ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Von diesem Standpunkt gewinnt nun auch der Tod der vernunftlosen Lebewesen neues Licht. Wie alles in der sichtbaren Welt dem Menschen zu dienen bestimmt ist, so läßt sich auch in Wahrheit sagen: um des Menschen willen sterben die vernunftlosen Wesen, und zwar nicht bloß um seinen natürlichen Bedürfnissen, sondern auch um seinem sittlichen Leben zu dienen, oder um ihm in der Vorbereitung auf den Tod behilflich zu sein. In der Tat, wie zweckmäßig ist alles hierzu eingerichtet! Dieses ewige Geborenwerden und Sterben, Entstehen und Vergehen, dieser nie endende Wechsel, wie sind sie geeignet, das Herz vom Irdischen loszulösen! Das Herz strebt nach bleibendem, dauerndem Glück. Unwiderstehlich sucht es einen festen Ruhe und Angelpunkt, an dem es sich anklammern kann. Aber wohin auch das Auge schweift, von allen Seiten tritt ihm in tausend wechselnden Gestalten der Tod vor die Seele und mahnt es an die Vergänglichkeit alles Irdischen; nirgends Ruhe, nirgends dauernder Bestand des Lebens, überall Wechsel und Umwandlung, Entstehen und Vergehen. So wird das Herz verhindert, seine volle Befriedigung, sein leztes Ziel in diesen irdischen Dingen zu suchen. Unbefriedigt strebt es über alles Irdische hinaus nach den unwandelbaren, ewigen Gütern des Jenseits.

Wie kräftig mahnt uns ferner der Tod aller uns umgebenden Lebewesen an unser eigenes baldiges Ende! Alles um uns her ruft uns ein beständiges Memento mori zu. Der Tod anderer ist die Bedingung unseres Lebens. Der Tod befruchtet unsere Felder. Damit wir uns kleiden und nähren, müssen andere Wesen dem Tode zum Opfer fallen.

Führwahr, wunderbar zweckmäßig greift alles in der gesamten Natur in= einander, sich gegenseitig helfend, ergänzend, vervollkommnend zu einem einheitlichen, großen, harmonischen Ganzen. Der unmittelbare Zweck dieses Ganzen ist der Mensch. Er soll, in den wechselnden Kreislauf dieser Dinge hineingestellt und in denselben mit seinem sinnlichen Teile verwoben, durch das Wandelbare hindurch dem ewig Unwandelbaren zustreben. Auf der Leiter des Hinfälligen und Beschränkten sollen Geist und Herz des Menschen zum ewigen, unveränder= lichen Urquell alles Wahren, Guten und Schönen emporsteigen. Darin liegt Gottes Verherrlichung und des Menschen ewiges Wohl.

Drittes Buch.

Von der Norm des sittlich Guten.

Wir kennen jezt die große, von jedem Menschen in diesem Leben zu er= füllende Aufgabe. Er soll sich frei Gott unterwerfen durch Einhaltung der sittlichen Ordnung oder durch ein tugendhaftes Leben und sich so den beseligenden Besitz des unendlichen Gutes im Jenseits sichern.

Aber worin besteht die sittliche Ordnung? Was ist sittlich? Was ist sittlich gut und bös, und woran erkennt man es? Das haben wir nun zu untersuchen.

esse sciremus, vigilare nos Dominus propter adventum furis admonuit, et orationum assiduitate detentos omnibus praeceptorum suorum operibus inhaerere.

Erstes Kapitel.

Begriff der Sittlichkeit.

§ 1. Die Sitte.

Da sittlich und Sittlichkeit von Sitte abgeleitet werden, so müssen wir vor allem feststellen, was man unter Sitte zu verstehen habe. Die Sitte scheint zu jenen Grundbegriffen zu gehören, die klar in jedermanns Bewußtsein stehen und erst dunkel werden, wenn man sie untersuchen und andern erflären will. Zur Klarstellung dieses Begriffes müffen wir also denselben Weg einschlagen, den man bei Erklärung aller derartigen Begriffe einzuhalten hat. Dieser Weg ist aber kein anderer als die Erforschung des Sinnes, den tatsächlich und allgemein die Menschen mit gewissen Wörtern verbinden. Die Sprache ist ja nur das laute Denken, der Spiegel der inneren Gedanken und Urteile. Was heißt also Sitte?

Das Wort Sitte scheint im Deutschen in einer doppelten Bedeutung vorzukommen. a) Im ersten Sinne erscheint Sitte als gleichbedeutend mit Gewohnheit und bezeichnet jede häufige Wiederkehr derselben Handlung, die von unserer freien Selbstbestimmung abhängt. Zur Sitte in diesem Sinne gehört also erstens die häufige Wiederholung derselben Handlung und zweitens die Abhängigkeit dieser Handlung oder wenigstens der Art und Weise, wie sie geschieht, von der freien Selbstbestimmung. Sobald eine Handlung naturnotwendig, also unserer freien Selbstbestimmung entzogen ift, reden wir nicht mehr von Sitte. Wir sagen nicht, es sei die Sitte der Menschen, zu schlafen, zu essen, weil diese Handlungen, wenigstens ihrer Art nach, naturnotwendig sind. Höchstens kann sich in Bezug auf die Umstände derselben, in denen der Freiheit ein Spielraum gelaffen ist, eine Sitte bilden. So kann jemand die Sitte haben, früh aufzustehen oder schlafen zu gehen oder sehr enthaltsam zu sein.

In diesem ersten Sinne entspricht dem deutschen „Sitte" (Gewohnheit) so ziemlich das griechische dos und das lateinische mos.

b) Im zweiten Sinne bedeutet Sitte jede häufige Wiederholung derselben Handlung, die aus einer dauernden Neigung hervorgeht, mag nun diese Neigung durch freie Angewöhnung erworben oder von Natur aus vorhanden oder sonstwie entstanden sein. Die Sitte in diesem Sinne entsteht vielfach aus der Gewohnheit, indem die Handlung durch häufige freie Wiederholung in uns eine dauernde Neigung erzeugt und dann aus Neigung fortgesetzt wird1. Die Sitte in dieser zweiten Bedeutung heißt im

1 Vom deutschen Sitte scheint also fast zu gelten, was der hl. Thomas von Aquin von dem entsprechenden lateinischen mos jagt: Mos dupliciter dicitur. Uno modo est idem quod consuetudo (Gewohnheit). Consuetudo autem importat quandam frequentiam circa ea, quae facere vel non facere in nobis est. . . . Inde tractum est nomen moris ad significandum actus voluntarios vel appetitivae partis secundum inclinationem appetitus ad huiusmodi actus, quae quidem inclinatio quandoque est ex natura, quandoque ex consuetudine, quandoque ex infusione (In 3 dist. 23, q. 1, a. 4; vgl. 1, 2, q. 58, a. 1).

"

Griechischen dos. Doch waltet insofern ein Unterschied ob, als dos nicht bloß wie unser Sitte" die häufig wiederkehrende und aus erworbener Neigung hervorgehende Handlungsweise bezeichnet, sondern zuweilen auch die innere dauernde Willensneigung. Deshalb wird zdos manchmal geradezu für Charakter und Gesinnung gesezt.

Die Sitte im zweiten Sinne (dos) ist also später als die Gewohn= heit (Sitte im ersten Sinne, ědos). Sie verhalten sich zueinander wie Wirkung und Ursache. Die freie Wiederholung derselben Handlung (ědos, Gewohnheit) bewirkt die dauernde Willensrichtung und Neigung, indem die Gewohnheit zur zweiten Natur wird, und so entsteht die Sitte (dos)1. Man könnte die Sitte in diesem Sinne auch die gefestigte Gewohnheit nennen.

Die Sitten können gut oder schlecht, verwerflich oder lobenswert, an= genehm, liebenswürdig, abstoßend, auffallend usw. sein. Doch werden im Deutschen vorzugsweise jene Gewohnheiten Sitten genannt, die entweder lobensoder tadelnswert sind, seltener die gleichgültigen. Die schlechte Sitte heißt auch Unfitte. Zuweilen wird sogar Sitte ohne Zusah nur von den guten und edeln Gewohnheiten gebraucht. Man darf daraus nicht folgern, nur die guten und edeln Gewohnheiten, und zwar nur die einer ganzen Gemeinschaft, seien Sitten im eigentlichen Sinne 2. Dem widerspricht der allgemeine Sprachgebrauch, der in dieser Frage entscheidendes Ansehen hat. Allerdings heißen die guten Sitten, besonders die ganzer Genossenschaften, mit Vorzug einfachhin Sitten, weil oft die vorzüglichste Art einer Gattung den Namen der ganzen Gattung trägt. Sie sind die auffälligste, dauerndfte und wichtigste Art von Sitten. Die Sitten des einzelnen sind nur der Ausdruck der Gesinnung eines einzigen, die Sitten ganzer Gemeinschaften aber der sichtbare Ausdruck, die finnenfällige Gewandung der Anschauungen und Neigungen eines ganzen Volkes. Sie sind das Ergebnis des Zusammenwirkens vieler während langer Zeit und oft das gemeinsame Band der sich folgenden Geschlechter. Bei der eigentlichen Volkssitte kommt hierzu noch der oft poetische Zauber, den die naive, unge= fünftelte Unmittelbarkeit eines noch unverdorbenen kindlichen Gemütes über die äußeren Gebräuche verbreitet.

