ans Licht gezogen, welche der Urheber selbst, wäre er darum befragt, lieber der Vergessenheit übergeben hätte. Mar- heineke selbst hielt diese Vorlesungen allerdings für wür- dig, öffentlich bekannt gemacht zu werden; er starb aber mitten in der Umgestaltung und Vervollkommnung der- selben, und würde sie bei längerem Leben gewiß noch zu- rückgehalten und einer höheren Vollendung entgegengeführt haben. Wäre es ihm vergönnt gewesen, sie dem Drucke selbst zu übergeben, was er freilich schwerlich beabsichtigte, so würde er wenigstens an die Form nochmals die Feile angelegt haben. Jedenfalls erhält jedoch das theologische Publicum in diesen Vorlesungen eine sehr werthvolle Er- gänzung der früher durch den Verfasser selbst veröffent- lichten Werke; Marheineke nimmt in der Geschichte der neuern Theologie einen bedeutenden, ehrenvollen Plaß ein, und daß derselbe auch in weiteren Kreisen immer richtiger gewürdigt werde, dazu werden diese Vorlesungen gewiß nicht wenig beitragen. Es bedarf wohl kaum der Ver- sicherung, daß unter den genannten Vorlesungen auch die- jenigen, welche mit mehreren von Marheineke selbst her- ausgegebenen Werken den Gegenstand gemein haben, ein wesentlich ergänzendes, in Inhalt und Form selbständiges und freies Gepräge an sich tragen, da sonst der Verfasser ihren Druck nicht genehmigt haben würde.
Da nun bald nach Marheineke's Tode von mehreren Seiten der lebhafte Wunsch laut wurde, daß die von ihm hinterlassenen literarischen Schäße herausgegeben werden möchten, so konnte die Familie mit gutem Rechte diesem Wunsch bereitwillig entgegenkommen, und es wurde sofort der Druck obiger Vorlesungen in der angegebenen Reihen- folge beschlossen. Herr Commerzienrath Duncker, der viel- jährige Freund des Verstorbenen, übernahm den Verlag und versprach, das Werk auch äußerlich würdig auszustat- ten, ein Versprechen, dessen Erfüllung dieser erste, jest erscheinende Band den Lesern selbst beweisen kann.
Von den beiden Herausgebern, denen dieses Geschäft von der Familie übertragen wurde, ehemaligen Schülern und späteren Freunden Marheineke's, war der erstgenannte, als Neffe des Verstorbenen, zunächst verpflichtet und be- rechtigt, die hinterlassenen Papiere durchzusehen, zu ordnen und druckfertig zu machen; wegen seiner Entfernung vom
Druckorte jedoch und um den Druck des Ganzen durch die Redaction der einzelnen Hefte nicht zu hemmen, schien es zweckmäßig, daß sich ihm noch der zweitgenannte in Ber- lin wohnhafte Herausgeber anschloß, um den Druck zu über- wachen und, wo es nöthig schien, die Arbeit der Redaction zu theilen.
Das Verfahren der Herausgeber war, im Verhältniß zu ähnlichen Redactionen nachgelassener Papiere, sehr er- leichtert durch die Art und Weise, wie Marheineke bei seinen Vorträgen zu verfahren pflegte. Er hielt nämlich im strengsten Sinne des Worts Vorlesungen, keine frei gesprochenen Vorträge; auch gab er nicht frei gesprochene Erläuterungen des schriftlich Abgefaßten; sondern Alles, selbst nachträgliche und gelegentliche Bemerkungen, wurde von ihm immer sorgsam aufgezeichnet und dem schriftli- chen Zusammenhange des Ganzen eingefügt. Die einzel- nen Manuscripte sind daher im Ganzen mit großer Sorg- falt ausgearbeitet, namentlich die Vorlesungen über die theologische Moral und über die Dogmatik bis in die neue- ften Phasen ihrer wissenschaftlichen Ausbildung hinein; al- lein bei allen ist's an der verschiedenartigen Beschaffenheit der einzelnen Blätter und der Handschrift, wie auch an den oft nicht stimmenden Seitenzahlen, deutlich zu sehen, daß sie nach ihrer gegenwärtigen Form, im frischesten In- teresse der Fortbildung, aus mehreren Vorlesungen her- vorgegangen sind. Ueberdieß sind auch noch in dieser leg- ten Form der Ausarbeitung, wie sich füglich nicht anders erwarten ließ, oft Veränderungen, Tilgungen, Zusäße an- gebracht, bald mehr bald weniger im Einklange des Gan- zen, und es bedurfte deshalb, um bei der Herausgabe möglichst sicher zu gehen, der Vergleichung treu nachge- schriebener Hefte, durch welche denn auch hin und wieder dem Zusammenhange und leichteren Verständnisse nachge- holfen ist. Indeß die nachfolgende Moral, deren Ausar- beitung sich Marheineke in einer langen Reihe von Jahren bis kurz vor seinem Tode mit besonderer Vorliebe ange- legen seyn ließ, ist von ihm selbst so gut wie druckfertig gemacht worden. Die Herausgeber sind auf diese Weise im Stande gewesen, Marheineke's Werk nach Inhalt und Form ohne fremde Zuthat dem Publicum zu übergeben, und haben dieß mit gewissenhafter Treue gethan, auch in
solchen Fällen, wo Inhalt oder Form ihren eigenen An- sichten weniger entsprach und die Versuchung zu einigen Aenderungen nahe lag. Indem wir durch dieses unbe- fangene und rein objective Verfahren dem Publicum ge- genüber bei der Sache ganz in den Hintergrund treten, enthalten wir uns auch billig jedes Urtheils über die durch uns redigirten Vorlesungen, und haben dieselben hier nur in so fern zu vertreten, als es sich um die Authentie und Integrität des Gegebenen handelt.
Der ganze zum Druck bestimmte Nachlaß wird nach unserer Rechnung fünf Bände, aber von ungleicher Stärke, füllen, jeden Band eine Vorlesung. Da der Druck ohne Verzug fortgesezt wird, so kann das Ganze spätestens bis zur Ostermesse 1848 vollendet seyn. Jedoch bildet jede einzelne Vorlesung ein Ganzes für sich; deshalb ist dem allgemeinen Titel noch ein besonderer für die einzelnen Bände beigefügt, und die Verlagshandlung wird jede Vorlesung auch einzeln ablassen, ohne daß sich der Käufer verpflich tete, das Ganze zu nehmen.
Daß wir diesem ersten Bande des Nachlasses einen kurzen Abriß des Lebensganges Marheineke's vorangeschickt haben, wird hoffentlich den Beifall der Leser finden. Der- selbe gründet sich auf Notizen, welche der Verstorbene selbst gelegentlich seiner Familie gegeben hatte, und erschien zu- erst in der Form eines Nekrologs (Berliner Vossische Zei- tung 10. und 11. Juli 1846.) durch den zweiten Her- ausgeber, ist hier aber im Einzelnen berichtigt und erwei- tert wieder abgedruckt.
Mögen denn diese Werke, wie sie in engeren Kreisen durch den mündlichen Vortrag ihres Urhebers bereits eine Reihe von Jahren Erleuchtung und kirchlichen Sinn er- weckt und befördert haben, so auch in weiteren Kreisen fegensreich wirken, und in dieser vielbewegten Zeit recht Vielen Veranlassung zur tieferen Ergründung der Heils- wahrheiten geben!
Greifswalde und Berlin, d. 2. Januar 1847.
Stephan Matthies. Wilhelm Vatke.
Philipp Conrad Marheineke wurde geboren zu
Hildesheim den 1. Mai 1780. Sein Vater, ein sehr verständiger, biederer Mann, war Senator und Post-Commissair, mit welchen Aemtern sich zugleich die Gerechtsame einer Brauerei und andererseits die Posthalterei und die Bewirthung der Passagiere verband. Seine Mutter, geborne Haburg, war eine intelligente, grundfromme Frau, deren lebhaftes, mitunter ängstlich sorgsames Wesen an dem einfachen, geraden, practischen Sinne des Gatten die heilsamste Ergänzung fand. Beider Eltern Natur, der Mutter Geist und des Vaters Character, ist, wie es scheint, vollkommen ausgeglichen auf den Sohn übergegangen. Nach dem frühen Tode ihres Gatten stand Marheineke's Mutter noch längere Zeit der Gastwirthschaft im Posthause zu Hildesheim vor. Hier lernte sie ein berühmter Zeitgenosse, der Kanzler Niemeyer, auf einer Reise im Jahre 1806 kennen; denn sie ist die glückliche Mutter im Posthause zu Hildesheim, deren Bild er so schön entwarf (Beobachtungen auf Reisen, III, 17.). „Kaum hörte die gefällige Hausfrau, indem sie für unsere kleinen Bedürfnisse sorgte, daß ich ein akademischer Lehrer sey, als sie ihr Glück mit einer rührenden Beredtsamkeit pries,
auch einen Professor zum Sohn zu haben. Ich sehe und höre sie noch, wie sie emsig herbeiholte, was er schon geschrieben, besonders eine Rede von der sie mir auch rühmend, die er gehalten, bei der kein Auge trocken geblieben wäre, und was er alles noch leisten werde, und wie gut er sey." Ich bin ungewiß, ob sie selbst noch Zeugin der Würden und Ehren gewesen ist, welche dieser hochgeliebte Sohn sich in der Folge auf drei hohen Schulen erworben hat." So schrieb Niemeyer im Jahre 1823; Marheineke's Mutter hatte die Freude gehabt, dieß Alles zu erleben, denn sie starb erst 1824, und Marheineke war ein dankbarer Sohn, welcher in Ehrfurcht und Liebe der gescheuten Mutter oft gedachte und sie während der unglücklichen Kriegsjahre, wie die noch erhaltenen Briefe Marheineke's bezeugen, durch Rath und That aufzurichten wußte.
Bis zum Jahre 1798 besuchte Marheineke die Schule zu Hildesheim und zeigte schon früh entschiedene Neigung zum Berufe des Predigers; ihm war es als Knaben am liebsten, wenn er mit anderen Kindern Kirche spielen und dabei als Prediger figuriren konnte; auch auf dem Gymnasium zu Hildesheim zeichnete er sich, wie durch anhaltenden Fleiß und leichte Auffassung, so durch freies Nachdenken und guten Vortrag aus. Kurz vor dem Abgange vom Gymnasium hielt er bei seinem Oheim Marheineke, welcher Prediger zu Immesen in der Nachbarschaft war, die erste Predigt am heiligen Christabend. Hierauf bezog er die Universität Göttingen (1798-1802), das mals der Hauptsiz historischer Gelehrsamkeit, wo besonders der große Kirchenhistoriker Planck durch seine geistreichen Vorträge Marheineke fesselte und die Richtung seiner Studien auf diesen Zweig der theologischen Wissenschaft entschied. Außerdem schloß sich Marheineke besonders
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