ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

gegenüber; je abgemessenere, feierlichere Schritte dort die Helden machten, desto spaßhafter und grotesker waren hier die Sprünge der Narren. So war denn die Komik Molières zunächst eine genial aufgefaßte Posse: aber sie nahm außerdem noch ein anderes Element in sich auf. Die classische Tragödie enthielt eigentlich keine Darstellung von Charakteren, nur eine rhetorische Ausmalung heroischer Leidenschaf= ten; die Charakterdarstellung, die in der Tragödie keinen rechten Play fand, fiel daher wieder der höheren Komödie anheim, die darüber zu einem beinahe völlig ernsthaften Genre wurde: man erinnere sich nur des Misanthropen, des Geizigen, des Tartüffe. Wie dort die Affecte, so waren hier die Charaktere weit über das Maß des Wirklichen emporgehoben; sie hatten die kräftig gezeichneten, stark umrissenen Züge der Gattung, nicht die feineren, der Natur abgelauschten Farben der einzelnen Individualität. Die Charakterkomödie aber und das tolle Maskenspiel der Posse beide entrückten den Zuschauer in gleicher Weise der gewöhnlichen, gegenwärtigen Welt, wie es, freilich in einem anderen Sinne, auch die Tragödie that. Ob man nun Helden. oder Chargen vor sich sah, heroische Uebermenschen, die innerhalb einer Tagesfrist (so forderte es die „Einheit der Zeit") alle möglichen Wechsel der heftigsten Empfindungen und Affecte durchstürmten, oder extreme Charakterspecialitäten, die in nicht längerer Zeit eine ganze Reihe der unglaublichsten, lustigen oder traurigen Thorheiten durchmachten eines blieb sich dabei gleich: man war über die gewöhnliche, prosaische Stim

mung mit einem Ruck hinausgehoben, man fand sich aus der Alltagswelt in eine freie Phantasiewelt versegt, wo nicht mehr die Bedingungen den Wirklichkeit, nur die Geseze der Kunst herrschten und die Dichtung in ihrem eigenen abgegränzten Reiche waltete.

Diese Abgränzung der komischen Poesie gegen die Wirklichkeit, diese stylisirte Komik in großartigem Schnitt war nun nicht mehr dem Geschmack jenes Zeitalters angemessen, das wir gegenwärtig im Auge haben. Abgesehen davon, daß in der Molière'schen Komödie zu viel Ursprünglichkeit und freie Genialität liegt, als daß sich von ihr so leicht ein Abklatsch für die äußerliche Nachahmung hätte machen lassen, wie von der mehr schematischen Kunstform eines Corneille abgesehen davon, fragen wir noch überdies: woher hätte eine so zaghaft eingeengte, verzwergte, kraftlos empfindende Zeit jene geistvolle Lustigkeit, jene übersprudelnde Carnevalsstimmung hergenommen, um in das olympische Gelächter Molière's über die Thorheiten der Welt aus voller Brust mit einzustimmen? Woher jene Freiheit, jenen Aufschwung des Humor's, um über den drückenden Dunstkreis des gemeinen Alltagslebens sich zu der klaren Höhe dieser genialen Komik und Satyre zu erheben? Gerade in dem Dunstkreis des alltäglichen Lebens befand man sich damals wohl, und wollte es mit all' seinen kleinlichen Details auf der Lustspielbühne geschildert sehen. Der Naturalismus, der durch die Gottsched'sche Doctrin aus dem Trauerspiel herausgewiesen wurde, nahm um so unabweisbarer die Komödie für sich in Anspruch.

[ocr errors]

Die Frau Gottsched erkannte mit richtigem Blick, daß eine dem Leben näher stehende Form der Komödie, als es die der Molière'schen Charaktermasken war, an der Zeit sei und indem sie an die neueren Erscheinungen des französischen Lustspiels, namentlich an die Stücke von Destouches anknüpfte, zeigte sie sich darin moderner als ihr Gemahl, der in der Tragödie steif und fest bei dem altfranzösischen Classicismus beharrte.