§ 2. Arsprüngliche Bedeutung von kittlich und Sittlichkeit.

1. Sittlich wird von Sitte abgeleitet und bezeichnet zunächst und im eigentlichsten Sinne eine den freien menschlichen Handlungen ausschließlich zukommende Eigenschaft. Worin besteht diese Eigenschaft? Was wollen wir sagen, wenn wir eine Handlung sittlich nennen?

Vor allem müssen wir einen weit verbreiteten Irrtum ausschließen. Sitt= lich ist nicht gleichbedeutend mit sittlich gut. In der deutschen Sprache wird zwar nicht selten sittlich für sittlich gut und unsittlich für sitt=

1 Arist., Magna Moral. I, c. 6, 1186, a. 1: Tò yàp žvos àñò toù žvous exer τὴν ἐπωνυμίαν· ἠθικὴ γὰρ καλεῖται διὰ τὸ ἐθίζεσθαι. gl. Ethic. Nic. II, 1. So z. B. Frid, Über das Wesen der Sitte, in Zeitfragen des christl. Volkslebens IX, Hft 8.

lich schlecht gebraucht. So reden wir von einer unsittlichen Handlung 1. Aber das ist nur eine abgekürzte Redeweise. Wir unterscheiden sittlich gute, jittlich schlechte und sittlich gleichgültige Handlungen, sittlich gute und sittlich verwerfliche Gewohnheiten. Eine sittliche Handlung ist also ein Gattungsbegriff, der den sittlich guten, sittlich gleichgültigen und sittlich schlechten Handlungen gemeinsam ist, etwa wie der Begriff Tier dem Löwen, Pferde und Adler. Sittlich bezeichnet eben jene Eigenschaft an den menschlichen Handlungen, durch die fie des Lobes oder Tadels, des Verdienstes oder der Strafe usw. fähig werden.

Was ist nun dieses Gemeinsame in den freien menschlichen Handlungen, das wir mit sittlich, oder abstrakt gefaßt, mit Sittlichkeit bezeichnen? Wer sich bei den neueren Moralphilosophen über diesen grundlegenden Begriff Rat holen will, wird sich nicht wenig enttäuscht finden. Sehr vielen scheint diese Frage überhaupt gar nicht zum Bewußtsein gekommen zu sein. Andere begnügen sich mit der Bemerkung, sittlich sei alles, was sich auf die Sitten beziehe. Wieder andere nehmen sittlich für gleichbedeutend mit sittlich gut.

Bei katholischen Moralphilosophen finden wir drei Ansichten über das Wesen der Sittlichkeit.

Die erste behauptet, die Sittlichkeit bestehe in der Beziehung der freien Handlung zur Sitten norm. Stimme die Handlung mit dieser Norm überein, so sei sie sittlich gut; sonst gleichgültig oder schlecht. Diese An= sicht ist nicht unrichtig, aber ungenügend. Es sind mancherlei Beziehungen der freien Handlungen zur Sittennorm denkbar. Es bliebe also noch zu bestimmen, welcher Art die Beziehung sei, welche die Handlung zur sittlichen mache. Wenn ich frei an die Sittennorm denke, so hat dieser Gedanke auch eine Beziehung zu derselben, ist aber doch nicht sittlich wegen dieser Beziehung.

Die zweite Ansicht ergänzt deshalb die vorgenannte Meinung und be= hauptet, die Sittlichkeit bestehe in der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung der freien Handlung mit der Sitten norm. Stimmt eine Handlung mit der Sittenregel überein, so ist sie gut; sonst schlecht oder wenigstens gleichgültig. Doch diese Ansicht verwechselt das sittlich Gute und sittlich Böse mit dem Sittlichen überhaupt. Das Sittliche ist ein Gattungsbegriff, der sowohl vom Guten als vom Bösen ausgesagt werden kann, also beiden gemeinsam ist. Nun aber haben die Übereinstimmung und Nichtübereinstimmung einer Handlung mit der Sittennorm als solche nichts Gemeinsames, sie bieten keine Grundlage zu einem Gemeinbegriff, der sie beide als Arten gleichmäßig umfaßte 2. Höchstens könnte man sagen, beide ent= hielten eine Beziehung zur Sittennorm, und diese Beziehung bilde die Sitt

