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Das Corpus Nummorum, sein Wesen und seine Ziele,
nebst einer Besprechung von Band III, 1.

Von H. von Fritze.

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Als Theodor Mommsen den lange gehegten Plan, wie früher für die lateinischen Inschriften, so nun auch für die griechischen Münzen eine zusammenfassende Publikation ins Werk zu setzen. seiner Erfüllung entgegenreifen sah, schrieb er in einer für das Ministerium bestimmten Denkschrift im Jahre 1887: „Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, dass für jedes Studium auf dem Gebiete des Altertums. mag es auf Geschichte, Sprache, Religion, Kunst oder jeden anderen Gegenstand gerichtet sein. nichts so schmerzlich entbehrt wird und so vielfach das private Studium hindert und verkrüppelt, als der Mangel einer rationell angelegten Sammlung der antiken Münzen. Er legt dann seine Ideen über die dabei zu verfolgenden Prinzipien dar und nennt ein solches Corpus der altgriechischen Münzen ein wohl grossartiges, aber ausführbares Unternehmen". Und Otto Hirschfeld, der in seiner akademischen Gedächtnisrede auf Mommsen) auch dessen Bemühungen um das Werk schildert, spricht mit noch stärkerem Ausdruck von einem gigantischen Plane. In beiden Aeusserungen liegt unausgesprochen die Ueberzeugung, dass man nur unter Anspannung aller Kräfte und nach Ueberwindung grosser Hindernisse ein gesichertes Fortschreiten für das Werk erhoffen könne. Wenn Hirschfeld weiter fortfährt, dass die Ausführung auf mancherlei Schwierigkeiten persönlicher und sachlicher Art gestossen sei, so wird das kaum wundernehmen. Wie gross die letzteren sein würden, das war freilich nicht vorauszusehen, bevor man von der Theorie zur Praxis schritt. Und so werden nur die Wenigen, die hinter die Kulissen sehen, begreifen, dass erst heute eine zweite Frucht des Corpus Nummorum der wissenschaftlichen Welt vorgelegt wird in dem ersten Faszikel des die makedonischen Gepräge behandelnden dritten Bandes des nordgriechischen Münzwerks 2). Unter diesen Umständen ist es wohl einmal an der Zeit, Mitteilungen über die auf Grund langer Erfahrungen geschaffene Arbeitsmethode, einbe1) Abhandlungen der Kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften 1904, S. 28. 2) Vgl. meine Anzeige des von B. Pick bearbeiteten ersten thrakischen Halbbandes in der Berl. phil. Wochenschrift 1900, n. 31/32. S. 979 ff.

Klio, Beiträge zur alten Geschichte VII 1.

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griffen das rein Manuelle, zu machen, bevor auf den eben erschienenen Teil des Werkes eingegangen wird.

