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nicht von irgend Jemandem, der über den Geschlechtern steht, bestraft. Wie ist es nun gekommen, dass solche Thaten Unrecht, Objekt des tadelnden Bewusstseins wurden? Wie ist das Gemeindegewissen entstanden? An seiner Entstehung hat die Einsetzung der staatlichen Strafe Antheil. Sie ist ein gewissenbildendes Element von hoher Wichtigkeit. Mit ihrer Entstehungsgeschichte haben wir uns demnach zu beschäftigen.

Zunächst also existirt die Strafe nicht; sondern blos Rache des Verletzten oder seines Geschlechts. Bei den Karaiben, zum Beispiel, verschafft sich der Beschädigte selbst von seinem Gegner die Genugthuung, welche ihm die Leidenschaft eingiebt oder zu der ihn seine Kraft berechtigt. Von einer Behörde oder dem Häuptling wird keine Gerechtigkeitspflege ausgeübt (Du Tertre, hist. of the Caribby Isl. p. 316, cit. b. Lubbock).

Die Gemeinde als Gesammtheit, sagt Martius von den Ureinwohnern Brasiliens, hält ihre Rechte nicht für beeinträchtigt, wenn es zum Streite zweier Mitglieder gekommen ist oder wenn Feindschaft mit Mord endigt. In einem solchen Falle wird keine Strafe verhängt, sondern Rache an dem Thäter genommen. Aber dies ist lediglich Sache der betheiligten Familie (Rechtszust. d. Ureinw. Bras. p. 73). Tödtet ein

treten fast nie hervor (hist. of Greece II, p. 107). An einer anderen Stelle bezeichnet Grote als das charakteristische Merkmal des Homerischen Zeitalters die Omnipotenz der Persönlichkeit, welcher eigentlich nur Familiensympathien Beschränkung auferlegten (II, p. 123). Reinh. Schmid sagt von den Angelsachsen: Die Familienbürgschaft sicherte nur den Familiengliedern Frieden; jeden zu einer anderen Geschlechtsgenossenschaft Gehörigen betrachtete sie als rechtslos (Angels. Recht, in Hermes XXXII. p. 234).

Adliger einen Adligen im Lande der Marea, so wird ihn seine Familie nach Zeit und Gelegenheit rächen. Der Shum mischt sich nicht in die Sache; von Blutgericht ist keine Rede (Munzinger, Ostafr. Stud. p. 242).

Ist ein Todtschlag begangen worden, sagt Ass all von den nordamerikanischen Stämmen, so hat die Familie des Erschlagenen allein das Recht der Vergeltung und der Rache. Die Häuptlinge haben nichts in dieser Sache zu sprechen (Nachr. üb. d. früh. Bewohner von Nord-Amer. p. 91). Dasselbe wird von den Grönländern berichtet (s. Post, Anf. d. Staats- u. Rechtsleb. p. 174). Vor der türkischen Herrschaft, sagt Brehm von den Sudanesen, kam Todtschlag und Mord alle Tage vor. Ihre Könige bekümmern sich wenig oder nicht um die Privatfehden ihrer Unterthanen (NordOstafr. I, 162).

Ebenso Macieiowsky in seiner slavischen Rechtsgeschichte: In der vormonarchischen Zeit wurde jede Verletzung durch Blutrache gebüsst. Die Gerichte mischen sich nicht in solche Streitigkeiten (I. p. 125). Den christlichen Geistlichen sagt Evers, die von Constantinopel zu den Russen kamen, war es auffallend, dass die Herrscher sich gar nicht der Bestrafung verübter Mordthaten annahmen. Waren Bluträcher vorhanden, so vollzogen diese die Blutrache (Aeltestes Recht d. Russen p. 213).

Was der Mörder im Zeitalter Homers zu fürchten hatte, bemerkt Grote, war nicht öffentliche Verfolgung und Bestrafung, sondern persönliche Rache der Freunde und Verwandten des Getödteten. Wer sich nicht selbst schützen kann, findet keinen Schutz bei der Gesellschaft. Seine Verwandten und Gefährten sind die einzigen Personen, auf deren Beistand

er zählen darf (hist. of Greece II, p. 123). Grote spricht dann von der praktischen Nullität jenes Kollektivsouverains, welcher, später Staat genannt, im historischen Griechenland die centrale und höchste Quelle der Verpflichtung wurde, im Homerischen Griechenland aber noch im Hintergrund steht, ein Keim, von welchem erst für die Zukunft etwas zu erwarten ist.1

Allgemein sagt Morgan: In der civilisirten Gesellschaft übernimmt der Staat die Protektion der Personen und des Eigenthums. Da man gewohnt ist, ihn als Beschützer der persönlichen Rechte anzusehen, so hat eine entsprechende Lockerung der Familienbande stattgefunden. Aber auf gentiler Gesellschaftsstufe wurzelt die Sicherheit des Individuums in seiner Gens. Dieselbe nimmt den Platz ein, welchen nachher der Staat innehat (Anc. soc. p. 76).

