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tuarische Auftritte beunruhigt. Mutian predigte unaufhörlich mit Wort und Schrift den Seinigen einen Feldzug gegen die „Barbaren“, und auf seinen Wink kehrte der zerstreute Dichterbund nach Erfurt zurück, zuerst Eoban, der sich schon im Sommer 1514 wieder einstellte, dann im Laufe des folgenden Jahres die Uebrigen, unter ihnen auch Justus Jonas 7), der in Wittenberg sein Studium der Rechtswissenschaft so weit absolvirt hatte, daß er von der Erfurter Juristenfacultät am 12. April 1516 in die Zahl ihrer Baccalaureen aufgenommen oder, wie man es nannte, nostrificirt wurde.

Das Jahr 1516 war für die Universität Erfurt ein äußerst bewegtes: die unter Mutians Aegide wieder geschaarten Mitglieder des Dichterbundes liefen mit einander Sturm wider den alten scholastischen Geist; Reuchlin war ihr Gefeierter, die Satire ihre Waffe; schon war das alte System der kirchlichen Scholastik also aus den Fugen gegangen, daß es schwer war, keine Satire zu schreiben! Zu Anfang des Jahres 1516 erschien das erste, noch vor Ablauf des gleichen Jahres das zweite Buch der „Briefe der Dunkelmänner“, ein Erzeugniß des Erfurter Dichterbundes, ein Blizstrahl, zündender als alle römischen Bannstrahlen! Jonas nahm an diesen Briefen keinen unmittelbaren Antheil ®), in so innigem Freundschaftsbund er auch damals mit den Verfassern dieser Briefe lebte. In ernstem Studium und strenger Arbeit an sich selbst rang er nach Wahrheit, durch sein Naturell und den Einfluß seines Wittenberger Aufenthaltes vor den Ausschweifungen bewahrt, zu welchen die rein formelle Bildung des Humanismus häufig Anlaß bot. Sehr günstig wirkte auf ihn Mutian, mit dem er fleißig Briefe wechselte, und welcher bei dem jungen Dichterkreis vor Allem auf sittlichen Gehalt und Vertiefung in die Wissenschaften drang. Bereits bildeten die alten Juristen eine Opposition gegen die durch humanistische Studien gebildeten Fachgenossen; sie nannten diese verächtlich Dichter, als ob ihnen alles positive Wissen des Rechts abginge. Mutian in einem Brief an unsern Jonas vindicirt sich und den Seinigen den Titel eines Juristen, denn,,ein Jurist sei ein gelehrter Mann und redlicher und uneigennütziger Vertreter der besten Geseze," während er seinen Gegnern, die sich Juristen nennen, die Definition unterschiebt: „Ein Doctor Juris und ruhmrediger Jurist ist ein schlechter Mensch, mit schlechten Künsten, schlechtem Recht und schlechtem Brauch ausgerüstet." Nachdem Jonas im October 1517 eine Reise nach Nordhausen angetreten und von dort den Leipziger Markt besucht hatte, ward er am 27. August 1518 zum Licentiaten der Rechte befördert und erhielt ein Canonicat an der Severifirche. Wie Coban schon seit dem Jahr 1516 das Amt eines öffentlichen Lehrers an der Universität bekleidete, so trat nun auch Jonas als öffentlicher Docent auf und trug mit Jenem und seinen übrigen Freunden, einem Euricius Cordes, Johannes Lange, Johann Draconites u. A. das Seinige zu dem leider nur kurzdauernden Aufschwung der Erfurter Hochschule bei. Mutian zog sich, sobald Reuchlin durch seine Jünger gerächt war, wieder

in sein Stillleben zu Gotha zurück, ohne sich bewegen zu lassen nochmals den öffentlichen Schauplaß zu betreten 9). Seit seinem Rückzug spielte Eoban den König des neuen Gelehrtenstaates, in welchem namentlich seit der Abreise des unruhigen Crotus eine friedlichere Stimmung eingetreten war, indem der Reuchlincultus mit dem Erasmuscultus vertauscht, aus den Reuchlinisten begeisterte Erasmianer wurden. Reuchlin wußte es den Erfurtern wenig Dank, daß sie ihn auf den Schild erhoben hatten: um so herablassender nahm Erasmus die Anbetung an, welche ihm vom Königreich Eobans gezollt wurde. Eben hatte Erasmus seine Stellung in England mit der eines Rathes des jungen Königs Carl von Spanien vertauscht und sich in den Niederlanden angesiedelt, von wo aus ohnedem seine Einwirkung auf Deutschland eine größere werden mußte. Der erfurtische Kreis, dem schwärmerische Bewunderung zum Bedürfniß geworden war, kannte bald keine majestätischere Größe als die des Erasmus. Man zürnte der eigenen Verblendung, jene,,kostbare Perle" so lange nicht geachtet zu haben; Spalatin schrieb 1517 an Erasmus:,,Ich war sofort der Deinige, sobald ich deine Schriften gesehen hatte;" als die Sonne, die mit ihren Strahlen alles Dunkel erhellt, wurde Erasmus gepriesen; Eoban und Jonas fühlten sich mit der verehrungsvollsten Begei= sterung zu dem Gelehrten hingezogen, in welchem sie den Stein der Weisen gefunden zu haben wähnten. Natürlich verlangte die feurigen Aubeter, nicht blos aus der Ferne, sondern in der Nähe dem gefeierten Herrscher im Reiche des Geistes ihre Huldigungen darzubringen: von Erfurt aus bildeten sich viele gelehrte Wallfahrten nach Rotterdam, wie man sie ehedem zu einem Heiligen anzustellen pflegte. Je beschwerlicher und gefährlicher die Reise zu diesem neuen Delphischen Orakel war, desto verlockender war sie auch für die schwärmerische Phantasie der liebebedürftigen Jünglinge. Der König Eoban eröffnete im Jahre 1518 in Begleitung des Berter den Zug der Wallfahrer, indem er zu Fuß nach den Niederlanden pilgerte und in einer zierlichen poetischen Epistel den gefeierten Lehrer begrüßte: „Schon lange warst du mir ein göttliches Wesen“, redete er ihn an, „so sehr fesselten mich deine Schriften, die dir den Ruhm der Unsterblichkeit sichern werden." Er traf den Erasmus frank, sehr beschäftigt und vornehm herablassend: ob aber auch nur eine einzige Unterredung der Preis der mühevollen Pilgerfahrt war, fam er doch so entzückt von dem Anblick des Mannes zurück, daß er auch bei seinen Freunden das Verlangen erweckte, in persönlichen Umgang mit Erasmus zu treten. So unternahm denn kurze Zeit später auch Jonas mit seinem Freunde Schalbus dieselbe Wallfahrt zu Pferde. In einem überschwänglichen Briefe vom 26. April 1519 fündigte Schalbus dem Erasmus ihre Ankunft an: „Durch so viele Wälder," beginnt er, „durch so viele von ansteckenden Krankheiten heimgesuchte Städte find wir, Erasmus, zu dir vorgedrungen, Jonas und ich, und, guter Gott, wie sind wir zur glücklichen Stunde angelangt! So wenig gereute uns die lange und beschwerliche Reise,

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daß wir uns unterwegs, ungewiß, wo du, die einzige Perle des christlichen Erdkreises, verborgen seiest, durch einen heiligen Schwur verpflichteten, dich aufzusuchen, wäre es auch an den äußersten Grenzen Indiens oder in dem entlegenen Thule, wie viel mehr in den Niederlanden oder in Frankreich!“ Er überbietet sich selbst in allen Arten von Lobeserhebungen und wozu? Nur um eines furzen Antwortschreibens gewürdigt zu werden, das ihnen als kostbare Reliquie dienen soll! Auch Draconites, der gleichfalls ein Canonicat am Severistift zur Belohnung für seine Vorlesungen erhalten hatte, wallfahrtete im folgenden Jahr zu dem großen Meister troß der Pest, welche damals in Belgien wüthete; Jonas wünschte ihm zur gesunden Rückkehr Glück, indem er ihn einem Paulus, der in Milet eine Schlange wie eine Fliege von sich geworfen, dem Kreis der Männer, welche nach dem Hebräerbrief in des Glaubens Kraft das Feuer erstickt und der Löwen Mäuler verstopft hätten, ja einem Jonas in des Wallfischs Bauch an die Seite stellt. Camerarius schreibt über diesen Erasmuscult Erfurts 10):,,Man klatschte ihm Beifall wie einem gelehrten und künstlerischen Schauspieler auf der Bühne der Wissenschaften. Jeder, der nicht für einen Fremdling im Reiche der Musen gehalten werden wollte, bewunderte, verherrlichte und pries ihn. Man wünschte dem Zeitalter Glück. Wenn jemand einen Brief des Erasmus herauslocken konnte, so war sein Ruhm ungeheuer und großer Triumph wurde dann gefeiert. Wenn aber jemand das Glück einer persönlichen Zusammenkunft und Unterredung mit Erasmus hatte, dann hielt er sich für selig auf Erden."

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Jonas hatte auf Erasmus einen überaus günstigen Eindruck gemacht 11), während umgekehrt Jonas durch diesen Besuch zu erneutem Eifer 12) in den classischen Studien angefeuert wurde. Diesen zu bethätigen, bot ihm die neue Würde, zu welcher er an der Universität berufen wurde, Gelegenheit. Während er bei Erasmus weilte, war er am 2. Mai 1519 zum Rector der Universität Erfurt erwählt worden eine besondere Auszeichnung für den erst im siebenundzwanzigsten Lebensjahr stehenden Mann, welcher selbst in der Erfurter Universitätsmatrikel von den Freunden, welche ihn gewählt hätten, schreibt, ihre Liebe hätte sie blind gemacht. Doch rechtfertigte Jonas das Vertrauen, mit welchem ihm entgegengekommen war, im vollsten Maße. Mit Eifer und umsichtiger Thatkraft widmete er sich während seines halbjährigen Rectorats den Universitätsgeschäften und seßte eine wichtige Verbesserung der Universität, nemlich eine neue Organisation der philosophischen Facultät durch: Es wurden acht Lehrer für die griechische und lateinische Sprache und die „, wahre“ Philosophie bestellt; die philosophische Facultät sollte fortan als die erste, als das Factotum, als „, Vordertheil und Hintertheil des ganzen Gymnasiums“ (wie Jonas schreibt) angesehen werden. Um die Mittel zur Besoldung der neu aufgestellten Professoren der beiden clasfischen Sprachen zu gewinnen, verzichtete die philosophische Facultät auf die

vielen kostspieligen Gastmähler, welche bisher bei verschiedenen akademischen Feierlichkeiten aus den Universitätsfonds bestritten worden waren, und beschränkte dieselbe auf ein einziges Festmahl in jedem Jahre. Eoban Heß preist in der Einleitungsrede, welche er zu seinen Vorlesungen über des Erasmus Enchiridion des christlichen Streiters im Jahr 1519 hielt, den Herrn Jodocus Jonas als denjenigen, welchem die studirende Jugend für diese Fürsorge verflichtet sei, während dieser selbst das Verdienst dem Erasmus zuschrieb, indem er in seinem Rectoratsbericht das Bild desselben voranstellte, wie er in Magistertracht in Gegenwart Kaisers Karl V., eine Schaar wißbegieriger Scholaren um sich sammelt, welche in ihren Händen, mit denen fie auf Erasmus hinweisen, die Inschrift halten: Hic est ille Erasmus! Die Neuerung war nicht ohne Kampf durchzuseßen 13), aber die Humanisten behielten den Sieg. Die Nachfolger des Jonas im Rectorat seßten das begonnene Werk fort, namentlich Crotus, der im October 1520 nach seiner Rückkehr aus Italien an die Spiße der Universität gestellt wurde. Diese stand in einer seltenen Blüthe; Erasmus spendete ihr volles Lob; aus allen deutschen Ländern strömten hier wißbegierige Jünglinge herbei, angezogen zumeist durch den Namen Eobans, welcher in seinen Vorlesungen oft fünfzehnhundert Zuhörer gehabt haben soll, so daß der Hörsaal die Menge derselben nicht fassen konnte. Besonders war man bemüht, das in Erfurt seit geraumer Zeit fast gänzlich vernachlässigte Studium der griechischen Sprache wider neu zu beleben; Petrejus und Lange waren dafür besonders thätig und erhielten einen eifrigen Beförderer ihres Planes in dem jungen Joachim Camerarius, der im Sommer 1518 von Leipzig, wo er von Crocus, Megler und Mosellanus in das Studium der griechischen Literatur eingeführt worden war, zur Vollendung seiner Studien nach Erfurt kam. Troß seiner Jugend trat er schon in Kurzem auf die Bitten seiner Freunde öffentlich als Lehrer der griechischen Literatur auf. Auch Jonas warf sich jezt mit allem Eifer auf die Erlernung der griechischen Sprache und erbat sich hierzu namentlich die Anleitung seines Freundes Lange. In der Ueberzeugung, daß Uebung den Meister mache, conjugirte er jeden Tag ein griechisches Zeitwort durch, lernte griechische Gedichte auswendig, fand aber die Erlernung dieser Sprache sehr schwer und mühsam 14). Daneben übte er fich namentlich mit Draconites im oratorischen Styl. Nicht ohne eine Regung von Eifersucht fah Eoban auf das Freundschaftsverhältniß, welches sich hierdurch zwischen Jonas und Drach befestigte: „Ich sehe nicht, was der aus dem Bauch des Ungeheuers ausgeworfene Prophet mit dem Drachen Gemeinschaft hat, da dieser Feuer, jener nur Wasser athmet, aber, o Gott, wie viel, wie flar, wie lebendig, und wahrlich Himmelswasser, Wasser, das die Flamme, welche du dem liebenswürdigen Erasmus in der Seele an= zündest, nicht auslöscht, sondern besser als Del anfacht." Eoban möchte, daß sich die Zweiheit der Freunde zu einer Dreiheit ausdehne, sei der Eine