Diejenigen, welche das Tempo der Münzpublikation gern beschleunigt sehen möchten, legen bewusst oder unbewusst oft den Massstab an, der ihnen von den in rascher Folge erscheinenden Inschriftencorpora zur Hand ist, ohne überblicken zu können, dass die Voraussetzungen für die Behandlung von Inschrift und Münze völlig verschieden sind. Jene ist ein Objekt für sich; gelesen und mit den betreffenden Litteraturnachweisen versehen, kann sie in der Regel ohne weiteres als zur Veröffentlichung reif im Corpus ihren festen Platz finden. Ihre historische, sprachliche und epigraphische Verwertung ist im wesentlichen nicht Sache des Herausgebers, dem die Aufgabe obliegt, das Rohmaterial gereinigt der Bearbeitung darzubieten. Ganz anders bei der Münze. Wenn man auch anfangs der Meinung sein konnte, dass hier ein 'catalogue raisonné' alle Forderungen befriedigen könne, die man an ein Corpus Nummorum zu stellen habe, so musste dem Bearbeiter bald klar werden, dass ein solcher den ungeheuren Aufwand an Arbeit, Zeit und Kosten auch nicht im geringsten zu rechtfertigen vermag. Eine blosse Aneinanderreihung des Materials würde einem Nichtnumismatiker, der die Münze als Quelle zu benutzen wünscht, keine Handhabe bieten, vor allem, soweit es sich um die gesamte vorchristliche Prägung handelt, für die in ihrer überwältigenden Mehrzahl keine genügend sicheren Daten vorliegen, wie sie mit Ausnahme der Münzgruppen ohne Herrscherportrait für die Emissionen der Kaiserzeit durch die feststehenden Regierungsjahre sich von selbst ergeben. Das empfanden schon die Bearbeiter der Kataloge des British Museum, die auf Grund der ihnen zur Verfügung stehenden Sammlung die Münzreihen annähernd zu datieren und in zeitlich gesonderte Gruppen zu verteilen bestrebt waren. Ueber diese chronologische Anordnung hinauszugehen, ist eine unerlässliche Aufgabe des Corpus, das über ein um vielmal grösseres Material verfügt, mit dessen Hülfe häufig eine andere oder genauere Chronologie aufzustellen möglich wird. Im Gegensatz zu dem Bearbeiter der Inschriftensammlung muss deshalb der Redactor des Corpus Nummorum, bevor er an eine Darbietung des Rohmaterials geht, eine Reihe zeitraubender wissenschaftlicher Untersuchungen anstellen. die der Leser nicht dem ihm. später vorliegenden Münzverzeichnis ansieht. Um aber überhaupt diese Vorstudien in Angriff nehmen zu können, hat er noch verschiedene Stadien durchzumachen, die jenen an minutiöser Detailarbeit nichts nachgeben.

Das Idealziel eines Münzcorpus, nämlich die Stempel zu publizieren, ist unerreichbar, ihm aber nach Möglichkeit zuzustreben, Pflicht des Bearbeiters. So entsteht die genaue Prüfung oft längerer Münzreihen auf ihre Stempelgleichheit. Aber diese verfolgt noch einen anderen Zweck: stempelgleiche Vorderseiten mit verschiedenen Rückseiten ermöglichen eine

noch engere Gruppierung der einzelnen Serien, als die Stilanalyse. Und damit kommen wir zu einem zweiten Vorstadium. Es genügt nicht, die Masse des Materials nach dem Gesichtspunkt der Stempelgleichheit zu klassifizieren, die für die vorchristlichen Münzen nur ganz vereinzelt nachzuweisen ist. Man hat vielmehr nach eingehender Stilbeobachtung in grossen Zügen die zeitliche Abfolge der autonomen Prägung einer Stadt zu bestimmen. Hierzu bedarf es der Münz reihen; das Einzelobjekt hat vom historischen Standpunkt aus nicht wie die Inschrift seinen Wert in sich; es erhält ihn erst als Teil einer Reihe. Dieses Arbeitsstadium erfordert noch intensivere Geduld, als das vorhergehende, denn in ihm betreten wir das Gebiet subjektiven Gefühls. Abgesehen davon, dass dieses als eine Gabe niemals in dem Masse zu erlernen ist, wie es zu seiner vollen Ausnutzung geschehen sollte, und abgesehen davon, dass die Stilanalyse niemals in Worten vollwertig begründet werden kann, wird man nicht bestreiten dürfen, dass wie in der Archaeologie so auch in der Numismatik auf diese Weise gewisse feste Anhaltspunkte gewonnen werden können und müssen. Daher genügt in keinem Falle, wenn man nur mit historischem Rüstzeug an die Corpusarbeit geht ohne das Vermögen, die kunstgeschichtliche Entwickelung bestimmen zu können. Da wird. man nun wieder und wieder von vorne beginnen, zu ordnen und umzuordnen, um der über Jahrhunderte zu verteilenden vorchristlichen griechischen Münzprägung in grossen Zügen ihre Abfolge anzuweisen, dabei aber stets die Grenze im Auge zu behalten streben, die meistens mit halben Jahrhunderten zu rechnen heisst und nur selten mit Dezennien oder gar Jahren.

