ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Ich

II.

Der Eigner.

komme Ich zu Mir und dem Meinigen durch den Liberalismus ?

[ocr errors]

Wen sieht der Liberale für Seinesgleichen an? Den Menschen! Sei Du nur Mensch und das bist Du ja so nennt der Liberale Dich seinen Bruder. Er fragt nach deinen Privatmeinungen und Privatnarrheiten sehr wenig, wenn er nur den „Menschen“ in Dir erblicken kann.

Da er aber dessen wenig achtet, was Du privatim bist, ja bei strenger Befolgung seines Princips gar keinen Werth darauf legt, so sieht er in Dir nur das, was Du generatim bist. Mit anderen Worten: er sieht in Dir nicht Dich, sondern die Gattung, nicht Hans oder Kunz, sondern den Menschen, nicht den Wirklichen oder Einzigen, sondern dein Wesen oder deinen Begriff, nicht den Leibhaftigen, sondern den Geist.

Als Hans wärest Du nicht Seinesgleichen, weil er Kunz, also nicht Hans, ist; als Mensch bist Du dasselbe, was er ist. Und da Du als Hans für ihn, soweit er nämlich ein Liberaler und nicht unbewußter Weise Egoist ist, so gut als gar nicht existirst, so hat er sich die „Bruderliebe“ wahrlich sehr leicht gemacht: er liebt in Dir nicht den Hans, von welchem er nichts weiß und wissen will, sondern den Menschen.

In Dir und Mir nichts weiter zu sehen, als „Menschen“, das heißt die christliche Anschauungsweise, wonach einer für den andern nichts als ein Begriff (z. B. ein zur Seligkeit Berufener u. s. w.) ist, auf die Spize treiben.

Das eigentliche Christenthum sammelt Uns noch unter einem minder allgemeinen Begriffe: Wir sind da „Kinder Gottes" und „der Geist Gottes treibet Uns" *). Nicht Alle jedoch können sich rühmen Gottes Kinder zu sein, sondern „derselbige Geist, welcher Zeugniß giebt unserem Geiste, daß Wir Gottes Kinder sind, der offenbart auch, welche die Kinder des Teufels sind“ **). Mithin mußte ein Mensch, um Gottes Kind zu sein, nicht ein Kind des Teufels sein; die Kindschaft Gottes excludirte gewisse Menschen. Dagegen brauchen Wir, um Menschenkinder, d. h. Menschen zu sein, nichts als zu der Menschen gattung zu gehören, brauchen nur Exemplare derselben Gattung zu sein. Was Ich als dieses Ich bin, das geht Dich als guten Liberalen nichts an, sondern ist allein meine Privatsache; genug, daß Wir beide Kinder ein und derselben Mutter, nämlich der Menschengattung, sind: als „Menschenkind" bin Ich Deinesgleichen.

Was bin Ich Dir nun? Etwa dieses leibhaftige Ich, wie Ich gehe und stehe? Nichts weniger als das. Dieses leibhaftige Ich mit seinen Gedanken, Entschlüssen und Leidenschaften ist in deinen Augen eine „Privatsache“, welche Dich nichts angeht, ist eine Sache für sich“. Als eine „Sache für Dich“ existirt nur mein Begriff, mein Gattungsbegriff, nur der Mensch, der, wie er Hans heißt, eben so gut Peter oder Michel sein könnte. Du siehst in Mir nicht Mich, den Leibhaftigen, sondern ein Unwirkliches, den Spuk, d. h. einen Menschen.

"

Zu „Unsersgleichen“ erklärten Wir im Laufe der christlichen Jahrhunderte die Verschiedensten, aber jedesmal nach Maß desjenigen Geistes, den Wir von ihnen erwarteten, z. B. Jeden, bei dem der Geist der Erlösungsbedürftigkeit sich vorausseßen läßt, dann später Jeden, der den Geist der Rechtschaffenheit hat, endlich Jeden, der menschlichen Geist und ein menschlich Antlig zeigt. So variirte der Grundsaß der „Gleichheit“.

