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Friedrich Schleiermacher's

sämmtliche Werke.

Erste Abtheilung.

Zur Theologie.

Zweiter Band.

Berlin,

bei G. Reimer.

1836.

Phil3805.10

1895 44-38 28.7

HARVARD

COLLEGE
LIBRARY

An Herrn Dr. De Wette.

Hoffentlich werden Sie mein theurer Mitarbeiter und ▾

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Amtsgenosse es mir nicht verargen, daß ich Ihnen dieses Büchlein zuschreibe, ohne Sie deshalb um Erlaubniß gefragt zu haben. Theils ist ja doch die Ueberraschung etwas in solchen Kleinigkeiten, theils wollte ich Ihnen nicht schon einmal vorher sagen und dann jezt wieder, daß es mich dränge eine öffentliche Bezeigung der innigen Achtung, von der ich gegen Sie erfüllt bin, hinzustellen, einer Achtung die nicht nur Ihre gründliche und ausgesuchte Gelehrsamkeit zum Gegenstande hat oder Ihren musterhaften Eifer als Lehrer, sondern vornehmlich Ihren reinen herrlichen Wahrheitssinn und Ihren ernsten und strengen theologischen Charakter, eis ner Achtung welche weit entfernt ist den mindesten Abbruch zu leiden durch die wol von uns beiden selbst eben so gut als von andern anerkannte Verschiedenheit unserer Ansichten, auch über die wichtigsten Gegens ftånde unserer Wissenschaft und unseres Berufs. Wer

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in dieser Erklärung eine fträfliche Gleichgültigkeit, einen verwerflichen Indifferentismus sicht, dem will ich seinen Eifer nicht beneiden. Es giebt eine allgemeine Wahrheit an der alle Menschen ihr Theil haben, weil Gott kein Vater der Lügen ist, und an der auch keiner dem andern seinen Antheil abspricht ohne ihn zugleich des Wahnsinns zu zeihen. Es giebt eine andere Wahrheit, welche alle mehr in die Tiefen des Bewußtseins eingetauchte Menschen haben, und auch so lange sie sich in dieser Tiefe befinden gar wohl einsehen daß sie in allen unfehlbar dieselbe ist; nur wenn sie aus der Tiefe wieder auftauchen, täuschen sie sich gar leicht, und meinen, ein anderer habe wol statt der Wahrheit den ents gegengesezten Irrthum. Und so giebt es noch eine bes sondere Wahrheit, welche. alle diejenigen bedürfen, die vu in die Welt des Christenthums eingewachsen sind, oder es kann ihnen in derselben nicht wohl sein. Und von dieser haben wir auch alle, eben so gewiß als Gott kein misgünstiger Schöpfer der Unglükkseligkeit sein kann, unser Theil, und keiner sollte das dem andern abspres chen, wenn er ihn nicht eben so des Wahnsinns wegen anklagen will oder bedauern. Wenn nun doch fast keiner sie wieder erkennt in der Art und Einkleidung des andern, wenn fast jeder von vielen glaubt, sie stånden ihr feindlich entgegen: woher kommt dàs, als weil er entweder selbst diese Wahrheit noch nicht entkleidet ge= Aug angeschaut hat, oder weil er nicht so in Liebe zu den andern entbrennt, daß es ihn drängt sie sich ganz zu entkleiden. Wenn mir nun dieses menschliche mit jemanden begegnet, und mir, weil seine Art und Ein

kleidung bestimmt und streng der einen Seite des Jrrthums entgegensteht, dann vorkommt, er möge wol dievm Seite der Wahrheit, der jener Irrthum am nächsten liegt und am ähnlichsten sieht, gar nicht sehen und has ben: so scháme ich mich dessen, und entkleide mir ihn. Und finde ich dann gründliche Forschung, ernsten Wahrheitssinn, reines sittliches Gefühl: so tröste ich mich, und denke, gesezt auch er sieht jezt diese Seite der Wahrheit nicht, was wird er auch für sie thun und wie sie vertheidigen, wenn das Blatt sich wendet, er auf diese seine Aufmerksamkeit richtet, und ihm die Nothwendigkeit klar wird gegen den entgegengesezten Jrrthum aufzutreten! Das ist mein Glaube, und zwar grade mein chriftlicher Glaube, daß ich fest überzeugt bin, ein reines und ernstes Bestreben vornehmlich über die heiligen Gegenstände des Glaubens sich verbreitend müsse mit dem glükklichsten Erfolg gekrönt werden; und das ist meine chriftliche Liebe, daß ich in jedem, den ich zu achten gedrungen bin, auch das Gute und Schöne aufsuche und wirklich sehe, was sich in diesem Augenblikke auch nicht äußert und sich vielleicht noch nicht ganz entwikkelt hat. Wer aber einen andern Glauben hat und eine andere Liebe, dem will ich sie nicht bes neiden. Doch verzeihen Sie mir diesen Erguß, der mehr für andere ist als für Sie.

Nächstdem nun, daß Sie diese Zueignung selbst günstig aufnehmen mögen, wünsche ich freilich auch, daß, was ich Ihnen zueigne, Ihnen nicht ganz gleichgültig sein möge. Und schon in dieser Hinsicht wäre es wol klüger gewesen, ich hätte Ihnen das Büchlein

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