Diese Rache des Verletzten oder seiner Gens ist den Rechtshistorikern eine Art Strafe, eine grobe Manifestation. des Rechts, eine Aeusserung des Gerechtigkeitsgefühls. Privatrache, meint Abegg, ist die ursprünglich roheste Gestalt der Gerechtigkeit. Sie ist eine Hauptform der Strafe, ein natürliches Strafrecht (Unters. aus d. Geb. d. Strafr. p. 123, 256). Bei den alten Preussen, sagt Voigt, wurde Mord mit Blutrache bestraft (Gesch. Preuss. I, p. 520). Ebenso Du Boys: Blutrache, diese primitive und grobe Manifestation des Rechts (hist. du droit crim. des peuples mod. I pr.). Und Wilda: Rache, die erste und roheste Offenbarung des Rechtsgefühls (Strafr. d. Germ. p. 149). Giesebrecht sagt von den

* S. auch Wachsmuth, Hell. Alterth. II, p. 21: Die öffentliche Rechtspflege kümmerte nicht, was unter den einzelnen Mitgliedern des Staates vorfiel.

Wenden: Das Recht waltete, aber in Gestalt der Rache (Wend. Gesch. I, p. 53). Aehnlich Köstlin: Die unmittelbare Reaktion des Beleidigten gegen den Beleidiger ist die erste und unmittelbarste Evolution des Strafrechts (Mord und Todtschl. p. 24).

Diese Auffassung ist wichtig. War jene Rache Strafe, Aeusserung des Gerechtigkeitsgefühls, dann müssen die Gewaltthätigkeiten, gegen welche so reagirt wurde, als Unrecht, als ein Objekt des tadelnden Gewissens empfunden worden sein. Denn offenbar kann das Gerechtigkeitsgefühl eines Menschen nur laut werden, wenn er meint, ihm sei Unrecht geschehen. Demnach bedeutet die Auffassung jener Rache als Strafe, dass damals bereits ein Gemeindegewissen vorhanden war; dass, wie gesagt, die Beraubungen, Tödtungen der Geschlechter unter einander schon für Unrecht gehalten wurden.

Die Rechtshistoriker sagen dies ausdrücklich. Selbsthülfe und Rache, meint Ihering, sind die Reaktion gegen zugefügtes Unrecht (Geist d. röm. Rechts I, p. 118). Rache ist die „Aufhebung" des Unrechts nach Abegg (Unters. p. 124), Rein (Krim. d. Röm. p. 24), Jarcke (Deuts. Strafr. p. 21).5 Ist dem so? Uns wird doch einstimmig berichtet, dass Gewaltthätigkeiten, welche zwischen den Geschlechtern vorfielen keineseben diejenigen, welche Rache erzeugten wegs als Unrecht angesehen wurden. Aber wie verhält es sich mit der Rache? Beweist sie nicht durch ihre Existenz (durch den Umstand also, dass Räuber, Mörder wieder beraubt, wieder erschlagen wurden), dass Raub und Mord doch für

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5 Auch Kant definirt die Rache als Hass aus dem erlittenen Unrecht (Anthrop. p. 188 Kirchm.).

Unrecht galten? Worin besteht das Wesen der Rache? Liegt ihre Quelle im Felde des Moralischen oder ausserhalb desselben?

Diese Fragen erheischen eingehende Beantwortung: denn Verständniss und Geschichte der Strafe setzen Verständniss der Rache voraus.

§ 14.

Rachsucht und Gerechtigkeitsgefühl.

Der Verletzer hat an seinem Opfer ein plus von Macht oder Kraft bewiesen. Den Verletzten wurmt das ihm aufgezwungene Gefühl der Inferiorität. Er will nicht weniger, sondern ebensoviel oder mehr sein, als der andere. Es ist ein Hang der menschlichen Natur, von Seinesgleichen sich nicht ducken, nicht unterjochen zu lassen, eher andere unterjochen zu wollen, auch wenn kein Nutzen mit solchem Machtbeweise verknüpft ist.

Aeusserungen dieses Triebes sind, neben der Rachsucht, Ehrgeiz, Herrschsucht, Ruhmbegierde und Arten des Neides, des Hasses, der Schadenfreude.

Neid, zum Beispiel, geht nicht immer auf dasjenige, was ein Anderer mehr hat, sondern ebenso oft darauf, dass er mehr hat, mehr ist, als wir. Dieser Neid verwandelt sich in Schadenfreude, wenn der Andere sein beneidetes Gut verliert: nun ist er nicht mehr, ist wohl gar weniger, als wir. Manchmal sucht man, um sich diese Schadenfreude zu bereiten, das beneidete Gut zu vernichten, wenn auch der eigene Nutzen nichts dadurch gewinnt.

Die Schadenfreude, welche in dem Vergnügen besteht mehr zu sein, als Andere, tritt sogar nicht blos bei dem Un

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