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Selbst in dem Verstande, worauf man das Wort „möglich“ zulezt noch reduciren könnte, daß es „zukünftig“ bedeute, behält es die volle Kraft des „Wirklichen“. Sagt man z. B.: Es ist möglich, daß morgen die Sonne aufgeht, so heißt dies nur: für das Heute ist das Morgen die wirkliche Zukunft; denn es bedarf wohl kaum der Andeutung, daß eine Zukunft nur dann wirkliche „Zukunft“ ist, wenn sie noch nicht erschienen ist.

Jedoch wozu diese Würdigung eines Wortes? Hielte sich nicht der folgenreichste Mistverstand von Jahrtausenden dahinter versteckt, spukte nicht aller Spuk der besessenen Menschen in diesem einzigen Begriffe des Wörtleins „möglich“, so sollte Uns seine Betrachtung hier wenig kümmern.

Der Gedanke, wurde eben gezeigt, beherrscht die besessene Welt. Nun denn, die Möglichkeit ist nichts anders, als die Denkbarkeit, und der gräßlichen Denkbarkeit sind seither unzählige Opfer gefallen. Es war denkbar, daß die Menschen vernünftig werden könnten, denkbar, daß sie Christum erkennen, denkbar, daß sie für das Gute sich begeistern und sittlich werden, denkbar, daß sie alle in den Schooß der Kirche sich flüchten, denkbar, daß sie nichts Staatsgefährliches sinnen, sprechen und thun, denkbar, daß sie ge= horsame Unterthanen sein könnten; darum aber, weil es denkbar war, war es so lautete der Schluß möglich, und weiter, weil es den Menschen möglich war (hier eben liegt das Trügerische: weil es Mir denkbar ist, ist es den Menschen möglich), so sollten sie es sein, so war es ihr Beruf; und endlich — nur nach diesem Berufe, nur als Berufene, hat man die Menschen zu nehmen, nicht wie sie sind, sondern wie sie sein sollen“.

Und der weitere Schluß? Nicht der Einzelne ist der Mensch, sondern ein Gedanke, ein Ideal ist der Mensch, zu dem der Einzelne sich nicht einmal so verhält, wie das Kind zum Manne, sondern wie ein Kreidepunkt zu dem gedachten Punkte, oder wie ein endliches Geschöpf zum ewigen Schöpfer, oder nach neuerer Ansicht, wie das Exemplar zur Gattung. Hier kommt denn die Verherrlichung der „Menschheit“ zum Vorschein, der ewigen, unsterblichen“, zu deren Ehre (in majorem humanitatis gloriam) der Einzelne sich hingeben und seinen unsterblichen Ruhm"

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darin finden muß, für den Menschheitsgeist" etwas gethan zu haben.

So herrschen die Denkenden in der Welt, so lange die Pfaffen- oder Schulmeister - Zeit dauert, und was sie sich denken, das ist möglich, was aber möglich ist, das muß verwirklicht werden. Sie denken sich ein Menschen-Ideal, das einstweilen nur in ihren Gedanken wirklich ist; aber sie denken sich auch die Möglichkeit seiner Ausführung, und es ist nicht zu streiten, die Ausführung ist wirklich - denkbar, sie ist eine - Idee.

Aber Ich und Du, Wir mögen zwar Leute sein, von denen sich ein Krummacher denken kann, daß Wir noch gute Christen werden könnten; wenn er Uns indeß „bearbeiten“ wollte, so würden Wir ihm bald fühlbar machen, daß unsere Christlichkeit nur denkbar, sonst aber unmöglich ist: er würde, grinzte er Uns fort und fort mit seinen zudringlichen Gedanken, seinem „guten Glauben“, an, erfahren müssen, daß Wir gar nicht zu werden brauchen, was Wir nicht werden mögen.

Und so geht es fort, weit über die Frömmsten und Frommen hinaus. „Wenn alle Menschen vernünftig wären, wenn alle das Rechte thäten, wenn alle von Menschenliebe geleitet würden u. s. w.“! Vernunft, Recht, Menschenliebe u. s. w. wird als der Menschen Beruf, als Ziel ihres Trachtens ihnen vor Augen ge= stellt. Und was heißt vernünftig sein? Sich selbst vernehmen? Nein, die Vernunft ist ein Buch voll Geseße, die alle gegen den Egoismus gegeben sind.

