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Lenz. Man könnte vielleicht Verdacht gegen dieses Urtheil hegen; weiß man doch, wie die romantische Schule sich stark der Ansicht zuneigt, daß man echte, hohe Poesie mehr erleide als schaffe, und die passiven, von der dichterischen Stimmung pathologisch ergriffenen Naturen weit mehr die echte Dichterweihe hätten, als die activen, nach Außen wirkenden Talente. Doch hier hat der Altmeister der Romantik vollkommen Recht. Lenzens Dich. tergabe war zugleich sein Schicksal, weil sein ganzer Beruf in Poesie aufging, und er auch an das Leben poetische Anforderungen stellte; bei Klinger wird oft sehr wild darauf losgestürmt, aber es ist dabei immer viel Spectakel und Renommisterei; die Einbildungskraft ist wohl sehr erhigt, aber das Gemüth nicht sonderlich betheiligt. Da es ihm mit dem stürmenden Ungestüm seiner Jugendproducte kein so völliger Ernst war, so konnte er um so leichter im Alter darüber lachen; der russische Generalmajor erkannte nichts mehr davon an, was meist der Pädagogschüler in Frankfurt und der Studiosus in Gießen geschrieben. Klinger ist beinahe schon jenen Schriftstellern beizuzählen, die mehr dem, was in der Zeit, als was in ihnen selbst liegt, einen Ausdruck zu geben sich beeilen; er weiß sich, wie Gruppe etwas schroff, aber nicht unrichtig über ihn bemerkt, auch Fremdes schnell anzueignen und es wirksam zu verarbeiten, schwimmt mit dem Strom, geht den Neigungen des Publicums nach, und dies ohne festen, künstlerischen Halt. Alles ist bei ihm stark aufgetragen, aufgefteift, mehr Streben nach Kraft als wirkliche Kraft; in seinen Erstlingsstücken herrscht etwas Desperates, ja selbst Kan

nibalisches vor, jene „starre Wildheit," wie Klinger es selbst nennt, der man die Absicht, in der Kraftrichtung so weit als möglich zu gehen, von Weitem anmerkt.*)

Klinger tritt nicht mit Göthe und Lenz gleichzeitig in die Schranken, sondern hält sich um einige Pferdelängen hinter ihnen; da es an der Zeit war, originell zu sein, so ahmt er vorläufig die Originalität Beider nach, freilich in so kühner Nacheiferung, daß man darin bald mehr als einen bloßen Nachahmer erkennen mochte. Das leidende Weib", welches er noch vor seinem Eintritt an der Universität schrieb, schließt sich so genau in Ton und Manier an Lenz an, daß sich Tieck veranlaßt fand, es ohne weiters dem legteren zuzuschreiben; ein zweites Stück von Klinger,,,Otto", tritt ebenso unverkennbar in die Fußtapfen des Gög von Berlichingen. Wieland findet sich freilich nicht bewogen, in seinem „Mercur“ von der legteren Nachbildung viel Rühmliches zu sagen. Die Situationen und Figuren entsprächen einander fast durchgängig; der Charakter des Gög sei an drei Gestalten vertheilt, Elisabeth, Marie, Adelheid, Weislingen, der Bischof, selbst Georg fänden in dem Klinger'schen Stücke ihr entsprechendes Nachbild; die Stelle des heimlichen Gerichtes vertrete die Inquisition. Allee in Allem werde man da nur einen schwachen Widerschein dessen bemerken, was man mit Recht an dem Original, dem Gög von Berlichingen von Göthe, bewundere.**)

*) Gruppe: Reinhold Lenz, Leben und Werke, S. 343. **) Wieland's Mercur: Jahrgang 1775; im dritten Quartal, S. 177 f.

Mag dieses Urtheil immerhin seine Richtigkeit haben

so zeigt der junge Dichter doch darin eine seltene Gelenkigkeit und aneignende Kraft des Talents, daß er nach zwei Seiten hin das Neueste zu erfassen, und ebenso die vertiefte, bürgerliche Tragik Lenzens, wie die farbenreichere Charakteristik Göthe's mit ihrer historischen Romantik an sich heranzuziehen suchte.

Auf eigenen Füßen aber steht Klinger bereits in dem interessanten Schauspiel,,Sturm und Drang“, welches schon deshalb merkwürdig ist, weil sein Titel das Schlagwort für die ganze Literaturepoche hergegeben. Das Stück ist, wie überhaupt die Jugendwerke des Dichters, selten geworden; zum legten Male erscheint es, so viel ich weiß, in der Ausgabe der Klinger'schen Theaterstücke aus dem 3. 1786-87 abgedruckt.*) Eine ziemlich ausreichende Vorstellung davon erhält man indeß durch die sorgfältige Analyse desselben und die Proben, die Prug in seiner trefflichen „Geschichte des deutschen Theaters" mittheilt.

