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§ 2. Widerlegung des Moralpofitivismus des göttlichen Willens.

Wir geben unsern Gegnern zu, daß manche Handlungen bloß deshalb böse sind, weil sie von der rechtmäßigen Autorität verboten wurden. Wenn z. B. das Gesez an Sonn- und Festtagen Enthaltung von knechtlicher Arbeit befiehlt, so ist die Arbeit an diesen Tagen nicht ihrer Natur nach, sondern bloß deshalb böse, weil sie von der rechtmäßigen Obrigkeit untersagt wurde. In gleicher Weise kann auch Gott etwas verbieten oder gebieten, was seiner Natur nach nicht sittlich bös ist.

Wir behaupten ferner nicht, daß alle Eigenschaften, die wir tatsächlich dem sittlich Guten oder Bösen zuschreiben, vom göttlichen Gebot unabhängig seien. Die Verpflichtung, die Verdienstlichkeit und überhaupt der fittliche Vollwert der Handlungen sind durch das ewige Gesetz Gottes bedingt. Unsere Behauptung ist also bloß: auch abgesehen von jedem göttlichen Verbote seien manche Handlungen schon aus sich und ihrer Natur nach irgendwie böse, so daß sie gerade deshalb notwendig von Gott verboten werden mußten.

1. Als ersten Beweis gegen den theonomen Moralpositivismus können wir den schon oben (S. 152) an vierter Stelle gegen den Moralskeptizismus geltend gemachten anführen. Es gibt viele Handlungen, die ihrer Natur nach dem Menschen unangemessen sind und der rechten Ordnung widersprechen.

Die meisten unserer Gegner gehen von der Voraussetzung aus, die Wesen= heiten der Dinge hätten ihren lezten Grund im freien Willen Gottes. Das ist aber unrichtig. Daß ein Kreis nicht viereckig sein könne, hängt nicht vom Willen Gottes ab. Ebenso sieht Gott vor jedem Willensakt, daß der Mensch ein vernünftig-sinnliches Wesen ist, und daß es ihm als Geschöpf notwendig zukomme, seinen Schöpfer und Herrn zu lieben und zu verehren. Gott kann deshalb auch nie wollen, daß der Mensch nicht als vernünftiges Wesen lebe und als Geschöpf nicht seinen Schöpfer und Herrn liebe und verehre. Wenn er je darauf verzichten könnte, leztes Ziel aller Dinge zu sein, wäre er auch nicht mehr der unendlich Vollkommene.

2. 3st nur gut und bös, was Gottes freier Wille dazu gemacht, so können die Menschen nur durch positive Offenbarung erfahren, was gut und bös ist. Alle diejenigen also, welche mit oder ohne Schuld die positive Offenbarung nicht kennen, wären nicht im stande, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, ein sittlich geordnetes Leben zu führen und dadurch ihr Endziel zu erreichen; mithin müßte man auch die positive Offenbarung für unumgänglich notwendig erklären. Diese Folgerungen sind aber nicht annehmbar.

Man könnte einwenden, unsere praktischen Urteile über gut und bös seien eine Teilnahme am ewigen Geseze Gottes oder eine Ausstrahlung desselben. Das ist richtig, aber wie kommen wir zu diesen Urteilen? Wir können das ewige Gesetz nicht in sich selbst schauen, ebensowenig sind uns diese Urteile angeboren; wir schöpfen sie vielmehr aus der Erfahrung. Wie können wir also ohne Offenbarung erkennen, was geboten oder verboten sei, wenn der Unterschied zwischen gut und bös von dem freien Willen Gottes abhängt ?

3. Die Anhänger des theonomen Moralpositivismus glauben, es würde der göttlichen Vollkommenheit Eintrag tun, wenn man nicht die ganze sittliche Ordnung vom freien Willen Gottes abhängig machte. Aber weit entfernt, die göttliche Vollkommenheit zu erhöhen, zerstört ihre Ansicht die Heiligkeit Gottes. Gottes Heiligkeit besteht darin, daß sein Wille wesentlich nur das Gute und Rechte wollen kann. Sie seht also eine der freien Wahl Gottes nicht unterstehende, ewige Richtschnur alles Wollens voraus, eine Richtschnur, mit der der göttliche Wille selbst nicht frei, sondern notwendig übereinstimmt, so daß gerade in dieser notwendigen Übereinstimmung Gottes Heiligkeit besteht 1. Was bleibt nun von dieser Heiligkeit in der Ansicht unserer Gegner übrig? Nichts. Auf die Frage: Warum ist Gottes Wille unendlich heilig? gibt es nach ihr gar keine Antwort. Höchstens kann man antworten: Gottes Wille ist heilig, weil er will, was er will. Dieser Heiligkeit kann sich aber auch der schlechteste Mensch rühmen.

Es muß also eine objektive, unveränderliche, über alle Zeiten. und Orte erhabene, nicht nur vom Willen der Menschen sondern auch vom freien Willen Gottes irgendwie unabhängige Richtschnur des sittlich Guten und Bösen geben. Welches diese Norm sei, haben wir jetzt zu bestimmen.

Drittes Kapitel.

Die wahre Norm der Sittlichkeit: die vernünftige Natur des Menschen.

Erster Artifel.

Begriff und allgemeine Einteilung der sittlichen Normen.

Unter Norm des sittlich Guten, die auch kurzweg Norm der Sittlichkeit (Sittennorm) heißt, versteht man ein Merkmal oder Kennzeichen, an dem wir das Gute vom Bösen unterscheiden können. Wir wünschen aber nicht bloß eine materiale Norm, die uns nur zeigt, was sittlich gut ist, sondern eine formale Norm, die uns zugleich den inneren Grund angibt, warum die

Voluntas, fagt der hl. Thomas (De verit. q. 23, a. 6) non habet rationem primae regulae, sed est regula recta (d. h. regula quae regitur), dirigitur enim per rationem et intellectum, non solum in nobis, sed in Deo. ... Dicere quod ex simplici voluntate dependeat iustitia, est dicere quod divina voluntas non procedat secundum ordinem sapientiae, quod est blasphemum. Ähnlich drückt er sich aus S. th. 1, q. 21, a. 1 ad 2.

2 Alles Obige stand schon in der ersten Auflage dieses Werkes. Troßdem schrieb ein Rezensent in der Frankfurter 3eitung" 1891, Nr 30, 3. Morgenblatt: „Selbst= verständlich lehrt der Herr Pater die heteronome Moral, d. h. für ihn ist die Quelle der Pflicht, die von der Moral gelehrt wird, das Gebot Gottes, eine Theorie, die von der Kritik (!) niemals anerkannt werden kann. Ja, wenn auf eine zweifellose Art kon= statiert werden könnte, was denn Gott gebietet!" Nun, auf diese Frage haben wir eine sehr eingehende Antwort gegeben, und zwar ohne uns auf die „Kirche“ zu berufen, wie der Rezensent fälschlich behauptet. Wir haben überhaupt die Kirche gar nicht erwähnt und rein philosophisch aus der Natur des Menschen nachgewiesen, was gut und böse und folglich dem Menschen von seinem Schöpfer als Pflicht auferlegt sei. Der Rezensent hat offenbar unsere diesbezüglichen Ausführungen gar nicht gelesen.

eine Handlung gut ist, die andere nicht. Denn wir wollen nicht bloß wie immer das Gute vom Bösen unterscheiden lernen, sondern sein Wesen ergründen 1. Die formale Sittennorm wird auch vielfach Moralprinzip genannt 2.

Die Zahl der schon von verschiedenen Seiten aufgestellten sittlichen Nor= men ist eine fast unübersehbare 3. Unwillkürlich wird man beim Anblick dieses Chaos von Systemen an das Wort Ciceros erinnert: Nihil est tam absurdum, quod non ab aliquo philosophorum dicatur. Bevor wir an die Besprechung der wichtigsten derselben im einzelnen herantreten, halten wir es für zweckmäßig, eine allgemeine, übersichtliche Einteilung vorauszuschicken.

Wenn wir vom Moralpositivismus absehen, so lassen sich die Moralprinzipien füglich in zwei Klassen einteilen: in innere und äußere Moralprinzipien, je nachdem der Maßstab des Sittlichen in der Natur des Menschen selbst oder außerhalb derselben gesucht wird.

1. Fragen wir, warum eine Handlung das Prädikat gut verdiene, so antworten die Anhänger der äußeren Moralprinzipien: weil sie eine bestimmte Wirkung hervorbringt oder weil sie nüßlich ist zur Erreichung irgend eines Zweckes. Dient die Handlung zur Erreichung dieses Zweckes nicht, ja ist sie demselben schädlich, so wird die Handlung gleichgültig oder schlecht. Man kann diese äußeren Moralprinzipien unter dem Namen Utilitarismus im weitesten Sinne zusammenfassen, weil sie alle die sittliche Gutheit der Handlung in irgend einer Art von Nüglichkeit in Bezug auf einen Zweck erblicken.

Je nach der Verschiedenheit des aufgestellten äußeren Zweckes laffen sich die utilitaristischen Systeme in den Eudämonismus (Glückseligkeitslehre) und den Evolutionismus (Kulturfortschrittslehre) einteilen. Der Eudämonismus sieht das oberste Ziel des sittlichen Handelns im Glück (ɛvdayovía) 4. Wird unter dem zu erstrebenden Glück das individuelle Glück des Handelnden selbst verstanden, so haben wir den individuellen Eudä monismus, der auch Hedonismus (ýdový, Lust), Privatutilitarismus oder Moralprinzip des eigenen Wohlergehens heißt; versteht man dagegen unter dem Glück dasjenige der gesamten Gesellschaft, so haben wir den universalen oder gesellschaftlichen Eudämonismus, der auch Altruismus oder

1 Eine solche materiale Norm des sittlich Guten ist z. B. der Wille Gottes. Denn sobald ich etwas als Gottes Willen erkenne, weiß ich auch untrüglich, daß es sittlich gut ist.

2 Andere verstehen unter Moral prinzip den obersten und allgemeinsten Sa k, der angibt, was gut und böse sei, und aus dem sich alle Regeln des sittlichen Handelns herleiten lassen. Das Moralprinzip in diesem Sinne ist nur das in eine allgemeine Satformel gebrachte Moralprinzip in unserem Sinne.

3 Eingehende Kritiken der verschiedenen Moralsysteme findet man 11. a. bei Fr. J. Stein, Historisch-kritische Darstellung der pathologischen Moralprinzipien (1871) und: Studien über die rationellen Moralprinzipien (1875); ferner bei Gutberlet, Ethik und Religion (1892). Meyer, Institut. iuris natur. I, n. 156 ff; Schneider, Göttliche Weltordnung und religionslose Sittlichkeit (1900). Auch v. Hartmann (Das fittliche Bewußtsein) und W. Wundt (Ethik) geben von ihrem Standpunkt vielfach gute Kritiken der verschiedenen Moralsysteme.

Obwohl das Glück zunächst einen Zustand des Menschen bedeutet, so muß doch dieser Zustand durch ein Gut erreicht werden, welches außerhalb des Menschen liegt. Deshalb rechnen wir den Eudämonismus zu den äußeren Moralsystemen.

Sozialutilitarismus genannt wird. Daneben gibt es vermittelnde Systeme, welche den Egoismus und Altruismus auf dem Boden der Entwicklungslehre miteinander aussöhnen wollen.

Der Evolutionismus stellt die Entwicklung oder den Kulturfortschritt der menschlichen Gesellschaft als lezten Zweck und höchste Norm des Sittlichen hin.

2. Die inneren Moralprinzipien berücksichtigen nicht die Nüglichkeit der Handlung in Bezug auf einen bestimmten Zweck, sondern das Verhältnis der Handlung zum Handelnden selbst. Die Beziehung der Handlung zu einem äußeren Zweck kommt nur insofern in Betracht, als sich dadurch das Verhältnis der Handlung zum Handelnden ändert.

Die inneren Moralprinzipien lassen sich wieder einteilen in subjektive und objektive. Die inneren subjektiven Moralprinzipien berücksichtigen bloß die Beziehung der Handlung zu einem subjektiven Erkenntnis- oder Begehrungsvermögen. Gut und bös wird eine Handlung bloß des= halb genannt, weil ein Erkenntnis- oder Begehrungsvermögen des Menschen sie billigt oder mißbilligt, ihnen sittlichen Wert beilegt oder nicht. Diese rein subjektiven Moralprinzipien werden nach dem Vorgange englischer Schriftsteller heute vielfach unter dem Namen Intuitio nismus zusammengefaßt, weil ihnen zufolge der sittliche Charakter einer Handlung gewissermaßen durch unmittelbare Anschauung (Intuition) oder nach Art eines Instinktes wahrgenommen und ausgesprochen wird. Je nach der Verschiedenheit des Vermögens, auf das man sich beruft, unterscheidet man wieder Vernunft- und Gefühls- oder Willensprinzipien, die wohl auch als Rationalismus und Sensualismus, Verstandes- und Gefühls- oder Willensmoral bezeichnet werden.

Die inneren objektiven Moralprinzipien nehmen die menschliche Natur selbst zur Richtschnur des sittlich Guten. So bezeichnen die Stoiker die leidenschaftslose, vernünftige Natur des Menschen als Norm des Sittlichen; die Leibniz-Wolffische Schule dagegen die Vervollkommnung des Handelnden (Perfektionismus); die aristotelisch-scholastische Schule endlich die volle, ganze Menschennatur nach ihrer spezifischen Eigentümlichkeit und ihrer Stellung im Weltganzen. Die zuletzt genannte Ansicht beläßt die Vernunft in ihrer Stellung als subjektives Erkenntnisprinzip des sittlich Guten und Bösen. Aber die Handlung wird nicht darum sittlich gut genannt, weil die Vernunft fie billigt, sondern die Vernunft billigt die Handlung, weil sie dieselbe an der vernünftigen Menschennatur mißt und als ihr angemessen erkennt. Sie stellt also kein rein subjektives, sondern ein wahrhaft objektives, unserem Urteil vorausgehendes Prinzip auf, das aber nicht außerhalb des Menschen zu suchen ist. Wir halten diese Ansicht für die richtige und werden sie im folgenden Kapitel eingehender entwickeln.

Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß manche ethischen Systeme sich unter verschiedenen Rücksichten teils den inneren teils den äußeren Moralprinzipien einreihen ließen. Sie durchdringen sich vielfach, und ein vollständig reines Einteilungsprinzip wird sich wohl schwerlich auffinden lassen. Wir berücksichtigen in unserer Einteilung nur den am meisten zu Tage tretenden Charakter eines Systems.

Nach dem Gesagten können wir die Einteilung der Moralprinzipien durch folgendes Schema veranschaulichen:

1. Äußere Moralprinzipien (Utilitarismus).

1. Moralprinzip der Glückseligkeit (Eudämonismus):

a) Moralprinzip der individuellen Glückseligkeit oder Wohlfahrt (indivi= dueller Eudämonismus, Privatutilitarismus oder Hedonismus);

b) Moralprinzip der allgemeinen Wohlfahrt (gesellschaftlicher Eudämonismus, Sozialutilitarismus oder Altruismus);

c) Systeme, die zwischen Egoismus und Altruismus auf Grund der Entwicklungslehre zu vermitteln suchen (Spencer).

2. Moralprinzip des Kulturfortschrittes (Evolutionismus).

II. Innere Moralprinzipien.

1. Rein subjektive Moralprinzipien (Intuitionismus):

a) Gefühlsmoral:

a) Moralprinzip des sittlichen Gefühls und des moralischen Sinnes;

P) Moralprinzip der Sympathie und des Mitleids;

7) Moralprinzip des sittlichen Geschmacks.

b) Verstandesmoral (Kant).

c) Die Willensmoral (Brentano, Schwarz).

2. Objektive Moralprinzipien:

a) das stoische Moralprinzip des naturgemäßen Lebens;

b) das Prinzip der Selbstvervollkommnung (Perfektionismus);

c) das Moralprinzip der vernünftigen Natur des Menschen.

Wir beginnen unsere Darlegungen mit der zulezt genannten Norm der vernünftigen Natur des Menschen, die wir für die einzig richtige Norm halten. Im folgenden Kapitel werden wir dann die ungenügenden oder unrichtigen Normen der Reihe nach auseinanderseßen und prüfen 1.

3weiter Artifel.

Das Moralprinzip der vernünftigen Natur des Menschen in der Geschichte.

§ 1. Die Ansicht des Ariftoteles.

Unter den neueren deutschen Philosophen außerhalb der peripatetischscholastischen Schule ist niemand der richtigen Erkenntnis der Norm des Sitt

In den früheren Auflagen haben wir zuerst die falschen oder ungenügenden Normen des Sittlichen auseinandergeseht und geprüft, und dann erst die richtige Norm entwickelt und begründet. Auf Anraten eines verehrten und fachkundigen Freundes haben wir in der gegenwärtigen Auflage die Ordnung umgekehrt, so daß wir zuerst die richtige Norm darlegen und dann erst die unrichtigen widerlegen. Die Gründe, die uns zu dieser Umänderung bewogen, find folgende: In fast allen falschen Systemen steckt ein richtiger Kern, fie fehlen meist durch Einseitigkeit und übertreibung des richtigen Kerns. Es ist nun viel leichter in einer für den Leser verständlichen Weise das Richtige vom Unrichtigen zu unterscheiden, wenn die Darlegung der richtigen Norm schon vorausgegangen ist. Außerdem gewinnt bei dieser Ordnung die Widerlegung bedeutend an Klarheit und Kraft und lassen sich leichter Wiederholungen vermeiden, die bei der früheren Reihenfolge unvermeidlich waren. Es ist auch für den Leser ermüdend, sich durch einen ganzen Urwald von unrichtigen, unklaren und verworrenen Systemen hindurcharbeiten zu müssen, bis er endlich zu einem Standpunkt kommt, von wo aus er sich leicht und mühelos über das ganze Gebiet orientieren kann.

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