Dann beginnt die Arbeit, die sichereren Zeugen zu prüfen und zwar in erster Linie die antike Litteratur und die Inschriften, in zweiter die. Kunstdenkmäler. Diese Untersuchung hat vor der eigentlichen Katalogisierung des Münzmaterials zu geschehen, denn sie liefert in manchen Fällen erst die Basis und ihre Nichtbeachtung würde eine wesentliche Begründung der chronologischen Aufstellung verhindern. Diese über das numismatische Gebiet hinausreichenden Vorstudien sind nicht weiter auszudehnen, als es für die Aufstellung der Chronologie erforderlich ist, und der Redactor hat hier von Fall zu Fall gewissenhaft zu untersuchen, wie weit er darin gehen darf. Er wird neben dem rein Numismatischen im ganzen wesentlich die ökonomischen, kommunalen, kommerziellen und politischen Beziehungen kennen müssen, sich ferner den hiermit eng verbundenen religiösen Einwirkungen zu widmen haben und darf auch das kunstgeschichtliche Gebiet nicht ausser Augen lassen, natürlich ohne daran zu denken, der Erörterung aller dieser Fragen im Corpus selbst Raum zu geben.

Wie geht nun die Beschaffung des Materials vor sich? Auf absolute Vollständigkeit ist hier noch weniger als auf anderen Gebieten Anspruch zu machen. Denn wenn es kaum Privatsammlungen antiker Inschriften gibt, so eine unzählbare Menge von privaten Münzkollektionen. Sind auch

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hierbei von vorn herein gewisse Einschränkungen bei deren Auswahl gegeben, so muss es dennoch als Prinzip gelten, auch an den kleinsten nicht vorüberzugehen, wenn sie sich auf dem Wege ohne zu grossen Aufwand an Zeit und Kosten erreichen lassen. So werden ausgedehnte Reisen durch fast alle europäischen Länder notwendig, die selbst Jahre erfordern und eine solche Menge von Material liefern, dass dessen Sichtung allein wiederum etwa dieselbe Zeit beansprucht. Und wie geschieht die Aufnahme und das Zusammenarbeiten? Nach sorgfältiger Prüfung der Münze auf ihre Echtheit — ein notwendiges Verfahren, auf das der Epigraphiker nur in den seltensten Fällen Zeit und Mühe zu verwenden hat steht in erster Linie die exakte Beschreibung von Legende und Typus vor dem Original, und hier finden sich der numismatische und der epigraphische Arbeiter in der Art ihrer Tätigkeit. Beide müssen aber darauf bedacht sein, eine Nachprüfung fern vom Original zu ermöglichen. Genügt dem Epigraphiker hier der das Negativ und Positiv gleichzeitig vereinigende Abklatsch, so ist das Verfahren für den Numismatiker dadurch umständlicher, dass er zunächst das Negativ in Siegellack, Stanniol oder anderen Stoffen, und zwar von Vorderseite und Rückseite der Münze einzeln, herzustellen hat, um aus diesem durch Gipsansguss das Positiv zu erhalten. Ist der Abklatsch von der Inschrift gelungen, so bedarf es keiner weiteren Manipulation, um ihn gebrauchsfähig zu machen. Bevor aber der einmal gewonnene Gipsabguss einer Münze seinem Zwecke dienen kann, muss erst ein Beschneiden des Randes, eine Glättung der Rückseite u. s. w. vorgenommen werden. Und zwar ist dies gewöhnlich anderen Händen nicht zu überlassen, da auf der Rückseite des Gipsabgusses die Bezeichnung der Sammlung, Gewichtsangabe und andere Notate Platz finden müssen und durch Irrtümer Nichtkundiger beträchtliche Zeitverluste unvermeidlich werden. Ein den Abklatschen entsprechendes Verfahren, nämlich die Münze in Papier abzudrücken, genügt zu oberflächlicher Identifizierung des Typus flacher Gepräge, ist jedoch für die Corpusarbeit, d. h. für Beobachtung von Stempelgleichheit. Stil. Lesung der Legende, Feststellung von Ueberprägungen u. s. w. nur irreführend und als Hülfsmittel daher besser ganz auszuschalten.