Indem man nun die Gleichheit als Gleichheit des mensch lichen Geistes auffaßt, hat man allerdings eine alle Menschen

*) Röm. 8, 14.

**) Vergl. mit Röm. 8, 16 Stirner, der Einzige.

1. Joh. 3, 10.

1241

einschließende Gleichheit entdeckt; denn wer könnte leugnen, daß Wir Menschen einen menschlichen, d. h. keinen andern Geist als einen menschlichen haben!

Aber sind Wir darum nun weiter als im Anfange des Christenthums? Damals sollten Wir einen göttlichen Geist haben, jezt einen menschlichen; erschöpfte Uns aber der göttliche nicht, wie sollte der menschliche ganz das ausdrücken, was Wir sind? Feuerbach z. B. meint, wenn er das Göttliche vermenschliche, so habe er die Wahrheit gefunden. Nein, hat uns der Gott gequält, so ist der Mensch“ im Stande, Uns noch marternder zu pressen. Daß Wir's kurz sagen: daß Wir Menschen sind, das ist das Geringste an Uns und hat nur Bedeutung, in so fern es eine unserer Eigenschaften, d. h. unser Eigenthum ist. Ich bin zwar unter anderm auch ein Mensch, wie Ich z. B. ein lebendiges Wesen, also animal oder Thier, oder ein Europäer, ein Berliner u. dergl. bin; aber wer Mich nur als Menschen oder als Berliner achten wollte, der zollte Mir eine Mir sehr gleichgültige Achtung. Und weshalb? Weil er nur eine meiner Eigenschaften achtete, nicht Mich.

Gerade so verhält sich's mit dem Geiste auch. Ein christlicher, ein rechtschaffener und ähnlicher Geist kann wohl meine erworbene Eigenschaft, d. h. mein Eigenthum, sein, Ich aber bin nicht dieser Geist: er ist mein, Ich nicht sein.

Wir haben daher im Liberalismus nur die Fortseßung der alten christlichen Geringachtung des Ich's, des leibhaftigen Hansen. Statt Mich zu nehmen, wie Ich bin, sieht man lediglich auf mein Eigenthum, meine Eigenschaften und schließt mit Mir einen ehelichen Bund, nur um meines Besißthums willen; man heirathet gleichsam, was Ich habe, nicht was Ich bin. Der Christ hält sich an meinen Geist, der Liberale an meine Menschlichkeit.

Aber ist der Geist, den man nicht als das Eigenthum des leibhaftigen Ich's, sondern als das eigentliche Ich selbst betrachtet, ein Gespenst, so ist auch der Mensch, der nicht als meine Eigenschaft, sondern als das eigentliche Ich anerkannt wird, nichts als ein Spuk, ein Gedanke, ein Begriff.

Darum dreht sich auch der Liberale in demselben Kreise wie der Christ herum. Weil der Geist des Menschenthums, d. h. der Mensch,

in Dir wohnt, bist Du ein Mensch, wie Du, wenn der Geist Christi in Dir wohnt, ein Christ bist; aber weil er nur als ein zweites, wenngleich als dein eigentliches oder „besseres" Ich, in Dir wohnt, so bleibt er Dir jenseitig, und Du mußt streben, ganz der Mensch zu werden. Ein eben so fruchtloses Streben, als das des Christen, ganz seliger Geist zu werden!

Jezt, nachdem der Liberalismus den Menschen proclamirt hat, kann man es aussprechen, daß damit nur die lezte Consequenz des Christenthums vollzogen wurde, und daß das Christenthum in Wahrheit sich von Haus aus keine andere Aufgabe stellte, als „den Menschen", den wahren Menschen“ zu realisiren. Daher denn die Täuschung, es lege das Christenthum dem Ich einen unendlichen Werth bei, wie z. B. in der Unsterblichkeitslehre, in der Seelsorge u. s. w. an den Tag kommt. Nein, diesen Werth ertheilt es allein dem Menschen. Nur der Mensch ist unsterblich, und nur, weil Ich Mensch bin, bin auch Ich's. In der That mußte das Christenthum lehren, daß Keiner verloren gehe, wie eben auch der Liberalismus Alle als Menschen gleichgestellt; aber jene Ewigkeit, wie diese Gleichheit, betraf nur den Menschen in Mir, nicht Mich. Nur als der Träger und Beherberger des Menschen sterbe Ich nicht, wie bekanntlich „der König nicht stirbt“. Ludwig stirbt, aber der König bleibt; Ich sterbe, aber mein Geist, der Mensch, bleibt. Um nun Mich ganz mit dem Menschen zu identificiren, hat man die Forderung erfunden und gestellt: Ich müsse ein ,,wirkliches Gattungswesen" werden *).

[ocr errors]

Die menschliche Religion ist nur die lezte Metamorphose der christlichen Religion. Denn Religion ist der Liberalismus darum, weil er mein Wesen von Mir trennt und über Mich stellt, weil er den Menschen" in demselben Maße erhöht, wie irgend eine andere Religion ihren Gott oder Gözen, weil er das Meinige zu einem Jenseitigen, weil er überhaupt aus dem Meinigen, aus meinen Eigenschaften und meinem Eigenthum, ein Fremdes, nämlich ein Wesen" macht, kurz, weil er Mich unter den Menschen stellt und Mir dadurch einen „Beruf“ schafft; aber auch der Form nach

[ocr errors]

*) 3. B. Mary in den deutsch-franz. Jahrbb. S. 197.

erklärt sich der Liberalismus als Religion, wenn er für dies höchste Wesen, den Menschen, einen Glaubenseifer fordert, „einen Glauben, der endlich auch einmal seinen Feuereifer beweisen wird, einen Eifer, der unüberwindlich sein wird" *). Da der Liberalismus aber menschliche Religion ist, so verhält sich der Bekenner derselben gegen den Bekenner jeder anderen (katholischen, jüdischen u. s. w.) tolerant, wie Friedrich der Große gegen Jeden sich verhielt, der seine Unterthanenpflichten verrichtet, welcher Façon des Seligwerdens er auch zugethan sein mochte. Diese Religion soll jezt zur allgemein üblichen erhoben und von den andern als bloßen „Privatnarrheiten“, gégen die man übrigens sich wegen ihrer Unwesentlichkeit höchst liberal verhält, abgesondert werden.

"

Man kann sie die Staatsreligion, die Religion des „freien Staates" nennen, nicht in dem bisherigen Sinne, daß sie die vom Staate bevorzugte oder privilegirte sei, sondern als diejenige Religion, welche der freie Staat“ von jedem der Seinigen, er sei privatim Jude, Chrift oder was sonst, zu fordern nicht nur berechtigt, sondern genöthigt ist. Sie thut nämlich dem Staate dieselben Dienste, wie die Pietät der Familie. Soll die Familie von jedem der Ihrigen in ihrem Bestande anerkannt und erhalten werden, so muß ihm das Band des Blutes heilig, und sein Gefühl dafür das der Pietät, des Respectes gegen die Blutsbande, sein, wodurch ihm jeder Blutsverwandte zu einem Geheiligten wird. So auch muß jedem Gliede der Staatsgemeinde diese Gemeinde heilig, und der Begriff, welcher dem Staate der höchste ist, gleichfalls der höchste sein.

Welcher Begriff ist aber dem Staate der höchste? Doch wohl der, eine wirklich menschliche Gesellschaft zu sein, eine Gesellschaft, in welcher Jeder als Glied Aufnahme erhalten kann, der wirklich Mensch, d. h. nicht Unmensch, ist. Gehe die Toleranz eines Staates noch so weit, gegen einen Unmenschen und gegen das Unmenschliche hört sie auf. Und doch ist dieser „Unmensch“ ein Mensch, doch ist das „Unmenschliche" selbst etwas Menschliches, ja nur einem Menschen, keinem Thiere, möglich, ist eben etwas Menschenmögliches". Obgleich aber jeder Unmensch ein Mensch

*) Br. Bauer, Judenfr. S. 61.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »