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diese Art zu entgelten, ist kein Schwächling mehr, sondern ein Elender.

Göthe selbst sagt, er habe, um ein Ende zu finden, den Schluß des Stücks einer alten Ballade entnommen; es ist jene, in der die Verse stehen:

Halt' ftill, halt' ftill, ihr Todtengräber,
Last' mich die Leich' beschauen!

Er hub den Ladendeckel auf

Und schaut' ihr unter die Augen.

Die Wirkung ist aber nicht die der tragischen Erschütterung und Versöhnung; Clavigo stirbt durch Beaumarchais' Degen wie ein armer Sünder, nicht wie ein irrender Held. Die sentimentale Reue, in der er sein Leben zulegt an Mariens Sarge ausweint, macht fast einen widerwärtigen Eindruck, vollends der Bräutigamskuß, den er der Todten giebt, die doch über seinen Verrath gestorben. Wenn Sophie, wenn Beaumarchais selbst dem Sterbenden verzeihen, das Publicum fühlt mit dem wackeren Buenco, der noch jezt ihm die Hand zu geben zögert, und hat in diesem Gefühle des Unwillens, das sich meist sehr deutlich ausdrückt, vollkommen recht.

Biel seltsamer und befremdender noch, als Clavigo, der wenigstens eine unbestrittene Bühneneristenz hat, tritt uns die Stella entgegen, obgleich sie Göthe in besondere Affection nahm, und Wieland sie sogar weit günstiger beurtheilte, als den Clavigo.

In der unmittelbaren Nähe der titanischen Kraftmenschen - des Faust, der damals schon vorgerückt war, und seines mythischen Nachbar's, des Prometheus, der blos Fragment blieb begegnen wir hier der schmelzendsten, sentimentalsten Frauenempfindung, die in den weichsten Molltönen modulirt wird, gleichsam dem in's Weibliche überseßten Wertherthum. Der Gefühlsrausch geht bis zur völligen Narcotisirung des sittlichen Bewußtseins; schwül und betäubend, wie Nachtviolen- und Jasminduft in warmer Nacht, liegt die Atmosphäre entnervender Empfindsamkeit auf dieser seltsamen Dichtung.

Wenn Lessing die Geschichte der römischen Virginia in moderne Verhältnisse verpflanzte, so that hier Göthe ein Aehnliches mit einer Sage aus dem Mittelalter, der bekannten Historie des Grafen von Gleichen; aber während dort der ernste Dichter das Alterthum an Strenge der Tugend und Gesinnung fast noch überbot, wird von dem unseren hier den Irrungen der Liebe eine noch liberalere Absolution ertheilt, als sie selbst das Zeitalter der Minne gab.

Fernando hat seine Gattin, Cäcilie, verlassen, ohne mit ihr doch gebrochen zu haben; es war eine Flucht aus der Prosa der Ehe, als sie in ihren ersten Anzeichen leise heranrückte. Sein stürmendes Herz drängt ihn hinweg nach den Entzückungen neuer Leidenschaft; auf romantische Weise entführt er Stella, und ruht eine kurze, selige Zeit in weltvergessender Einsamkeit an der Brust dieses innigen Geschöpfs. Aber die Eraltation der Empfindung muß sich in ihrem eigenen

Uebermaß erschöpfen. „Wie oft," sagt Stella, „hat Alles an mir gezittert und geklungen, wenn er in unbändigen Thränen die Leiden einer Welt an meinem Busen hinströmte! Bis in's innerste Mark fachte er er mir die Flammen, die ihn durchwühlten. Und so ward das Mädchen von Kopf bis zu den Soblen ganz Herz, ganz Gefühl." Mit dieser Fülle von Empfindung, die er in ihr aufgeregt, läßt er bald auch Stella allein; ein abenteuernder Drang treibt ihn hinaus in die Welt, um in Kampf und Gefahren sein pochendes Herz zu beschwichtigen. Ein eigenthümlicher Zufall führt die beiden Verlassenen zusammen, deren Gemüthszustand der Dichter mit feinster Seelenmalerei schildert. Cäcilie hat bereits die dumpfe, öde Beruhigung der Resignation gefunden; sie ist tief unglücklich, aber in ihrem Unglück gefaßt. Stella ringt noch in heftigerem Gefühl mit ihrem Schmerz, der aber die Schönheit ihres Gemüths um so rührender hervortreten läßt. Zwischen all' diesen Seufzern und Thränen wird aber auch nicht eine Anwandlung des Haffes, kein einziger herber Vorwurf gegen den Treulosen laut. Cäcilie, die noch nicht ahnt, daß ihr stummer, und Stella's beredter Schmerz demselben Gegenstande gelten, sagt da das merkwürdige Wort: „Wir Weiber glauben den Männern! In den Augenblicken der Leidenschaft betrügen sie sich selbst, warum sollten wir nicht betrogen werden?" Wo nur der dunkle Naturdrang der Empfindungen waltet, da hört jede sittliche Zurechnung auf, da giebt es keine Schuld, kein Vergehen.

Fernando fehrt zurück: neu erwachte Neigung

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führt den Umbergetriebenen wieder zu Stella's Füßen. Cäciliens gedenkt er nur nebenbei wie einer Verschollenen, ja wie einer Hingeschiedenen. „Wenn Du um mich schwebst, theuerer Schatten meines unglücklichen Weibes, vergib mir, verlaß mich! Du bist dahin; so laß mich Dich vergessen, in den Armen des Engels Alles vergessen - meine Schicksale, allen Verlust, meine Schmerzen, und meine Reue!" Stella fliegt ihm mit dem Enthusiasmus der reinsten, Alles vergebenden Liebe entgegen. „Lieber! Du warst lange weg — aber Du bist da! Ich will nichts fühlen, nichts hören, nichts wissen, als daß Du da bist! Gott verzeih' Dir's, daß Du so ein Bösewicht, und so gut bist Gott verzeih' Dir's, der Dich so gemacht hat so flatterhaft und so treu!" Mitten in diesem Rauschh von Entzückungen begegnet Fernando seiner Frau, die durch schnelle, heimliche Abreise den neu Vereinten Play machen will. Noch erkennt er sie nicht, aber der erste flüchtige Blick schon macht ihn unruhig. „ Muß mich die Gestalt dieser Frau an mein Vergehen erinnern... Herz! o Herz! wenn's in dir liegt, so zu fühlen und so zu handeln, warum hast du nicht auch Kraft, dir das Geschehene zu verzeihen?" Er erfährt Alles das ganze namenlose Unglück, das er angerichtet; die Klagen eines ausgeweinten, durchverzweifelten Herzens, obgleich durch die Zeit gedämpft, ziehen schneidend durch seine Seele. Reuevoll umarmt er Cacilie: „Nichts in der Welt soll mich von Dir trennen -- ich habe Dich wieder gefunden!" ,,Gefunden, was Du nicht suchtest!" erwiedert sie mit leisem Vor

wurf. Fernando benimmt sich in diesem Conflict ganz als Weislingen der Dritte; mit jener völligen Haltungslosigkeit, die ein Erbübel der Göthe'schen Liebhaber ist, und sich noch obendrein in der eigenen Schwäche und Elendigkeit in sentimentalen Reflerionen bespiegelt. Flucht ist der erste Gedanke dieser Tapferen; ohne Abschied will er Stella zum zweiten Male verlassen, aber die Anstalten zur Abreise verrathen ihn - er muß nun der ohnmächtig Hinsinkenden selbst es gestehen, daß Cäcilie sein Weib ist. Nirgends Rath und Hilfe

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- feine Aussicht, den furchtbaren Knoten zu entwirren. In diesem schweren Augenblick zeigt sich Cäcilie als „die freie Gemüths- und Verstandesheldin," die durch Stella's Lage tief bewegt, der gewaltsamen Lösung vorbeugen, ihre ehelichen Ansprüche mit edler Entsagung aufopfern will. Ich bin nur ein Weib" sagt sie fest und ruhig -,,ein fummervolles, klagendes Weib; aber Entschluß ist in meiner Seele. Fernando, ich bin entschlossen ich verlasse Dich!" Sie erklärt ihm ihr Gefühl; es sei nicht eigennügig, wie die Leidenschaft einer Liebhaberin, sondern rein und lauter, wie das Gefühl einer Gattin, die aus Liebe selbst ihre Liebe hinzugeben vermag. Fernando will von einem solchen Opfer nichts wissen; da erzählt sie ihm jene alte Geschichte des Grafen Gleichen zeigt ihm im Bilde derselben eine mildere Lösung. Sie selbst will so handeln, wie die Gattin des Grafen, ebenso wie jene zu Stella sagen: „Nimm' Alles das, was ich dir geben kann nimm' die Hälfte deß', der ganz Dein gehört Nimm' ibn ganz! laß mir

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