von ihnen der Zephir, der Andere der Auster, so wolle er als der Aquilo fich zugesellen und alle Winde und Flammen aus einander treiben!

Während aber die philosophische Facultät in Erfurt unter der Fahne des Erasmus ein Auferstehungsfest feierte, regte sich auch in der theologischen Facultät ein neuer Geist, entzündet durch die Wittenberger. Luther besaß in seinem Ordensgenossen Lange, den er 1516 zum Prior des Augustinerconvents in Erfurt gemacht, einen aufrichtigen und treu ergebenen Freund. Ihm sandte er seine ersten Schriften mit dem Erbieten, seine Säße in Erfurt zu vertheidigen. Die Thesen hatten Anstoß erregt, und Trutvetter, das Haupt der theologischen Facultät in Erfurt, hatte an seinen ehemaligen Schüler ein warnendes Schreiben im Ton väterlichen Ernstes gerichtet. Als Luther im Frühjahr 1518 auf seiner Rückkehr von dem Heidelberger Augustinerconvent einige Tage im Kloster zu Erfurt verweilte, war seine Mühe, die Zweifel und Einwendungen seiner alten Lehrer zu widerlegen, fruchtløs. Luther schrieb mit Beziehung auf diese in Erfurt gemachten Erfahrungen an Spalatin (18. März 1818):,,Es ist etwas Schlimmes, in falschen Meinungen alt geworden zu sein; aber die Jugend ist ihnen ganz und gar entfremdet, und ich habe gute Hoffnung, daß wie Christus von den Juden verworfen zu den Heiden wanderte, so auch jezt seine von jenën vorurtheilsvollen Greisen verworfene Theologie auf die Jugend sich verpflanze." Seine Vorausseßung hatte ihn nicht getäuscht. Hatte der zum Doctor der Theologie promovirte Lange es durchzuseßen gewußt, daß die Universität in einem Schreiben vom 29. December 1519 an Herzog Georg die Abfaffung eines Gutachtens über die Leipziger Disputation förmlich ablehnte, so verschmolz sich jezt bald die Sache des Erasmus und Luthers für die Erfurter Humanisken: wie für Reuchlin ehedem, so nahmen ste jezt Partei für Luther, hierzu von Erasmus selbst angefeuert. Die Philologen brachen in das theologische Lager ein: Euricius Cordus, der erst vor Kurzem mit den poetischen Studien das der Arzneiwissenschaft verbunden, begann im Jahr 1519 auch theologische Vorlesungen zu halten; noch in demselben Jahr erklärte Eoban in öffentlichen Vorlesungen das erasmische Handbuch des christlichen Streiters, ,, um jest mit der Gelehrsamkeit die Förderung christlicher Frömmigkeit zu verbinden." In der Eröffnungsrede wirft er bereits ziemlich unverdeckt dem alten System den Fehdehandschuh hin, preist die Zeit glücklich, welche zu dem Born der wahren Frömmigkeit, zu der Bibel zurückgekehrt sei und dem früheren Verderben, dem Aberglauben und der Heuchelei entsage, und ruft siegesgewiß aus: „Wo bleiben nun Jene, die so übermüthig und anmaßend von christlicher Demuth predigen - von der sie selbst so weit entfernt find, als Mysien von den Phrygiern - als wenn uns nicht der leiseste Widerspruch gegen sie, ihnen aber ein immerwährendes Sündenleben gestattet sei. Dulden wir es nicht mehr, daß Menschen durch alberne und nichtswürdige Possen das christliche Volk, die einfältige und ungelehrte Menge täuschen

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