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Besonders zahlreich sind die aufgefundenen Grenzsteine, bedeckt mit Bildern und Schriften.

Alle diese Denkmäler haben eine doppelte Bedeutung für uns, indem sie zunächst über den Stand der Kunst in jener alten Zeit Kunde geben; vor allem aber führen sie uns durch die Inschriften, mit denen die meisten von ihnen bedeckt sind, in die Geschichte, Religion und Wissenschaft ein, die bei beiden Völkern, Babyloniern und Assyrern, eine hohe Stufe erreicht hatte.

Noch ist zu erwähnen, daß viele der kürzeren Inschriften oder Bilder nicht mit dem kantigen Schreibegriffel oder Stift in den noch weichen Ton eingedrückt oder ausgestoßen sind, sondern mit einem Stempel, Pet schaft oder Siegelcylinder, die im allgemeinen Gebrauch sich befanden. Auch sie sind uns als Denkmäler willkommen, wenn sie von hartem Stein angefertigt sind; aber die meisten waren aus Holz gefertigt und sind im Lauf der Jahrtausende selbstverständlich zu Staub und Asche geworden.

Siebenter Abschnitt.

Das geistige und religiöse Leben der Babylonier

und Assyrer.

Es war nicht leicht zu vermeiden, daß schon im zweiten Teil des vierten Abschnitts, da wo von Verehrung der Götter gehandelt wurde, manches vorgetragen wurde, das ebensogut auch in diesem Abschnitt stehn konnte. Dort sollte mehr die objektive, hier die subjektive Seite des religiösen Lebens hervortreten.

Die Priester, die als die ersten Rationalisten dem gläubigen Volk an der Stelle des Einen unsichtbaren Gottes, der in seiner Wundermacht Himmel und Erde erschaffen hatte, die vielen sichtbaren Götter verkün digten und die frisch erfundenen Mythen oder Fabeln über deren angeb liche Großtaten erzählten, lehrten das Volk auch den Dienst und die Anbetung dieser Götter.

Wenn ein deutscher Gelehrte diese Götter für „lebendige, allwissende und allgegenwärtige" Wesen erkennt, der überträgt offenbar das Licht der Erkenntnis aus den heiligen Schriften der Christen in die Finsternis der Heiden. Diese Götter sind nach allgemeiner Vorstellung der Babylonier und Assyrer nicht ewig lebend; denn sie können getötet werden und sind auch getötet worden. Sie sind nicht allwissend; denn sie können getäuscht werden und sind getäuscht worden. Sie sind nicht allgegenwärtig; denn entweder sind sie in ihren Tempeln oder auf dem Götterberg, aber nicht zu gleicher Zeit an beiden Orten. Das ist der Babylonier und Affyrer Meinung, und eine andere soll man ihnen nicht unterschieben.

Da den Priestern von seiten ihrer Völker schon in alter Zeit der Abfall von dem lebendigen Gott und das Verlangen nach neuen Dingen entgegenkam wie in dem Volk Israel noch viel später geschah 1), so fanden sie in allen Schichten der Bevölkerung zu allen Zeiten schnellen Glauben. Und wie das angedichtete verkehrte Tun und Lassen dieser sichtbaren Götter einen Deckmantel für gleiche Torheiten und verkehrte Wege der Menschen hergab, so muß ihre fortgesette Anbetung und Ver

1) Exod. 32, 1.

ehrung als ein gefährliches Reizmittel zu fortschreitender Entsittlichung der Völker gewirkt haben. Daneben steigerte sich mit der Sündenlust und dem Sündenschmuh auch die Finsternis des Aberglaubens, der alle Leibes- und Seelennöte durch Zauberei mit Heilwurz und anderem Kraut zu stillen sich rühmt; der dabei überall Gespenster sieht; der in jeder Nacht voll Angst ist, den vor dem Tode graut, der den Menschen ohne Hoffnung dahinsinken läßt!

Nebukadnezar, der hohe mächtige König von Babylon, war tro aller feiner Macht und Hoheit doch in den Händen seiner Priesterschaft. Er läßt sie schreiben 1):

Seit Marduk, der große Herr, mich zur Herrschaft des Landes erhoben, beuge ich mich ehrfurchtsvoll vor dem Gott, der mich geschaffen hat. Seine reichen Einfünfte vermehrte ich gegen früher und gab für jeden Tag einen fetten Ochsen, fische, Vögel, fumu oder Knoblauch, pilu, den Schmuck der Wiesen, Honig, Rahm, Milch, gutes Oel, Kurunnu-Wein, Wein von den Gebirgen Izalla, Trimmu, Simmini, Hilbuni, Aranabani, Suhi, Bitkubati, Bitati spendete ich wie Flußwasser ohne Zahl auf den Tisch Marduks und der Zirbanit.“

Wie im ganzen Morgenland wurde der Wein auch in Babylonien und Assyrien aufbewahrt. Daher heißt es einmal: 4 nakrimanu ana kirinu silkata u sikari d. i. vier Lederschläuche zum Einfassen von Rüben (?) und Wein. Davon spendete der fromme König seiner Priesterschar mit vollen Händen, daß sie wie der reiche Mann im Evangelium herrlich und in Freuden leben konnten, und namentlich der Keller gut gefüllt war.

Auch Nabuaplaiddin, König von Babylon, opferte dem Samas fette Stiere, Schafe, Korn, Honig, Wein, Ysop und bestimmte, was den Priestern an Opferteilen und Gewändern zufallen sollte. Und wer solche Bestimmungen verändert oder aufhebt, der wird verflucht bei Samas, Ai und Bunene, den Herrn der Entscheidungen 2).

Das Hauptopfer, mit dem die Götter verehrt und ihr Zorn gestillt wurde, war und blieb, wie wir schon oben vernommen haben, das Schlachten von reinen Tieren, vorzüglich Haustieren; doch werden auch Gazellen als Opfertiere erwähnt. Weihrauch und Trankopfer fehlten nicht. Besonders große Opfer wurden dargebracht, wenn der Rat der Götter, demütig erbeten und von den Priestern in Orakeln kundgetan, glücklichen Erfolg gebracht hatte. Dann empfingen die Götter den ihnen gebührenden Dankeslohn nicht nur in Lob und Preis der Sieger mit zugehörigen reichen Opfern, sondern auch in Errichtung von Tempeln und Altären.

Es war aber das ganze Leben eines jeden Babyloniers oder Afsyrers ohne Unterschied des Alters, Geschlechts oder des Standes von der Geburt bis zum Grabe durch religiöse Sitte oder Gesetze also bestimmt, daß

1) K. B. III, b, 33.
2) K. B. III, S. 183.

diese beiden Völker nicht anders als durch Würdigung ihrer Religion und Religionsübung verstanden werden können. Jeder Tag des Jahres war einem oder mehreren Göttern geweiht; und an jedem Tag mußte, wie wir hörten, der König von Assyrien eigenhändig als Oberpriester das Opfer bringen.

Auch ist diesen Völkern das Gefühl für recht und unrecht durchaus nicht abzusprechen. Sie wissen, was gut und böse ist; aber die Weckung und Stärkung des sittlichen Gefühles und das wirkliche Halten der Gebote mußte in demselben Verhältnis abnehmen, wie sie sich von dem lebendigen Gott entfernten. Daher hört man noch aus einigen Sagen der Götter heraus, daß diese, wenn sonst auch ganz menschlich dargestellt, doch noch über Gottlose zürnen und Gericht halten, die Guten aber belohnen. Wie das gemeint ist, bleibt nicht im Dunkeln. Wer sich schwer verfehlt hat, wer etwa die Grabesruhe eines Toten gestört oder seinen Leichnam nicht beerdigt hat, der steht unter dem fluch, er wird von Tempel und Palast ausgeschlossen 1), kann also weder vor die Götter, noch vor den König ein Anliegen vorbringen.

Bisweilen scheint es, als sei das Sündenbewußtsein bei diesen Völkern ausgeprägter als bei andern Heiden gewesen, sodaß nicht nur Verfehlungen im Dienst der Götter, sondern auch innere Mängel und schlechte Handlungen gegen die Götter, den König und die Volksgenossen erkannt und gerügt wurden. Solchen Schein erwecken die Beschwörungstafeln 2) aus der sog. Surpu-serie. Surpu aber bedeutet Verbrennung. Da liest man:

