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I.

Die Periode der Originalgenies und ihre dramatischen Versuche.

In Lessing steigt der erste Gipfel der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts empor; den zweiten, höheren, wollen wir jegt enthüllen und vor uns anwachsen lassen.

Das allbekannte Sprichwort: es führen alle Wege nach Rom!" gilt insbesondere von dem literarischen Streben in einer bedeutenden, kräftereichen Zeit. Sind einmal die Geister angefacht, sind die geheimen, im Stillen wirkenden Kräfte des dichterischen Schaffens angeregt und in Bewegung gesezt, dann vervielfältigen sich auch die Richtungen, dann stellt sich der Regel, dem Gesetz die kühne Originalität selbst mit Eigen= finn, mit Verwegenheit entgegen, dann übertönt der Ruf der Natur den Ruf des Geistes, wenn dieser zu bald abschließen und ein allgemein Giltiges fest= stellen möchte.

Bayer: Von Gottsched bis Schiller. 11.

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Diese Epoche sollte jegt in der deutschen Literatur eintreten. Man pflegt sie mit dem Namen der Sturmund Drangperiode zu bezeichnen. Wie verändert sich nun mit einem Schlage das Bild des ganzen höheren geistigen Lebens! Die maßvolle Solidität, der respectable, gewiegte Ernst, mit welchem bis jegt die deutsche Literatur auftrat, muß einem tollen, hie und da maßlosen Treiben das Feld räumen. Die literaris schen Persönlichkeiten der ersten zwei Drittel des achtzehnten Jahrhunderts, die bei Gottsched'scher und Breitinger'scher Poetik, beim Haller'schen Lehrgedicht, bei der äsopischen Fabel, bei der Gellert'schen Moral und der seraphischen Poesie aufgewachsen waren, und zulegt durch Lessing's mächtig aufklärenden Geist freilich mehr überflügelt als erleuchtet wurden - fie alle haben eine gewisse Einförmigkeit der Gesammtanschauung, der ges genüber die individuellen Unterschiede nicht so wesentlich hervortreten; aber jegt dagegen - wie bringt sich allerorts die Individualität in den eigensinnigsten, seltsamsten Formen zur Geltung! Das Naturrecht der originalen Begabung wird aller Orten proclamirt jeder phantafirt sich in seiner Weise eine Poesie, ein Organon der Erkenntniß, ja selbst ein apartes Christenthum zusammen, und war früher das Band, das die Geister verknüpfen sollte, zu knapp gebunden, so wurde es jegt vollends zerrissen. In der Dichtung wird die zufällige momentane Stimmung, in der Forschung die subjective Intuition, im Glauben die individuelle Eingebung als das allein Giltige erkannt; wer nicht Poet sein kann, geht zum mindesten unter die Propheten,

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und wo die natürliche Begabung nicht ausreicht, da stellen sich oft die Gaben des heiligen Geistes um so ergiebiger ein. Den Sturm- und Dranggenossen in der Dichtung gesellen sich bald näher, bald ferner, die Auserwählten und Erleuchteten bei, die Jung-Stilling's, die Hamann's, die Lavater's und Basedow's, um mit jenen eine recht verwunderliche Genossenschaft zu bilden. Auf zwei, drei Weltkinder unter den Originalgenies kommt sicher ein Prophet.

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Es ist wahr wir kommen aus der Klarheit des Lessing'schen Kunstbegriffs, aus der reinen, vollendeten Abgränzung seiner künstlerischen Composition für's erste in ein verworrenes Dickicht von Anschauungen und Bestrebungen, das uns jener hohen Cultur gegenüber fast wie ein Rückfall in die Verwilderung erscheinen muß. Der Grund und Boden, von dem wir zu der zweiten durch Göthe und Schiller bezeichneten Höhe der deutschen Literatur. emporsteigen sollen, ist anfangs ganz unwegfam und verwachsen, der schöne, ebene Weg, den Lessing gebahnt, verliert sich fast ganz in der Wildniß. Aber auch in diesem wilden Wuchs müssen wir die üppige, geistige Vegetationskraft des deutschen Bodens bewundern, der nun nach langer Dürre so viel aus sich selbst zu erzeugen vermochte, nachdem ihm früher Gottsched durch die Kunstgärtnerei der französischen Literatur vergeblich aufzuhelfen versucht. Von dieser hoffnungsreichen Epoche, die auch keine jener Verheißungen getäuscht hat, die in ihr lagen, gilt so ganz das Wort, welches Göthe, als er noch mitten, in ihr stand, über sie ausgesprochen: „Die Literaturen haben Jahreszeiten,

