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sichert und gefestigt, wie unsere heutige Einzelehe, wenn wir auch von der viel höheren Staffel zurück uns nur mit Mühe in die damalige Auffassung der Dinge hineinzudenken vermögen. Daher ist, so chaotisch dieser Zustand auch dem unsrigen gegenüber erscheinen mag, es doch nur im Sinn der Hochkultur der Antike, die den aus der Urzeit stammenden letzten Überlieferungen gegenüber in ihrer Ablehnung alles ihr innerlich Fremden gar nicht anders konnte 1), also nur in diesem Sinne richtig, wenn man diese alten Zustände als eine Art von Sumpfdasein betrachtet wissen will2).

Freilich kann es dem Stolz der Menschheit wenig schmeicheln, auf welcher Stufe sich jene ältesten Zeiten befanden. Man hat daher auch den Einwand aus der Naturgeschichte entgegengesetzt, dass so manche Tiere monogamisch leben, und es daher unmöglich sei, dass die Menschheit einmal in einem der Tierwelt untergeordneten Geschlechtszustand gewesen wäre. Der Einwand hat viel Bestechendes, und ich muss bekennen, dass er auch mich zunächst stutzig gemacht hat3). Und doch ist es leider nichts Unerhörtes, dass so manche

1) In dieser Einseitigkeit liegt sicherlich eine Hauptstärke der Antike. Sie bildete sich kraftvoll aus ihrer eigenen Wurzel aus, indem sie alles ihrer Wesenheit nicht entsprechende als barbarische negierte. Ihre Bildung erfolgte daher um ein festes Centrum und wird daher immer der ruhige, in sich gefestigte Ausgangspunkt für den Lernenden bleiben; unsere heutige Bildung, unersättlich um sich greifend und in Höhen und Tiefen stürmend, bildet ihrer Natur nach Kreise um Kreise und sucht den gemeinschaftlichen Mittelpunkt zu ihren peripherischen Bestrebungen. Und wohl dem, der ihn gefunden hat oder glaubt gefunden zu haben!

2) Vergl. hierüber die Zeugnisse aus dem Altertum bei BACHOfen, Mutterrecht, z. B. S. 20, 69 ff., 161, 423.

3) Und doch kann man auch über diesen naturgeschichtlichen Grund sehr verschieden denken. LUBBOCK (Vorgeschichtliche Zeit, Bd. 2, S. 266) erwähnt, dass ein Kandyhäuptling über die Sitte, nur eine Frau zu haben, spottete: »Das sei ganz wie bei den Affen, meinte cr. Dieser Wilde ging davon aus, dass der Mensch, der mehrere Frauen habe, sich dadurch über die Tiere erhoben habe. Wir sind anderer Ansicht.

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Eigenschaften

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und sagen wir nur auch gerade heraus: Laster (z. B. die Hinneigung zu berauschenden Getränken) auch dem hochkultivierten Menschen anhaften, die wir bei keinem Tiere finden. Aber ein noch gewichtigerer Gegengrund ist1), dass wir heutzutage noch wilde Völker kennen, die kannibalischen Sitten ergeben sind 2), während sehr viele Tiere ihresgleichen nicht verzehren. Leider spricht eben wenig dafür, dass der Mensch insbesondere am Ausgangspunkt seiner Entwickelung die gesamte Tierwelt nach allen Richtungen überragt habe. > Im Fleiss kann dich die Biene meistern, in der Geschicklichkeit ein Wurm dein Lehrer sein.<<

Gerade die Urgeschichte lehrt, dass nichts unmöglich ist, wie nichts selbstverständlich ist. Nun sehen wir, was uns die Überlieferung sagt, und beginnen wir mit den Berichten der Antike! Sie traf zu der Zeit, aus der ihre grossen Reisewerke stammen für uns unschätzbare Urkunden zum Archiv der Menschheit, weil sie Beobachtungen aus einer verhältnismässig frühen Periode enthalten in zwei Grenzgebieten3) mit Kulturen niedersten Grades zusammen: einmal in Afrika, soweit man von Ägypten und dem schmalen kultivierten Küstensaum am Mittelmeer absah, und zweitens in den Donauländern und dem heutigem südlichen Russland, in Gegenden, welche die Griechen unter dem Namen Scythien zusammenfassten. Und merkwürdig: in beiden Distrikten stiessen die Alten, zu ihrer nicht geringen Überraschung, auf weit verbreitete Zustände

1) KOHLER in Zeitschr. Bd. 7, S. 344.

2) Auch der Kannibalismus hat seine Rechtsregeln, die gewissermassen an unser Erbrecht erinnern. So isst das Kind die Mutter, die Mutter das Kind wobei die Eltern glauben, dass, wenn sie das Kind essen, dessen Kraft in sie zurückkehre (KOHLER in Zeitschr. Bd. 7, S. 362).

3) Die Germanen und Gallier befanden sich nach den bekannten Berichten von TACITUS und CÄSAR schon auf einer nicht geringen Kulturstufe, und im inneren Centralasien handelte es sich um Völker, deren Kultur zum Teil älter war als die der Griechen und Römer.

des Hetärismus. Von dem Standpunkt ihrer apollinischen Hochkultur aus, die ihnen als das unantastbare Centrum des Daseins galt, brachten sie dieser Erscheinung nicht Verständnis, sondern Entrüstung und Verachtung entgegen. So wird uns aus Afrika von HERODOT1) berichtet über den nach seiner Meinung viehisch lebenden Stamm der um den See Tritonis wohnenden Auseer, die keine eigenen, sondern gemeinschaftlich ihre Frauen hatten. Auch bei dem Küstenvolk der Nasamoner habe jeder Mann viele Weiber und, welche er besuche, vor deren Behausung stecke er einen Stab in die Erde2). So der Altvater HERODOT. Die späteren Schriftsteller erweitern dies Gemälde beträchtlich. So berichtet uns PLINIUS 3) von dem innerafrikanischen Äthiopenvolk der Garamanten: sie haben keine Einzelehe (matrimoniorum exsortes), leben vielmehr in Frauengemeinschaft (passim cum feminis degunt). Dieselben Berichte geben uns SOLINUS und POMPONIUS MELA Von diesem Volksstamm 4). Der Hetärismus scheint bei den Äthiopen weit verbreitet gewesen zu sein; denn auch von den äthiopischen Troglodyten heisst es, dass sie in Weibergemeinschaft lebten, und nur der König eine eigene Frau hatte 5). Auch die noch

1) 4, 180.

2) 4, 172. Ähnliches berichtet er von den scytischen Massageten, (1, 216; vergl. STRABO 11, C. 513) und STRABO von den alten Arabern (16, C. 783). Vergl. BURCKHARDT, S. 214, über eine ähnliche Sitte im heutigen Arabien, und BACHOFEN, Antiquarische Briefe, S. 246 über die Nairen Malabars.

3) V, 8, 45.

4) MELA I, 8, 7: Nulli certa uxor est. SOLINUS XXX, 2: Garamantici Äthiopes matrimonia privatim nesciunt, sed vulgo omnibus in venerem licet, inde est, quod filios matres tantum recognoscunt, nam paterni nominis nulla reverentia est.

5) STRABO 16, C. 775, Diodor 3, 32; Ex Agatharchide 61 bei MÜLLER, Geogr. graeci minores I, S. 153, wo der Herausgeber bemerkt, dass noch jetzt daselbst die Ehen der Heiligkeit entbehren und aus leichtesten Ursachen gelöst werden.

nackt lebenden äthiopischen Xylophagi und Spermatophagi hatten Weiber- und Kindergemeinschaft1), ebenso die damaligen Volksstämme auf den Inseln im roten Meer2). Auch auf der anderen Seite des roten Meeres bei den alten Arabern in Arabia felix war es nicht anders3). Hier steht auf dem Ehebruch der Tod, der Ehebruch ist aber der Verkehr mit einem Anderen als einem Stammesgenossen. Die Frau ist eben mit. dem ganzen Stamm vermählt, und die Verletzung dieses Bandes wird mit eiserner Strenge bestraft. Wir finden also ein Sittengesetz gleich dem bei der Einzelehe, nur nach den Verhältnissen der Gesamtehe mit anderer Satzung gestaltet.

Ein seltsamer Brauch, der sich durch früheren Hetärismus erklären lässt, ist uns von den nordafrikanischen Dapsolibyern überliefert: alle gleichaltrigen Männer mussten an demselben Tage heiraten, und jeder unter den Mädchen im Dunkeln eine herausgreifen, die dann seine Frau wurde1).

Auch aus dem zweiten Berührungspunkt der antiken Kultur mit den > Barbaren« der untersten Ordnung finden wir die nämlichen Berichte. Auch hier ist der erste Zeuge HERODOT. Er erzählt von den Massageten 5), dass zwar die Männer einzelne Weiber freiten, dass aber trotzdem Frauengemeinschaft herrsche, und von den Agathyrsen, den »üppigsten Menschen, die besonders goldenen Schmuck tragen«, dass sie in Weiber- und Kindergemeinschaft lebten "). Dasselbe wird von dem skytischen

1) Ex Agatharchide 51 bei MÜLLER I, S. 143, DIODOR 3, 24. 2) Ex Agatharchide 31 bei MÜLLER I, S. 130, DIODOR 3, 15. Auch diese Stämme (Ichthyophagen, Fischesser) lebten auf unterster Kulturstufe, gingen unbekleidet und kannten noch nicht den Unterschied zwischen Gut und Bose (ἔτι δὲ ἡδονῆς μὲν καὶ πόνου φυσικὴν ἔχοντες γνῶσιν, αἰσχρῶν δὲ καὶ καλῶν οὐδὲ τὴν ἐλαχίστην εισφερόμενοι ἔννοιαν).

3) Daher sind alle die Brüder aller«, STRABO 16, C. 783.

4) NIKOLAUS VON DAMASKUS, S. 518, in Stobäi Florilegium 44, 41. 5) 1. 216; ebenso STRABO 11, C. 513.

6) 4, 104.

Volk der Galaktophagen berichtet1). Auch das Donauvolk der Liburner im heutigen Kroatien hatte die Frauen gemeinschaftlich 2). Und auch tief nach Asien hinein war der Hetärismus verbreitet. So werden derartige Zustände von den Mosynen am schwarzen Meere bezeugt3). Und nach der Sage sollen die Amazonen den Fortbestand ihres Reichs dadurch gesichert haben, dass sie zu bestimmter Zeit des Frühlings sich mit Männern eines andern Stamms zusammenfanden und die Söhne aus diesem Verkehr ihnen überliessen, die Töchter aber selber aufzogen4).

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Dies leitet zu der Sagenwelt und den Überlieferungen der Hellenen hinüber. Im Herzpunkt ihrer Kultur, in Athen selbst, treffen wir Traditionen über Hetärismus aus uralter Zeit. Im ältesten Athen soll kein geregeltes Eheleben bestanden haben; erst der mythische König Kekrops habe je ein Weib mit einem Manne verbunden und so die Einzelehe eingeführt 5). Ja, die Sage berichtet, dass die Weiber in jenen uralten Zeiten gleiches Stimmrecht mit den Männern hatten was ein letzter Nachklang der Erinnerungen an die indogermanischen später zu erörternden Hausgenossenschaften zu sein scheint, bei denen häufig dem Hausältesten eine Matrone zur Seite stand und seien die Kinder nach dem Mutternamen genannt worden 6). Auch weist auf alte, dem Volke noch sagenhaft erinnerliche Anschauungen die tollgeniale Komödie des Aristophanes, Lysistrate, und der ernsthaft gemeinte Vorschlag des Plato hin, der in seinem Idealstaat ganz, wie unsere modernen Kommu

1) NIKOLAUS VON DAMASKUS, S. 510, 513. Bei ihnen sollen die Frauen ebenso kriegerisch wie die Männer gewesen sein.

2) NIKOLAUS VON DAMASKUS, S. 517.

3) POMPONIUS MELA 1, 19, 10; vergl. XENOPHON, Anabasis 5, 4, 33. 4) STRABO, 11 C. 504.

5) ATHENÄUS 13, C. 555 (in der Taubner'schen Ausgabe Bd. 3, S. 225); JUSTINUS 2, 6, 3.

6) AUGUSTINUS, de civitate Dei 18, 9.

WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts I

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