ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

fehlen. Diese Annahme unserer Gegner ist nur eine Folgerung aus Irrtümern, die dem metaphysischen Gebiete angehören.

Ulrici wendet ein, die Ethik laffe sich nicht auf Metaphysik gründen, denn das Fundament müsse dem Begründeten gleichartig (homogen) sein. Allein diese Behauptung ist unrichtig. Unter Fundament der fittlichen Ordnung kann man doch nur die Ursachen derselben verstehen. Ist es nun richtig, daß die Ursachen dem Verursachten gleichartig sein müssen? Ganz gewiß nicht. Man unterscheidet innere und äußere Ursachen. Müssen etwa die inneren Ursachen, d. h. die Bestandteile einer Sache, dieser gleichartig sein? Müssen die Bestandteile des Wassers schon Wasser, die Bestandteile einer Maschine schon Maschinen sein? Niemand wird das behaupten 1. Ebensowenig brauchen die äußeren Ursachen, d. H. die bewirkende und die Zweckursache ihrer Wirkung gleichartig zu sein. Die bewirkende Ursache des Hauses ist der Baumeister, die des Kleides der Schneider. Sind hier etwa Ursache und Wirkung gleichartig? Die Zweckursache der Arznei ist die Gesundheit. Ist da Gleichartigkeit vorhanden?

) Endlich sei noch als lezte Richtung, welche die Vernunft in sittlichen Fragen unterschäßt, der Moralskeptizismus erwähnt, der von vorn= herein auf die Aufstellung allgemein gültiger, wissenschaftlicher Grundsäge verzichtet und sich damit begnügt, an der Hand der Erfahrung gewisse praktische Verhaltungsmaßregeln für die augenblicklich gegebenen Verhältnisse aufzustellen. In der Wissenschaft hat natürlich diese Richtung keine Vertreter vielleicht abgesehen von den ethischen Nihilisten wie Fr. Niezsche, der die Moral „die Kastration der Natur durch Deszendenzphilosophen“ nennt. Wer wollte im Ernst eine wissenschaftliche, allgemein gültige Sittenlehre aufstellen, wenn er keine für möglich hält? Im praktischen Leben begegnet man aber nicht selten Männern, welchen der Moralskeptizismus als Ruhebett dient, auf dem sie sich behaglich der Genüsse dieses Lebens erfreuen.

III.

Einteilung der Moralphilosophie.

Die Moralphilosophie wird seit Thomasius und Kant vielfach eingeteilt in die Sittenlehre (Ethik) und die Rechtslehre. Diese Einteilung geht von der Anschauung aus, Recht und Sitte seien zwei voneinander unabhängige Gebiete. Entsprechend dieser Auffaffung werden die Sittenlehre und die Rechtslehre als verschiedene Wissenschaften in getrennten Lehrbüchern behandelt. Diese Auffassung ist aber, wie wir später nachweisen werden, unhaltbar. Das Recht gehört als wesentlicher Teil zur sittlichen Ordnung, wie die Gerechtigkeit zu den sittlichen Tugenden; es darf also nicht als etwas außerhalb der Sitten= lehre Liegendes betrachtet werden.

Faßt man die genannte Unterscheidung so auf, daß in der Sittenlehre nur das behandelt wird, was rein sittlich, nicht rechtlich ist, in der Rechtslehre

1 Siehe Gutberlet, Ethik und Religion (1892) 194.

dagegen dasjenige, was zugleich rechtlich und sittlich ist, so kann dieselbe nicht einfachhin als unrichtig bezeichnet werden, aber sie bleibt Zweideutigkeiten unterworfen und kann leicht zur Kantischen Trennung von Recht und Sitte führen. Außerdem ist schon bemerkt worden, daß Sittenlehre und Ethik nicht dasselbe bedeuten (S. 1).

Wir ziehen deshalb folgende, schon vielfach angenommene Einteilung vor, die sich durch Klarheit und Einfachheit empfiehlt. Wir scheiden die Moralphilosophie in zwei Teile. Im ersten und allgemeinen Teile entwickeln wir die allgemeine Theorie des sittlich guten Handelns, auch insofern es zum Gebiete des Rechtes gehört. Im zweiten und besondern Teile werden wir die aufgestellte allgemeine Theorie auf die einzelnen konkreten Verhältnisse des Menschen anwenden. Der erste Teil entwickelt und begründet also die allgemeinen Begriffe und Grundsäge der gesamten sittlichen Ordnung, der zweite zieht aus diesen allgemeinen Grundsäßen Folgerungen für das Handeln des Menschen nach den verschiedenen Lebenslagen, in denen er sich befinden mag.

Erster Teil.

Allgemeine Theorie des sittlich guten Handelns.

Gegenstand der Moralphilosophie sind die sittlichen Handlungen des Menschen. Nun können aber die Handlungen nur aus der Natur des Handelnden vollständig begriffen werden. Bevor wir daher an die sittliche Seite der menschlichen Handlungen herantreten, müssen wir die Natur des Menschen und sein Handeln von der physischen Seite untersuchen, soweit es für unsere Zwecke dienlich ist (Buch I).

Wie von der Natur, so hängt die Beurteilung der Handlungen des Menschen auch von dem lezten Ziel desselben ab. Des Menschen Handlungen können offenbar nur richtig sein, wenn sie ihn zu seinem legten und höchsten Ziele führen. An zweiter Stelle (Buch II) werden wir deshalb vom Ziel und Ende des Menschen handeln.

Von dieser doppelten Grundlage aus läßt sich leicht feststellen, worin das sittlich Gute und Böse bestehe, und woran es erkannt werde. An dritter Stelle (Buch III) werden wir mithin die wahre Norm des sitt lich Guten bestimmen und gegen irrige Ansichten verteidigen. Hieran schließen sich dann die näheren Ausführungen: a) über die verschiedenen Bestandteile und Quellen des sittlich Guten (Buch IV); b) über die Ursachen des sittlich guten Handelns, nämlich das Gesetz (Buch V) und das Gewissen (Buch VI); c) über die Eigenschaften, die das sittliche Handeln begleiten oder die sich aus ihm ergeben, nämlich die Sünde und das Verdienst (Buch VII).

An lezter Stelle (Buch VIII) wird endlich vom Rechte im allgemeinen (Theorie des Rechts) die Rede sein. In diesem Teile verlassen wir schon in etwa die ganz allgemeine Betrachtungsweise, welche die vorausgehenden Teile der Moralphilosophie kennzeichnet, und wenden uns einer besondern Rücksicht zu, die nur einem Teile des sittlichen Handelns zukommt. Weil es sich aber doch um die Entwicklung allgemeiner Begriffe und Grundsäße handelt, so ziehen wir auch diesen Teil in die allgemeine Moralphilosophie. Derselbe bildet gewissermaßen einen natürlichen Übergang zur besondern und angewandten Moralphilosophie.

Im ersten und zweiten Buche behandeln wir also die notwendigen Grundlagen und Voraussetzungen des sittlich Guten, im dritten und vierten das sittlich Gute in sich, im fünften und sechsten in seinen Ursachen, im siebten in seinen Wirkungen. Das achte Buch endlich handelt vom Recht im allgemeinen.

Cathrein, Moralphilosophie. I. 4. Aufl.

2

In einem Anhang zum ersten Teil laffen wir noch einen ziemlich ausführlichen Überblick über die sittlichen Anschauungen und Grundsäße der verschiedensten Völker des Altertums und der Neuzeit folgen. Der Moralskeptizismus beruft sich gern auf die große Mannigfaltigkeit, ja auf den scheinbaren Widerspruch der sittlichen Ansichten der verschiedenen Völker, um dadurch seiner Leugnung allgemein gültiger, unveränderlicher Grundfäße der Sittlichkeit einen Schein von Berechtigung zu geben. Demgegenüber ist es wichtig, den Nachweis zu liefern, daß es troß mancher Verschiedenheiten doch eine Summe von sittlichen Grundsäßen gibt, die man als ein Gemeingut aller Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten bezeichnen kann. Um jedoch den Leser nicht wiederholt durch geschichtlich-ethnographische Ab= schweifungen mitten in den theoretischen Erörterungen zu stören, haben wir diesen Überblick in einen Anhang verwiesen.

Erstes Buch.

Von der Natur des Menschen und den menschlichen Handlungen nach ihrer physischen Seite.

Erstes Kapitel.

Die Natur des Menschen.

Den Ausgangspunkt und die Grundlage der Moralphilosophie muß not= wendig die genaue Kenntnis des Menschen selbst bilden. Tief wahr be= zeichnete schon die griechische Philosophie als die Grundlage aller Weisheit die Selbsterkenntnis: Ivæði oavtóv1. Das Handeln und folglich auch die Geseze des Handelns müssen vor allem der Eigenart, der Natur des Handelnden angepaßt sein. Niemand wird einem Knaben Verhaltungsmaßregeln geben, die bloß für den Erwachsenen passen, oder von einem Bauern und Handwerker verlangen, daß er sein Benehmen einrichte wie ein Gebildeter aus den höheren Klaffen der Gesellschaft. Wenn wir bei Aufstellung von Verhaltungsmaßregeln sogar auf solche zufällige und untergeordnete Unterschiede Rücksicht nehmen, so muß um so mehr die ganze Natur des Handelnden selbst nach ihren wesentlichen Eigenschaften berücksichtigt werden. Wir zweifeln auch nicht daran: ein großer Teil der Verirrungen, denen wir in neuerer Zeit auf moral= philosophischem Gebiete begegnen, hat darin seine Ursache, daß man die schon von der griechischen Philosophie so nachdrücklich betonte Grundlage derselben verlassen hat. Nur auf dem sichern, unzerstörbaren Boden der klar erkannten menschlichen Natur kann man zu sichern Ergebnissen in der Moralphilosophie gelangen.

1

Schon vor den griechischen Philosophen hatte der älteste chinesische Weltweise, Lao-tse, den Grundsaß aufgestellt: „Wer andere kennt, ist klug; wer sich selbst kennt, erleuchtet." Vgl. Vikt. v. Strauß, Lao-tjes Taò Té King, Leipzig 1870, 160.

Hier sind wir jedoch in einer etwas mißlichen Lage. Die Erforschung der menschlichen Natur ist nicht die Aufgabe der Moralphilosophie, sondern der Anthropologie (Psychologie). Die Moralphilosophie muß die sichern Resultate der Anthropologie, soweit sie notwendig sind, um eine klare Idee von der Natur des Menschen zu haben, voraussehen und auf dieser Grundlage weiterbauen. Es ist widersinnig, eine Ethit ohne metaphysische Grundlagen aufbauen zu wollen. Streng genommen könnten wir uns also unsere Aufgabe leicht machen, indem wir den Leser einfach an die Anthropologen ver= wiesen, um von ihnen das Genauere über das Wesen des Menschen zu erfahren.

Doch in Anbetracht der vielen unklaren und unrichtigen Begriffe in Bezug auf die Natur des Menschen und seine Stellung im Weltganzen, denen man heute so häufig begegnet, halten wir es für angeraten, ja geradezu für notwendig, hier die wichtigsten Grundwahrheiten der Anthropologie, deren wir für unsere moralphilosophischen Zwecke bedürfen, kurz zusammenzustellen und zu begründen.

§ 1. Der Mikrokosmos.

Mit vollem Rechte hat schon die Philosophie der Vorzeit den Menschen die Welt im kleinen (Mikrokosmos 1, mundus abbreviatus, minor mundus) genannt.

1. Mit der anorganischen Welt hat der Mensch die Stoffe gemein, aus denen er gebildet ist, samt deren physischen und chemischen Kräften. Wie der Kristall oder der Fels unterliegt auch er dem Geseze der Schwere, der An= ziehung und Abstoßung, ist auch er dem Einfluß der Wärme und Kälte unterworfen usw.

2. Mit den Pflanzen teilt er das vegetative Leben, wenn auch in höherer Weise. Wie der Baum, so ernährt sich auch der Mensch, wächst, pflanzt sich fort, stirbt wieder ab.

3. Auch das noch höhere sinnliche Leben der Tierwelt finden wir im Menschen wieder. Ähnlich wie das Tier, das ihm seine Lasten trägt und seine Nahrung und Kleidung bietet, ist auch der Mensch mit sinnlicher Wahrnehmung und mit einem sinnlichen Begehrungsvermögen begabt. Das Tier ist nicht an die Scholle gebunden, es kann und soll selbst das zur Erhaltung und Entwicklung Notwendige suchen, das Schädliche fliehen. Zu diesem Zwecke ist es mit sinnlichem Erkennen und Begehren ausgerüstet. All die finnlichen Regungen, die wir als Äußerungen dieser Fähigkeiten am Tiere wahrnehmen, finden wir irgendwie im Menschen wieder, so die Gefühle der Freude, des Zornes, der Furcht usw.

4. So vereinigt der Mensch in sich alles, was wir sonst in der sichtbaren Natur außer ihm wahrnehmen; er ist schon deshalb die Welt im kleinen. Aber über all das Genannte hinaus ist ihm die kostbarste Himmelsgabe, die geistige, unsterbliche Seele mit Verstand und Willen verliehen, die ihm seine herrschende Stellung in der sichtbaren Schöpfung anweist.

1 Aristot., Physic. 1. 8, c. 2, 252b, 26.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »