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suchen. An die Sittlichkeit selbst wagt man sich nicht mit der Frage, ob sie nicht selbst ein Truggebilde sei: sie bleibt über allem Zweifel erhaben, unwandelbar. Und so geht es fort mit dem Heiligen, Stufe für Stufe, vom „Heiligen“ bis zum „Hochheiligen“.

Man theilt mitunter die Menschen in zwei Klassen, in Gebildete und Ungebildete. Die ersteren beschäftigten sich, so weit sie ihres Namens würdig waren, mit Gedanken, mit dem Geiste, und forderten, weil sie in der nachchristlichen Zeit, deren Princip eben der Gedanke ist, die Herrschenden waren, für die von ihnen anerkannten Gedanken einen unterwürfigen Respect. Staat, Kaiser, Kirche, Gott, Sittlichkeit, Ordnung u. s. w. sind solche Gedanken oder Geister, die nur für den Geist sind. Ein blos lebendiges Wesen, ein Thier, kümmert sich um sie so wenig wie ein Kind. Allein die Ungebildeten sind wirklich nichts als Kinder, und wer nur seinen Lebensbedürfnissen nachhängt, ist gleichgültig gegen jene Geister; weil er aber auch schwach gegen dieselben ist, so unterliegt er ihrer Macht, und wird beherrscht von — Gedanken. Dies ist der Sinn der Hierarchie.

Hierarchie ist Gedankenherrschaft, Herrschaft des Geistes!

Hierarchisch sind Wir bis auf den heutigen Tag, unterdrückt von denen, welche sich auf Gedanken stüßen. Gedanken sind das Heilige.

Immer aber stoßen Beide an einander, der Gebildete an den Ungebildeten, wie umgekehrt, und zwar nicht blos im Anrennen zweier Menschen, sondern in ein und demselben Menschen. Denn kein Gebildeter ist so gebildet, daß er nicht auch an den Dingen Freude fände, mithin ungebildet wäre, und kein Ungebildeter ist ganz ohne Gedanken. Bei Hegel kommt endlich zu Tage, welche Sehnsucht gerade der Gebildetste nach den Dingen hat, und welchen Abscheu er vor jeder „hohlen Theorie“ hegt. Da soll dem Gedanken ganz und gar die Wirklichkeit, die Welt der Dinge, entsprechen, und kein Begriff ohne Realität sein. Dies verschaffte

Hegel's System den Namen des objectivsten, als feierten darin Gedanke und Ding ihre Vereinigung. Aber es war dies eben nur die äußerste Gewaltsamkeit des Denkens, die höchste Despotie und Alleinherrschaft desselben, der Triumph des Geistes, und mit ihm der Triumph der Philosophie. Höheres kann die Philosophie nicht mehr leisten, denn ihr Höchstes ist die Allgewalt des Geistes, die Allmacht des Geistes *).

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Die geistlichen Menschen haben sich Etwas in den Kopf ge= segt, was realisirt werden soll. Sie haben Begriffe von Liebe, Güte u. dergl., die sie verwirklicht sehen möchten; darum wollen sie ein Reich der Liebe auf Erden errichten, worin Keiner mehr aus Eigennut, sondern Jeder aus Liebe“ handelt. Die Liebe soll herrschen. Was sie sich in den Kopf gesezt haben, wie soll man das anders nennen als fixe Idee? Es „spukt ja in ihrem Kopfe". Der beklemmendste Spuk ist der Mensch. Man denke des Sprichwortes: „Der Weg zum Verderben ist mit guten Vorsägen gepflastert.“ Der Vorsag, die Menschlichkeit ganz in sich zu verwirklichen, ganz Mensch zu werden, ist von so verderblicher Art; dahin gehören die Vorsäße, gut, edel, liebevoll u. s. w. zu werden.

In dem sechsten Hefte der Denkwürdigkeiten S. 7 sagt Br. Bauer: Jene Bürgerklasse, die für die neuere Geschichte ein so furchtbares Gewicht erhalten sollte, ist keiner aufopfernden Handlung, keiner Begeisterung für eine Idee, keiner Erhebung fähig: sie giebt sich für nichts hin, als für das Interesse ihrer Mittelmäßigkeit, d. h. sie bleibt immer auf sich selbst beschränkt und siegt endlich nur durch ihre Massenhaftigkeit, mit welcher sie die Anstrengungen der Leidenschaft, der Begeisterung, der Consequenz zu ermüden wußte, durch ihre Oberfläche, in welche sie einen Theil der neuen Ideen einsaugt." Und S. 6: „Sie hat die revolutionären Ideen, für welche nicht sie, sondern uneigennützige oder leidenschaftliche Männer sich aufopferten, sich allein zu Gute kommen lassen, den Geist in

*) Rousseau, die Philanthropen und Andere feindeten die Bildung und Intelligenz an, aber sie übersahen, daß diese in allen Christenmenschen stecke, und zogen nur gegen die gelehrte und verfeinerte Bildung los.

Geld verwandelt. Freilich nachdem sie jenen Ideen die Spiße, die Consequenz, den zerstörenden und gegen allen Egoismus fanatischen Ernst genommen hatte." Diese Leute sind also nicht aufopfernd, nicht begeistert, nicht ideal, nicht consequent, keine Enthusiasten; sie sind im gewöhnlichen Verstande Egoisten, Eigennüßige, auf ihren Vortheil bedacht, nüchtern, berechnend u. s. w.

Wer ist denn „aufopfernd“? Vollständig doch wohl derjenige, der an Eins, Einen Zweck, Einen Willen, Eine Leidenschaft u. s. w. alles Andere seßt. Ist der Liebende, der Vater und Mutter verläßt, der alle Gefahren und Entbehrungen besteht, um zu seinem Ziele zu kommen, nicht aufopfernd? Oder der Ehrgeizige, der alle Begierden, Wünsche und Befriedigungen der einzigen Leidenschaft darbringt, oder der Geizige, der sich Alles versagt, um Schäße zu sammeln, oder der Vergnügungssüchtige u. s. w.? Ihn beherrscht eine Leidenschaft, der er die übrigen zum Opfer bringt.

Und sind diese Aufopfernden etwa nicht eigennützig, nicht Egoisten? Da sie nur Eine herrschende Leidenschaft haben, sorgen sie auch nur für Eine Befriedigung, aber für diese um desto eifriger: sie gehen in ihr auf. Egoistisch ist ihr ganzes Thun und Treiben, aber es ist ein einseitiger, unaufgeschlossener, bornirter Egoismus: es ist Besessenheit.

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„Das sind ja kleinliche Leidenschaften, von denen sich im Gegentheil der Mensch nicht knechten lassen soll. Für eine große Idee, eine große Sache muß der Mensch Opfer bringen!" Eine große Idee“, eine „gute Sache“ ist etwa die Ehre Gottes, für die Unzählige in den Tod gingen, das Christenthum, das seine bereitwilligen Märtyrer gefunden hat, die alleinseligmachende Kirche, die sich Kezeropfer gierig gelangt hat; die Freiheit und Gleichheit, der blutige Guillotinen zu Diensten standen.

Wer für eine große Idee, eine gute Sache, eine Lehre, ein System, einen erhabenen Beruf lebt, der darf kein weltliches Gelüste, kein selbstsüchtiges Interesse in sich aufkommen lassen. Hier haben wir den Begriff des Pfaffenthums, oder wie es in seiner pädagogischen Wirksamkeit auch genannt werden kann, der Schulmeisterlichkeit; denn die Idealen schulmeistern Uns. Der Geistliche ist recht eigentlich berufen, der Idee zu leben und für die

Idee, die wahrhaft gute Sache, zu wirken. Deshalb fühlt das Volk, wie wenig es ihm anstehe, einen weltlichen Hochmuth zu zeigen, ein Wohlleben zu begehren, Vergnügen, wie Tanz und Spiel, mitzumachen, kurz ein anderes als ein heiliges Interesse“ zu haben. Daher schreibt sich auch wohl die dürftige Besoldung der Lehrer, die sich allein durch die Heiligkeit ihres Berufes belohnt fühlen und sonstigen Genüssen „entsagen“ sollen.

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Auch an einer Rangliste der heiligen Ideen, deren eine oder mehrere der Mensch als seinen Beruf ansehen soll, fehlt es nicht. Familie, Vaterland, Wissenschaft u. dergl. kann an Mir einen berufstreuen Diener finden.

Da stoßen Wir auf den uralten Wahn der Welt, die des Pfaffenthums noch nicht entrathen gelernt hat. Für eine Idee leben und schaffen, das sei der Beruf des Menschen, und nach der Treue seiner Erfüllung messe sich sein menschlicher Werth.

Dies ist die Herrschaft der Idee oder das Pfaffenthum. Robespierre z. B., St. Just u. s. w. waren durch und durch Pfaffen, begeistert von der Idee, Enthusiasten, consequente Rüstzeuge dieser Idee, ideale Menschen. So ruft St. Just in einer Rede aus: „Es giebt etwas Schreckliches in der heiligen Liebe zum Vaterlande; sie ist so ausschließend, daß sie Alles ohne Erbarmen, ohne Furcht, ohne menschliche Beachtung dem öffentlichen Interesse opfert. Sie stürzt Manlius in den Abgrund; sie opfert ihre Privatneigungen; sie führt Regulus nach Carthago, wirft einen Römer in den Schlund, und sezt Marat als Opfer seiner Hingebung, in's Pantheon.“

Diesen Vertretern idealer oder heiliger Interessen steht nun eine Welt zahlloser „persönlicher“ profaner Interessen gegenüber. Keine Idee, kein System, keine heilige Sache ist so groß, daß sie nie von diesen persönlichen Interessen überboten und modificirt werden sollte. Wenn sie auch augenblicklich und in Zeiten der Rage und des Fanatismus schweigen, so kommen sie doch durch „den gesunden Sinn des Volkes" bald wieder obenauf. Jene Ideen siegen erst dann vollkommen, wenn sie nicht mehr gegen die persönlichen Interessen feindlich sind, d. h. wenn sie den Egoismus befriedigen.

Der Mann, der eben vor meinem Fenster Bücklinge zum Verfauf ausruft, hat ein persönliches Interesse an gutem Absaß, und

wenn sein Weib oder wer sonst ihm desgleichen wünschen, so bleibt dies gleichwohl ein persönliches Interesse. Entwendete hingegen ihm ein Dieb seinen Korb, so entstünde sogleich ein Interesse Vieler, der ganzen Stadt, des ganzen Landes, oder mit Einem Worte Aller, welche den Diebstahl verabscheuen: ein Interesse, wobei die Person des Bücklingshändlers gleichgültig würde, und an ihrer Statt die Kategorie des „Bestohlenen“ in den Vordergrund träte. Aber auch hier könnte noch alles auf ein persönliches Interesse hinauslaufen, indem jeder Theilnehmende bedächte, daß er der Bestrafung des Diebes deshalb beitreten müsse, weil sonst das straflose Stehlen allgemein werden und auch ihn um das Seinige bringen könnte. Eine solche Berechnung läßt sich indeß schwerlich bei Vielen voraussezen, und man wird vielmehr den Ausruf hören: der Dieb sei ein „Verbrecher“. Da haben Wir ein Urtheil vor Uns, indem die Handlung des Diebes ihren Ausdruck erhält in dem Begriffe „Verbrechen“. Nun stellt sich die Sache so: Wenn ein Verbrechen auch weder Mir, noch irgend einem derjenigen, an welchen Ich Antheil nehme, den geringsten Schaden brächte, so würde Ich dennoch gegen dasselbe eifern. Warum? Weil Ich für die Sittlichkeit begeistert, von der Idee der Sittlichkeit erfüllt bin; was ihr feindlich ist, das verfolge Ich. Weil ihm der Diebstahl ohne alle Frage für verabscheuungswürdig gilt, darum glaubt z. B. Proudhon schon mit dem Sage: „Das Eigenthum ist ein Diebstahl" dieses gebrandmarkt zu haben. Im Sinne der Pfäffischen ist er allemal ein Verbrechen oder mindestens Vergehen.

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Hier hat das persönliche Interesse ein Ende. Diese bestimmte Person, die den Korb gestohlen hat, ist meiner Person völlig gleichgültig; nur an dem Diebe, diesem Begriffe, von welchem jene Person ein Exemplar darstellt, nehme Ich ein Interesse. Der Dieb und der Mensch sind in meinem Geiste unversöhnliche Gegensäge; denn man ist nicht wahrhaft Mensch, wenn man Dieb ist; man entwürdigt in sich den Menschen, oder die „Menschheit“, wenn man stiehlt. Aus dem persönlichen Antheil herausfallend, geräth man in den Philanthropismus, die Menschenfreundlichkeit, die gewöhnlich so mißverstanden wird, als sei sie eine Liebe zu den Menschen, zu jedem Einzelnen, während sie nichts als eine Liebe

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