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Wo ein Mann aus dem Volke so sprach wie er, zum Volke selbst wie zu den Fürsten, jenes so erhob und befähigte, so handelte und zum Mithandeln fortzog, den höchsten Höhen so Trok bot und eine solche Stellung einnahm, da mußte die Scheidewand bis in den Grund erschüttert werden, welche bis dahin die Stände noch immer so scharf getrennt hatte. Das verdanken wir, verdanken die niederen Stände ihm. Wie viel schuldete er aber auch seiner Herkunft aus dem niedern Volke. Er hatte vorzugsweis von ihr seine starke Vorliebe für das Heimische und Volksthümliche, und sehr wichtig wurde sie bei ihm in einer Zeit, wo gerade so viel des Fremden eindrang, woran wir uns von jeher gebildet, das uns aber auch von jeher so gefährlich gewesen ist. Wir eigneten es uns oft bis zur lächerlichen Nachäfferei, bis zu verderblicher und schimpflicher Abhängigkeit an, und stets ging dies von den höheren Ständen aus. Viel länger und treuer bewahren die niederen das Eigne, Geschichtliche und Herkömmliche, in Tracht und Sitte, Sprache und Denkweise. Fern von ihnen ab liegt die in den höhern so häufige Berechnung und Gemüthsleere, selbstsüchtige feige Rücksichtennehmerei, verfeinerte Unnatur und Verderbniß, Verstellung und Lüge. Der gemeine Mann geht mit der Sprache gerade heraus und läßt die That dem Worte bald folgen. Gesunder Verstand und Mutterwit ist vorzugsweis unsers niedern Volkes unverlierbares Erbtheil und ist sein Rechts- und Wahrheitssinn, ist erst das Gemüth in edler Richtung bei ihm tiefer angeregt, so zeigt sich Niemand ihm gleich an Eifer, Hingebung, Aufopferungsfähigkeit, Thatenlust und Kraft. Am leichtesten und nachhaltigsten ist es an der religiösen Seite zu erregen, wie es stets für religiöse Empfindung am empfänglichsten ́ war. Wir finden alle diese Züge bei Luther in scharfer Ausprägung. Die Zeit be= durfte einer tieferen Anregung des religiösen und vaterländischen Sinns, wie sie von ihm ausgehen sollte. Gerade in den unteren Volksschichten mußte seine Begeisterungs- und Aufopferungsfähigkeit, seine religiöse, deutsch volksthümliche und patriotische Anlage reichliche Nahrung finden. Eben in den mittleren und

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über das erste Buch Mosis, Plochm. XXXIV, 263. Jördens, Lerikon deutscher Dichter, VI, 673.

niedern Ständen aufwachsend lernte er deren Denkart, Gefühlsweise, Noth und Bedürfnisse, die religiösen und geistigen vorzugsweis, so gründlich kennen, hatte er Anlaß, Gelegenheit und Förderung, die Kenntnisse, die Fähigkeiten und die Kraft zu sammeln und zu stärken, womit ihm die Macht und das Geheimniß wurde, den Sinn des Volks zu verstehen, die Gemüther zu fassen, zu erregen für große, die höchsten Gedanken und Zwecke.

Wenn aber manche der besten Züge seines Geistes und Ges müths die Spuren seiner Herkunft aus dem niederen Volke an fich tragen und diese ihn wesentlich und wohlthätig gefördert hat, so konnte sie doch auch leicht nachtheilig und hinderlich auf ihn einwirken. Den unteren Ständen ist die feinere Sitte und das Gebot des Anstands fremd, wodurch in den höheren von früh an Zusammenhaltung und Selbstbeherrschung leichter angewöhnt und leidenschaftliche Ausbrüche zurückgehalten werden. Die Sitte wie die Rede sinkt bei den geringen Leuten leicht zum wirklich Unschönen und Gemeinen herunter, das noch etwas ganz Anderes ist, als die natürliche Derbheit und grobe Offenheit, die Luther's Zeit überhaupt bezeichnet, und das weder dem niederen Volke noch dem Volksmanne wohl ansteht. Enge und ärmliche Verhältnisse mit ihrer sauren Arbeit und häufigen Noth, ihren oft unwürdigen, die Kräfte fast allein für die Befriedigung des leiblichen Bedürfnisses in Anspruch nehmenden aufreibenden Geschäften bedingen auch Gedankenarmuth, verengern den Gesichtskreis, lähmen den Geistesaufschwung, ziehen herunter. Sich über ihre Einflüsse zu erheben, alle diese Hindernisse einer edleren und vielseitigeren Bildung des Geistes und Herzens zu überwinden, erfodert bei dem Niedriggebornen keine geringe Anstrengung und auch wol eine große Anlage. So wenig es ihm hieran gebrach, können wir dennoch nicht finden, daß Luther bei all seinem Verkehr mit Gelehrten, Vornehmen und Großen, aller seiner Erhebung zu den höchsten Gedanken und Gesichtspunkten, bei allem Adel, ja beim echtesten Königthume seiner Gesinnung etwas überflüssig Plebejisches jemals abgestreift hätte, das ihm von seiner Abkunft und Erziehung anhing und das man hinwegwünscht, wenn man ihn, was er angriff, auch noch viel ·weniger gern mit seidenen Handschuhen anfassen sehen möchte

Noch weit schlimmer versagte sie ihm, was ihm, dem zum Wirken in der großen Welt Berufenen, höchst wünschenswerth_gewesen wäre, die Grundlagen und Anfänge jener nüßlichen Weltkenntniß, die bei einer in den beschränkten Verhältnissen und im Umgange der niederen Stände verlebten Jugend nur so schwer erworben werden mag. Freilich den Vorzug einer hohen Geburt, den man darin findet, daß sie über Hemmnisse von Anfang hinweghebe, mit welchen Andere zu ringen haben, ist jedenfalls ein sehr zweifelhafter, wenn nach seinem Werthe für echte Bildung und Tüchtigkeit gefragt wird. In dem Hinweggehobensein über Hemmnisse liegen deren vielleicht größere als in den anspornenden Hemmnissen selbst. Die Sicherheit, welche es einflößt, ist zu oft nur eingebildete Ueberlegenheit, welche ganz oberflächliche Ansichten zuversichtlich ausspricht, geltend zu machen sucht und allerdings oft Eindruck macht und durchdringt. Gar zu häufig macht es träg, schlaff, sinnlich und engherzig. Luther, der das bare Vorurtheil nicht kannte, daß es an sichbesser und edler mache, meinte vielmehr, großer Leute Kinder geriethen felten. „Stolze Esel werden daraus, die sich der Tugenden ihrer Väter rühmen und gedenken doch derselbigen nicht nachzufolgen, sondern lassen sich träumen sie sein auch so tapfre Helden, dieweil sie von so tapfern Helden herkommen 1). Wir werden unten hören, wie günstig er über die Hemmnisse einer mühseligen Jugend urtheilte. Allein als sein Wirkungskreis so groß geworden, erwies sich seine Kenntniß der Weltverhältnisse, der schlechten Hebel, durch welche die Regierenden häufig regieren, der Leere und Kälte einer so großen Anzahl der Angehörigen der höheren und höchsten Stände und ihrer gewöhnlichen Denk und Handlungsweise viel zu gering, sein Urtheil zu befangen und zu leicht einzunehmen, die Anschauung von den öffentlichen Dingen mehrfach zu eng, worin er aufgewachsen war und die er nicht nach allen Seiten hin zu durchbrechen vermochte. Sie gab seinem Reden und Thun bisweilen etwas Schwankendes und Unsichres, auch wol etwas Gedrücktes, bis er einen freiern Gesichtspunkt und in diesem eine sichre Ueberzeugung gewonnen, und wenn er bei dem Allen mit freier selbständiger Ge

1) Auslegung d. Genesis, zu Kap. 41, V. 39; Walch II, 2008.

sinnung an öffentliche Anliegen und Verhältnisse herantrat, so hatte ihn hierbei seine Anlage und sein Aufwachsen in einem Stande begünstigt, bei dessen Mitgliedern Mitreden und Handeln Recht und Sitte war, sodaß sie nicht fragten, ob sie dürften und es nicht anders wußten, als daß sie dürften und sollten.

