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habe sich einer ästhetischen Liebhaberei zum Opfer gebracht, er sei in den Tod gegangen, um einem ästhetischen Mißfallen zu entgehen!

Und woher sollen nun gar diese Geschmacksurteile ihre unbedingt ver pflichtende, moralisch zwingende Kraft nehmen, die ihnen doch nach Herbarts eigenem Geständnis zukommt? Wer sollte mich verpflichten, solche ästhetische Urteile zur Richtschnur meines ganzes Lebens zu nehmen und selbst bis in den Tod ihnen treu zu bleiben? Gewiß, wenn die empörten Leidenschaften toben und die Pflichterfüllung die schwersten Opfer von uns verlangt, genügen ästhetische Betrachtungen nicht.

Einen fast unbedingt ergebenen Schüler hat Herbart an T. Biller' ge= funden, welcher seinem Lehrmeister namentlich in pädagogischen Kreisen viele Anhänger gewonnen. Ziller gibt sich große Mühe, das von seinem Meister Versäumte nachzuholen und den Beweis zu erbringen, die sittliche Gutheit unseres Wollens sei vom Gegenstande desselben unabhängig. Sein Beweis läuft ungefähr auf folgendes hinaus.

Der sittlich gute Wille hat einen unbedingten, in allen Umständen gleichmäßig gültigen Wert. Diesen kann er aber nicht von seinem Gegenstande oder seiner Materie haben. Denn ein Gegenstand kann nur insofern ein Gut sein, als er dem Willen Befriedigung verschafft oder ihm irgendwie nüßlich ist. Da nun aber der Wille (Einzelwille) in concreto nicht nur bei verschiedenen Menschen verschieden ist, sondern auch bei einem und demselben Individuum nach den Umständen sich ändert, so wird auch ein Gut verschieden beurteilt nach der Verschiedenheit des Willens, und man bekommt keine unbedingte, allgemein gültige Wertschäßung zu stande, wenn man das Verhältnis des Willens zu einem Gute der ethischen Wertschäzung zu Grunde legt. Mit andern Worten: der sittliche Wert des Willens kann nicht vom Gegenstande desselben abhangen.

Wir geben zu, daß der sittlich gute Wille einen in allen Umständen gültigen Wert besitzt; die Behauptung aber, daß man feinen solchen Wert zu stande bekomme, wenn man auf den Gegenstand des Wollens Rücksicht nehme, verneinen wir; jeden= falls ist der Zillersche Beweis nicht stichhaltig. Ein Gegenstand soll nur insofern schäzenswert, ein Gut sein, als er dem Willen Befriedigung verschafft oder nüzlich ist. Ziller kennt also nur das nüßliche und angenehme Gute. Von dem an und für sich angemessenen Guten (S. 179 ff) spricht er nicht, und doch gehört das sittlich Gute gerade zu dieser dritten Klasse des Guten.

Übrigens ist auch der allgemeine Begriff des Guten, von dem Ziller in seiner Beweisführung ausgeht, unrichtig. Gut ist, was einem Wesen angemessen und passend ist, was seiner Natur (nicht bloß seinem Willen, wie Ziller annimmt) entspricht und ihm deshalb irgendwie begehrenswert ist oder wenigstens als solches erscheint. Da nun die Natur des Menschen im wesentlichen immer dieselbe ist, so sind ihm auch viele Dinge und Handlungen ihrer Natur nach gut oder schlecht, und der Wille kann sich diese Dinge nicht zum Gegenstande sehen, ohne selbst gut oder schlecht zu werden. Wir verweisen auf das früher (S. 176 ff) Gesagte.

Bei Ziller zeigt sich handgreiflich, wie unmöglich es ist, die Ethit von der Metaphysik loszureißen. Nachdem er durch lange metaphysische Erörterungen über den Begriff des Guten zu dem Ergebnis gelangt ist, der gute Wille sei von dem Gegenstand unabhängig, erfährt der Leser zu seinem Erstaunen, die Ethik sei von der Metaphysik unabhängig. Das ist doch zu naiv. Also nachdem er selbst auf meta

1 Allgemeine philosophische Ethik (1886).

physischem Wege zu dem gewünschten Standort gelangt, schiebt er plötzlich einen Riegel vor, damit es niemand einfalle, ihm auf demselben Wege zu folgen und ihn mit metaphysischen Waffen zu belästigen. Oder wird Ziller sagen, nicht jede begriffliche Untersuchung sei schon als Metaphysik anzusehen? Wir erwidern: die Untersuchung des Inhaltes der höchsten Begriffe des Seins, des Wahren, Guten, Schönen usw. bildet den allereigentlichsten Gegenstand der Metaphysik. Gerade weil Herbart und Ziller von einer unrichtigen metaphysischen Erklärung des Guten ausgehen, kommen sie zu falschen ethischen Folgerungen.

