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der Stimmungen, der Leidenschaften gleichfalls in das dramatische Bett zu leiten. Dieses mußte tiefer gegraben, die frühere Kunstform daher für's Erste aufgege= ben werden. Vorläufig wurde die Berechtigung des Gährungsprocesses selbst ungescheut ausgesprochen. Klinger sagte es offen, als er sich später über die Tendenz seiner eigenen, wildgenialen dramatischen Erzeugnisse äußerte, daß die Deutschen durch die Verzerrung ge= hen müßten, bis sie sagen könnten, so und nicht anders behagt's dem deutschen Sinn. Gewiß seien die kalten, beschränkten Regeln des französischen Theaters mit sei ner Declamation dem thätigeren (?), rauheren und stärkeren Geist der Deutschen nicht genug; aber ebenso gewiß sei er nicht muthwillig, launig und besonder ge= nug, um's allgemein mit dem englischen Humor und seinen Sprüngen zu halten. Also wäre das wilde Thun bisher doch nichts Anderes, als eine Form zu suchen, die uns behage! Machten wir eine Nation aus, so hätten wir die Form gewiß vorgefunden!... Warum aber soll unser Theater auf französische Form gemodelt sein, da wir Deutsche sind, und der Galanteriefram, wovon Racine's Helden strozen, unserem Charakter so fremd ist? Warum auf englische, da wir so fern von der sprudelnden Laune dieser Insulaner find? Ein Charakter voll Geradheit, Biederkeit, Muth, Beharrlichkeit, Starrsinn greift ins Herz des deutschen Volkes, da es nicht weiß, wohin es die galanten Griechen und Römer der Franzosen, und die übertriebenen Caricaturen des neueren englischen Theaters segen soll".

Troß dieser Verwahrung gegen das Aparte und Fremdartige des englischen Wesens blieb aber Shakespeare doch die höchste Autorität der Sturm- und Dranggenossen. Sie sahen ihn geradezu als einen Geistes. verwandten aus früherer Zeit an, und glaubten sich als die wahren Apostel des Evangeliums der Poesie zu ihm gesellen zu dürfen, weil sie ihr leidenschaftliches Gefühlsübermaß ohne weiters für trogende Kraft, ihr unruhiges Schäumen und Drängen für die Gewähr der echten Driginalität hielten. Besonders, wenn etwas recht formlos war, wenn einmal recht verwegen über die Schnur gehauen wurde, dann war es sofort Shakespearisch. Der junge Göthe gehörte durch seinen „Gög von Berlichingen“ ganz dieser gegen die Regel stürmenden Richtung im Drama an, ja er war geradezu tonangebend für dieselbe. Das Stück wurde 1774 in Berlin aufgeführt. Man kann denken, welchen Eindruck dasselbe auf Friedrich den Großen bei seiner ganz französischen Bildung gemacht haben muß; er hat sich auch stark genug in seiner Schrift „De la littérature Allemande" dagegen ausgesprochen. Nur diese Ehre that er dem Gög doch an, daß er ihn wenigstens in einem Athem mit Shakespeare's Dramen verwarf, und ibn eine imitation détestable de ces mauvaises pièces anglaises etc. nannte. Göthe hat später, als ihm selbst das Herz nicht mehr so warm für seine Jugendproducte schlug, das verwerfende Urtheil des groBen Königs ruhig genug hingenommen. „Wenn der König," so sagt er,,,meines Stücks in Unehren erwähnt, so ist das mir nichts Befremdendes; ein Vielgewalti

ger, der Menschen zu Tausenden mit eisernem Scepter führt, muß das Product eines freien und ungezogenen Knaben unerträglich finden. Auch dünkt mich, das Ausschließende ziemt sich für Große und Vornehme."

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So toll und absurd sich damals der Most gebärdete, es gab zulegt doch einen reinen, trefflichen Wein. Nicht minder ungestüm und tumultuarisch, als bei den Sturm- und Dranggenossen, ging bei dem jungen Schiller die Gährung in der ersten Periode seines literarischen Schaffens vor sich, da er die „Räuber," „Fiesco,“ „Kabale und Liebe" schrieb. Göthe, damals schon selbst ein Großer und Vornehmer" in der Literatur, sprach sich ablehnend genug über die wilde, aber hinreißende Schöpfung der „Räuber" aus, die mit seiner bereits befestigten, reineren Kunstanschauung so grell contrastirte, und wie ein rauschendes Wildwasser Alles wegzuschwemmen drohte, was er inzwischen im Sinne einer edleren Bildung zu pflanzen und zu begründen bemüht war. Nachdem er aus Italien zurückgekehrt war, Sinn und Geist mit der hohen, stillen Schönheit des Alterthums und der italienischen Kunst angefüllt hatte, drangen ihm die Pfiffe aus den böhmischen Wäldern, die Signal. schüsse der Räuber, die von allen Bühnen knallten, gar verlegend in das Ohr. Der Dichter der „Iphigenia“ und des Tasso" konnte vorläufig nicht mit dem Dichter des Carl Moor, ja kaum noch mit dem des „Don Carlos" sympathisiren. Aber bald verständigten sich die beiden Dichter. Schiller holte rasch die Reife Göthe's ein; er beschleunigte seinen Läuterungsproceß durch jene ernste Arbeit an sich selbst, die seinem künstlerischen Streben ei

nen so entschieden sittlichen Charakter verleiht, aber leider auch so manches lebensvolle Element seiner Jugendpoesie gewaltsam ausschied. Die Idee der ästhetischen Erziehung der Nation durch die Ideale der Kunst vereinigte die Beiden dauernd zu gemeinsamem Zusammenwirken. Die Kunstform Lessing's, durch die Sturm- und Drangperiode in Stücke geschlagen, wurde nun durch eine andere, höhere erseßt, die zwar dem wirklichen deutschen Leben noch viel ferner stand, aber dafür den reinsten Gehalt menschlicher Bildung in sich faßte. Es kamen die schönen Tage von Weimar und Jena, der bedeutendste Abschnitt der deutschen Literatur.

Weimar war für die deutsche Poesie kein königli= cher Sig; es war für sie nur eine Zufluchtsstätte, ein Asyl. Sowie Leto, die Mutter Apolls, lange umber irrte, bis sie einen Ort fand, wo sie die Gottheiten des Lichtes zur Welt bringen konnte, so auch die deutsche Muse, ehe sie dem Talente die göttlichen Kinder gebar. Früher schien bald da, bald dort sich ein Mittelpunkt des deutschen Literaturlebens bilden zu wollen; zuerst in Leipzig durch Gottsched, dann durch die Bremer Beiträger, hierauf in Berlin durch Lessing, Mendelssohn und Nicolai in der Periode der „Literaturbriefe", in Hamburg durch den Aufschwung des neuen Theaters und die kritische Thätigkeit Leffing's, in Frankfurt durch die magische Anziehungskraft, welche die Persönlichkeit des jungen Göthe ausübte; zulegt ward aber doch dem klei= nen Weimar diese Ehre zu Theil. Wie die Dinge standen, konnten die deutschen Literaturbestrebungen außer Leipzig nur etwa in einer der freien Reichsstädte oder

einem der wenigen Kleinstaaten, die für eine edlere geistige Richtung empfänglich waren, einen natürlichen Vereinigungspunkt finden. In Preußen war der Einfluß des großen Königs, der auch in literarischen Dingen rasch absprach, und mit dem Urtheil eben so schneidend durchhieb, wie mit seinem Degen, bei seiner erclusiv französischen Bildung zu niederdrückend; dort fast unmittelbar unter den Augen Voltaire's, der von Sanssouci aus mit sarcastischer Ueberhebung auf die deutschen Literaturversuche blicken mochte, konnte sich der Geist der nationalen Dichtung nicht zu freiem Schwunge und zu ungehemmtem Selbstgefühl erheben. Auch unter Friedrichs des Großen Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., war die Situation nicht günstig; das von dem pietistischen Wöllner veranlaßte Religionsedict, welches dem Rationalismus so entschieden entgegentrat, war eine bedenkliche Reminiscenz an den Hauptpastor Göge, den Lessing in seinen theologischen Streitschriften siegend bekämpft hatte. Wien und München lagen damals außer der eigentlichen Strömung des geistigen Lebens in Deutschland, so rührig sich auch namentlich in Wien die Federn schon damals bewegten. In Württemberg blickte auf jede freiere Regung des literarischen Strebens der Hohenasperg drohend herab; und die Jugend Schillers ist Beweis genug dafür, daß der Staat des Herzogs Carl ein Gefängniß des Geistes war, aus dem nur schleunige Flucht retten konnte. So kam es denn endlich, daß durch die Magnete, die von dem gebildeteren und liberaleren Weimar aus wirkten, allmälig alle bedeutenderen Kräfte angezogen wurden; Wieland

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