Denn wir müssen hier nun wohl unterscheiden, seine bäuerliche Abkunft, daß er im niedern Volke geboren war, und andrerseits, daß er im Bürgerstande auferzogen wurde. Auch das ist wesentlich bestimmend, ja verhängnißvoll gewesen, daß seine Aeltern schon, als er geboren wurde, Bürgersleute waren und fortan blieben. Man nennt ihn, sein Auftreten im Bauernkriege mißverstehend, mit Unrecht einen Bauernfeind. Er wollte dem Bauer, überhaupt dem gemeinen Manne stets helfen und geholfen wissen, und er hat viel für ihn gethan, nur sollte die Hülfe nicht durch rohe Pöbelgewalt kommen, die kirchliche und bürgerliche Ordnung über den Haufen werfen und Verderben über ganz Deutschland bringen. Aber das ist richtig, besondere Hinneigungen zum Bauer hegte er nicht. Muß man seine Unbefangenheit bewundern, wenn man seine wegwerfenden und harten Urtheile über die Bauern mit seinen. Aeußerungen über seine bäuerliche Abkunft und seine Beziehungen zu den bäuerlichen Verwandten zusammenstellt, so erscheinen seine Begriffe von den bäuerlichen Zuständen eben so verwunderlich und verdrießlich unsicher und befangen. Seine Kunde der Verhältnisse und Rechte, Ansprüche und Forderungen, weltlichen Bedürfnisse und Denkweise der Bauern verräth oft die auffallendste Mangelhaftigkeit und Verworrenheit. So scheint er die Vorstellung, die er von den halbslavisch- unfreien, viel tiefer stehenden und minder bedrückten um Wittenberg abnahm, fast immer auf alle andere übertragen zu haben. Seine großentheils und während einer langen Zeit sehr verkehrten theologischen Begriffe von dem den Obern gebührenden Gehorsame trugen wesentlich die Schuld mit, daß er die Verhältnisse und Rechte der Bauern ebenso sehr mißverstand und verkannte, wie die wahre Stellung der Reichsfürsten. Dies würde doch anders gewesen sein, wenn er als eines Bauern Sohn in Möhra Kindheit und Jugend verlebt hätte. Da würde er das Landvolk besser verstehen gelernt und mehr mit ihm empfunden haben, da würde mehr in ihn übergegangen

sein von der Stimmung der Bauerschaften, von welcher die Rede war und von welcher sich annehmen läßt, daß sie auch in Thüringen Einfluß übte, obwol bemerkt werden muß, daß der Bauer hier weder unfrei und dumpf wie im Osten und Nordoften, noch so frei aber bedrängt wie im Nordwesten, noch so bedrückt und aufgeregt wie in den Gegenden am Rhein hinauf war, sondern in einer günstigern und befriedigtern Lage und Stimmung sich befand. Luther's Verkehr mit den bäuerlichen Anverwandten war nur ein seltner, sein Verkehr mit dem Landvolke bezog sich späterhin fast nur auf die religiöse Seite, er lernte es beurtheilen aus dem Standpunkte des Bürgerkindes, sodann des Geistlichen, sodaß Irrungen nicht minder nahe lagen, als auf der andern Seite seine theologischen Begriffe und die Gedanken und Begehren der Bauern sowie die Stände in jener Zeit sehr geschieden und fremd einander abstießen. Wenn auch sein Vater ein rechter Bauer" gewesen wäre, so hätte sein Leben denkbarer Weise den Verlauf nehmen können, den er einmal andeutete: „Ich würde ein Oberster, Schultheiß, Heimburger und was sie mehr für Aemter im Dorfe haben, oder irgend ein oberster Knecht über die andern worden sein 1)."

Aufwachsen im Bürgerstande (Mansfeld).

Wenn Luther von bäuerlichen Aeltern unter Bauern erzogen wäre, so würde seine ganze Bildung und Entwickelung in jedem Falle eine andere gewesen sein, er dürfte sich eine ganz andere Gesinnung gegen den Bauernstand angeeignet haben, hätte vielleicht ihn in den Vorderreihen geführt. Allein sehr zweifelhaft ist, ob es so besser gewesen, der Erfolg derselbe oder ein größerer gewesen wäre. So viel ist gewiß, daß er sich vornämlich auf den Mittelstand stüßte, und zwar nicht ohne bewußte Wahl. Es fehlte ihm nicht an bestimmten Veranlassungen und Auffoderungen, denen auch wol schwer zu widerstehen und auszuweichen war, in die Richtungen und Absichten der Ritter, der Bauern, der Fürsten einzugehen und denselben zu dienen oder sie durch

1) Tischreden, Walch XXII, 2264.

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