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werde u. s. w., sind dies nicht „fixe Ideen"? Ist nicht alles dumme Geschwät, z. B. unserer meisten Zeitungen, das Geplapper von Narren, die an der firen Idee der Sittlichkeit, Geseßlichkeit, Christlichkeit u. s. w. leiden, und nur frei herumzugehen scheinen, weil das Narrenhaus, worin sie wandeln, einen so weiten Raum einnimmt? Man taste einem solchen Narren an seine fixe Idee, und man wird sogleich vor der Heimtücke des Tollen den Rücken zu hüten haben. Denn auch darin gleichen diese großen Tollen den kleinen sogenannten Tollen, daß sie heimtückisch über den herfallen, der ihre fire Idee anrührt. Sie stehlen ihm erst die Waffe, stehlen ihm das freie Wort, und dann stürzen sie mit ihren Nägeln über ihn her. Jeder Tag deckt jezt die Feigheit und Rachsucht dieser Wahnsinnigen auf, und das dumme Volk jauchzt ihren tollen Maßregeln zu. Man muß die Tagesblätter dieser Periode lesen, und muß den Philister sprechen hören, um die gräßliche Ueberzeugung zu gewinnen, daß man mit Narren in ein Haus gesperrt ist. „Du sollst Deinen Bruder keinen Narren schelten, sonst u. s. w." Ich aber fürchte den Fluch nicht und sage: meine Brüder sind Erznarren. Ob ein armer Narr des Tollhauses von dem Wahne besessen ist, er sei Gott der Vater, Kaiser von Japan, der heilige Geist u. s. w., oder ob ein behaglicher Bürger sich einbildet, es sei seine Bestimmung, ein guter Christ, ein gläubiger Protestant, ein loyaler Bürger, ein tugendhafter Mensch u. s. w. zu sein das ist beides ein und dieselbe „fire Idee". Wer es nie versucht und gewagt hat, kein guter Christ, kein gläubiger Protestant, kein tugendhafter Mensch u. s. w. zu sein, der ist in der Gläubigkeit, Tugendhaftigkeit u. s. w. gefangen und befangen. Gleichwie die Scholastiker nur philosophirten innerhalb des Glaubens der Kirche, Papst Benedict XIV. dickleibige Bücher innerhalb des papistischen Aberglaubens schrieb, ohne je diesen Glauben in Zweifel zu ziehen, Schriftsteller ganze Folianten über den Staat anfüllen, ohne die fire Idee des Staates selbst in Frage zu stellen, unsere Zeitungen von Politik strogen, weil sie in dem Wahne gebannt sind, der Mensch sei dazu geschaffen, ein Zoon politikon zu werden, so vegetiren auch Unterthanen im Unterthanenthum, tugendhafte Menschen in der Tugend, Liberale im „Menschenthum" u. s. w., ohne jemals

an diese ihre fixen Ideen das schneidende Messer der Kritik zu legen. Unverrückbar, wie der Irrwahn eines Tollen, stehen jene Gedanken auf festem Fuße, und wer sie bezweifelt, der greift das Heilige an! Ja, die „fire Idee", das ist das wahrhaft Heilige!

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Begegnen Uns etwa blos vom Teufel Besessene, oder treffen Wir eben so oft auf entgegengesette Besessene, die vom Guten, von der Tugend, Sittlichkeit, dem Geseze, oder irgend welchem „Principe" besessen sind? Die Teufelsbesizungen sind nicht die einzigen. Gott wirkt auf Uns und der Teufel wirkt: jenes „Gnadenwirkungen“, dieses „Teufelswirkungen“. Besessene sind auf ihre Meinungen versessen.

Mißfällt Euch das Wort „Besessenheit“, so nennt es Eingenommenheit, ja nennt es, weil der Geist Euch besigt, und von ihm alle „Eingebungen“ kommen, Begeisterung und Enthusiasmus.

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Ich seze hinzu, daß der vollkommene Enthusiasmus dem faulen und halben kann man nicht stehen bleiben mus heißt.

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Der Fanatismus ist gerade bei den Gebildeten zu Hause; denn gebildet ist der Mensch, so weit er sich für Geistiges interessirt, und Interesse für Geistiges ist eben, wenn es lebendig ist, Fanatismus und muß es sein; es ist ein fanatisches Interesse für das Heilige (fanum). Man beobachte unsere Liberalen, man blicke in die Sächsischen Vaterlandsblätter, man höre, was Schlosser sagt*): „Die Gesellschaft Holbach's bildete ein förmliches Complott gegen die überlieferte Lehre und das bestehende System, und die Mitglieder derselben waren ebenso fanatisch für ihren Unglauben, als Mönche und Pfaffen, Jesuiten und Pietisten, Methodisten, Missionsund Bibelgesellschaften für mechanischen Gottesdienst und Wortglauben zu sein pflegen.“

Man achte darauf, wie ein „Sittlicher“ sich benimmt, der heutiges Tages häufig mit Gott fertig zu sein meint, und das Christenthum als eine Verlebtheit abwirft. Wenn man ihn fragt, ob er je daran gezweifelt habe, daß die Vermischung der Geschwister eine Blutschande sei, daß die Monogamie die Wahrheit der Ehe

*) Achtzehntes Jahrhundert II. 519.

sei, daß die Pietät eine heilige Pflicht sei u. s. w., so wird ein sittlicher Schauder ihn bei der Vorstellung überfallen, daß man seine Schwester auch als Weib berühren dürfe u. s. w. Und woher dieser Schauder? Weil er an jene sittlichen Gebote glaubt. Dieser fittliche Glaube wurzelt tief in seiner Brust. So viel er gegen die frommen Christen eifert, so sehr ist er dennoch selbst Christ geblieben, nämlich ein sittlicher Christ. In der Form der Sittlichkeit hält ihn das Christenthum gefangen, und zwar gefangen unter dem Glauben. Die Monogamie soll etwas Heiliges sein, und wer etwa in Doppelehe lebt, der wird als Verbrecher gestraft; wer Blutschande treibt, leidet als Verbrecher. Hiermit zeigen sich diejenigen einverstanden, die immer schreien, auf die Religion solle im Staate nicht gesehen werden, und der Jude Staatsbürger gleich dem Christen sein. Ist jene Blutschande und Monogamie nicht ein Glaubenssaß? Man rühre ihn an, und man wird erfahren, wie dieser Sittliche eben auch ein Glaubensheld ist, troß einem Krummacher, troß einem Philipp II. Diese fechten für den Kirchenglauben, er für den Staatsglauben, oder die sittlichen Geseße des Staates; für Glaubensartikel verdammen beide denjenigen, der anders handelt, als ihr Glaube es gestatten will. Das Brandmal des „Verbrechers" wird ihm aufgedrückt, und schmachten mag er in Sittenverbesserungshäusern, in Kerkern. Der sittliche Glaube ist so fanatisch als der religiöse! Das heißt dann „Glaubensfreiheit", wenn Geschwister um eines Verhältnisses willen, das sie vor ihrem „Gewissen“ auszumachen hätten, in's Gefängniß geworfen werden. „Aber sie gaben ein verderbliches Beispiel“! Ja freilich, es könnten Andere auch darauf verfallen, daß der Staat sich nicht in ihr Verhältniß zu mischen habe, und darüber ginge die „Sittenreinheit“ zu Grunde. So eifern denn die religiösen Glaubenshelden für den „heiligen Gott“, die sittlichen für das „heilige Gute“.

Die Eiferer für etwas Heiliges sehen einander oft gar wenig ähnlich. Wie differiren die strengen Orthodoxen oder Altgläubigen von den Kämpfern für „Wahrheit, Licht und Recht“, von den Philalethen, Lichtfreunden, Aufgeklärten u. s. w. Und doch wie gar nichts Wesentliches enthält die Differenz. Rüttelt man an einzelnen althergebrachten Wahrheiten (z. B. Wunder, unumschränkte

Fürstengewalt u. s. w.), so rütteln die Aufgeklärten mit, und nur die Altgläubigen jammern. Rüttelt man aber an der Wahrheit selbst, so hat man gleich beide als Gläubige zu Gegnern. So mit Sittlichkeiten: die Strenggläubigen sind unnachsichtig, die helleren Köpfe sind toleranter. Aber wer die Sittlichkeit selbst angreift, der bekommt's mit beiden zu thun. „Wahrheit, Sittlichkeit, Recht, Licht u. s. w." sollen „heilig" sein und bleiben. Was man am Christenthum zu tadeln findet, das soll nach der Ansicht dieser Aufgeklärten eben „unchristlich“ sein; das Christenthum aber muß das "Feste" bleiben, an ihm zu rütteln ist frevelhaft, ist ein „Frevel“. Allerdings sezt sich der Kezer gegen den reinen Glauben nicht mehr der früheren Verfolgungswuth aus, desto mehr aber gilt es jezt dem Kezer gegen die reine Sitte.

Die Frömmigkeit hat seit einem Jahrhundert so viele Stöße erfahren und ihr übermenschliches Wesen so oft ein „unmenschliches“ schelten hören müssen, daß man sich nicht versucht fühlen kann, noch einmal sich gegen sie auszulegen. Und doch sind fast immer nur sittliche Gegner auf der Mensur erschienen, um das höchste Wesen anzufechten zu Gunsten eines - andern höchsten Wesens. So sagt Proudhon ungescheut *): „Der Mensch ist bestimmt, ohne Religion zu leben, aber das Sittengesetz (la loi morale) ist ewig und absolut. Wer würde es heute wagen, die Moral anzugreifen ?" Die Sittlichen schöpften das beste Fett von der Religion ab, genossen es selbst und haben nun ihre liebe Noth, die daraus entstandene Drüsenfrankheit loszuwerden. Wenn Wir deshalb darauf hinweisen, daß die Religion noch bei weitem nicht in ihrem Innersten verlegt wird, so lange man ihr nur ihr übermenschliches Wesen zum Vorwurfe macht, und daß sie in letter Instanz allein an den „Geist“ appellirt (denn Gott ist Geist), so haben Wir ihre endliche Eintracht mit der Sittlichkeit genugsam angedeutet, und können ihren hartnäckigen Streit mit derselben hinter Uns liegen lassen. Um ein höchstes Wesen handelt es sich bei beiden, und ob dasselbe ein übermensch

*) De la création de l'ordre etc., pag. 36. Stirner, der Einzige.

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liches oder ein menschliches sei, das kann Mir, da es jedenfalls ein Wesen über Mir, gleichsam ein übermeiniges ist, nur wenig verschlagen. Zulegt wird das Verhalten zum menschlichen Wesen oder zum Menschen", hat es nur erst die Schlangenhaut der alten Religion abgestreift, doch wieder eine religiöse Schlangenhaut tragen. So belehrt uns Feuerbach, daß, wenn man die speculative Philosophie nur umkehre, d. h. immer das Prädicat zum Subject, und so das Subject zum Object und Princip mache, man die unverhüllte, die pure, blanke Wahrheit habe“ *). Damit verlieren Wir allerdings den beschränkten religiösen Standpunkt, verlieren den Gott, der auf diesem Standpunkte Subject ist; allein Wir tauschen dafür die andere Seite des religiösen Standpunktes, den sittlichen ein. Wir sagen z. B. nicht mehr: „Gott ist die Liebe", sondern „die Liebe ist göttlich". Sezen wir noch an die Stelle des Prädicats „göttlich“ das gleichbedeutende „heilig“, so kehrt der Sache nach alles Alte wieder zurück. Die Liebe soll darnach das Gute am Menschen sein, seine Göttlichkeit, das was ihm Ehre macht, seine wahre Menschlichkeit (sie „macht ihn erst zum Menschen“, macht erst einen Menschen aus ihm). So wäre es denn genauer gesprochen so: Die Liebe ist das Menschliche am Menschen, und das Unmenschliche ist der lieblose Egoist. Aber gerade alles dasjenige, was das Christenthum und mit ihm die speculative Philosophie, d. h. Theologie als das Gute, das Absolute offerirt, ist in der Eigenheit eben nicht das Gute (oder, was dasselbe sagt, es ist nur das Gute), mithin würde durch die Verwandlung des Prädicats in das Subject das christliche Wesen (und das Prädicat enthält ja eben das Wesen) nur noch drückender fixirt. Der Gott und das Göttliche verflöchte sich um so unauflöslicher mit Mir. Den Gott aus seinem Himmel zu vertreiben und der „Transscendenz" zu berauben, das kann noch keinen Anspruch auf vollkommene Besiegung begründen, wenn er dabei nur in die Menschenbrust gejagt und mit unvertilgbarer Immanenz beschenkt wird. Nun heißt es: Das Göttliche ist das wahrhaft Menschliche!

Dieselben Leute, welche dem Christenthum als der Grundlage

*) Anekdota II, 64.

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