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verantwortlichkeit (Bog. p. 80). Ebenso Nägelsbach vom homerischen Zeitalter: die Blutrache wurde für unvorsätzlichen wie für vorsätzlichen Mord geübt (Hom. Theol. p. 291). Allerdings haben rein zufällige Verletzungen wohl kaum eine ebenso starke Empfindung der Rache erzeugt, wie absichtliche. Aber das (seinem Ursprung nach später zu erklärende) Urtheil, es sei rühmlich, ausnahmslos jede Verletzung am Thäter und den Seinigen zu rächen, half, wenn die Empfindung der Rache schwach war, doch Handlungen der Rache hervorbringen.

Wie verderblich es ist, seine eigenen Vorstellungen und Ausdrücke anders denkenden Zeitaltern aufzudrängen, zeigt sich bei keinem Punkte unseres Gegenstandes so sichtbar, wie bei diesem. Köstlin sagt: Es werden (in jenem Zeitalter) manche Handlungen Strafe nach sich ziehen, die subjektiv gar keine Verbrechen sind (Mord und Todtschlag p. 23). Aehnlich Ihering: der Geist des ältern Rechts ist der Geist der Rache für jedes widerfahrene Unrecht, nicht blos für das absichtliche, für das verschuldete, sondern auch für das unverschuldete, unabsichtliche Unrecht (Geist d. röm. R. I, p. 126). Heisst das nicht, sehenden Auges in den Irrthum rennen? Ist eine Handlung subjektiv kein Verbrechen, so ist sie überhaupt kein Verbrechen. Weder unser Bewusstsein, noch dasjenige unkultivirter Völker hält sie dafür. Dann aber sollte sie auch nicht Verbrechen genannt werden. Desgleichen ist unverschuldetes Unrecht kein Unrecht. Wendet man nun trotzdem solche Wörter auf Handlungen des unkultivirten Zeitalters eben auf die zufälligen Verletzungen dort an, so sind damit auch die Begriffe Verbrechen, Unrecht, Strafe dort eingeschmuggelt. Die Folge ist einerseits, dass man ein falsches Bild von den unkultivirten Völkern bekommt, andererseits, dass

man der Entstehungsgeschichte der Begriffe Unrecht, Verbrechen überhoben zu sein glaubt: sie finden sich ja schon im primitiven Menschen! So wird mit den Wörtern Unrecht, Verbrechen zwischen unserm Zeitalter und jenem eine Brücke geschlagen, auf welcher sich folgenschwere sachliche Irrthümer einschleichen.

Wie falsche Linien diese Ausdrucksweise in das Bild jener Kulturstufe zeichnet, wie verkehrt und zugleich oberflächlich durch sie die Bildungsgeschichte der Begriffe Strafe, Recht, Schuld wird, dokumentirt noch die folgende Stelle: Endlich, sagt Berner, muss sich aus dem Prozess der Rache das Gefühl der Schuld entwickeln. Steckt in der Rache, wenngleich durch Leidenschaft verdunkelt, das Recht, so kann sich dies den Kämpfenden nicht ewig verbergen. Die Nebel der Leidenschaft sinken; Recht und Schuld leuchten unverhüllt. (Deutsches Strafr. § 39).

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Also: 1) Jeder Racheakt ruft seinerseits wieder Rache hervor. Daher die Unaufhörlichkeit der von Generation zu Generation forterbenden Rachekriege (Länge der Rache).

2) Die Rache wird zu einem Krieg zwischen der Sippe des Erschlagenen und derjenigen des Todtschlägers. Die ganze Blutsverwandtschaft des einen nimmt Rache. Die ganze Blutsverwandtschaft des andern wehrt die Rache ab (Breite der Rache).

3) Die Rache unterscheidet nicht zwischen absichtlich und absichtslos.

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der Rache, diese ihrer Herrschaft über das Zeitalter usurpatorisch beraubend. Daher ist der Entstehungsgeschichte der Strafe die Vergehungsgeschichte der Rache theils vorhergegangen, theils sind beide Prozesse neben einander verlaufen.

Das Absterben der Rache beginnt mit ihrer Beilegung durch Geld. Diese tritt ein, sobald die Neigung zur Rache und das Bewusstsein ihrer Löblichkeit von stärkeren Motiven verdrängt werden, zum Beispiel von der Habsucht des Geschädigten: er zieht es vor, statt Rache Geld zu nehmen, und der Verletzer ist geneigt, die Rache durch eine Geldzahlung von sich abzuwenden. Vielleicht auch hat der Beschädigte die Verletzer in seiner Gewalt und zwingt dieselben, falls sie nicht blutige Rache erfahren wollen, mit Gold, Vieh, Waffen, Wein die Rache abzukaufen. Beispiele dieser Art erzählt die Edda: Als Suttung, Gillings Brudersohn dies erfuhr (nämlich, dass zwei Zwerge Gilling und sein Weib ermordet hatten), ergriff er die Zwerge, führte sie auf die See und setzte sie da auf eine Meerklippe. Da baten sie Suttungen, ihr Leben zu schonen und boten ihm den köstlichsten Meth (Jüng. Edda 57). Es wird erzählt, dass drei der Asen ausfuhren, die Welt kennen zu lernen, Odin, Loki und Hönir. Sie kamen zu einem Fluss und gingen an ihm entlang, bis zu einem Wasserfall, und bei dem Wasserfall war eine Otter, die hatte einen Lachs darin gefangen und ass blinzelnd. Da hob Loki einen Stein auf und warf nach der Otter und traf sie am Kopf. Da rühmte Loki seine Jagd, dass er mit einem Wurf Otter und Lachs erlangt habe. Darauf nahmen sie die Otter und den Lachs mit sich. Sie kamen zu einem

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Gehöfte und traten hinein, und der Bauer, der es bewohnte, hiess Hreidmar und war ein gewaltiger Mann und sehr zauberkundig. Da baten die Asen um Nachtherberge und zeigten dem Bauern ihre Beute. Als aber Hreidmar die Otter sah, rief er seine Söhne Fafnir und Regin und sagte, ihr Bruder Otr wäre erschlagen und auch wer es gethan hätte. Da ging der Vater mit den Söhnen auf die Asen los, griff und band sie und sagte, die Otter wäre Hreidmar's Sohn gewesen. Die Asen boten Lösegeld, soviel als Hreidmar selbst verlangen würde, und ward das zwischen ihnen vertragen und mit Eiden bekräftigt. Da ward die Otter abgezogen und Hreidmar nahm den Balg und sagte, sie sollten den Balg mit rothem Golde füllen und ebenso von aussen hüllen und damit sollten sie Frieden kaufen (J. Edda 62).

Ein solcher Friedenskauf, die Beilegung der Rache durch Geld, welche anfangs selten, allmählich jedoch häufiger und schliesslich fast immer an die Stelle der Rache trat, wird auch von den Bewohnern Wahabis berichtet. Um das Blut eines erschlagenen Verwandten zu rächen, sagt Burkhardt, gelten alle Mittel für gesetzlich. In den meisten Fällen wird indessen der Preis des Blutes angenommen (Wahabi p. 123). Auch in Akkra wird Mord gewöhnlich mit Geld gesühnt. Man hat sich darüber mit dem Verwandten des Erschlagenen zu vereinigen, welcher die Pflicht der Blutrache hat (Waitz, Anthr. II, p. 143). Bei den Indianern entrichtete der Mörder 100 Klafter Wampon als Abkaufsgeld der Rache (Loskiel, Mission bei den Ind. p. 21).

b. Häufig entflieht der Mörder, wenn er sich vor der Rache fürchtet und deren Abkaufsgeld nicht aufzubringen vermag. Es war, sagt Evers von den alten Russen, in jener Zeit gewöhnlich und ist es noch heute in Ländern, wo Privatrache

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herrscht, dass sich der Mörder gleich nach geschehener That auf die Flucht begiebt, um der Rache der Verwandten zu entgehen (Aelt. Recht d. Russ. p. 139). Diese Sitte herrscht noch bei den Morlacken. Ein Morlacke, sagt Abbé Fortis, welcher einen andern von mächtiger Familie (von einer Familie also, deren Rache er nicht begegnen und deren hohe Forderungen er nicht befriedigen kann) getödtet hat, ist meistentheils gezwungen, sich durch Flucht zu retten und mehrere Jahre verborgen zu halten. Wenn er während dieser Zeit so glücklich ist, der Nachforschung seiner Verfolger zu entgehen und eine Summe Geldes zusammen zu bringen, so bemüht er sich, Frieden zu erlangen (Reise in Dalmatien). Kann ein Indianer, sagt Loskiel, das Abkaufsgeld der Rache nicht aufbringen und können oder wollen seine Freunde ihm nicht dazu behülflich sein, so muss er sich der Verfolgung des Bluträchers durch die Flucht entziehen (Miss. b. d. Ind. p. 21). Die Rache fürchtend, sagt Nägelsbach vom homerischen Zeitalter, geht der Mörder gewöhnlich in die Verbannung. Nur die no, wenn die Familie des Getödteten sie annimmt, sichert ihm den Aufenthalt im Vaterlande (Hom. Theol. p. 292). Aehnlich Kolderup-Rosenvinge von den Dänen: Der Rache zu entgehen, musste der Beleidiger und zum Theil seine Verwandten Busse entrichten. Kam es nicht zum Vergleich, so konnte der Beleidiger sich nur durch die Flucht einer blutigen Rache entziehen (Dän. Rechtsg. § 24). Und Pardessus von den Germanen: Wenn der Beleidigte nicht fähig war, der Rache zu stehen, so blieb ihm kein anderer Ausweg, als eine Art temporären Exils, bis seine gemeinsamen Freunde den Zorn des Verletzten besänftigt und ihn zur

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