die mit einander abwechselnd, wie in der Natur, ge= wisse Phänomene hervorbringen, und sich der Reihe nach wiederholen. Ich glaube daher nicht, daß man irgend eine Epoche einer Literatur im Ganzen loben ober tadeln könne; besonders sehe ich nicht gerne, wenn man gewisse Talente, die von der Zeit hervorgerufen werden, so hoch erhebt und rühmt, andere dagegen schilt und niederdrückt: die Kehle der Nachtigall wird durch das Frühjahr aufgeregt, zugleich aber auch die Gurgel des Kukuks. Die Schmetterlinge, die dem Auge so wohl thun, und die Mücken, welche dem Gefühle so verdrießlich fallen, werden durch eben die Sonnenwärme hervorgerufen; beherzigte man dies, so würde die vergebliche Mühe, dies und jenes Mißfällige auss zurotten, nicht so oft verschwendet werden."

Ja se war es! Einen Frühling gab es damals, einen Drang des sprossenden Lenzes wie nie zuvor und nachher in der deutschen Literatur. Es rauschten die Bäche, es brachen die Knospen, es tropfte der Thau von allen Blüthen, und lustig schallte es von allen Zweigen im deutschen Dichterwald. Aber es war kein normaler Frühling, wie ihn der ruhige Strahl der aufsteigenden Sonne hervorruft, es war ein gewaltsam beschleunigter Lenz, wie ihn die warmen Luftströme des Föhn's den Bergen der Schweiz bringen. Orkane und Verheerungen gehen diesem stürmischen Lenzboten voran und begleiten ihn; sie bringen die ganze Natur in Aufruhr, schleudern Bäume und Felsblöcke in die Tiefe und füllen die Wildbäche an. Der heiße Windhauch überreizt die Sehnen und Nerven, um sie dann wieder

zu erschlaffen. Aber er schmilzt auch rasch die alte, zähe Schneeschichte weg, die der langsam wirkenden Sonnenwärme noch lange widerstehen würde, und unter seinem Einfluß blühen hoch auf den Bergen schon in früher Jahreszeit die Frühlingsblumen, während unten im Thale noch die Tannenäfte unter der Last des Schnees seufzen, oder der kalte Nebel über den Niederungen wogt. So wehte auch der heiße, stürmende Hauch eines Alles mit sich fortreißenden, leidenschaftlichen Dranges damals über die deutsche Literatur da hin, entfesselte die stockenden Kräfte, daß sie wie Wildbäche herabschossen, und schleuderte die morschgewordenen Stämme der alten Autoritäten von ihrer Höhe herab. Er schmolz mit einem Male die Frostdecke der Pedanterie hinweg, die selbst die sonnenklare Lessing'sche Kritik nicht ganz zu überwinden vermochte, da geistvolle Kälte des Urtheils noch immer nicht genug gegen den Frost der Geistlosigkeit ausrichtet und nun blühte, sproßte und sang der Lenz in den höheren Regionen der Dichtung, indeß auf den Niederungen des Lebens noch der alte, langsam aufthauende Frost lag.

Wie seltsam und wunderlich ist doch der Gang, den eine künstlich sich entwickelnde Literatur nimmt, wie es eben die deutsche seit Opig's Zeit her ist! sie schreitet fort, nicht indem sie schrittweis reift, sondern indem sie sich allmälig verjüngt. Zuerst will sie künstlich gezogene, am Spalier gepflegte Früchte ungeduldig brechen, und nachdem sich diese als ungenießbar erwiesen, siehe - da sprießen zur Ueberraschung dieser wohlweislichen Tendenz an allen Ecken und Enden

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