Die bisherige Geschichte ist die Geschichte des geistigen Menschen. Nach der Periode der Sinnlichkeit beginnt die eigentliche Geschichte, d. h. die Periode der Geistigkeit, Geistlichkeit, Unsinnlichkeit, Uebersinnlichkeit, Unsinnigkeit. Der Mensch fängt nun an, etwas sein und werden zu wollen. Was? Gut, schön, wahr; näher sittlich, fromm, wohlgefällig u. s. w. Er Menschen“, „etwas Rechtes" aus sich machen. sein Ziel, sein Sollen, seine Bestimmung, Beruf, Ideal: er ist sich ein Zukünftiger, Jenseitiger. aus ihm einen „rechten Kerl“? Das Wahrsein, Gutsein, Sittlich= sein u. dgl. Nun sieht er jeden scheel an, der nicht dasselbe „Was“

will einen „rechten Der Mensch ist Aufgabe, sein

Und was macht

anerkennt, dieselbe Sittlichkeit sucht, denselben Glauben hat: er verjagt die „Separatisten, Kezer, Secten" u. s. w.

Kein Schaaf, kein Hund bemüht sich, ein „rechtes Schaaf, ein rechter Hund" zu werden; keinem Thier erscheint sein Wesen als eine Aufgabe, d. h. als ein Begriff, den es zu realisiren habe. Es realisirt sich, indem es sich auslebt, d. h. auflöst, vergeht. Es verlangt nicht, etwas Anderes zu sein oder zu werden, als es ist.

Will Ich Euch rathen, den Thieren zu gleichen? Daß Ihr Thiere werden sollt, dazu kann Ich wahrlich nicht ermuntern, da dies wieder eine Aufgabe, ein Ideal wäre (Im Fleiß kann Dich die Biene meistern"). Auch wäre es dasselbe, als wünschte man den Thieren, daß sie Menschen werden. Eure Natur ist nun einmal eine menschliche, Ihr seid menschliche Naturen, d. h. Menschen. Aber eben weil Ihr das bereits seid, braucht Ihr's nicht erst zu werden. Auch Thiere werden „dressirt“, und ein dressirtes Thier leistet mancherlei Unnatürliches. Nur ist ein dressirter Hund für sich nichts Besseres, als ein natürlicher, und hat keinen Gewinn davon, wenn er auch für Uns umgänglicher ist.

Von jeher waren die Bemühungen im Schwange, alle Menschen zu sittlichen, vernünftigen, frommen, menschlichen u. dgl. „Wesen zu bilden“, d. H. die Dressur. Sie scheitern an der unbezwinglichen Ichheit, an der eigenen Natur, am Egoismus. Die Abgerichteten erreichen niemals ihr Ideal und bekennen sich nur mit dem Munde zu den erhabenen Grundsäßen, oder legen ein Bekenntniß, ein Glaubensbekenntniß, ab. Diesem Bekenntnisse gegenüber müssen sie im Leben sich „allzumal für Sünder erkennen“ und bleiben hinter ihrem Ideal zurück, sind „schwache Menschen“ und tragen sich mit dem Bewußtsein der menschlichen Schwachheit".

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Anders, wenn Du nicht einem Ideal, als deiner „Bestimmung“, nachjagst, sondern Dich auflösest, wie die Zeit Alles auflöst. Die Auflösung ist nicht deine „Bestimmung“, weil sie Gegenwart ist.

Doch hat die Bildung, die Religiosität der Menschen diese allerdings frei gemacht, frei aber nur von einem Herrn, um sie einem andern zuzuführen. Meine Begierde habe Ich durch die Religion bezähmen gelernt, den Widerstand der Welt breche Ich durch die List, welche Mir von der Wissenschaft an die Hand gegeben

wird; selbst keinem Menschen diene Ich: „Ich bin keines Menschen Knecht". Aber dann kommt's: Du mußt Gott mehr gehorchen als dem Menschen. Ebenso bin Ich zwar frei von der unvernünftigen Bestimmung durch meine Triebe, aber gehorsam der Herrin: Vernunft. Ich habe die „geistige Freiheit“, „Freiheit des Geistes“ gewonnen. Damit bin Ich denn gerade dem Geiste unterthan geworden. Der Geist befiehlt Mir, die Vernunft leitet Mich, sie sind meine Führer und Gebieter. Es herrschen die „Vernünftigen“, die „Diener des Geistes". Wenn Ich aber nicht Fleisch bin, so bin Ich wahrlich auch nicht Geist. Freiheit des Geistes ist Knechtschaft Meiner, weil Ich mehr bin als Geist oder Fleisch.

Ohne Zweifel hat die Bildung Mich zum Gewaltigen gemacht. Sie hat Mir Gewalt über alle Antriebe gegeben, sowohl über die Triebe meiner Natur als über die Zumuthungen und Gewaltthätigkeiten der Welt. Ich weiß und habe durch die Bildung die Kraft dazu gewonnen, daß Ich Mich durch keine meiner Begierden, Lüste, Aufwallungen u. s. w. zwingen zu lassen brauche: Ich bin ihr - Herr; gleicherweise werde Ich durch die Wissenschaften und Künste der Herr der widerspenstigen Welt, dem Meer und Erde gehorchen und selbst die Sterne Rede stehen müssen. Der Geist hat mich zum Herrn gemacht. - Aber über den Geist selbst habe Ich keine Gewalt. Aus der Religion (Bildung) lerne Ich wohl die Mittel zur „Besiegung der Welt“, aber nicht, wie Ich auch Gott bezwinge und seiner Herr werde; denn Gott „ist der Geist“. Und zwar kann der Geist, dessen Ich nicht Herr zu werden vermag, die mannigfaltigsten Gestalten haben: er kann Gott heißen oder Volksgeist, Staat, Familie, Vernunft, auch — Freiheit, Menschlichkeit, Mensch.

Ich nehme mit Dank auf, was die Jahrhunderte der Bildung Mir erworben haben; nichts davon will Ich wegwerfen und aufgeben: Ich habe nicht umsonst gelebt. Die Erfahrung, daß Ich Gewalt über meine Natur habe und nicht der Sklave_meiner Begierden zu sein brauche, soll Mir nicht verloren gehen; die Erfahrung, daß Ich durch Bildungsmittel die Welt bezwingen kann, ist zu theuer erkauft, als daß Ich sie vergessen könnte. Aber Ich will noch mehr.

Man fragt, was kann der Mensch werden, was kann er leisten,

welche Güter sich verschaffen, und stellt das Höchste von Allem als Beruf hin. Als wäre Mir Alles möglich!

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Wenn man Jemand in einer Sucht, einer Leidenschaft u. s. w. verkommen sieht (z. B. im Schachergeist, Eifersucht), so regt sich das Verlangen, ihn aus dieser Besessenheit zu erlösen und ihm zur ,,Selbstüberwindung" zu verhelfen. Wir wollen einen Menschen aus ihm machen!" Das wäre recht schön, wenn nicht eine andere Besessenheit gleich an die Stelle der frühern gebracht würde. Von der Geldgier befreit man aber den Knecht derselben nur, um der Frömmigkeit, der Humanität oder welchem sonstigen Princip ihn zu überliefern und ihn von Neuem auf einen festen Standpunkt zu verseßen.

Diese Verseßung von einem beschränkten Standpunkt auf einen erhabenen spricht sich in den Worten aus: der Sinn dürfe nicht auf das Vergängliche, sondern allein auf das Unvergängliche gerichtet sein, nicht auf's Zeitliche, sondern Ewige, Absolute, Göttliche, Reinmenschliche u. s. w. -, auf's Geistige.

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Man sah sehr bald ein, daß es nicht gleichgültig sei, woran man sein Herz hänge, oder womit man sich beschäftige; man erkannte die Wichtigkeit des Gegenstandes. Ein über die Einzelheit der Dinge erhabener Gegenstand ist das Wesen der Dinge; ja das Wesen ist allein das Denkbare an ihnen, ist für den denkenden Menschen. Darum richte nicht länger Deinen Sinn auf die Dinge, sondern Deine Gedanken auf das Wesen. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“, d. h. selig sind die Denkenden, denn die haben's mit dem Unsichtbaren zu thun und glauben daran. Doch auch ein Gegenstand des Denkens, welcher Jahrhunderte lang einen wesentlichen Streitpunkt ausmachte, kommt zuleßt dahin, daß er „nicht mehr der Rede werth ist“. Das sah man ein, aber gleichwohl behielt man immer wieder eine für sich gültige Wichtigkeit des Gegenstandes, einen absoluten Werth desselben vor Augen, als wenn nicht die Puppe dem Kinde, der Koran dem Türfen das Wichtigste wäre. So lange Ich Mir nicht das einzig Wichtige bin, ist's gleichgültig, von welchem Gegenstande Ich „viel Wesens“ mache, und nur mein größeres oder kleineres Verbrechen gegen ihn ist von Werth. Der Grad meiner Anhänglichkeit und Ergeben=

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