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Kurz und treffend definiert der Hl. Augustin die Tugend als eine gute Eigenschaft des Geistes, durch die man gut lebt und die niemand zum Bösen mißbraucht1. In dieser Begriffsbestimmung ist unter „gut“ das sittlich Gute zu verstehen. Wenn Augustin behauptet, niemand könne die Tugend zum Bösen mißbrauchen, so ist der Sinn: niemand könne kraft der Tugend und mit ihrer Mithilfe das Böse vollbringen. Wie die Wissenschaft als Fertigkeit des Verstandes wesentlich auf das Wahre, so geht die Tugend wesentlich auf das sittlich Gute. Der Tugendhafte kann zwar auch Böses tun, aber er kann sich dazu nicht der Tugend bedienen. Denn diese wird durch sittlich gute Handlungen erzeugt und neigt wieder zu denselben hin. Ihr Formalobjekt ist das sittlich Gute, und nur in Bezug auf dieses kann sie sich betätigen 2.

§ 2. Der Träger der Tugenden.

Die Tugenden sind erworbene Fertigkeiten im sittlich Guten. In welchen Seelenkräften oder Fähigkeiten befinden sie sich? oder mit andern Worten: welche Fähigkeiten sind die Träger (Subjekte) der Tugenden?

1. Darauf läßt sich im allgemeinen antworten: Der unmittelbare und eigentliche Träger der Tugend kann nur der Wille sein, andere Fähigkeiten können nur insofern Tugenden besigen, als sie unter der Herrschaft des Willens stehen und von ihm bewegt werden 3.

Wie alle Fertigkeiten durch die ihnen entsprechenden Tätigkeiten, so werden auch die Tugenden durch wiederholtes sittlich gutes Handeln erzeugt. Sittlich gut können aber nur die Willensbetätigungen selbst und jene Handlungen sein, die unter dem Einfluß des Willens geschehen. Der Begriff der sittlichen Handlung schließt ja, wie früher bewiesen (S. 134), wesentlich die Freiheit ein. Aus sich selbst ist aber nur der Wille frei, die andern Vermögen nur insofern, als sie an der Freiheit des Willens teilnehmen.

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Wir haben ferner gesehen, daß die eigentlichen Tugenden und nur von diesen reden wir hier nicht bloß die Fähigkeit zum sittlich Guten verleihen, sondern bewirken, daß der Mensch tatsächlich das Gute vollbringt. Das gilt aber nur von den Tugenden, die im Willen selbst oder in einer andern der Herrschaft des Willens unterworfenen Fähigkeit ihren Siz haben. Denn der Wille ist der oberste Leiter und Beweger aller unter dem Einfluß der Vernunft stehenden Fähigkeiten, und wenn der Mensch gut handelt, so kommt es nur daher, weil sein Wille gut ist 4. Folglich können die eigentlichen

De lib. arb. II, c. 19: Bona qualitas mentis, qua bene vivitur, qua nemo male utitur, quam Deus in nobis sine nobis operatur. Der lezte Zusah gilt bloß von den übernatürlichen Tugenden.

2 Suarez, De virtut. sect. 1, n. 4.

3 S. Thom., S. th. 1, 2, q. 56, a. 3: Subiectum habitus, qui simpliciter dicitur virtus, non potest esse nisi voluntas vel aliqua potentia, secundum quod est mota a voluntate.

Ebd. Quod homo actu bene agat, contingit ex hoc, quod homo habet bonam voluntatem.

Cathrein, Moralphilosophie. I. 4. Aufl.

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Tugenden nur im Willen selbst sich befinden oder in einer andern Fähigkeit, insofern diese unter der Herrschaft und Leitung des Willens steht.

2. Einige Theologen gehen noch weiter und behaupten, es gebe keine moralische Tugend in dem sinnlichen Strebevermögen, der nicht eine gleichnamige Fertigkeit im Willen entspreche1. Sie leugnen also nicht, daß es auch im sinnlichen Strebevermögen Fertigkeiten zum Guten gebe, die einen wesentlichen Teil der Tugend (z. B. der Mäßigkeit) ausmachen. Die Erfahrung lehrt, daß man durch übung im sinnlichen Teil solche Fertigkeiten unter dem Einfluß des Willens erwerben kann. Durch übung werden die Akte der Mäßigkeit, Sanftmut usw. leichter. Und solche Fertigkeiten sind dem Willen notwendig. Der Wille soll den finnlichen Teil in den Schranken der Vernunft halten; dazu bedarf er der Fertigkeiten, welche den sinnlichen Teil dem Willen dienstbar und willfährig machen.

