen Kritik erscheinen unter verschiedenen Namen, als: „die vernünftigen Tadlerinnen," „kritische Beiträge," „neuer Büchersaal“ u. s. f. Ein frischer productiver Hauch wehte durch die ,,Bremer Beiträge," in welchen die ersten Gesänge von Klopstocks Messias erschienen. So sehr sich Gottsched an dem Harfengetön der seraphischen Poesie ärgerte es half ihm nichts, die himmlischen Heerschaaren errangen über ihn den Sieg. In den Berliner Literaturbriefen, an denen Lessing den bedeutendsten Antheil

hatte, wurde jedoch die deutsche Dichtung sachte und besonnen wieder vom Himmel zur Erde herabgeführt. Es siegte endlich das Drama über das religiöse Epos, und in einem kritischen Blatt, welches Lessing allein schrieb, der Hamburgischen Dramaturgie, wurden mit kühnem und großem Geifte die Bahnen vorgezeichnet, welche die dramatische Dichtung der Deutschen fortan zu verfolgen habe.

Und auf welchen Bahnen war sie bis dahin gewandelt? Schon die zweite schlesische Dichterschule hatte das alte, von Hans Sachs und Ayrer geschnigte Puppenspiel aus dem staubigen Winkel, in dem es lange gelegen, hervorgeholt; die Puppen wurden jedoch neu herausgepugt und stolzirten in dem barocksten, ungeheuerlichsten Wortpomp einher. Gottsched warf später dieses Puppenspiel wieder zusammen, nur aber um neue Marionetten nach französischen Figurinen zu schnigen. Diese waren wohl noch kahler und langweiliger, als die Helden von Gryphius und Lohenstein; sie klapperten gar traurig über die Bühne und der ungeschickt nachgeahmte französische Alexandriner schlug dazu mit entseglicher Einförmigkeit seinen hölzernen Tact. Lessing beseelte erst die Gestalten der Bühne mit dem Hauch und der Wärme des Lebens; er warf das schleppende Staatskleid des Alexandriners ab, schuf einen geistvoll belebten Dialog, und gab dem Affecte seine natürliche Beredtsamkeit, der Situation und dem Charakter ihren unmittelbaren, wahren Ausdruck zurück. So wie er den großen Befreiungskampf des deutschen Geistes gegen die aufgedrungene französische Poetik in der „Drama

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turgie" durchgekämpft hatte, so ließ er auch zum ersten Male den natürlichen Herzschlag deutschen Gefühls von der Bühne herab in seinen Stücken vernehmen. In der Minna von Barnhelm," der Emilia Galotti," dem „Nathan," stand nun mit einem Male statt der mechanisch nachgebildeten französischen Muster eine selbstständige, durch die Kritik geläuterte Kunstform für das deutsche Drama da, eine Kunstform von solcher Mustergiltigkeit und Reinheit, wie man sie vollends jenem Zeitalter gegenüber nicht genug bewundern kann.

So männlich kräftig, so energisch gehalten das Lessing'sche Drama ist es steht doch nur mit einem Fuße in der unmittelbaren Wirklichkeit; in seinem innersten Wesen liegt bereits jener abstracte idealistische Charafter, der fortan das bleibende Gepräge des classischen Drama's der Deutschen bestimmt. Freilich ist der Lessing'sche Idealismus von strenger, beinahe nüchterner Art; er ist überwiegend moralisirender Natur. Dadurch hängt er auch mit seinen Vorgängern und Zeitgenossen zusammen. Die Scheidemünze der in klingende Sentenzen ausgeprägten Moral, welche die Cronegk's, die Elias Schlegel sc. mit vollen Händen in's Publicum auswarfen, ist hier eingeschmolzen, und ihr flüssiges Metall mit der Charakteristik in einen Guß gebracht. Aber moralisirt wird bei Lessing auch, nur nicht in einzelnen eingestreuten Moralien, sondern in Gesinnungen und Handlungen, die für sich selbst sprechen. In der ,,Emilia Galotti," herrscht der doctrinäre Tugendbegriff; er ist die leitende Macht, welche Emilie und ihren Vater bestimmt; die ängstliche Strenge einer sich selbst

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beobachtenden, für sich selbst fürchtenden Tugend führt die Katastrophe herbei. In der Minna von Barnhelm" bringt der Held einem ebenso firengen, edlen Eigensinn eines imaginären Pflichtgefühls beinahe sein Lebensglück zum Opfer. Je weiter im „Nathan" die alle confeffionellen Gegensäge ausgleichende Toleranz Lessing's auf religiösem Gebiete reicht, desto ernster wird die Moral, der Pflichtenstandpunkt bei ihm genommen; seine Helden sind durchaus Idealisten des moralischen Princip's: Emilia, Odoardo Galotti, Appiani, Tellheim, der Tempelherr, der Derwisch im Nathan. Der Moralist bringt bei Lessing reichlich an Strenge ein, was der Theologe bei ihm nachgiebt. Wenn der weise, der versprochene Richter der Zukunft, an den Nathan appellirt, für den reinen Deismus entschieden haben wird, dann wird statt des entzweienden Dogma's die Religion der Pflicht und Moral die Welt beherrschen und einigen dies ist das legte Wort, das Nathan gleichsam auf den Lippen schwebt.

Die Form des Drama's, die Lessing gefunden, war für den stärkeren, intensiveren Andrang des Gefühls, der sich in der nun folgenden Literaturbewegung regte, doch noch zu knapp und gemessen; auch war sie für die legtere viel zu geflärt und gefühlt in dem Element des Verstandes und der Reflerion. Auf das Drama der moralischen Gesinnungso können wir vor allem das Leffing'sche nennen - folgte in der Sturmund Drangperiode die Emancipation der individuellen Empfindung; man versuchte es nun auch, diesen in höheren Wegen dahin brausenden Strom

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