Bierter Artikel.

Das Moralprinzip des individuellen Wohlergehens.

§ 1. Das Moralprinzip der finnlichen Luft (Hedonismus).

Alle Anhänger des individuellen Eudämonismus kommen darin überein, daß sie die irdische Glückseligkeit oder vielmehr die größtmögliche Summe von Lust für das handelnde Individuum als den obersten Maßstab und Zweck des sittlich Guten ansehen. Es lassen sich aber unter ihnen zwei Richtungen unterscheiden. Die eine betrachtet vorzüglich die sinnliche Lust, und zwar vor allem die sinnliche Luft des Augenblickes, als den höchsten Zweck und Maßstab des sittlich Guten; die andere dagegen berücksichtigt das ge= samte irdische Wohlergehen und beurteilt die einzelne Handlung nach ihrer Beziehung zum Leben als Ganzes.

Die erstere Richtung finden wir schon im Altertum vertreten durch Aristipp aus Cyrene und die nach ihm benannte Schule der Cyrenaiker, welche die augenblickliche Luft, und zwar, wenn auch nicht ausschließlich, so doch vorzüglich die sinnliche Lust, als die höchste Richtschnur des Handelns und als das höchste Gut ansah 1. Die Gesamtheit der vergangenen, gegen= wärtigen und zukünftigen Luftempfindungen bildet nach Aristipp das glückliche Leben oder die Glückseligkeit. Die augenblickliche Sinnenlust ist um ihrer selbst willen erstrebenswert, die Glückseligkeit aber nur wegen der einzelnen Luftempfindungen. Die Lust ist gut, auch wenn sie durch die schimpflichsten Handlungen erreicht wird. Der sittliche Wert aller Dinge richtet sich nach der Lust; es gibt also nichts an und für sich Gutes und Böses, nur Gesetz und Gewohnheit bestimmen, was gut und böse2. Durch lezteren Zusah gerät Aristipp in Widerspruch mit sich selbst. Entscheiden nur Gesetz und Gewohn= heit über gut und bös, so ist die allgemeine Behauptung, die Lust sei der oberste Maßstab des Sittlichen, unrichtig.

Verzeiht man vielleicht dem lebensfrohen Hellenen, der mitten unter einem heidnischen, dem Sinnengenuß frönenden Volke lebte, eine so niedrige Ansicht, so kann man nur mit Beschämung gestehen, daß die aufgeklärten Geister" des 18. Jahrhunderts sich nicht scheuten, diese mehr für Tiere als für Menschen passende Lehre den christlichen Völkern zu empfehlen. Zu diesen

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Ugl. Diogen. Laert. II 8 (87): Ἡδονὴν μέντοι τὴν τοῦ σώματος, ἣν καὶ τέλος εἶναι. 2 Ebd. II 8 (93).

„Aufgeklärten“ gehört besonders der Materialist Helvetius († 1771), dem die Sinnesempfindung als die einzige Triebfeder des menschlichen Handelns galt. Aus der Scheu vor Schmerz und der Liebe zur Lust, diesen beiden Grundtrieben, entspringt die Selbstliebe, das Eigeninteresse, und aus diesem das Verlangen nach Glück, Macht Reichtum und Ruhm, weil dies die Mittel sind, um dem Schmerze zu entgehen und der Luft habhaft zu werden 1. Diesen Grundtrieben darf der Mensch nie zuwiderhandeln, nie darf er der Liebe zum Vergnügen entsagen. Selbstverleugnung ist eine Verfündigung an der menschlichen Natur. Die Tugend darf nur dem eigenen Interesse dienen. Mitleidige Handlungen bezwecken nur, die eigene Unluft beim Anblicke fremder Leiden zu beseitigen oder unsere Macht zur Schau zu stellen u. dgl. Die Tugend besteht zwar in dem Bestreben, das öffentliche Wohl zu fördern, aber ihre eigentliche Triebfeder ist doch nur das Sonderinteresse des einzelnen, auf das allein man die Sittenlehre stüzen muß. Die Geseze sollen deshalb stets mit der Übung der Tugend Vorteile verbinden, um so die Selbstsucht mit dem Gemeinwohl in Einklang zu bringen 2.

Das ist die Moral der niedrigsten Selbstsucht. Gesteht doch Helvetius, die Natur habe, indem sie mit der Befriedigung des Geschlechtstriebes die höchste Luft verband, diese Lust zum mächtigsten Prinzip unserer Tätigkeit machen wollen 3. Vom gemeinen Materialismus, der im Menschen nur eine Maschine oder ein Tier erblickt, läßt sich eine andere Sittenlehre nicht erwarten.

Noch ungescheuter womöglich hat de la Mettrie in seinem berüchtigten Buche L'homme machine (1748) die Lust, namentlich die Wollust, als das höchste Gut des Menschen hingestellt. Der Verfasser des Système de la nature (1770), welcher derselben Ansicht huldigt, zieht daraus den folgerichtigen Schluß, der Mensch solle durch Selbstmord seinem Leben ein Ende machen, wenn es ihm nicht mehr möglich sei, den Zweck seines Daseins, die irdische Befriedigung, zu erreichen 4.

Wir werden uns nicht bei der Widerlegung dieser erniedrigenden Lustlehre aufhalten. Sie darlegen heißt sie widerlegen. Geht sie doch von der Voraussetzung aus, der Mensch sei ein bloßes Sinnenwesen, dessen höchstes Gut niedriger Sinnengenuß bilde. Das heißt den Menschen zum Tier herabwürdigen. Was würde auch aus einer Gesellschaft werden, in der eine solche entwürdigende Lehre zur allgemeinen Herrschaft gelangte !

§ 2. Die Moral des wohlverfandenen Selßßinteresses.

Der Ausdruck „wohlverstandenes Selbstinteresse" scheint zwar von Helvetius herzurühren, doch eignet er sich weniger zur Benennung seiner sinnlichen Lustlehre als zur Bezeichnung jener höheren Richtung des Hedonismus, der das gesamte irdische Lebensglück des Individuums als das höchste Gut und den obersten Maßstab des Sittlichen hinstellt.

1 De l'homme et de son éducation sect. 4, ch. 22.

2 De l'esprit disc. 1, ch. 4.

Système de la nature I, ch. 12 14.

3 De l'homme etc. sect. 2, ch. 10.

1. Demokrit († um 350 v. Chr.) bezeichnet das persönliche, individuelle Wohl als das höchste Gut. Jeder ist sich selbst Zweck. Alles tugendhafte Handeln ist nur Mittel zur eigenen Wohlfahrt und deshalb nicht um seiner selbst willen, sondern nur mit Rücksicht auf das eigene Wohl schäzenswert. Die individuelle Glückseligkeit besteht im allzeit frohen, zufriedenen Herzen oder in der Wohlgemutheit (ɛodopía), in der stets heitern Gemütsstimmung 1. Wohl deshalb hat die spätere Zeit dem Demokrit den Beinamen des lachenden Philosophen von Abdera gegeben. Das Mittel zu dieser heitern Gemütsstimmung ist die Selbstbeschränkung und Genügsamkeit (avrápnɛia), welche deshalb die wesentlichste Tugend bildet. Ihr muß sich als Hilfstugend die richtige Unterscheidung und Abschäzung der Vergnügungen beigesellen 2.

2. An die Stelle der Demokritischen, allzeit heiteren Gemütsstimmung tritt bei Epikur († 270 v. Chr.) die größtmögliche Lebenslust als das höchste Gut des Individuums 3. Die Lust sezt aber Abwesenheit von Schmerz und Unruhe (arapaŝia) voraus, welche deshalb den Weisen auszeichnen muß. Im Sinne Epikurs haben wir unter Lust nicht bloß die des Körpers, sondern auch die der Seele zu verstehen; ja die leztere gilt als die höhere 4, obwohl die leibliche Luft die Grundlage und den Gegenstand der seelischen Lust bildet, da diese hauptsächlich in der Erinnerung an gehabte sinnliche Vergnügungen besteht 5. Durch lettere Behauptung nähert sich Epikur allerdings wieder in bedenklicher Weise der Aristippischen Lehre, wenn er auch nicht die augenblickliche Sinnenluft in der Art betont wie die Cyrenaiker.

Die Tugend ist nur das Mittel zum größtmöglichen Lebensgenuß. Die Haupttugend ist die Klugheit (póvŋois), welche die Auswahl der Lüste leitet. Denn jede Lust ist zwar gut, aber nicht immer zu wählen. Man muß sich stets fragen, welche Handlung uns im Ganzen unseres Lebens mehr Schmerzen erspart oder Luft verschafft. Auch Epikur verlangt also vom Weisen Entsagung, aber nur zum Zweck größeren Genusses.

Der Epikureismus stellt sich naturgemäß ein, wo bei hoher äußerer Kultur Religion und Sitte im Niedergang begriffen sind. Es darf uns deshalb nicht wundernehmen, daß er nicht nur bei den gesunkenen Römern, sondern auch bei den neueren Völkern seit der Glaubensspaltung zahlreiche Vertreter gefunden hat. Gassendi hat zuerst die materialistische Weltanschauung in der Neuzeit wieder aufgebracht. Ihm folgten Spinoza, C. Thomasius und Larochefoucauld. Gassendi faßt die Lehre Epikurs in folgende Grundsäße (canones) zusammen: a) Die Lust, welche von keiner Unlust oder Beschwerde begleitet ist, soll erstrebt werden. b) Die Beschwerde, mit der keine Lust ver1 Diogen. Laert. IX 45.

2 Vgl. Zeller, Philosophie der Griechen Is 748; Röstlin, Geschichte der Ethik I (1887) 202.

3 Diogen. Laert. X 128: Ηδονὴν ἀρχὴν καὶ τέλος λέγομεν εἶναι τοῦ μακα

ρίως ζῆν.

4 €66. Χ 137: Μείζονας ἡδονὰς εἶναι τὰς τῆς ψυχῆς.

5 Plutarch., Num possit suaviter vivi secund. Epic. 18. Clemens Alex., Stromat. 2, 21.

S. Lange, Geschichte des Materialismus I3 223.

bunden, ist zu meiden. c) Die Lust, welche eine größere Lust verhindert oder eine überwiegende Unlust verursacht, ist zu fliehen. d) Die Beschwerde, welche eine größere Beschwerde abwendet oder eine größere Luft erzeugt, muß man auf sich nehmen. Spinoza nennt nur dasjenige gut, was der Selbsterhaltung dient, böse dagegen, was der Selbsterhaltung (d. h. dem eigenen Nuzen) schädlich ist. Die sittliche Aufgabe des Menschen kann mithin nur darin bestehen, unter Leitung der Vernunft das Nüzliche zu erstreben, das Schädliche zu fliehen. Die Kraft, die ihn zu dieser Aufgabe befähigt, ist die Tugend. Je entschiedener und allseitiger jemand den eigenen Nugen sucht, um so tugendhafter ist er. „Absolut tugendhaft handeln ist nichts anderes in uns als nach der Leitung der Vernunft handeln, leben, sein Sein erhalten (diese drei Dinge bedeuten dasselbe) aus dem Grund, daß man seinen eigenen Nuzen sucht."1 Das Streben nach fremdem Wohl ist jedoch durch das Streben. nach dem eigenen Nuzen nicht ausgeschlossen. Denn weil der Mensch dem Menschen am nüglichsten ist, liegt es in seinem Intereffe, das fremde Wohl zu fördern. Thomasius bezeichnet als höchste Norm des Sittlichen den Sah: Tue, was das Leben am meisten verlängert und beglückt, meide das Gegen= teil davon. Larochefoucauld behauptet, Eigennuz sei nicht nur die wichtigste, sondern die einzige Triebfeder unseres Handelns; Selbstlosigkeit sei ein leerer Name, und alle sogenannten selbstlosen Tugenden seien nur verborgene Laster, die Wirkung der Furcht vor zeitlichem Nachteil oder Einbuße an der Ehre 2.

3. Der Hauptvertreter des Epikureismus der Neuzeit ist Jeremias Bentham († 1832). „Epikur", sagt Bentham, hat allein unter den Alten das Verdienst, daß er die wahre Quelle der Moral entdeckt." 3 Damit ist sein Standpunkt gekennzeichnet. Obwohl er als Zweck der öffentlichen Gesezgebung das größtmögliche Wohl der größtmöglichen Zahl (Maximisation des Wohls, Minimisation des Elendes) hinstellt, so gilt ihm doch für den einzelnen das Selbstinteresse als die einzige Triebfeder und der oberste Maßstab des Sittlichen. Der Mensch muß dahin streben, ein möglichst großes Quantum eigenen Wohlseins zu erreichen. Unter Wohlsein (Glück) versteht Bentham die Empfindung von Lust bei Abwesenheit von Schmerz.

Es ist dem Menschen natürlich, ja notwendig, den Schmerz zu fliehen, das Vergnügen zu suchen. Deshalb ist jede Lust an sich gut und soll erstrebt werden, gleichwie der Schmerz ein zu fliehendes Übel ist. Jede Handlung, die Lust bereitet, ist gut, jede, die Schmerz verursacht, schlecht. Irgend einer Lust zu entsagen, wofern es nicht um einer größeren Luft willen geschieht, ist verkehrter Aszetismus 4.

Um die schlechten Handlungen besser zu kennzeichnen, unterscheidet er drei Arten von schlechten Wirkungen derselben: Übel erster, zweiter und dritter Ordnung. Übel erster Ordnung sind diejenigen, welche unmittelbar eine

1 Ethik, 4. Tl, Lehrsatz 24.

2 Vgl. Carrau, La morale utilitaire 93.

3 Traité de législation, Paris 1802, ch. 5, 29.
4 Vgl. Carrau a. a. . 174.

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