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Gebiet1) noch von dieser Periode: »Gästen, die man ehren wollte, ward ein schönes Fräulein zur Unterhaltung geschickt<<, und nach HENNE AM RHYN2) war es in Wien noch in der Mitte des 15. Jahrhunderts Sitte, dass, wenn die Edeln zu den Bürgern kamen, der Mann Wein auftrug und den Gast mit der Frau allein liess. Man kann ja deswegen vom heutigen Standpunkt aus über die damalige Sittenverwilderung klagen; aber es war kein Weg, der von einer Höhe hinabführte, sondern der Weg ging aus der allgemeinen Niederung der Gesamtehe langsam und auf Zwischenstufen zur reinen Einzelehe unserer Zeit. Dass es sich vorstehend nicht um Eindrücke einzelner Berichterstatter handelt, schlage man die grossen Dichtungen des 13. Jahrhunderts auf! Wie wird der junge Parzival in den Burgen, die er aufsucht, empfangen! ganz unbefangen wird erzählt, wie das Burgfräulein mit ihren Mägden ihm das Bad bereitet und den jungen Ritter bedient3). Welche eigentümliche Rolle spielte der Minnesänger und der Troubadour am Herde seines Gastgebers! Wie überall, führen auch hier die Fäden uralter Vorstellungen bis in die Hochblüte reicher und verfeinerter Kultur hinein. Und nicht anders, als in den Rittersitzen und den Häusern der Bürger, sah es bei den Bauern aus; die alten westfälischen Bauernrechte führen hierüber eine gar derbe und unbefangene Sprache 4).

Wir brauchen uns aber deswegen unserer Vorfahren jedenfalls ebenso wenig zu schämen, als weil sie in manchen anderen wichtigen Gebieten des menschlichen Sitten- und Geisteslebens

1) Bd. 2, S. 21.

2) Kulturgeschichte der neueren Zeit, Bd. 1, S. 573.

3) Vergl. PARZIVAL 3, 1526 ff.; 5, 590 ff.; 8, 740 ff., 985 ff.; 10, 1359 ff., 1497 ff.; 12, 1172 ff.; 14, 136 ff. und die in diesem Zusammenhang freilich nicht zu erwähnende, wundervoll zarte Stelle 4, 380 ff. Vergl. auch 1, 1315 ff.; 2, 755 ff.

4) § 27 des Benker Heidenrechts, § 77 der Hattnegger Landfeste, § 32 des Rechts der 7 freien Hagen, Art. 52 des Bochumer Landrechts GRIMM, Weistümer, Bd. 3, S. 42. 48. 311. 70, Rechtsaltertümer, S. 443 ff.

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oder in der Beherrschung der Natur sich auf einer niedrigeren Stufe befanden als wir. Wissen denn wir, wie nach Jahrhunderten unsere fernen Nachkommen über denken, und was sie an uns auszusetzen haben werden?

von

unsere Sitten

oder, sagen wir ist aber,

Die Sitte des Ausleihens der Frauen
unserem heutigen Standpunkt, die Unsitte

wie schon erwähnt, ganz universal. Wir können das Ver-
zeichnis noch weiter vervollständigen durch die sesshaften
Korjäken in Sibirien 1), die Wotjäken 2), chinesische Ortschaften3),
die Insulaner auf der ganzen Südsee1), die Australneger) —
wahrhaftig ein buntes Völkergemisch aus allen Gegenden der
Erde, das sich noch weiter vervollständigen liesse®). Das
altindische Recht hält die Hingabe der Frau, sogar gegen
Geld also nach unserem Gefühl direkt haarsträubend
für statthaft), und lassen sich Spuren der alten Sitte in Malabar
(Calicut, Tarnassari) bis in die neuere Zeit hinein verfolgen3).
Wie bei den Hindus, finden wir derartige Anschauungen auch
in Hinterindien, in Birma). Desgleichen lassen sie sich bei
den ganz weit davon im Norden lebenden Aleuten 10) und auf
Alaska 11) nachweisen.

1) HELLWALD in TREWENDT'S Handwörterbuch der Zoologie, Bd. 4,

S. 550; Mc. Lennan, S. 141.

2) PESCHEL, S. 229; KOHLER in Zeitschr., Bd. 3, S. 336.

3) POST, Anfänge S. 274 nach MARCO POLO.

4) Zeitschr., Bd. 14, S. 434.

5) KOHLER in Zeitschr., Bd. 5, S. 354, Bd. 7, S. 326, 327.

6) Vergl. die Nachweise bei KOHLER in Zeitschrift, Bd. 5, S. 336 A. 2; über Südamerika vergl. BASTIAN, Kulturländer des alten Amerika, Bd. 2, S. 654, A. 4, MARTIUS, S. 118; wegen Afrikas: Post Afrikanische Jurisprudenz, Bd. 1, S. 472.

7) KOHLER in Zeitschr., Bd. 3, S. 398.

8) BACHOFEN, Antiquarische Briefe, S. 222, 243; vergl. PUFENDORF 6, 1, 10. 9) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 8, S. 84.

10) ERMAN in Zeitschr. f. Ethnol. 1871, S. 163.

11) FR. MÜLLER, auf Grund eines amerikanischen Werks VON Dall, in den Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien, Bd. 1, S. 188. WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts I

4

Häufig kommt es vor, dass der Gast, der diese Ausdehnung der Gastfreundschaft zurückweist, mit Verachtung behandelt oder die Zurückweisung als Beleidigung aufgefasst wird (so bei den Beduinen 1), den Australnegern2), den sesshaften Korjäken3). Der tiefere Grund der Sitte, dass die Einzelehe auf dieser Stufe nur erst durch ein rein äusserliches Band zusammen. gehalten wird, und zugleich der Zusammenhang mit den später zu besprechenden Instituten der künstlichen Verwandtschaft (Niyoga) tritt darin hervor, dass das aus solcher für uns nicht anders aufzufassender Untreue der Frau stammende Kind dem Gatten gehört").

Wie das Ausleihen der Frau ein Herrenrecht des Mannes ist, so kommt es in höchst eigentümlicher Weise auch als vom Mann als Gewalthaber verhängte Strafe vor. Macht die Frau des Australnegers sich eines Ehebruchs schuldig, so kann der Mann sie dadurch züchtigen, dass er sie nach seinem Belieben preisgiebt, sie gegen Zahlung ausleiht; also sie, die die eheliche Treue aus eigener Willkür gebrochen hat, muss nun Gleiches durch Gleiches büssen, indem über das Höchste, was sie zu vergeben hat, nach Belieben des Mannes geschaltet wird").

1) BURCKHARDT, S. 145.

2) KOHLER in Zeitschr., Bd. 7, S. 326, 327.

D

3) HELLWALD in TREWENDT's Handwörterbuch der Zoologie, Bd. 4, S. 550. Dieser aus Reisewerken bekannte Gegensatz fremder zu unserer Sitte ist zu einer dramatisch hervorragenden Wirkung in SUDERMANNS » Ehre benutzt. 4) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 3, S. 398. MAYNE hat diesen Satz für das indische Recht dahin ausgesprochen: The son belongs to the owner of the mother. Dass dies in seinem harten Ausdruck richtig ist, wie überhaupt, dass der Mann auf den älteren Kulturstufen vielfach geradezu als Eigentümer (Herr) der Frau wie des Kindes betrachtet wird, werden wir später zu erörtern haben. Es sei hier nur daran erinnert, dass in der herrlichen indischen Heldendichtung Mahabhârâta die Königin DRAUYADI von ihrem Mann sogar verspielt wird und dies zu Schilderungen Anlass giebt, die in der Litteratur aller Zeiten sicher einen hohen Rang einnehmen.

5) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 7, S. 327. Ich entsinne mich auch, dass LOTI in seinen Japanischen Herbsteindrücken« ähnliches aus Tokio berichtet.

dem Manne

Hier ist die

So dringt die Gesamtehe noch tief in die Gestaltung der Einzelehe hinein. Wir finden diesen Einfluss aber da am stärksten hervortretend, wo die Treue der Frau etwas relativ oder vollständig Gleichgültiges ist. Einzelehe nur die äussere Hülle, den Inhalt giebt voll oder zum grösseren Teil die Gesamtehe. Eines der tollsten Beispiele dieser Art erwähnten wir vorhin (S. 19) bei den Nairs im indischen Malabar, wo die Ehe mit dem einzelnen Mann eine leere Formel ist. Zustände, wo die Untreue der Frau nicht schwer empfunden wird, werden uns z. B. von den alten Litauern berichtet1). Von den Arabern wissen wir, dass ihre Sitten in der Zeit der »Unwissenheit«, d. h. vor dem Auftreten Mohammeds nur als hetäristisch bezeichnet werden können, und die verschiedenen Formen der Einzelehe, die sie bei sich ausgebildet haben, stellen mehr oder weniger eine Brücke zur Verbindung der alten Gesamt- mit der Einzelehe dar. So war die Heiratsform nikâh al-istibdâ von vornherein auf die Untreue der Ehefrau mit einem vornehmen Manne eingerichtet 2). In Tibet, einem Hauptsitze der Vielmännerei, ist die Frau, die mehreren Brüdern anvermählt wird, darum noch nicht verpflichtet, die eheliche Treue im Verkehr mit dritten zu halten3). Ganz besonders gross ist aber die Freiheit der Frauen auf der Südsee. Wird auf den Palau-Inseln eine Frau von ihrem Manne schlecht behandelt, so ist sie berechtigt, ihn auf einige Zeit zu verlassen und den Aufenthalt der freien Mädchen aufzusuchen, um dort ein freies Leben zu führen, bis es dem Manne leid tut, und er sie zurückkauft. Die Frauen sagen: >Die Männer sind recht schlecht gegen uns: weshalb sollen wir nicht ebenso frei sein wie sie?«*).

1) Pufendorf 6, 1, 15 auf Grund eines Berichts des ANNEAS SYLVIUS. 2) WILKEN, Matriarchat, S. 27; vergl. SMITH, Kinship and marriage, pag. 110, 116.

3) KOHLER in Zeitschr., Bd. 7, S. 229, A. 5.

4) SEMPER, die Palau-Inseln, S. 319.

Bei vielen wilden Stämmen geht die Gleichgültigkeit gegen die Treue der Frauen so weit, dass der Ehebrecher nur allenfalls durchgeprügelt wird oder mit einer geringen Geldbusse davon kommt, die Frau wohl gar frei ausgeht. Bei den Mingreliern im alten Kolchis am schwarzen Meer muss der Ehebrecher dem Mann ein Schwein geben, und alle drei verzehren es freundschaftlich 1). Wir müssen nicht vergessen, dass wir hier auf dem althetäristischen Boden der Skythenvölker stehen.

So erteilt auf Madagaskar der Mann, der auf längere Zeit von Hause weggeht, der Frau die Erlaubnis, inzwischen sich anderweit umzutun; und eine solche Frau, wenn sie hierzu nicht die Erlaubnis hat, muss sich durch besondere Zieraten kenntlich machen, um dem Andringen anderer Männer zu entgehen").

Ebenso ist die Eifersucht den Männern unbekannt in Abyssinien), bei den wa-Teita am Kilimandjaro 4), desgleichen bei den Mandingo, dem von BARTH auf 6-8 Millionen geschätzten, mächtigsten Negervolk Senegambiens), den Guineanegern) und dem Bantuvolk der Dualla im Kamerungebirge Westafrikas") eine Einzelehe also hier überall, deren Band nicht heilig gehalten wird. Wir sehen hier durchweg, wie leicht verwischlich die Grenze zum Hetärismus ist, oder vielmehr wie unter dem äusseren Kleid der Einzelehe überall die alte Gesamtehe noch hervorblickt. Daher auch kein Wunder, dass bei solchen Stämmen das so beschaffene Eheband ein

1) POST, Anfänge S. 204.

2) SIBREE, p. 253.

3) WAITZ, Anthropologie, Bd. 1, S. 391; Bd. 2, S. 503.

4) JOHNSTON, der Kilimandjaro, S. 408.

5) HELLWALD in TREWENDT's Handwörterbuch der Zoologie, Bd. 5, S. 290. 6) Hier, wie bei den Mandingo und den Dualla, ist die EhebruchsSpekulation in üppigem Schwange; vergl. KLEMM, Kulturgeschichte, Bd. 3, S. 282.

7) HELLWALD in TREWENDT's Handwörterbuch der Zoologie, Bd. 2, S. 449.

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