1 Dasselbe gilt vom Französischen, Italienischen und Englischen, dagegen nicht vom Griechischen und Lateinischen. Den Gegensatz zu dem Sittlichen in diesem engeren Sinne bildet das Unfittliche, d. h. sittlich schlechte. Dagegen bildet den Gegensak zum Sittlichen als allgemeinen Gattungsbegriff das Nicht-Sittliche, d. h. das außerhalb des fittlichen Gebietes Liegende, z. B. die Betätigungen der Tiere, die Handlungen eines Wahnsinnigen oder eines Kindes, bevor es zu den Jahren der Unterscheidung ge= tommen ist.

2 Suarez, De bonitate et malit. act. hum. disp. 1, sect. 2, n. 8.

lichkeit. Aber mit dieser Antwort fiele die Ansicht wieder in die vorhin besprochene zurück.

Die dritte Ansicht endlich, die uns die richtige scheint, sieht in der Sittlichkeit nicht etwas in Wirklichkeit von der freien Handlung Verschiedenes, sondern nur eine bestimmte Art und Weise, wie die Handlung aus der Vernunft und dem Willen hervorgeht. Geschieht eine Handlung in der Weise, daß die Vernunft aufmerkt auf das Verhältnis derselben zur Richtschnur des menschlichen Handelns und der Wille frei ist in der Entschließung, so ist die Handlung sittlich; sonst ist sie nicht sittlich, d. h. eine Handlung, die nicht mehr sittlicher Beurteilung unterliegt, die wir weder loben noch tadeln können.

Zur Sittlichkeit gehören also zwei Dinge: 1. daß die Vernunft die Handlung, die man zu vollbringen im Begriffe steht, nach ihrer Beziehung zur Sittenregel beurteile; 2. daß der Wille im Lichte dieser Erkenntnis sich frei zur Tat entschließe. Ist beides vorhanden, so ist die Handlung sittlich und empfänglich für all die Attribute, die wir als mit der Sittlichkeit verbunden ansehen: sie kann jezt gut oder schlecht, lobenswert oder tadelnswert, verdienstlich oder sträflich sein. Die Sittlichkeit bezeichnet also nur eine bestimmte, dem vernünftigen Wesen eigentümliche Weise, wie die Handlung aus der Vernunft und dem Willen hervorgeht. Man kann sie deshalb definieren: die Abhängigkeit der Handlung vom freien Willen und der auf die Sittenregel achtenden Vernunft1. Sagt mir die Vernunft, eine Handlung sei der Sittenregel entsprechend, und ich entschließe mich frei zu derselben, so ist die Handlung sittlich gut; sagt mir die Vernunft, die Handlung widerspreche der Sittennorm, und ich entschließe mich trotzdem frei dazu, so ist sie fittlich schlecht. Die Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit der Sittennorm gehört also nicht zum Gattungsbegriff des Sittlichen, sondern ist der Art= unterschied, welcher die sittliche Handlung zur sittlich guten oder schlechten macht.

Welches diese Sittennorm sei, nach der die Vernunft die Handlungen beurteilt, ist an dieser Stelle noch ganz gleichgültig. Denn welche Norm man auch für die richtige ansehe, immer wird man den Begriff der Sittlichkeit in obiger Weise erklären müssen. Allerdings irgend eine Norm, an der die Handlungen, noch bevor man sie vollzieht, gemessen und beurteilt werden, sezt die Sittlichkeit notwendig voraus. Man kann diese Norm und das Verhältnis der Handlungen zu ihr das objektive Element des Sittlichen oder besser die objektive Voraussetzung des Sittlichen nennen. Aber erst dadurch ent= steht das Sittliche im eigentlichen Sinne, daß die Vernunft an der Hand der Sittennorm die Handlung beurteilt und der Wille sich frei zu der so be= urteilten Handlung entschließt 2.

1 Suarez, De bonitate et malit. act. hum. disp. 1, sect. 2, n. 15. Kurz faßt der hl. Thomas das Gesagte in die Worte zusammen: Actus sunt morales secundum quod procedunt a ratione (Summ. 1, 2, q. 18, a. 5), und anderswo nennt er die menschlichen Handlungen moralisch: in quantum aliquatenus ratione deducuntur (In 2, dist. 40, q. 1, a. 5).

2 Manche älteren Theologen scheinen die Sittlichkeit als identisch mit der Frei= heit aufzufassen (3. B. Becanus, De bonitate et malit. actuum hum. c. 3, q. 4;

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »