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2. Aus der aufgestellten Begriffsbestimmung des Sittlichen ergeben sich zwei wichtige Folgerungen.

a) Bloß die Akte des Willens selbst sind unmittelbar aus sich sittlich. Der Wille allein ist formell frei; er allein hat aus sich die Herrschaft über sein Tun und Laffen; er allein ist für dasselbe aus sich verantwortlich, des Lobes oder Tadels würdig. Alle andern Fähigkeiten des Menschen sind nur insofern frei, als sie an der Freiheit des Willens teilnehmen und von ihm zum Handeln angetrieben werden. Deshalb sind auch die Betätigungen der übrigen Fähigkeiten nur insofern sittlich, als sie vom freien Willen abhangen. Lesen, gehen, reden sind also nur so lange und so weit sittlich, als sie vom freien Willen ausgehen. Ist der freie Wille nicht mehr dabei, sei es nun wegen Mangel an Erkenntnis oder weil dem Menschen gegen seinen Willen Gewalt angetan wird, hören diese Handlungen auf, sittliche zu sein. Wir sehen schon hier, wie sich alle moralphilosophischen Untersuchungen um den freien Willen als um ihren Mittelpunkt konzentrieren.

b) Zweite Folgerung. Die Sittlichkeit oder das Ethos, wie man sich auszudrücken beliebt, ist etwas wesentlich Individuelles, Persönliches, oder mit andern Worten, der eigentliche und unmittelbare Träger der Sittlichkeit kann nicht die Gesellschaft, sondern nur die Einzelpersönlichkeit sein. Hieraus folgt dann weiter, daß der Begriff einer Sozialethik im Unterschied zur Individualethik, den man seit Schleiermacher in die Moralphilosophie einzuführen versucht hat, einen Widerspruch enthält 1.

Kann etwa eine Gesellschaft als solche Böses tun, sich Tugenden erwerben, das Gewissen erforschen, das eigene Verhalten bereuen u. dgl.? Nein und abermals nein! Der Staat als Gesamtheit, und dasselbe gilt von jeder Gesellschaft, hat weder Verstand noch freien Willen und kann deshalb für sein Tun und Lassen weder gelobt noch getadelt, weder belohnt noch bestraft werden. Nur die einzelnen Personen im Staate sind frei und verantwortlich für ihre Handlungen, allerdings nicht bloß in persönlicher, sondern auch in gesellschaft= licher Beziehung; denn der Mensch hat auch Pflichten gegen die Gesellschaft, mag er nun Vorgesezter oder Untergebener sein.

Gleichwie es im eigentlichen Sinne keine Gesamtvernunft, keine Gesamtfreiheit, kein Gesamtleben der Nation oder der Menschheit gibt und dieser Ausdruck nichts anderes bedeuten kann als die Summe aller Einzelleben, insofern sie sich gegenseitig bedingen und beeinflußen, so kann auch die GesamtSittlichkeit eines Volkes (nationales Ethos!) oder der Menschheit nichts anderes bedeuten als die Summe individueller Sittlichkeiten, insofern sie gegenseitig von

Ad. Tanner, Theol. scholast. II, De actib. hum. disp. 2, q. 1, n. 36). Allein in Wirklichkeit stimmen fie mit der von uns dargelegten Ansicht vollständig überein. Denn fie behaupten meistens ausdrücklich, die Handlung müsse, um sittlich genannt zu werden, gerade in Bezug auf ihr Verhältnis zur Sittennorm oder ihre Gutheit und Schlechtheit frei sein. Also muß auch die Vernunft die Handlung unter dieser Rücksicht er= fannt haben.

1 Vgl. hierüber unsere Abhandlung: „Sozialethik oder Individualethik?" im Philosoph. Jahrbuch 1892, 121 ff.

einander abhangen. Das sittliche Verhalten eines jeden Menschen wird zwar in tausendfacher Weise von der umgebenden Gesellschaft beeinflußt, sowohl im Guten als im Bösen; trozdem bleibt die Sittlichkeit im eigentlichen Sinne etwas wesentlich Persönliches, Individuelles, weil nur die Einzelpersönlichkeit Verstand und freien Willen hat.

Es ist deshalb die Verschiebung des Sittlichen vom Gebiet des Individuums auf das der Gesellschaft, die Erweiterung der Individualethik zur Sozialethik, deren sich neuere Schriftsteller1 als eines großartigen Fortschrittes rühmen, eine gänzliche Verkennung des wahren Charakters der Sittlichkeit. Allerdings bleiben sich Hegel, Schleiermacher und andere Pantheisten mit dieser Übertragung der Sittlichkeit auf das Gesellschaftsleben insofern folgerichtig, als sie jede Willensfreiheit leugnen und das Individuum zu einem Rad in dem großen Triebwerk des Weltalls machen. Überhaupt können die Leugner der Willensfreiheit nur aus Inkonsequenz noch von Sittlichkeit reden.

3. Mit der Sittlichkeit hängt innig zusammen die Zurechnungsfähigkeit und Verantwortlichkeit. Unter Zurechnung versteht man das Urteil, durch welches wir ein Tun oder Lassen mit seinen Folgen jemand als seinem Urheber zuschreiben, ihm dasselbe gewissermaßen auf die Rechnung schreiben. Wann können wir nun mit Fug und Recht jemand ein Tun oder Lassen als dem eigentlichen Urheber auf die Rechnung sezen? oder mit andern Worten: Wann ist jemand für irgend ein Tun zurechnungsfähig? oder was dasselbe ist, wann kann er dafür verantwortlich gemacht werden? Nur dann, wenn er erstens mit Bewußtsein und zweitens mit Freiheit handelte. Er muß also den Charakter seines Handelns erkannt und es in seiner Gewalt ge= habt haben, die Handlung zu unterlassen. Wenn jemand ein Haus behüten sollte, aber plöglich von einer Räuberbande überfallen und geknebelt wurde, so kann man ihm die Beraubung des Hauses nicht auf die Rechnung sehen, ihn dafür nicht verantwortlich machen, loben oder tadeln, belohnen oder strafen. Warum? Weil es gar nicht in seiner Macht stand, diese Beraubung zu ver hindern. Er war nicht frei. Und dies würde auch der Fall sein, wenn er bei vollem Bewußtsein hätte zusehen müssen, wie das Haus geplündert wurde.

In dem genannten Beispiel wurde die Freiheit des Handelns durch äußere Gewalt verhindert. Die Freiheit kann aber auch verhindert werden durch unverschuldete Unkenntnis. Unser Wille kann sich nur in Bezug auf das betätigen, was der Verstand erkennt. Wenn also jemand eine Handlung vollbringt, deren fittlichen Charakter er gar nicht oder nicht vollständig erkennt, so ist er in Bezug auf diese Seite der Handlung entweder gar nicht oder nicht vollständig zurechnungsfähig und deshalb trifft ihn dafür auch keine Schuld (S. 75). Wir können also sagen: der eigentliche, formelle Grund für die Zurechnungsfähigkeit und Verantwortlichkeit in Bezug auf gut und bös ist die Sittlich= teit in dem eben erklärten Sinne. Nur wenn und soweit sich jemand bewußt ist, daß sein Handeln gut oder bös sei, und wenn und soweit er zugleich in Bezug auf dasselbe frei ist, kann man ihm dasselbe zurechnen und ihn dafür zur Verantwortung ziehen.

13. B. Ziegler, Sittl. Sein und fittl. Werden 112 ff 134.

K. Stange behauptet, für den Begriff der Verantwortlichkeit seien nur zwei Momente von konstitutiver Bedeutung: das Gefühl der Verantwortlichkeit bringe den Menschen zum Bewußtsein, erstens, daß eine bestimmte Handlung der Verurteilung durch die sittliche Norm unterliegen würde, und zweitens, daß die sittliche Norm, durch welche die Handlung verurteilt wird, sich nicht bloß auf die Handlung, sondern auf die Beschaffenheit des Willens, welcher hinter der Handlung steht, bezieht. Aber welches ist denn die Beschaffenheit des Willens, welche im Be= wußtsein der Verantwortlichkeit zum Ausdruck kommt? Eben die Freiheit. Ich bin mir bewußt, daß ich die Handlung frei seße, es stand in meiner Gewalt, sie zu unterlassen, aber frei habe ich mich dazu entschlossen und deshalb fühle ich mich auch verantwortlich für dieselbe. Stange wendet ein, das Gefühl der Verantwortlichkeit mache sich auch in solchen Fällen geltend, wo der Mensch notorisch nicht frei ist. „Wenn jemand Sklave irgend eines Lasters und also offenkundig unfähig ist, der sittlichen Forderung zu gehorchen, so könnte das Gefühl der Verantwortlichkeit überhaupt nicht entstehen.“ Und doch mache es sich geltend. Wir leugnen entschieden, daß ein Mensch, solange er den vollen Gebrauch der Vernunft hat, jemals so der Sklave einer Leidenschaft werden könne, daß er ihr folgen müsse. Gerade deshalb behält der Sklave der Leidenschaft das Bewußtsein der Verantwortlichkeit, weil er klar einsieht, daß er der Leidenschaft widerstehen könnte und sollte, auch wenn es ihm schwer fällt. Und dann: wie ist es gekommen, daß jemand der Sklave einer Leidenschaft wurde? War er etwa gezwungen, ein solcher zu werden? Nein, er ist der Silave geworden, weil er oft und frei gegen seine bessere Überzeugung der Leidenschaft gefrönt hat.

§ 3. Abgeleitete Bedeutungen des Sittlichen.

Die im vorigen Paragraphen erörterte Bedeutung des Sittlichen ist die eigentliche, ursprüngliche und eine ausschließliche Eigenschaft der freien vernünftigen Handlungen. Von den menschlichen Handlungen wurde die Benennung „sittlich“ auf andere Gegenstände übertragen, die zu den sittlichen Handlungen in Beziehung stehen. Wir reden von sittlichen Gesezen (Sittengesehen), sittlichen Tugenden, sittlicher Verpflichtung, sittlicher Ordnung, sittlichen Ideen und Grundfäßen, sittlichen Zuständen. Hier wird sittlich nicht mehr im eigentlichen, sondern im übertragenen Sinne gebraucht und bezeichnet alles, was sich auf die sittlichen Handlungen oder genauer auf die Sittlichkeit der Handlungen bezieht und die Handlungen gut oder schlecht, lobens- oder tadelnswert, verdienstlich oder strafbar usw. macht. Gleichwie die Gesundheit im eigentlichen Sinne eine ausschließliche Eigenschaft der Menschen und Tiere ist, aber im analogen Sinne auch andern Dingen zugeschrieben wird, die zur Gesundheit der Sinneswesen in Beziehung stehen, sei es nun als Ursache (ge= junde Luft, Arznei) oder als Zeichen derselben (gefunde Gesichtsfarbe): so werden auch nur die menschlichen Handlungen im eigentlichen Sinne sittlich genannt, im übertragenen Sinne aber alle Dinge, die zur sittlichen Handlung in Beziehung stehen, sei es nun als Ursache, wie z. B. die Norm der sittlichen Handlungen, das Gesetz, oder als Wirkung, wie z. B. das sittliche Verdienst. Die fittlichen Dinge in diesem weiteren Sinne zerfallen in zwei Klassen. Zur ersten gehören diejenigen, die zwar ihrem Sein nach etwas Physisches

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Einleitung in die Ethik. II. Grundlinien der Ethit (1901) 205 ff.

find, aber sittlich genannt werden, weil sie zu den sittlichen Handlungen in Beziehung stehen. So sind z. B. die Fertigkeiten (habitus) etwas Physisches in uns, das durch Übung erworben wird; aber manche von ihnen heißen sittlich, weil sie die Wirkung des sittlichen Handelns sind, und vorzüglich weil sie zum sittlichen Handeln bestimmter Art befähigen.

Zur zweiten Art sittlicher Dinge gehören jene, die ihrem ganzen Sein nach nichts Physisches, sondern nur Beziehungen und Verhältnisse sind, welche der denkende Geist als notwendig erfaßt. Solcher Art ist z. B. die Verpflich= tung, die wir als bleibende Wirkung eines Vertrages oder eines Gebotes an= sehen. Wer ein Gut kauft, hat nach Abschluß des Vertrages das Recht, das Gut als sein Eigentum anzusehen und zu behandeln, und jeder andere hat die Pflicht, dieses Recht zu achten. Dieses Recht und diese Pflicht sind nichts Physisches, und doch sind sie auch nicht etwas willkürlich Ersonnenes. Es sind vielmehr Beziehungen der Menschen untereinander, die der Verstand auf Grund des vorausgegangenen Vertrages und des natürlichen Sittengeseßes als notwendig erkennt, weil ohne sie ein gedeihliches Zusammenleben nicht möglich wäre. Der Verstand denkt sich den Vertrag nicht als etwas einfachhin Vergangenes, sondern faßt ihn als moralisch fortdauernd auf, insofern er einsieht, daß jeder Vernünftige nach demselben so handeln muß, als ob der Vertrag im Augenblicke selbst abgeschlossen würde1. Selbstverständlich sind das keine willkürlichen Fiktionen, sondern Beziehungen, die der Verstand als notwendig zum gesellschaftlichen, geordneten Zusammenleben erfaßt 2.

Die Gesamtheit aller Dinge, die wir als sittlich bezeichnen, bildet die sittliche Ordnung, insofern sie ein zusammenhangendes Ganze, ein System sind, in welchem das Viele durch gemeinsame, einheitliche Beziehungen zusammengehalten wird. Der Mittelpunkt der sittlichen Ordnung sind die sittlichen Handlungen selbst; um sie herum gruppieren sich alle andern sittlichen Dinge, welche das sittliche Handeln beeinflussen oder von ihm abhangen. Wie im Deutschen vielfach sittlich" für „sittlich gut“ gebraucht wird, so bedeutet auch die sittliche Ordnung häufig bloß die Gesamtheit der Normen, mit denen das sittliche Handeln übereinstimmen soll. In diesem Sinne sagen wir, eine Handlung entspreche oder widerspreche der sittlichen Ordnung.

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Ähnlich wie das Wort „sittlich" wird auch der Ausdruck „Sittlichkeit“ von seiner ursprünglichen Bedeutung übertragen zur Bezeichnung aller sittlichen Dinge über»

1 Suarez, De bonitate et malit. act. hum. disp. 1, sect. 3.

2 Nach dem Gesagten find die Worte moralisch“ und „fittlich" im Deutschen feineswegs gleichbedeutend. Moralisch" bedeutet alles, was sich irgendwie auf die freie Handlungsweise der Menschen bezieht. Es hat also eine viel ausgedehntere Bedeutung als das Wort „fittlich". Denn sittlich" bezeichnet nur das freie Handeln selbst oder dasjenige, was mit dem freien Handeln in seiner Beziehung auf sittliche Gutheit und Schlechtheit unmittelbar zusammenhängt. Wir können deshalb in vielen Fällen das Wort „moralisch“ ge= brauchen, wo der Ausdruck „fittlich" unzulässig ist. So reden wir von einer moralischen Ursache, dem moralischen Urheber eines Verbrechens, von einer moralischen Gewißheit, einer moralischen Unmöglichkeit. Wir behaupten, eine moralische Abschäßung sei ge= nügend; jemand sei physisch und moralisch unfähig, etwas zu tun; er habe eine moralische Niederlage erlitten. In allen diesen Fällen könnte man nach dem herrschenden deutschen Sprachgebrauche „moralisch“ nicht durch „sittlich“ erseßen.

haupt, insbesondere der sittlichen Ordnung. So reden wir vom Gebiete der Sittlichkeit, von Religion und Sittlichkeit. Nicht selten bedeutet Sittlichkeit auch die Sittenreinheit in Bezug auf den Verkehr der Geschlechter, während das Gegenteil als Unsittlichkeit bezeichnet wird. So wird geflagt über die Unsittlichkeit, die in den großen Städten herrsche, über die Gefahren, denen die Sittlichkeit der Frauen in vielen Fabriken ausgesezt sei u. dgl.

Zweites Kapitel.

Der Moralpositivismus.

Der Begriff der Sittlichkeit ist, wie wir gesehen, ein Gattungsbegriff. Sittlich ist die Handlung, welche aus dem freien Willen unter Leitung der auf die Sittennorm achtenden Vernunft hervorgeht. Stimmt die Handlung mit der Norm überein, so ist sie sittlich gut; widerspricht sie ihr, so ist sie sittlich schlecht; ist keines von beiden der Fall, so ist sie sittlich gleichgültig. Um zu bestimmen, welche Handlungen sittlich gut seien, haben wir also jezt zu untersuchen, welches die Norm sei, mit der die Handlung übereinstimmen müsse, um gut zu werden.

Die philosophische Erforschung dieser Norm hat jedoch nur Sinn und Zweck, wenn es eine objektive, für alle Menschen gültige Norm gibt; sie sezt voraus, daß sittlich gut und bös nicht willkürliche, nach Zeit und Ort wechselnde, sondern in der Natur der Dinge begründete und deshalb unwandelbare, allgemeine Begriffe seien. Nun gibt es aber nicht wenige, welche diese Voraussetzung bestreiten und uns so die Grundlage unserer folgenden Untersuchung zu entziehen drohen. Es sind die sog. Moralpositivisten, welche behaupten, es gebe keinen natürlichen Unterschied von gut und bös, dieser Unterschied beruhe bloß auf freier, positiver Einsehung.

Man unterscheidet zwei Klassen von Moralpositivisten. Die einen erblicken den lezten Grund des Unterschiedes zwischen gut und bös in irgend einer Veranstaltung der Menschen, die andern in der freien Bestimmung Gottes. Wir wollen die lettere Ansicht den the onomen Moralpositivismus oder den Moralpositivismus des göttlichen Willens nennen, die erstere dagegen den anthroponomen Moralpositivismus oder besser Moralskeptizis mus. Die lettere Benennung ist deshalb begründet, weil diese Ansicht nichts als allgemein gut oder bös anerkennt, dadurch die Moralphilosophie gegenstandslos macht und jede sichere Erkenntnis auf sittlichem Gebiete in Frage stellt.

Erster Artitel.

Der Moralskeptizismus.

§ 1. Die Lehre der Moralskeptiker.

Der Moralskeptizismus hat schon in der griechischen Philosophie Vertreter gefunden. So behauptete Archelaus, der Unterschied zwischen Recht und Unrecht, zwischen gut und bös beruhe nicht auf der Natur der Dinge, sondern

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