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Forchheim. Mit schwerem Herzen sah Eoban dem zersprengten Dichterbunde nach: er war ein König ohne Land.

Jonas war nicht Äugenzeuge dieser Schreckensscenen Erfurts; sie mußten, wenn er in Betreff des an ihn ergangenen Rufes nach Wittenberg nochh unschlüssig war, ihm die Lostrennung von der Stätte seines bisherigen Wirkens erleichtern, während andererseits Luthers muthiges Auftreten in Worms ihm das Herz abgewann, sich ganz der evangelischen Sache hinzugeben. Von diesem Entschluß vermochte ihn auch nicht ein Schreiben des von ihm hochverehrten Erasmus abzubringen 23). Als dieser gehört hatte, in welchem Sinne Jonas seiner Ermahnung zum Studium der Theologie nachgekommen wäre, warnte er ihn vor Luther, der seine Sache zu rauh und tumultuarisch betreibe und durch den angeregten kirchlichen Streit den schönen Wissenschaften so viele gute Köpfe entziehe. Eine Antwort des Jonas ist nicht erhalten; es scheint, daß mit diesem unbeachtet gebliebenen Schreiben der früher lebhafte briefliche Verkehr zwischen beiden Männern ganz ins Stocken gerathen sei, obschon Jonas die dankbare Verehrung für die wissenschaftlichen Leistungen des Erasmus stets bethätigte und lange nachher fich noch Mühe gab, Luthers Eifer in seinen Streitschriften gegen Erasmus zu mäßigen.

In Worms gediehen die Unterhandlungen, welche wohl persönlich vom Churfürsten von Sachsen oder dessen Räthen mit Jonas geführt wurden, schon zu einem vorläufigen Abschluß: Jonas begleitete Luthern auf seiner Heimkehr von Worms bis nach Eisenach, wo sich Alle seine Reisegefährten außer Amsdorf von dem nach Möra ziehenden Luther am 2. Mai verabschiedeten. Wie es scheint, sezte Jonas mit den übrigen Reisebegleitern den Weg nach Wittenberg fort, um sich hier vor Allem mit Melanchthon über seinen neuen Beruf zu berathen. Daß nemlich mit der ihm angebotenen Probststelle die Professur des kanonischen Rechts verbunden war, erregte ihm große Bedenken; eher wollte er auf die Würde eines Probstes verzichten, als das Lehramt dieser Wissenschaft antreten, welche sich in seinen Augen längst selbst überlebt hatte. Andererseits hatte die Universität Wittenberg von ihrer Ent stehung an gerade auf diese Disciplin ein besonderes Gewicht gelegt: der Lectionskatalog von 1509 führt nicht weniger als sieben Lehrer des päbstlichen Rechtes auf! Henning Göde, dessen Stelle erseßt werden sollte, war als Canoniker in ganz Deutschland berühmt, der „Monarch der Juristen“ genannt und hatte bis zu seinem Tode mit aller Starrheit das päbstliche Recht und die bei den Kirchenrechtslehrern herkömmlichen Quellen und Autoritäten gelehrt, als ob nicht Luther das kanonische Recht samt der Bannbulle ins Feuer geworfen hätte. Schon im Jahr 1520 hatte Luther es für wohlgethan erklärt, daß das geistliche Recht vom ersten bis zum leßten Buchstaben, insbesondere die Decretalen, ausgetilgt werde: fände sich auch viel Gutes darin, so sollte es billig schon deshalb untergehen, weil derzeit das Studiren

darin unnüg und nur Betrug sei, indem der Pabst seine Willfür darüber erhebe und sich selbst nicht daran binde. Während aber schon dieses das kanonische Recht in Mißachtung bringen mußte, daß es vom Pabst und den Reformatoren gleicher Weise außer Curs gesezt war, so kam dazu die hergebrachte Art der Behandlung dieser Wissenschaft, welche ihr alles Recht auf den Namen einer Wissenschaft nehmen mußte. Wie sich die Theologen um die Bibel nicht kümmerten und sich fast nur mit den Büchern der Sentenzen abgaben, so studirte man auch das römische Recht nicht aus den Quellen mit philosophischer und grammatisch - historischer Methode, sondern aus den Werfen der latein barbarischen Gloffatoren, indem man es nach Art der Schola. stiker in speculativen Quäftionen und Disputationen behandelte und dabei den Sachwalter des Besizes des Pabstes und des Clerus machte. Jonas selbst sagt in seiner Erklärung der Apostelgeschichte, als er von dem Zustand der apostolischen Kirche redet:,, Wie fast sich aber diese Gestalt der christli chen Kirche mit den Decretalen reimt und gleichstimmt, welche Decretal von den Mänteln, Zinsen, Hengsten und Jagdhunden der Bischöfe Fürsehung thun, das geb ich den Romanisten und Papisten zu errathen.“