Aber sie behaupten, daß allen diesen Fertigkeiten des sinnlichen Teiles bestimmte gleichnamige Fertigkeiten im Willen selbst entsprechen. Sie berufen sich hierfür auf folgende Erwägung. Bei jedem fittlich guten Akt des sinnlichen Begehrungsvermögens muß der Wille mitwirken. Nur durch den Willen erhalten die Tätigkeiten der finnlichen Vermögen ihre Freiheit und ihre Hinordnung auf das sittlich Gute als solches, ohne die es keine sittlich gute Handlung gibt. Wenn aber der Wille bei den sittlich guten Handlungen dieser Vermögen mitwirkt, so müssen auch die entsprechenden Fertigkeiten in ihm entstehen.

Wie der Wille durch häufige Akte der Gerechtigkeit in denselben eine Fertigkeit erwirbt, so muß er auch durch häufige Akte der Mäßigkeit, Sanftmut die betreffenden Fertigkeiten erwerben, wenn er derselben fähig ist. Diese Fähigkeit aber läßt sich ihm nicht absprechen. Er erstrebt ja nicht nur sein eigenes unmittelbares Objekt, sondern auch das des sinnlichen Strebevermögens. Auch der Wille verlangt nach Speise, nach Befreiung von körperlichem Schmerz und ähnlichem. Er kann sich also in Bezug auf diese finnlichen Güter nach den verschiedensten Richtungen hinneigen. Daraus folgt, daß er aus sich nicht genügend nach einer bestimmten Richtung hinneigt und einer Neigung und Fertigkeit zum sittlich Guten in den Objekten der sinnlichen Begehrungsvermögen fähig und bedürftig ist. Also alle Tugenden, die man etwa dem sinnlichen Strebevermögen zuschreibt, haben eine entsprechende Fertigkeit im Willen.

Dieser Ansicht scheint aber der hl. Thomas zu widersprechen, der behauptet, daß die Mäßigkeit und der Starkmut als Fertigkeiten nur im sinnlichen Strebevermögen ihren Sitz haben. Sein Hauptgrund für diese Behauptung ist, weil jede Fähigkeit in Bezug auf das ihr zusagende und proportionierte Objekt von Natur genügend ausgerüstet ist, also keiner besondern Fertigkeit bedarf. Nur dann sind ihr solche Fertigkeiten nötig, wenn der Gegenstand eine besondere Schwierigkeit bietet. Nun aber bietet es dem Willen aus sich keine Schwierigkeit, das dem sinnlichen Begehrungsvermögen entsprechende vernünftige Gute

1 So unter andern Scotus, In 3, dist. 33, q. unica; S. Bonaventura, In 3, dist. 33, a. 2, q. 3; Altisiodor. 1. 3, tr. 2, c. 3, q. 1; Richard. a Med. 3, dist. 33, a. 1, q. 1; Suarez, De virtut. in genere sect. 7, n. 4 ff.

zu wollen, denn es handelt sich um das eigene, vernünftige Gut des Begehrenden. Die ganze Schwierigkeit kommt vom sinnlichen Begehrungsvermögen. Es genügt also, daß dieses durch die entsprechenden Tugenden Leichtigkeit im rechten Maßhalten erlange 1.

Doch was man auch immer von dieser Streitfrage halte, so viel ist gewiß, daß die Fertigkeiten des sinnlichen Begehrungsvermögens, z. B. die Fertig= keit des Maßhaltens in Speise und Trank, aus sich allein und losgelöst vom guten Willen keine Tugenden im strengen Sinne sind. Der Grund hiervon ist, weil die sittliche Tugend sich nur in Bezug auf das sittlich Gute betätigen kann. Nur dem Guten leiht sie ihren helfenden Arm. Das ist aber bei den genannten Fertigkeiten des sinnlichen Teiles nicht der Fall. Sie dienen zum Bösen nicht minder als zum Guten. Auch ein Geizhals kann sehr mäßig leben und in diesem Maßhalten eine große Fertigkeit besigen. Es läßt sich also das früher über das Verhältnis der inneren Willensakte zu den äußeren Handlungen Gesagte auch hier anwenden. Gleichwie die äußeren Handlungen nur insofern gut sind, als sie vom guten Willen ausgehen, so sind auch alle Fertigkeiten zu denselben nur insofern Tugenden, als sie mit dem guten Willen verbunden sind und von ihm auf das Gute gerichtet werden.

Wie im sittlichen Handeln, so ist also auch in den sittlichen Tugenden der gute oder tugendhafte Wille der Kernpunkt, die Zentralsonne, um die sich alles dreht und ohne die alles andere keinen eigentlichen sittlichen Wert hat. Alles Streben des Willens läßt sich aber in das Wort „Liebe“ zusammenfaffen, weil die Liebe der Grundtrieb und die Voraussetzung alles Wollens ist. Man kann deshalb die Tugend mit dem hl. Augustin die Ordnung der Liebe nennen 2. Denn die Tugend bewirkt, daß wir unser Wollen und Lieben beständig nach den Anforderungen der Vernunft ordnen, daß wir nur das lieben, was wir lieben sollen, und in der Weise, wie wir es lieben sollen.

Man kann die Augustinische Begriffsbestimmung auch umdrehen und ebenso wahr die Tugend die Liebe der Ordnung nennen. Die Tugend ist ja die dauernde Neigung und Fertigkeit des Willens, sein Lieben und Hassen nach den Forderungen der Vernunftordnung einzurichten.

§ 3. Notwendigkeit der Tugend.

Die Tugend ist nicht eine eitle Zierat, eine überflüssige Ornamentik des Menschen, sie ist ihm zur Vollkommenheit unentbehrlich.

Damit nicht bloß die einzelne Handlung, sondern der Mensch selbst in sittlicher Beziehung gut und vollkommen sei, wird dreierlei erfordert: erstens müssen die einzelnen Handlungen möglichst vollkommen sein; zweitens muß der Mensch jederzeit zu derartigen vollkommenen Handlungen in Bereitschaft dastehen, so daß er bei jeder Gelegenheit ohne lange Überlegung und mühsame Überwindung rasch vollkommen zu handeln vermag; endlich drittens ist zur Vollkommenheit des Menschen notwendig Gleichförmigkeit und

1 S. Thom., S. th. 1, 2, q. 56, a. 6.

2 De civit. Dei 1. 15, c. 22: Mihi videtur quod definitio vera et brevis est virtutis: ordo est amoris.

Ebenmaß in der Handlungsweise. Nichts scheint so wenig mit dem Begriff der Tugend vereinbar als launenhaftes, regelloses Handeln, in dem sich kein dauerndes Ordnungsprinzip durchblicken läßt.

Diese drei Erfordernisse sezen aber im Menschen die Tugend als dauernde Fertigkeit zum sittlich Guten voraus. Die Fertigkeit in einer Hantierung oder Kunst bewirkt, daß uns die Ausübung dieser Kunst leicht und angenehm wird, weil sie unserer Natur entspricht. Die Fertigkeit ist sozusagen eine zweite Natur, weil sie derselben eine bestimmte dauernde Neigung verleiht. Deshalb sagt das Sprichwort, die Gewohnheit werde zur zweiten Natur. Ist aber eine Tätigkeit leicht und angenehm, so wird sie durchschnittlich vollkommen, weil sozusagen die ganze Natur mit dabei ist und kein Teil widerspricht. Das gilt auch in Bezug auf das sittlich Gute. Wie schwer wird dem Anfänger das Gute! Aber mit der beharrlichen Übung wird dasselbe leicht und angenehm und infolge davon auch vollkommen.

Mit der Fertigkeit ist zugleich die beständige Zurüstung zum vollkommenen Handeln gegeben. Alle zum vollkommenen Handeln nötigen Vorbereitungen sind schon fertig, beständig in Bereitschaft. Wie mühsam werden dem angehenden Lehrling die Hantierungen seines Gewerbes! Wie muß er überlegen, was die Kunst vorschreibt und was er zu tun hat, um diese Vorschriften zur Ausführung zu bringen! Ist aus dem Lehrling durch Übung ein Meister geworden, so braucht es keiner langen Überlegung mehr, sondern fast unwillkürlich bringt er die Regeln zur Anwendung. Gerade so ist es auf dem Gebiete des Sittlichen. Ist durch übung die Tugend zu einer gewiffen Reife gelangt, so tut man fast unwillkürlich das Gute. Deshalb lehrt Aristoteles mit Recht, daß die plöglichen Regungen aus habituellen Neigungen hervorgehen. Es gibt kein besseres Mittel, seine eigenen Neigungen kennen zu lernen, als die plötzlichen unwillkürlichen Gemütsregungen zu beobachten. In diesen zeigt sich die Natur ohne künstliche Um= hüllung.

Die Tugend bewirkt endlich Ausdauer und Gleichartigkeit im sittlich guten Handeln. Ist keinerlei Neigung vorhanden, so ändert sich das Benehmen von Fall zu Fall. Die Tugend neigt aber wie ein Gewicht die Natur nach einer von der Vernunft bestimmten Richtung des Guten.

So wird erst durch die Tugend der Mensch nicht bloß in den einzelnen Lebensäußerungen, sondern in der Wurzel wahrhaft gut. Sie gibt dem ganzen Menschen die dauernde Richtung auf das Gute. Die einzelnen guten Handlungen vergehen wie die Wellenschläge, aber die Tugenden sind bleibende Errungenschaften, die in der Seele haften und den Menschen selbst veredeln. Der Tugendhafte gleicht dem veredelten Baume, der beständig edle Früchte hervorbringt. Sehr treffend hat Plato die Tugend das Wohlbefinden (evesía) und die Gesundheit (vriera) der Seele genannt 3. Zeigt das äußere sittliche Verhalten des Menschen Ordnung, Schönheit, Harmonie, so ist die Tugend die dauernde Wurzel dieser Blüten.

1 De Republ. IV 444: Ἀρετὴ μὲν ἄρα, ὡς ἔοικεν, υγίεια τέ τις ἂν εἴη καὶ κάλλος καὶ εὐεξία ψυχῆς, κακία τε νόσος καὶ αἶσχος καὶ ἀσθένεια,

Man pflegt hier noch zu fragen, ob die Tugend uns angeboren sei und ob sie gelehrt werden könne. Diese Fragen sind durch unsere bisherigen Ausführungen schon gelöst. Die Tugend wird, wie die Erfahrung zeigt, durch das freie gute Handeln erworben, sie kann auch wieder durch eigene Schuld verloren gehen. Sie kann also nicht angeboren sein. Wäre sie es, so würde sie auch kein Lob verdienen. Wohl aber ist uns die Fähigkeit und An= lage zum Erwerb der Tugenden angeboren 1. Kein mit dem Vernunftgebrauch Begabter kann sich deshalb mit der Unmöglichkeit des Tugenderwerbes entschuldigen oder vorgeben, er sei zum Bösen genötigt. Die Tugend ist ein allgemein menschliches Gut, von dessen Besit niemand gegen seinen Willen ausgeschlossen ist. Jeder braucht nur ernstlich zu wollen, um tugendhaft zu werden. Ebenso schön als wahr ist das schon oben 2 erwähnte Wort des hl. Auguftinus: Nichts ist dem Willen so leicht als er sich selbst, und mit diesem ist Gott zufrieden.

Was die Lehrbarkeit der Tugend betrifft, so genügt selbstverständlich die bloße Belehrung zur Tugend nicht. Sokrates scheint freilich anderer Ansicht gewesen zu sein. Die Tugend besteht nach ihm im Wissen, oder wie Aristoteles berichtet, Sokrates sah alle Tugenden als Klugheiten an s. Richtig ist an dieser Behauptung, wie derselbe Aristoteles bemerkt, daß keine Tugend ohne Klugheit sein kann. Aber die Klugheit ist nicht die einzige Tugend; zu ihr müssen noch die moralischen Tugenden hinzukommen, die das doppelte Begehrungsvermögen geneigt machen, der Vernunftforderung zu folgen. Sokrates ging von der irrigen Ansicht aus, alle Fähigkeiten im Menschen gehorchten der Vernunft unbedingt wie die Glieder des Leibes dem Willen. Das Böse im Menschen komme von mangelhafter Einsicht. Niemand sei durch seinen Willen schlecht. Wenn dem so wäre, würde allerdings die Einsicht genügen, um den Menschen vollkommen zu machen. Aber diese Ansicht ist irrig. Nur zu häufig tun wir, was wir als sittlich verwerflich erkennen, und außerdem ist der Irrtum selbst oft die Folge des bösen Willens.

Das bloße Wissen, die Belehrung genügt also zur Tugend nicht. Niemand wird durch bloße Belehrung ein Künstler. Nur durch eigene Übung wird die Fertigkeit erworben. Das gilt auch von der Fertigkeit im sittlich Guten, der Tugend. In diesem Sinne bleibt die Tugend immer nächst Gott des Menschen allereigenste Tat, so daß niemand den Menschen tugendhaft machen kann, der selbst nicht will. Die Belehrung erleuchtet wohl unsern Verstand, zeigt dem Willen, wie er handeln kann und soll, und gibt ihm auch Beweggründe zum Guten an die Hand. Aber damit ist die Fertigkeit im Guten noch nicht erlangt. Vom Wissen bis zum Handeln ist ein weiter Schritt. Diese Fertigkeit wird erst dann erworben, wenn der Wille sich frei zum Guten entschließt und in der Übung desselben verharrt. Mancher weiß über die Tugend schön zu reden und zu schreiben, der wenig Tugend besitzt.

1 Wir reden hier nur von den natürlichen, nicht von den übernatürlichen, eingegossenen Tugenden.

2 S. 287, A.

* Ethic. Nic. VI, c. 13: φρονήσεις ᾤετο εἶναι πάσας τὰς ἀρετάς.

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