Die Handlung spielt da, wo des Dichters eigene Wünsche in seiner Jugend waren: in Amerika. In dem jungen noch nicht entkräfteten Welttheil, da glaubte er, sei noch Raum für Sturm und Drang, für modernes Heroenthum, für abenteuernde Thatlust. Die Feindschaft einer schottischen und einer englischen Familie soll hier unter abenteuerlichen Verwicklungen ausges kämpft werden; in beiden Familien steckt als Grundzug

*) Vergl. die Angaben über die Editionen von Klinger in Gödecke's Grundriß der Geschichte der deutschen Dichtung, S. 671.

jene Wüthrichsnatur, zu der Klinger häufig seine Charakterzeichnung forcirt. Ohne den Gang der Handlung weiter zu verfolgen, wollen wir unsere Aufmerksamkeit nur einer interessanten Gruppe zuwenden: es sind drei junge Genossen, die nach mannigfachen Abenteuern auf amerikanischem Boden angelangt sind, und alle drei gegen die Convenienz des alten Welttheils, dessen einförmige, öde Civilisation feine Originale verträgt, den tiefsten Ekel und Abscheu empfinden. Da ist der thatendurstige Kraftmensch Wild, dem der Dichter seinen eigenen Puls gegeben, der Phantast La Feu, ein Schwärmer mit romantischer Ironie, der mit Bewußtsein sich der Täuschung hingiebt, und Blasius, der Blasirte, der mit jedem Interesse total fertig geworden ist und sich nur noch langweilt. So verschieden in sich dieses Kleeblatt von Europamüden zu sein scheint, so gehört es doch zusammen: der Gegensag zur Wirklichkeit ist allen Dreien gemein; Wild's forcirtes Heroenthun ist ebenso phantastisch, wie La Feu's Träumerei, und wenn jener sich ausgestürmt, dieser sich ausgeschwärmt haben wird, so haben beide die Zukunft des Blasius, die Abspannung und Erschlaffung der Blasirtheit vor sich. Für die heiße Erregt= beit, den fühnen energischen Wurf der Sprache in diesem Stücke mag folgende Probe als Beleg dienen. Wild tritt mit den Worten auf:

Heida! nun einmal in Tumult und Lärmen, daß die Sinne herumfahren, wie Dachfahnen beim Sturm. Das wilde Geräusch þat mir schon so viel Wohlsein entgegengebrüllt, daß mir's wirklich anfängt, ein wenig besser zu werden. So viel hundert Meilen gereift, um Dich in vergeffenden Lärmen zu bringen, tolles Herz! Bayer: Von Gottsched bis Schiller. II. 9

Du sollst mir's danken . . . Ha, tobe und spanne Dich nun aus, labe Dich im Wirwarr! Wir sind im Krieg, mitten im Krieg, und in Amerika! Ha, laßt mich's nur recht fühlen auf amerikanischem Boden, wie hier Alles neu, Alles bedeutend ist sc.”

Blasius ist über Wild aufgebracht, weil ihn dieser mit seiner Raserei durch die ganze Welt schleppt, und will sich mit ihm schlagen. Wild erwidert:

Mit Dir schießen? Ha, ha! (hält ihm eine Pistole vor) Sieh' in's Mundloch, und sag', ob Dir's nicht größer vorkommt, als ein Thor in London? Sei gescheidt, Freund! Ich brauch' und lieb' Euch, und ihr mich vielleicht auch. Der Teufel konnte keine größeren Narren und Unglücksvögel zusammenführen, als uns. Deswegen müssen wir zusammenbleiben, und auch des Spaßes halber. Unser Unglück kömmt aus unserer eigenen Stimmung des Herzens, die Welt hat dabei gethan, aber weniger als wir.

Dies ist wenigstens ein aufrichtiges Geständniß. Wild wird nach dem ersten Anlauf des Affects wieder düster und trübsinnig, ja er geräth in eine Hamlet'sche Stimmung. Auf die Springfluth der Leidenschaft folgt immer um so tiefere Ebbe.

Es ist mir wieder so taub vor'm Sinn, so gar dumpf. Ich will mich über eine Trommel spannen lassen, um eine neue Ausdehnung zu kriegen. Mir ist so weh wieder. O ich könnte in dem Raum einer Pistole eristiren, bis mich eine Hand in die Luft knalte . . .

Menschen!

Unbestimmtheit! wie weit, wie schief führst du den

Um aus der gräßlichen Unbehaglichkeit und Unbestimmtheit zu kommen, mußt' ich flichen. Ich meinte, die Erde wankte unter mir, so ungewiß waren meine Tritte. Alle guten Menschen, die sich für mich interesfirten, hab' ich durch meine Gegenwart geplagt, weil sie mir nicht helfen konnten.

Blasius. Sag' lieber, nicht wollten.

Wild. Ja, sie wollten. Ich mußte überall die Flucht ergreifen. Bin Alles gewesen, ward Handlanger, um was zu

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