Melanchthon billigte vollkommen den Widerwillen, welchen Jonas gegen die Lection des kanonischen Rechts hegte, aber er gab den klugen Rath: Jonas solle erst die ihm vom Churfürsten angebotene Stelle antreten, um dann sofort um die Enthebung von der Professur des kanonischen Rechts zu bitten. Dies geschah. Am 6. Juni 1521 wurde der Probst feierlich in sein Amt eingesezt. Schon am folgenden Tag schrieb Melanchthon einen Brief an Spalatin 24), welchen Jonas selbst an seine Adresse beförderte, und aus welchem wir Folgendes mittheilen: „Gestern wurde unser Jonas installirt. Noch ist Ein Bedenken übrig, und es ist unsere Aufgabe, auf jede nur mögliche Weise Jonas, diesen frommen und fromm gelehrten Mann uns zu erhalten. Das ist aber unausführbar, wie ich mich aus seinen eigenen Worten überzeugt habe, wenn er das päbstliche Recht lehren soll. Du mußt dich also vorsehen, daß wir um einer so gleichgiltigen Sache willen nicht einen solchen Mann verlieren; denn wenn wir uns ihn aus irgend einem Grunde entführen ließen, so müßten wir weder Verstand noch Augen haben. Die Akademie konnte keinen tüchtigeren Mann erwerben; sehen wir das nicht ein, so mag uns niemand für flug halten. Ich weiß, daß wir dir dieses Glück verdanken, aber du hast dein Werk nicht vollendet, wenn du ihn uns nur zeigst, ohne ihn bei uns zu halten. Auch ist die Sache leicht zu bewerkstelligen, wenn du nur willst. Nicht an der Möglichkeit, sondern einzig an deinem Willen müßte ich zweifeln. Warum sollte die Vorlesung des päbstlichen Rechts nicht in eine theologische verwandelt werden? Erheischt doch selbst die Rücksicht auf die Präbende eher einen Theologen als einen Rechtsgelehrten, da dem Probst so viele Kirchen untergeben sind. Welchen großen Schaden diese durch die Unwissenheit und Unfrömmigkeit ihrer Vorgeseßten erleiden

müssen, kann ich nicht leicht aufzählen. So oft Henning, sonst ein braver, aber mit der christlichen Lehre weniger vertrauter Mann, über eine chriftliche Frage angegangen wurde, achtete er jedes Wort über Reformation der Kirche für Scherz und Posse. Ich weiß es, da ich selbst dabei betheiligt war, wie er das Ant der Geistlichen für nichts Ernstes achtete. Wie viele Ehebrüche, Wucher und Aehnliches wurden ihm klagend vorgebracht, während er meinte, einem Geistlichen liege nichts weniger ob, als die Befferung der Bürger. Er wähnte, um die Kirche stehe es gut, wenn nur das Volk reichlich zahle und die Priester fett würden. Das sage ich nicht in böser Absicht, am Wenigsten gegenüber einem Verstorbenen, sondern nur um auf das Ungereimte aufmerksam zu machen, das darin liegt, wenn man Rechtsgelehrte über die Kirche setzt. Ferner fönnte ich nicht verstehen, warum nicht auch der Fürst einen Theolo gen zum Probst wünschen sollte, da er weiß, daß von ihm das Blut der Seelen, die verloren gehen, gefordert wird.“ Zugleich drückte Melanchthon den Wunsch aus, es möchte Crotus an eine der beiden Stellen von Lupinus oder Carlstadt berufen werden. Nicht ohne Schwierigkeiten wurde die Vertauschung des juristischen mit einem theologischen Lehramte durchgeseßt; der schon von Melanchthon angedeutete Vermittlungsvorschlag wurde endlich ge= nehmigt: Jonas ward der theologischen Facultät beigetheilt und mußte einem Docenten, welcher für ihn das kanonische Recht vortrug, zwanzig Gulden jährlich von den Einkünften der Probstei abtreten. Jonas siedelte nun ganz von Erfurt nach Wittenberg über 25); obgleich der Befig mehrerer Präbenden an verschiedenen Orten damals etwas ganz Gewöhnliches war, ließ er es sich ruhig gefallen, daß ihm als einem Gebannten die Erfurter Stiftspräbende entzogen wurde. Luther war über die Gewinnung des Jonas für Wittenberg hoch erfreut. Schon zwei Tage nach der Einseßung des neuen Probstes schrieb er demselben, ihm seine Schrift gegen Jacob Latomus widmend und ihm zugleich zu seinem neuen Amt Glück wünschend. Da er vorausseßt, daß Jonas das kanonische Recht zu lehren habe, heißt er ihn lehren, daß das zu verlernen sei, was er lehre. Zum Schluß ruft er ihm zu:,,Fasse Muth und sei stark, fürchte jenen Baal-Phogor nicht, der kaum ein Baal-Zebub ist, d. H. ein Fliegenmann, vorausgesezt daß wir glauben." Wie wohl sich Jvnas selbst in seiner neuen Stellung fühlte, zeigt sein Brief an Eoban 26): „So bin ich denn mit all dem Meinigen nach Wittenberg übersiedelt. In. einem kleinen Städtchen fand ich unglaubliche Schäße nicht bloß der Wissenschaften, sondern aller Dinge. Gewiß ist das Erfurter Gymnasium im Vergleich zu der Wärme, mit welcher hier den Studien obgelegen wird, kalt." Jonas bewarb sich nun um die höheren akademischen Würden bei der theologischen Facultät, in welcher er noch in demselben Jahr am 24. September die Licentiaten- und am 14. October die Doctorwürde erlangte. Mit ihm zugleich wurde wiederum sein Jugendfreund, Tilemann Platner, welcher damals für den Grafen Wolfgang von Stolberg und Wernigerode das Prorectorat der Universitāt

führte, der nachmalige Reformator von Stolberg und Quedlinburg, promovirt. Die Erfurter Freunde waren etwas befremdet, daß Jonas sie nicht zu dieser Feier eingeladen habe; er erwiederte dem treuen Freund Lange, er habe sich den Schein einer Großthuerei, seinen Freunden die Gefahren und Beschwerden der Reise ersparen wollen und darum die Sache beschleunigt. Hoch erfreut schrieb Mutian an Jonas, er habe zu seiner großen Befriedigung vernommen, daß Jonas das Gewandt, die Infignien und Würden der Theologen empfangen habe, und wünsche, daß das durch seine Vermitt lung begonnene Werk einen gedeihlichen Fortgang habe 27). Der fromme Wunsch ging glücklich in Erfüllung.

4.

Durchführung der Reformation in Wittenberg.

Der Mann, dessen Nachfolger Jonas in Wittenberg wurde, war der hartnäckigste Gegner der in der Stadt und besonders beim Stift begonnenen Reformation gewesen. Zwar befanden sich unter den damaligen Mitgliedern des Collegiatstifts an der Allerheiligen, Stifts- oder Schloßkirche zu Wittenberg Männer wie Andreas Bodenstein von Carlstadt und Nicolaus von Amsdorf, welche sich bereits offen für die Sache der Reformation erklärt hatten: aber unter Göde's starrem und zähem Festhalten am Hergebrachten war doch im Ganzen die in der römischen Kirche gewohnte Verfassung mit allen dazu gehörigen Ceremonien unverändert beibehalten worden. Luther selbst wollte in der Kirche nichts schaffen, noch weniger etwas Neues der Gemeinde aufdrängen; mit aller Strenge beschränkte er sich auf die Grenzen, die einem Diener des Worts gezogen sind, diesem Wort vertrauend, daß es am rechten Ort auch die rechte That vollbringe. Je mehr bei ihm selbst der neu errungene Standpunkt nicht das Resultat des Wissens, sondern des Gewissens war, desto zarter erzeigte sich auch sein Gewissen gegen Andersdenkende, ihnen durch Gewissenszwang kein Aergerniß zu geben. Anders war das Verhalten derer, welche sich nicht durch Gewissensängste zur evange lischen Freiheit hindurchgerungen, sondern durch den Prozeß des Denfens der Sache des Evangeliums fich genähert hatten. Die Humanisten kannten die Rücksicht, die man irregeleiteten Gewissen schulde, nicht; sie sahen im Schooß der römischen Kirche not noch einen Rest des Glaubens, von dem es heißt: Verdirb ihn nicht, es ist ein Segen darin! sondern bloß Aberglauben, finsterste Unwissenheit; darum beobachteten sie mit ihrem Wissen nicht die gleiche Schonung, welche einem Luther die Rücksicht auf die Gewissen zur Pflicht machte.

Als Jonas seine neue Stelle in Wittenberg antrat, war eben die Schranke gefallen, welche bisher Göde und Luther mit kräftigem Arm, wenn auch aus ganz verschiedenen Beweggründen, den Drängern und Stürmern entgegengesezt hatten: die der evangelischen Sache im Herzen zugethanen Canonifer und Ordensbrüder fühlten sich durch Göde's Tod des Zwanges entledigt, welchen dessen amtliche und persönliche Geltung bisher auf sie ausgeübt hatte; ein Carlstadt, der sich von der Autorität des Heros Luther bisher beengt und gedrückt gefühlt hatte, glaubte mit Luthers Zurückgezogenheit auf der Wartburg sei die dem Thatendurftigen günstige Zeit angebrochen, und war darum in der Mitte des Juni 1521 aus Kopenhagen nach Wittenberg zurückgeeilt, wo er schon am 19. Juni wider den Gölibat zu disputiren beginnt. Das war die schwierige Stellung, in welche sich Jonas bei seinem Amtsantritt hineinverseßt sah; für das ganze Reformationswerk war überaus viel daran gelegen, wie der neue Probst sich seiner Aufgabe entledigte. JOnas selbst war aus dem Heerlager der Humanisten herübergekommen; von inneren Kämpfen, unter denen er sich gleich einem Luther zum Glauben hindurch gebetet hätte, wissen wir nichts; andererseits hatten die jüngsten Vorgänge in Erfurt ihn zu Vorsicht und Behutsamkeit gemahnt, und der bedächtige Melanchthon stand ihm zur Seite; Jonas selbst hatte nicht bloß humanistische, sondern auch Rechtsstudien hinter sich, durch welche er Maaß halten gelernt hatte, und darum alles unvermittelte Brechen mit dem Bestehenden fürchtete. Er eilte, aber mit Weile: ließ er sich auch einen Augenblick vom Strome der öffentlichen Stimmung weiter fortreißen, als Luther wünschte, so that er doch demselben ebenso fräftigen Einhalt, als er die Grenzen des Rechts zu durchbrechen drohte; nicht Carlstadts unruhiger Poltergeist, sondern das Ringen und Sehnen der Gemeinde waren für ihn maßgebend. Außerdem ist hervorzuheben, wie Jonas von Anfang an die Reformation sehr bestimmt als eine deutsche Nationalsache, als einen Kampf der deutschen Unabhängigkeit von dem Fremdenjoch Italiens auffaßt. An Capito schreibt er am 1. Januar 1522 hocherfreut über die leider nur augenblickliche Zuneigung des Cardinals Albrecht von Mainz zur evangelischen Sache, und hoffend, daß andere deutsche Kirchenfürften diesem Beispiel folgen würden 28): „Was gehen uns die Italiener an, deren Gottlosigkeit mehr als offen zu Tage liegt? Suchten fie doch gemäß ihrer angestammten Habsucht und Gottlosigkeit niemals uns, sondern das Unsrige, während sie sich um das, was Christi ist, in wildem Rausch nicht kümmern. Seße den Fall, daß alles Gold Deutschlands, nach dem sie allein begehren, mit einem Mal nach Italien abgeführt sei, und es wäre ein Wunder, wenn sie sich auch nur Geringsten um uns kümmerten und auch nur wissen wollten, wo Deutschand liege oder was für ein Volk das der Deutschen sei. Schauerlicher aber und schwärzer als das schwarze Meer ist die Verblendung unserer Fürsten, unbegreiflich der Eigensinn und Unsinn Anderer, welche, nachdem sie so oft und schwer betrogen, ausgebeutelt und aus

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