In Frankreich hatte sich der Geschmack in der Komödie ebenfalls geändert; auch da verlangte man jegt eine mehr individualisirende Charakterschilderung, mehr aus dem wirklichen Leben gegriffene Motive, sowie jene leichteren Funken des Wiges, die gleich ei, ner feinen elektrischen Materie durch die Situationen, durch den Dialog kristern und sprühen, ohne gerade mit einem drastischen Effecte zu zünden und einzuschlagen. Es bildeten sich mit einem Worte schon damals jene Uebergangsformen aus, die zum modernen Luftspiel, zum Intriguen-, zum Conversationsstück sc. hinüberleiten. Destouches gab in seinem „verheiratheten Philosophen", in seinem „Ruhmredigen", seinem Verschwender" Muster einer feineren, freilich auch zahmern Komik, als man sie von Molière, selbst in seinen ernsthaftesten Stücken gewohnt war; dagegen war das Niedrigkomische bei ihm um so schwächer. „Seine Narren sind" nach Lessing's Urtheil behaglichen Narren, wie sie aus den Händen der Natur kommen, sondern mehrentheils von der hölzernen Gattung, wie sie die Kunst schnigelt, und mit Affec

[ocr errors]

,,selten von den

tation, mit verfehlter Lebensart, mit Pedanterie überladet." Der Rückschritt nach dieser Seite war ganz erklärlich; die Komik verlor in demselben Maße an naiver Frische, an unmittelbarem Wurf, je mehr sie an Glätte und Feinbeit zunahm.

Die Frau Gottsched übersegte von den Stücken des Destouches außer dem „Gespenst mit der Trommel" noch den „Verschwender“ und den „poetischen Dorfjunker," welche Gottschhed auch unter die Musterstücke seiner Schaubühne“ aufnahm. Lessing, den wir als den besten Führer bei der Beurtheilung dieser Literaturperiode noch ein und das anderemal citiren werden, lobt im Allgemeinen diese Uebersehungen, findet aber bei der Bearbeitung der Stücke die Frau Gottsched doch merklich von dem Geschmack des Gatten beeinflußt, der in der Regelmäßigkeit die Franzosen gern noch überfranzösirte. Der poetische Dorfjunker," so äußert sich spottend der Dramaturg *), „hat im Französischen drei Aufzüge, und in der Uebersegung fünf. Ohne diese Verbesserung war er nicht werth, in die deutsche Schaubühne des weiland berühmten Herrn Professor Gottsched aufgenommen zu werden; und seine gelehrte Freundin, die Uebersegerin, war eine viel zu brave Ehefrau, als daß sie sich nicht den kritischen Aussprüchen ihres Gemahls hätte unterwerfen sollen. Was kostet es denn nun auch für große Mühe, aus drei Aufzügen fünf zu machen? Man läßt in einem andern Zimmer einmal Kaffee trinken; man schlägt einen Spa

*) Hamburgische Dramaturgie. Dreizehntes Stück.

ziergang im Garten vor

und wenn Noth an den

Mann geht, so kann ja auch der Lichtpuger herauskommen und sagen: „Meine Damen und Herren, treten Sie ein wenig ab; die Zwischenacte sind des Pugens wegen erfunden, und was hilft 3br Spielen, wenn das Parterre nicht sehen kann?"

Doch zur Sache! Kann man wohl sagen, daß die Deutschen von den Franzosen in der feineren Komik viel gelernt hätten? Es wäre eine äußerst verwegene Behauptung, dies zu bejahen. Statt wie jene es thaten, das gewöhnliche Leben in der Schilderung nur mit den Fingerspigen anzufassen, platschten die Deutschen gleich mit der ganzen Hand hinein, nicht aber um irgend eine Gestalt fest zu packen, nur um den Schmug aus der Tiefe mit heraufzuholen. Von jener Delicatesse, jenem Maß der Schicklichkeit, die das Lustspiel, je näher es sich dem wirklichen Leben der Gesellschaft stellt, um so unerläßlicher bedarf, findet sich hier keine Spur. Es ist ein ganz zuverlässiger Erfahrungssag: wenn wir aus der Tragödie erfahren, ob ein Zeitalter bedeutende Ideale, hohe Gesinnungen gehabt, so entnehmen wir aus dem Conversationslustspiel, ob sich das gesellschaftliche Leben der Zeit in gewandten, feinen Formen bewegt habe, ob sein Wig mit Anmuth, seine Unterhaltung mit Geschmack gepaart gewesen oder nicht. Welchen Rückschluß müssen wir dann auf das damalige deutsche Leben machen, wenn wir seinen Refler in jenen Lustspielen betrachten? Die Antwort ergiebt sich von selbst!

Die Frau Gottsched hatte für das Lustspiel eigent= lich mehr Neigung als tiefere Befähigung; sie brachte

Baver: Bon Gottsched bis Schiller.

7

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »