ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

überaus lockeres ist. So liegen in Polynesien die Verhältnisse noch heute. Mann und Weib finden sich nach Laune zu einer Ehe zusammen, die nach Laune wieder gelöst wird. So wird uns berichtet, dass ein 24jähriger Mann schon 11 Frauen gehabt hatte1). Ähnlich war es in Arabien noch bis in neuere Zeiten hinein. Ali, der Schwiegersohn Mohameds, heiratete nach Fatimeh mehr als 200 Frauen, von denen er sich immer wieder scheiden liess. Einem anderen Mann aus dem Jahr 423 der Hedschrah hat man gar nachgerechnet, dass er mehr als 900 Frauen gehabt hatte, von denen ungefähr 13 auf das Jahr kamen). Hier beobachten wir deutlich, wie ein Volk mit uralt hetäristischen Sitten die neue Idee der Einzelehe zu einem leeren Schemen gemacht hat und die alten Zustände unter der neuen Form fortsetzt.

Doch müssen wir uns vor Verallgemeinerungen hüten. Nicht überall sind die Dinge denselben Weg gegangen. Während man bei vielen Völkern sich von den hetäristischen Erinnerungen niemals frei zu machen vermochte, sehen wir andererseits oft, wie aus der Weiber- und Kindergemeinschaft des ganzen Stammes, wo Hausgenossenschaften besonders aus Brüdern oder Blutsbrüdern (künstliche Verwandtschaft) sich zusammenschlossen, diese in ihrem Bereich die Frauen und Kinder gemeinschaftlich hatten. Dies wird näher zu berühren sein, wenn wir die Hausgenossenschaften besonders erörtern. Später, viel später, als die alten Hausgenossenschaften sich überlebten, und aus ihnen einzelne Hausstände mit einem Hausvater an der Spitze wurden, war dann die Entwickelung zu einer Einzelehe, die diesen Namen vollauf verdiente, gegeben. Dies ist der Weg, den die indogermanischen Völker zumeist sind und gegangen sind wir vielleicht berechtigt

1) Zeitschr., Bd. 14, S. 434.

2) WILKEN, Matriarchat, S. 24. BURCKHARDT (S. 90) hat Araber von 45 Jahren gesehen, von denen es bekannt war, dass sie über 50 verschiedene Weiber gehabt hatten.

hinzuzufügen

auf dem sie, zur Erfüllung hoher Aufgaben

der Kultur gerüstet, emporstiegen.

Dies Kapitel aber war der Betrachtung der ersten uns bekannten Stufe der Entwickelung gewidmet, und es ist von unserem heutigen Standpunkt aus ein trauriges Kapitel. Ich ermüde diese uns argen Dinge niederzuschreiben und fürchte, den Leser zu ermüden. Aber so toll uns diese Verhältnisse erscheinen mögen, so müssen wir uns doch stets vor Augen halten, dass die damalige Gegenwart ihren Zustand für die beste der möglichen Welten hielt. So auch wir. Tun wir es denn anders? Wir halten unsere Auffassung für die allein mögliche, und wissen wir, wie ferne Kulturstufen nach uns sich zu unseren Idealen stellen werden? Zwischen Geburt und Tod liegt viel Unnützes, wir denken im Verhältnis zu der Zeit, die unsere tägliche Beschäftigung frisst, wenig über die Werte unseres Seins nach aber wenn wir uns auch den Kopf darüber zermartern würden, wir könnten nicht aus unserer Haut und nicht aus den uns anerzogenen und gewordenen Vorstellungen hinaus. Und ganz so auf den früheren Kulturstufen. Was uns scheusslich erscheint, war ihnen natürlich. Statt uns zu entsetzen, müssen wir uns hineinversetzen, wenn wir uns überhaupt mit der Vorgeschichte der Rechtsbegriffe der Menschheit ernstlich beschäftigen wollen. Und von diesem Standpunkt hat die Auffassung jener Zeit ihre Berechtigung; denn sie war geworden und bestand, bis sie überwunden wurde. Können wir mehr von der unsrigen sagen?

Und die Misch- und Übergangsformen? Um zu einem vorhin gebrauchten Vergleich zurückzukehren, der Baum der Menschheit ist der Baum des Lebens, der zugleich grüne Knospen, voll entfaltete Blüten und überreife Früchte trägt. Die Gedanken der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ringen in einer und derselben Spanne miteinander, sie drängen und lösen sich ab so vor Äonen, so heute, so nach Äonen.

[ocr errors]

Zweites Kapitel

Gruppenehe (Totemismus)

Wir sind vorhin bei Betrachtung der Gesamtehe davon

ausgegangen, dass die Frau allen Männern ihres Stammes vermählt war. In konsequenter Ausgestaltung musste dies, namentlich bei kleineren Stämmen, dahin führen, dass auch zwischen Bruder und Schwester ein solches eheliches Verhältnis bestand, und wird die Nachwirkung in der späteren Einzelehe sich dahin äussern, dass auch in den nächsten Verwandtschaftsgraden geheiratet werden darf. Nun ist dies nicht bloss eine leere Vermutung, sondern ein derartiger Zustand, den man als Endogamie (Innenheirat) bezeichnet, fand und findet sich in der Tat vor. So bei den arischen Völkern wie bei den Semiten1). Insbesondere waren die alten Perser ein endogames Volk, die Geschwisterehe war in ihrem Religionsbuch Avesta direkt empfohlen und als ein verdienstliches und frommes Werk hingestellt. Eine spätere Schrift der Parsenlitteratur, der Bahman-Jascht, lässt den Ahura-Mazda, also die höchste Gottheit, so sprechen: »Der Frömmste unter den Frommen ist der, welcher verbleibt bei der guten Religion der Mazdaverehrer, und welcher die heilige Pflicht der Verwandtenehe in seiner Familie pflegt, und nach dem Schajast-la-schajast ist die Ausübung dieser Pflicht im stande, selbst Todsünden abzuwaschen,

1) SCHRADER, Sprachvergleichung u. Urgeschichte, Anm. auf S. 566 ff.

und dient als wirksame und starke Waffe gegen den bösen Geist Ahriman. Man sieht, wie auch hier durchweg rechtlichsoziale und religiöse Vorstellungen in untrennbarer Vereinigung auftreten. Und HERODOT (3, 31) irrt in seinem Bericht, dass Kambyses die Geschwisterehe eingeführt habe, als er seine Schwester Atossa heiratete. Denn gerade in der persischen Königsfamilie kam sie sehr häufig vor. Artaxerxes heiratete sogar seine beiden Töchter, Terituchmes und Kobad I. vermählten sich mit ihren Schwestern. Von Arda viraf, einem heiligen Mann, der zu Anfang der Sassanidenherrschaft die alte Mazdareligion wiederherstellen half, wird ausdrücklich berichtet, dass er 7 Schwestern gehabt und sie sämtlich geheiratet habe 1).

Aber auch heutigen Tags finden wir derartige endogamische Zustände. So in Indien bei den Himalayavölkern 2) und bei manchen Stämmen der Malaien3), z. B. bei den Maanjan in Südostborneo. Spuren solcher eherechtlicher Auffassungen lassen sich auch sonst nachweisen. In Birma ist die Ehe in nahe Verwandtschaft und Schwägerschaft, so insbesondere zwischen Stiefvater und Stieftochter, gestattet 4). Bei den Chins, einem uralten Volksstamm in Hinterindien, kann der Vater des Verstorbenen, wenn kein unverheirateter Bruder da ist, die Witwe zur Ehe begehren 5). Bei dem südamerikanischen

1) Diese Darstellung der persischen Zustände beruht auf GEIGER, Ostiranische Kultur im Altertum (Erlangen 1882), S. 245. 246, welcher sich auf die persischen Quellen selbst, und JUSTI, Handbuch der Zendsprache (Leipzig 1864), S. 86 unter quaethvadatha, welcher sich auf STRABO, Diogenes LaerTIUS und die chinesischen Sammlungen der Dynastie Wei beruft.

2) KOHLER in Zeitschr., Bd. 9, S. 324, A. 4. Auch bei den Nairs auf der Küste Malabar (BOHLEN, das alte Indien, Königsberg 1830, Bd. 2, S. 143).

3) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 5, S. 357.

4) KOHLER in Zeitschr., Bd. 6, S. 170.

5) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 188, A. 6.

Naturvolk der Ayalachiten gelten Heiraten ausserhalb der Familie für minder anständig 1).

Der letzte Schritt zur Geschwisterehe ist auch sonst vielfach gethan 2). Wie das Frühlicht am längsten auf den höchsten Bergzinnen haftet, so ist in der Erinnerung der Völker diese Ursitte in die Mythologie der ältesten Götter versetzt. So war in der griechischen Mythe Zeus der Bruder und Gatte der Hera; so haben die Germanen zwei Götterfamilien, von denen die Wanen die Geschwisterehe haben, die Asen sie verabscheuen 3). Und wie die ältesten Götter, so waren auch die ältesten Menschen Bruder und Schwester. Hier weist uns das Morgenrot der Geschichte, die sagenhafte Überlieferung den Pfad, auf welchem diese Dinge sich entwickelt haben. Bei dünner Bevölkerung, als die Erde in geringer Kultur auf den jetzt von Millionen bewohnten Stätten nur Wenige zu ernähren vermochte, waren in den engen Hausgenossenschaften diese Wenigen sich Alles. Sie waren sich mehr, als Bruder und Schwester in der heutigen weiten Welt sich sein können, und standen auf sich allein angewiesen da, wie Adam und Eva im Frühlicht der Welt. Aber Dinge, die gewesen sind, bleiben häufig, weil sie waren, und das Altertum wird ihnen zu einer heiligenden Weihe. So finden wir die Geschwisterehe in späteren Zeiten heilig gehalten, obwohl sie uns heute ein Greuel ist. Es sind Völker mit uralten Sitten, die sie in allem Wandel der Zeiten als ein Urvätererbe festgehalten haben. Da in einem Eddaliede dem Helden die Geschwisterehe zum Vorwurf gemacht wird, nimmt man an, dass hier die Stellung

1) MARTIUS, S. 118 in der Anm.

2) Von den Zigeunern in Südungarn und Siebenbürgen heisst es bei SCHWICKER (>Die Zigeuner 1883 in Die Völker Österreich-Ungarns Bd. 12, S. 142) sogar noch für die heutigen Verhältnisse: Heiraten unter Nächstverwandten, selbst unter Geschwistern, sind nach Zigeunerbegriffen erlaubt, werden jedoch in der Regel vermieden. «

3) BERNHÖFT in Zeitschr., Rd. 9. S. 444.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »