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feiner Vortreflichkeit; Und was die Menschen thun, verdienet unsere Liebe, wegen der Verwandschafft so zwis schen uns ist; Zuweilen ist es Mittleidens würdig, wes gen der Unwissenheit des Guten oder Bösen, darinn solche Menschen stehen. Diese Unwissenheit ist eine Verblens dung, und eben so sehr zu bejammern, als die Blinden, die weder schwark noch weiß unterscheiden können.

XIV.

t) Köntest du drey tausend Jahr leben, und noch dreyßig tausend dazu, so besinne dich, daß niemand mehr Leben verliehre, als dasjenige, was er den Augenblick, da ers verlohr, hatte; Auch daß man kein ander Leben habe, als welches man alle Augenblick verliehret. Dannenhes ro ist kein Unterscheid zwischen dem längsten und kürzesten Leben, Denn die gegenwärtige Zeit ist bey allen diesels be, ob gleich das was ein jeder verlohren hat, nicht gleich ist. Die Zeit aber so wir verlieren, indem wir das Le ben verlieren, ist nur ein Augenblick. Denn niemand Fan das Vergangene oder das Zukünfftige verlieren. Wer kan einem nehmen was er nicht hat? Mercke dems nach diese zwo Dinge: Einmal, daß alle Dinge von Anfang her eine Gleichheit haben; Daß fie in einem stes

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tent *) Eigentlich zu reden / giebt es weder eine vergangene noch zu Fünfftige Zeit Sondern nur die/ welche gegenwärtig ist, Sprichst du: Ein junger Mensch / welcher um zwanzig Jah ren stirbt/ verlieret mehr Zeit als der/welcher achtig Jahr alt aus diesem Leben scheidet: Denn er verlieret die Hoffnung einer längern zukünfftigen Zeit. Artiger Einwurf! Gerade als ob unser Leben nach der Hofnung würde abgemessen? beffer schreibt Hieronymus in seiner dritten Epistel: denen Die sehen Jahr/und denen die hundert Jahr gelebet haben/ ist die vergangene Zeit allen beyden gleich/und es ist hie tein Unterscheid/ als daß der Alte mit mehren Sünden über. häuffet stirbet/als der Junge.

ten Crayß umlauffen, und daß kein Unterscheid ist, dies felben Dinge hundert oder zwey hundert Jahr, oder eine unendliche Zeit zu sehen. Zweytens, daß der so jung, und der so alt stirbet, einer so viel Leben verlieret als der ans der; Denn fie verlieren beyde nichts als einen gegenwårs tigen Augenblick, weil niemand, wie ich bereits erwehnet, was er nicht hat, verlieren kan.

XV.

Alles besteht in der Einbildung: Dis ist deutlich bes wiefen durch das, was u) Monymus der Cynische Weise, in seinen Wercken davon geschrieben hat. Seis ne Schrifften können mit Nußen gelesen werden, so man dasjenige daraus nimmt, was mit der Wahrheit übers einstimmet.

XVI.

Die Seele der Menschen beschimpffet sich auf man cherley Weise; Vornemlich aber, wenn sie aus eigner Schuld gleichsam x) eine Drufe, oder Geschwür in dem Leibe dieser Welt wird: Denn sich erzürnen über Dinge die uns begegnen, ist so viel, als sich von der alls gemeinen Natur abziehen, welche die Naturen aller bes fondern Wesen in fich faffet. Sie verunehret sich, ins dem sie einen Abscheu für einen Menschen trägt, und sich ihm zu schaden rüstet, wie solches sich beym Zorn erreignet. Sie verunehret fich ferner, wenn sie sich von der Luft oder vom Schmerzen übermeistern låst. Sie veruns ehret fich, wenn sie sich verstellet, und in ihrem Thun

oder

u) Monymus. Ein Schüler des Diogenes und Crates/ beym Laertius.Seine Schriften find verlohren:und der klu. ge Antoninus billiget in denselben nichts, als die Wahrheit: x) Eine Drüse. Er nennet fie also wegen der innerlichen Un zufriedenheit/ darin ein folch eigensinniges Gemüth/ gleich. fam wie eine Drüfe sich entzündet / und mit Schmerzen und Verdrießlichkeit sich und andern / wehe thut.

öder Reden zur Lügnerin wird. Sie verunehret sich, wenn sie ihre Thaten nicht auf ein gewiffers Ziel richtet, fondern in den Wind hin, ohne Absicht und Vorfah ets was verrichtet. Sintemahl auch die allergeringsten Dins ge einen Zweck haben müssen. Der Zweck aber einer vers nünfftigen Creatur ist, sich nach den Verordnungen und Weifen der alleråltesten y) Stadt zu richten. Diese aber find das Gesetz der Natur.

XVII.

Die Zeit des menschlichen Lebens ist ein Punct: Sein Wesen hinflieffend. Seine Empfindung stumpff. Sein Leib Verwefung. Seine Seele ein umlauffendes Rad. Sein Verhängniß unerforschlich. Sein Ruhm Ungewißheit. Kurk, sein Leibliches ist ein schneller Fluß; Seine Seele ein traumender Dunst; Sein Leben ein Streit, oder eine Wallfahrt in der Fremde; Sein Nachruf die Vergessenheit. Lieber was kan ihn Durch fo viele Nichtigkeiten glücklich hindurch führen? Nichts als die wahre Weißheitss Liebe. Diese bestes het hauptsächlich darinn: Daß er seine Seele unbefleckt und unbeschädigt halte; Erhaben über Lust und Schmerk; Ohne Verwirrung, ohne Falschheit und Verstellung; Sich selbst gelaffen, fremder Hülffe unbedürfftig; Wils lig alles anzunehmen, was von dem Orte kömmt, das her fie selber ihren Ursprung hat. Ja den Tod selbst mit filler Gelassenheit erwartend, als eine Aufflösung derer Elementen, daraus aller Thiere Cörper zusammen gefehet find.

Denn wiederfähret denen Elementen nichts böses, indem sie diese Verwandelung beständig ausdauren, und von einem in das andre fliessen; Warum wolte man fich

y) Stadt. Die alten Weisen / sahen die ganze Welt an als ei ne einzige groffe Stadt.

Was aber der Natur

sich über die Aufflösung aller Dinge entfeßen? Geschicht es doch alles der Natur gemäß. gemäß geschicht, daß ist nicht böse.

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Geschrieben zu z) Carnunt.

Des Römischen Käysers/ Sarcus Aurelius Antoninus/

Erbaulicher

Betrachtungen
Drittes Buch.

1.

Sa) ist nicht genug, daß man bedencke wie une fer Leben fich täglich verzehret, und abnimmt, fondern man muß auch erwegen, daß, eb wir gleich långer leben, wir dennoch nicht versichert sind, die felben Kräffte des Berstandes benzubehalten, noch diesels be Fähigkeit göttliche und menschliche Dinge zu begreiffen, oder zu beurtheilen.

Denn

z) Carnunt. War ein Städchen in Pannonien/ und scheinet dis um die Zeit des Feldzugs gegen die Marcomannen . ge schrieben zu seyn.

) Der Auffschub unserer Befferung ist so gefährlich/ daß An. toninus demselbigen folche Gründe entgegen feßet/die einen jeden Vernünfftigen überzeugen werden/ wie nüglich aber. mahl Syrachs Vermahnung sey: Verzeuch nicht fromm zu werden/ und harre nicht mit Besserung deines Les bens bis an den Tod.

Denn, folte man etwa in eine Raferey oder Kinds heit fallen, so behält man zwar die Krafft zu athemen, fett zu werden, zu phantafiren, zu verlangen, und dergleichen Wirckungen mehr: Aber seiner selbst mächtig seyn, seis ne Pflicht zu erforschen, die Schein Güther, von den wahren zu entscheiden, zu wiffen, b) wenn es Zeit sey, aus diesem Leben zu scheiden; Kurk, alles was eine männ liche und wohlgeübte Vernunfft erfordert, alles dieses sag ich, ist alsdenn in uns verloschen. Drum muß man ei len, theils weil man fich täglich dem Tode nähert, theils weil uns der Verstand oft verlässt, ehe wir sterben.

II.

c) Man muß betrachten, das alles, was sich in der ganken Natur zuträgt, eine Annehmlichkeit ben sich führet's

b) Der Christliche Leser muß sich an dieser Stoifchen Lehre des Antoninus nicht stossen/ daß es einem Menschen vergönnet sey/bey erheischender Noth aus diesem Leben zu scheiden. Vielmehr muß man sich verwundern, daß der sonst so ver. nünftige Kapfer/ die Unmenschlichkeit dieser Meinung nicht gefehen. Absonderlich/ da er von dem heydnischen Socra tes håtte lernen können/daß uns GOtt in diesem Leben/ wie den Soldaten gleichsam aufeinen Posten geftellet habe/wel chen wir nicht ehe verlassen müssen/ bißer uns selber ruft. Ein mehrers hiewider siehe Lib. V. cap. 30.

e) Mit diesen Betrachtungen will Antoninus denen Einwürf fen der Atheisten vorbeugen/ welche/ weil sie in der Natur nach ihrer Meynung solche Dinge finden/ die ihnen heßlich/ unnük/oder wohl gar schädlich vorkommen; Den unver nünfftigen Schluß machen: Es sey kein GOtt/ oder so ja einer fen/ so bekümmere er sich doch nicht um die Menschen/ und dasjenige so auf Erden geschicht.

Diefen Leuten nun zu zeigen/wie sehr sie sich in ihrem Ur theil betrügen/weiset ihnen Antoninus/ daß kein Ding in der Welt fey/welches nicht seinen Nußen oder seine Schönheit habe, theils an und vor sich selbst/theils in Absicht anderer Dinge deren nothwendiger Anbang oder Folgen fie find.

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