Während beim Beginn der Corpusarbeit grösserer Wert auf die Münzbeschreibung, als auf Abdrücke gelegt wurde, hat erst die Praxis die eminente Wichtigkeit der letzteren ergeben, wie später noch an einigen konkreten Beispielen gezeigt werden soll. Dass man aber so schon für relativ beschränkte Arbeitsgebiete mit Tausenden von Abdrücken zu rechnen hat, liegt auf der Hand.

Nicht unbedeutenden Verzug endlich verursacht bei der Aufnahme der Münzsammlungen der für den Epigraphiker sich erübrigende Gebrauch der Wage. Vollständige Gewichtslisten der Gepräge in den Edelmetallen nicht nur, sondern möglichst auch der vorchristlichen Bronzestücke sind aus verschiedenen Gründen notwendig. Denn erst so wird ein grundlegendes

Material geschaffen, um die überaus schwierigen Fragen nach den Währungen und ihrem Wechsel, den Reduktionen des Münzfusses und ähnlichen Vorgängen innerhalb einer Stadt oder eines Gebietes der Lösung näher zu bringen. Aber auch die Gruppierung von Serien kann hierdurch unter Umständen erleichtert werden und ferner sichert das Gewicht nicht selten die Identifizierung von Stücken, die in anderen Besitz übergegangen sind.

Sind hiermit die hauptsächlichsten Stadien der Arbeit an dem Münzmaterial selbst angedeutet, so erübrigt noch ein Wort über die numismatische Litteratur, mit der sich der Redactor schon vorher eingehend beschäftigt haben muss. Auch hier wieder ein charakteristischer Unterschied gegenüber der Litteratur der Inschriften. Während bei diesen nur wichtigere Stücke an mehr als einer Stelle publiziert resp. besprochen werden und zwar im ganzen wesentlich erst in der wissenschaftlichen Litteratur des XIX. Jahrh., ist auch die gewöhnlichste Münze, weil eben im Gegensatz zur Inschrift in vielen Exemplaren vorhanden, oft veröffentlicht und das nicht nur in dem verflossenen Saeculum, sondern schon seit den Zeiten des XVI. Jahrh. Diese sich also über 400 Jahre erstreckende Litteratur ist in ihrem Werte noch viel ungleicher, als die epigraphische. Denn letztere war immer wissenschaftlich, während die Münzpublikationen bis auf Eckhel einen überwiegend dilettantischen Charakter zeigen und oft durch einen Wust falsch angebrachter, mühsam herbeigeholter Gelehrsamkeit verdunkelt sind. Eine Kritik dieser Litteratur, ihre Sichtung nach bestimmten Regeln, ist die in den Plan des Corpus Nummorum einbegriffene Aufgabe und dieses vermöchte seinen Zweck nicht voll zu erfüllen, wollte es auf die Verwertung jenes Materials verzichten. Da ergibt sich nun zunächst die Notwendigkeit, das Abhängigkeitsverhältnis verschiedener Beschreibungen untereinander zu ermitteln, d. h. die Urbeschreibung aufzusuchen und die ohne Autopsie nur abschreibende Litteratur als solche festzustellen. Auf diese Weise wird der Ausgangspunkt und die Verbreitung fehlerhafter Beschreibungen - ungenau sind die älteren alle, die je weiter zeitlich zurückliegend, desto häufiger sind, leicht erkannt und unschädlich gemacht. Denn wieviel Falsches auf Grund solcher noch in der neuesten Litteratur der Altertumswissenschaft spukt, liesse sich an vielen Beispielen dartun. Diese Bearbeitung der Litteratur ermöglicht ferner, wichtige Beiträge zur Geschichte älterer Münzsammlungen und ihrer Schicksale zu liefern und hierdurch zur Verkleinerung des Litteraturballastes beizutragen. Wenn wir z. B. eine seltene Münze desselben Typus aus den Sammlungen des Gottifredi, der Königin Christina von Schweden und der Pariser Bibliothèque Nationale beschrieben finden, so können in der Regel sämtliche Zitate der beiden ersteren aus der Liste der nicht mehr nachweisbaren Stücke genommen und dem Pariser Exemplar beigefügt werden, da gründliche litterarhistorische Forschungen diese Stadien des Besitzwechsels aufgedeckt

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