„Hat er Vater und Sohn entzweit, hat er Mutter und Tochter entzweit, hat er Schwiegermutter und Schwiegertochter entzweit, hat er Bruder und Bruder entzweit, hat er freund und Freund entzweit; hat er einen Gefangenen nicht freigelassen, einen Gebundenen nicht gelöst; ist's Gewalttat gegen das Oberhaupt, Haß gegen den älteren Bruder; hat er Vater und Mutter verachtet; die ältere Schwester beleidigt, der jüngeren Schwester gegeben, der älteren verweigert; zu nein ja, zu ja nein gesagt; unlauteres gesprochen, frevelhaftes gesprochen; falsche Wage gebraucht, falches Geld (?) genommen, einen rechtmäßigen Sohn enterbt, einen unrechtmäßigen eingesetzt, falsche Grenze gezogen, Grenze, Werke und Gebiet verrückt? Hat er feines Nächsten (tappu) Haus betreten, seines Nächsten Weib sich genaht, seines Nächsten Blut vergoffen, seines Nächsten Kleid geraubt? Hat er einen Mann nicht aus seiner Gewalt gelassen, einen braven Mann aus seiner familie getrieben, eine wohlvereinte Sippe gesprengt, gegen einen Vorgesetzten sich erhoben? War er mit dem Herzen aufrichtig, mit dem Munde falsch? Mit dem Mund voller ja, mit dem Herzen voller nein? It's wegen Ungerechtigkeit, auf die er sann, um Gerechte zu vertreiben, zu vernichten, zu freveln, zu rauben, rauben zu lassen, mit bösen sich zu befaffen? Ist sein Mund unflätig, widerspenstig seine Lippen? Hat er unsauberes gelehrt, ungeziemendes unterwiesen? Hat er mit Zauberei und Hererei sich befaßt? Hat er mit Herz und Mund versprochen, aber nicht gehalten? Durch ein Geschenk (etwa ein fehlerhaftes Opfertier, wie heute etwa einige Namenchristen unwerte Münzen oder Rechenpfennige opfern) den Namen feines Gottes mißachtet? Etwas.

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geweiht, aber zurückbehalten; etwas geschenkt, aber es gegessen? Gelöst werde, wodurch er auch immer gebannt ist. Ob er solches, das für seine Stadt ein Greuel, gegeffen; ein Gerede über seine Stadt ausgesprengt, den Ruf seiner Stadt schlecht gemacht; ob er mit einem Gebannten Gemeinschaft gehabt, in seinem Bett geschlafen, auf seinem Stuhl gesessen, aus seinem Becher getrunken?"

Das ist ein Beichtspiegel, der denen der römischen Priester würdig zur Seite stehen kann. Kaspari 1) nennt ihn einen „Lasterkatalog" und macht die treffende Bemerkung, daß bei den Babyloniern und Assyrern das Verhältnis zwischen Göttern und Menschen als ein Rechtsverhältnis gedacht worden sei. Damit aber wird auf eine ethische Betrachtung der Sünde verzichtet.

Wenn die Beschwörung dazu dient, daß der Mensch Frieden erlange, so ist wohl ein Zusammenhang zwischen den sog. Bußpsalmen und den Beschwörungstafeln zu erkennen. Während diese Tafeln die nornierende Vorschrift für den handelnden Priester darstellen, so bestimmen jene Lieder die Rede des Sünders vor seinem Gott. Jene enthalten das Mittel, einen Gott zu versöhnen; die Klage sucht, fordert die Versöhnung. Die Schwierigkeit aber der Lage des sündigen Menschen bleibt immer dieselbe: Welchen Gott hat er beleidigt? Welche Sünde hat ihn in das Unglück gestürzt? Für beide Fragen ist in Babylonien und Affyrien der Mensch lediglich auf den Priester angewiesen, ja gänzlich in des Priesters Hand gegeben. Der Priester sucht und findet den Dä mon, der die Krankheit in den Leib gebracht hat, und gibt das Mittel an, ihn wieder zu verdrängen, alles auf gut Glück. Wollen Gebet und alle symbolische Handlungen, die wir noch kennen lernen werden, nicht helfen, so hat der Priester immer noch den Ausweg oder die Ausrede, die Ursache des Mißlingens in besonders schweren Vergehungen des Gebannten oder einem Ungehorsam des Sünders gegen die priesterlichen Vorschriften zu entdecken.

Doch enthält die Surpuserie, aus der vorhin eine Art Beichtzettel mitgeteilt wurde, auch mehrere treffende Verbote, wie diese: falsches Geld (?) oder Gewicht zu gebrauchen, des Nächsten Weib zu beleidigen, Pflanzen aus dem Feld auszureißen, des Nächsten Kanal zu verstopfen oder zu beschmutzen. Aber schon diese Zusammenstellung von ethischen Geboten mit Polizeibestimmungen zeigt deutlich, daß die Sittlichkeit des Babyloniers oder Assyriers ihre besondre Art hat. Es kommt aber diese Zusammenstellung häufig vor; denn es ruhet der Bann (mamitu) auf einem Menschen, der jemandem durch Bestechung zu seinem Recht verholfen hat, der Pflanzen aus einem feld ausgeriffen, Rohr im Dickicht abgeschnitten hat; der für einen Tag um eine Rinne gebeten wurde und die Bitte abgeschlagen hat; der für einen Tag um einen Wasserbehälter gebeten wurde und es abgeschlagen hat; der des Nächsten Kanal verstopft hat, statt den Gegnern oder Anliegern zu willfahrn und ihnen

1) U. a. O. S. 25.

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