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3. Aber worin besteht denn der wesentliche Unterschied zwischen den Rechtsgesehen und den übrigen Gesezen, wenn nicht in der Erzwingbarkeit? Bloß die ersteren beziehen sich auf das, was man andern als das Ihrige schuldet, und bloß sie verpflichten aus Gerechtigkeit, so daß man sie nicht übertreten kann, ohne das Recht eines andern zu verlegen, während dies bei den letzteren nicht der Fall ist (S. 453) 1.

Gehört die Möglichkeit, ja sogar die Befugnis zum Zwang nicht zum Wesen der menschlichen Rechtsgeseze, so ergibt sich daraus die sehr wichtige Folgerung für das Naturgesetz: Man kann den natürlichen Sittengeboten, welche sich auf die soziale Ordnung der Menschen untereinander beziehen, nicht deshalb den Charakter wahrer Rechtsgeseze absprechen, weil sie aus sich keinen Polizeiapparat zur Verfügung haben.

Wir können zur Bestätigung davon auf das natürliche Rechtsgesetz hinweisen, welches die Gesamtheit bzw. die Obrigkeit verpflichtet, bei Austeilung der öffentlichen Güter und Lasten nach den Anforde rungen der austeilenden Gerechtigkeit zu verfahren. Dieses ist ein wahres Rechtsgesetz, das die Obrigkeit nicht verlegen kann, ohne Unrecht zu tun. Und doch wird höchstens ein Anarchist behaupten, dieses Gesetz lasse sich erzwingen. Denn das hieße den Untergebenen das Recht zuerkennen, mit Gewalt gegen die Obrigkeit vorzugehen, sobald diese nicht nach den Anforderungen der austeilenden Gerechtigkeit verfährt.

Will man übrigens die Erzwingbarkeit des Rechtsgesetzes so sehr betonen, so sagen wir, daß dieselbe auch dem Naturgeseze nicht fehlt, denn gerade zur Durchführung und näheren Bestimmung der natürlichen Rechtsgeseße ist das positive Gesetz und eine menschliche Zwangsgewalt notwendig.

II. Erzwingbarkeit des subjektiven Nechtes.

1. Die Erzwingbarkeit des subjektiven Rechtes der legalen Gerechtig= teit ergibt sich von selbst aus der Erzwingbarkeit des Rechtsgesetzes. Genau genommen fällt die Erzwingbarkeit des Rechtsgesetzes und der Rechtsbefugnis im genannten Sinn zusammen. Die vom Rechtsgesetz auferlegte Pflicht läßt sich erzwingen, weil ihr das Recht der Gesamtheit entspricht, daß dieser Pflicht, und zwar schon hienieden im irdischen Zusammenleben, Genüge geschehe.

Fragt man, wem die Ausübung dieser Zwangsbefugnis zustehe, so ist darauf zu erwidern, diese Befugnis sei ein ausschließliches Vorrecht entweder der Gesamtheit als solcher oder derjenigen, denen die Sorge für das öffentliche Wohl obliegt. Gleichwie es nicht jedem zusteht, Geseze zu erlassen, so ist auch nicht jeder befugt, die Pflichten gegen die Gesamtheit zu erzwingen. Das ist eine notwendige Forderung der öffentlichen Ruhe und Ordnung. Wenn jeder gegen den andern mit Zwang vorgehen und ihn mit Gewalt zur

1 Bergbohm (Jurisprudenz und Rechtsphilosophie I [1892] 73) meint: scheidet man den Zwang aus dem Begriffe des Rechtes aus, „so öffnet man den bloßen Sitten und allen möglichen andern Regeln das Einfallstor in das Rechtsgebiet". Diese Be= fürchtung ist nach dem Gesagten unbegründet.

Cathrein, Moralphilosophie. I. 4. Aufl.

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Erfüllung seiner Pflichten gegen die Gesamtheit anhalten dürfte, hätten wir bald den Krieg aller gegen alle.

2. Das Recht, welches der austeilenden Gerechtigkeit entspricht, ist nicht erzwingbar, ebensowenig als das Geseß, auf dem dasselbe beruht. Die Rechtspflicht ist erzwingbar, weil und soweit die Erreichung des Zweckes der einzelnen und der Gesellschaft hier auf Erden es erheischt (S. 463 f). Dieser Zweck verlangt aber nicht die Erzwingbarkeit der Rechtspflicht, welche der austeilenden Gerechtigkeit entspricht, verbietet sie vielmehr. Die öffentliche Ordnung könnte nicht bestehen, wenn es jedem Untertanen freistände, gegen die Obrig= feit Gewalt zu brauchen, sobald er bei Verteilung der öffentlichen Güter und Lasten nicht nach den Anforderungen der austeilenden Gerechtigkeit berücksichtigt zu sein glaubt.

Man sieht hieraus wieder, wie unrichtig es ist, das Wesen der Rechtspflicht in die Erzwingbarkeit zu sehen. Obgleich die austeilende Gerechtigkeit weniger vollkommen den Namen der Gerechtigkeit verdient als die ausgleichende und legale, so ist sie nichtsdestoweniger im wahren Sinne Gerechtigkeit, hat also eine wahre Rechtspflicht und ein wahres Rechtsgesetz zur Voraussetzung. Diese Rechtspflicht und dieses Rechtsgesetz sind aber, wie gezeigt, nicht erzwingbar, also kann die Erzwingbarkeit nicht das Wesen des Rechtsgesehes und der Rechtspflicht ausmachen und ebensowenig die Zwangsbefugnis das Wesen des subjektiven Rechtes.

3. Daß das Recht, welches der ausgleichenden Gerechtigkeit ent= spricht, die Zwangsbefugnis im Gefolge hat, wird von allen zugegeben und ergibt sich aus seinem Zweck. Dieser ist die Unabhängigkeit und Freiheit eines jeden Gliedes der Gesellschaft im Gebrauche des Seinigen. Dieser Zweck würde aber durchschnittlich nicht erreicht, wenn es nicht erlaubt wäre, mit Zwang gegen diejenigen vorzugehen, die sich nicht an die Rechtsordnung halten wollen.

Aber wem steht die Zwangsbefugnis zu, die mit diesem Rechte der ausgleichenden Gerechtigkeit verbunden ist?

An und für sich und rein abstrakt betrachtet, haftet diese Zwangsbefugnis an dem Rechtsträger selbst. Wer eine Rechtsbefugnis hat, hat auch an und für sich die entsprechende Zwangsbefugnis. Das geht schon daraus hervor, daß diese Zwangsbefugnis eine Begleiteigenschaft des Rechtes ist und sich deshalb an und für sich dort finden muß, wo das Recht ist. Dies bestätigt auch der unwillkürliche Naturtrieb jedes Menschen, sein Recht mit Gewalt gegen die Eingriffe der andern zu schüßen oder zu erzwingen.

Anders jedoch muß die Antwort lauten, sobald man den Menschen als tatsächliches Glied eines Gemeinwesens betrachtet. In der Gesellschaft verbietet die notwendige Ordnung und Sicherheit aller, daß jeder einzelne gleich selbst zum Zwange seine Zuflucht nehme, um seinem Rechte Anerkennung zu verschaffen. Sonst würde bald ein allgemeines Faustrecht entstehen. Jeder ist gar zu sehr geneigt, sich gleich für ungerecht behandelt anzusehen oder die Un= gerechtigkeit zu überschäzen. Bliebe die Entscheidung und Erzwingung dem eigenen Urteile der einzelnen überlassen, so wäre es bald um die öffentliche Ordnung und Sicherheit geschehen. Es muß deshalb eine öffentliche Gewalt geben, welche über den Parteien steht, die Rechtsstreitigkeiten nach fest bestimmten

Normen schlichtet, nötigenfalls mit Gewalt den Widerspenstigen in die Schranken des Rechtes zurückweist und so jedem zu seinem Rechte verhilft 1.

In seltenen Ausnahmefällen kann aber auch der einzelne zur gewaltsamen Selbsthilfe befugt sein, dann nämlich, wenn die Zuflucht zur gesellschaftlichen Autorität wegen augenblicklich drohender Gefahr nicht möglich ist. Auch diese Forderung hängt mit der Sicherheit aller zusammen, wie sich denn überhaupt die Zwangsbefugnis ganz nach den Anforderungen des sichern und geordneten Zusammenlebens aller richten muß. In solchen Ausnahmefällen kommt ge= wissermaßen das dem Individuum von Haus aus eigene Zwangsrecht wieder zum Vorschein.

F. J. Stahl2 glaubt, nicht der einzelne als solcher, sondern das Volk in seiner Einheit sei das Subjekt des Rechtes, der einzelne stehe nur in und mittels des Volkes, als civis und nicht als homo unter den Geboten des Rechtes. Doch diese Ansicht hängt mit dem Rechtspositivismus Stahls zusammen, von dem weiter unten die Rede sein wird. Zu welch sonderbaren Folgerungen sie führt, geht schon daraus hervor, daß nach ihr der von einem Mörder Angegriffene nur auf Grund angenommener staatlicher Ermächtigung sein Leben mit Gewalt verteidigen darf! Und wenn wir uns gar ein paar Menschen außerhalb jedes staatlichen Verbandes denken, so kann nach Stahl von einer solchen Rechtsbefugnis keine Rede mehr sein, weil es überhaupt in einem solchen Zustande kein Recht gibt.

Obwohl das subjektive Recht der ausgleichenden Gerechtigkeit erzwingbar ist, so gehört doch die tatsächliche und augenblickliche Möglichkeit der physischen Erzwingung nicht zu seinem Wesen.

a) Wir reden alle von verkannten, verlegten, mit Füßen getretenen Rechten. Also setzen wir voraus, das Recht bestehe auch dann noch, wenn ihm physische Überlegenheit entgegentritt. In der Tat, wenn ein unschuldiger Wanderer von einem Wegelagerer geplündert und ermordet wird, so sieht jeder darin eine schnöde Rechtsverlegung. Es ist dem Wanderer schweres Unrecht geschehen. Und doch stand ihm die augenblickliche Möglichkeit des Zwanges nicht zu Gebote, er unterlag der rohen Gewalt. Also kann diese Möglichkeit des Zwanges nicht zum Wesen des Rechtes gehören. Wer das Gegenteil behaupten wollte, müßte annehmen, das Recht sei nicht einer moralischen Befugnis, sondern einer physischen Überlegenheit gleich zu achten, da es aufhöre, sobald es einer größeren physischen Macht gegenüberstehe. Er müßte ferner annehmen, der Stärkere könne nie ein Recht verlezen.

b) Das Recht hat seine Wurzel und Grundlage in einem Gesez. Wir haben aber gezeigt, daß der Bestand des Rechtsgesehes von der augenblicklichen Möglichkeit physischen Zwanges nicht abhängt. Also gilt dasselbe auch von der Rechtsbefugnis.

c) Vielleicht wird man sagen, die Möglichkeit physischen Zwanges gehöre zwar nicht zum Wesen des Rechtes, wohl aber die Möglichkeit allgemeinen.

1 Meyer, Inst. iur. nat. I, n. 481 ff.
2 Philosophie des Rechtes (1854) 195.

gesehlichen Zwanges; dem Rechte sei wenigstens die Anerkennung durch die Staatsgeseze und der allgemeine Schuß der öffentlichen Zwangsgewalt wesentlich.

Aber wenn die augenblickliche physische Erzwingbarkeit dem Rechte nicht wesentlich ist, sondern der bloße gesezliche Schuß ausreicht, warum genügt dann der Schuß des natürlichen Sittengesezes nicht? Dieses ist ein wahres Gesetz und schützt mich ebensogut als ein auf Papier geschriebenes Gesez, dem der augenblickliche Zwang nicht zur Seite steht. Die völlige Unzulänglichkeit des Rechtsschutzes durch die Staatsgesehe ergibt sich ferner schon daraus, daß die öffentliche Gewalt ihre Pflicht vergessen und weit von den Wegen der Gerechtigkeit abirren kann. Die römischen Staatsgefeße erlaubten bis in die Kaiserzeit dem Herrn, mit seinen Sklaven zu verfahren, wie er wollte. Er durfte sie nach Belieben mißhandeln, verstümmeln, töten, den Fischen zur Speise vorwerfen. Dem Sklaven fehlte jeglicher staatsgesetzliche Schutz; er war völlig rechtlos der Gewalt seines Herrn überantwortet1. Wer nicht ein Recht anerkennt, das über dem Staatsgeseze steht, muß diesen Zustand als einen vollständig berechtigten ansehen; er muß zugeben, daß dem Sklaven kein Unrecht geschah. Dieses ist nur ein Fall. Die Geschichte der Menschheit zeigt uns auf jeder Seite ähnliche Beispiele der schmählichsten Unterdrückung. Man denke nur an die Sklavenjagden im Inneren Afrikas. Sollte es wirklich Menschen geben, die einer Theorie zuliebe zu behaupten wagten, derartige Zustände seien nicht himmelschreiende Ungerechtigkeiten? Und doch, wo sind die afrikanischen Staatsgesehe, die sie verbieten?

d) Wie unzulässig es ist, das Wesen des Rechtes in die tatsächliche Mög= lichkeit der Anwendung von Gewalt oder in den gesetzlichen Zwang zu verlegen, geht auch daraus hervor, daß es unzweifelhafte Rechte gibt, die ihrer Natur nach sich jedem Zwang entziehen. Jeder hat ein strenges Recht darauf, daß ihn niemand ohne genügenden Grund für einen schlechten Menschen, z. B. für einen Meineidigen, Ehebrecher, Betrüger, halte. Und zwar gilt dies auch von rein innerlichen Urteilen. Darin besteht gerade das frevelhafte, vermessentliche Urteil, daß man ohne hinreichenden Grund jemand in seinen Gedanken verurteilt und ihn so wenigstens in Bezug auf sich selbst der guten Meinung und Achtung beraubt, auf die er ein Recht hat. Das ist eine Rechtsverletzung 2. Nemo praesumitur malus, donec probetur.

Dieses Recht ist aber seiner Natur nach nicht erzwingbar. Kein Mensch vermag die andern zu zwingen, so zu denken, wie er will. Deshalb beschäftigen sich auch die menschlichen Gesetze mit solchen Gedanken nicht. De internis non iudicat praetor. Allerdings werden manche Gegner, um ihre Ansicht nicht aufgeben zu müssen, leugnen, daß solche Urteile gegen die Gerechtigkeit verstoßen. Aber Tatsache ist, daß jeder Unbefangene die frevelhaften Urteile ungerechte Urteile nennt 3.

1 Jhering, Geist des römischen Rechts, 2. TI, 167.

2 S. Thom., S. th. 2, 2, q. 60, a. 3 ad 2: Ex hoc ipso, quod aliquis malam opinionem habet de alio sine causa sufficienti, indebite contemnit ipsum, et ideo iniuriatur ei.

3 Auch das Recht der Verstorbenen auf ihren guten Ruf zeigt, wie wenig das Wesen des Rechtes in die Zwangsbefugnis verlegt werden kann. Wir nehmen es als

Drittes Kapitel.

Die Quellen des Rechtes.

Von der Frage nach dem Begriff, Zweck und den Haupteigenschaften des Rechtes wenden wir uns jetzt zu der Frage: Woher stammt das Recht? Welches sind die Ursachen, die es erzeugen? oder mit andern Worten: Welches sind die Quellen des Rechtes?

Bei dieser Frage handelt es sich hauptsächlich um das objektive Recht. Denn das subjektive Recht ist nicht bloße physische Übermacht, sondern eine Befugnis, ein moralisches oder gesetzliches Dürfen oder Können, das andere anzuerkennen verpflichtet sind, und ein solches Dürfen oder Können muß endlich und letztlich auf eine Rechtsnorm oder ein Rechtsgesetz als seine Quelle zurückgeführt werden. Auf die Frage: Woher kommen die subjektiven Rechte? können wir also zunächst antworten: Von den Rechtsnormen, die jedem das Seinige zuteilen und jeden verpflichten, den andern das Ihrige zu geben. Jezt aber fragt sich weiter: Woher stammen die Rechtsgeseze oder Rechtsnormen?

Die Rechtspositivisten antworten auf diese Frage: es gebe kein in der Natur selbst begründetes, natürliches Recht; alles Recht beruhe auf menschlicher Einrichtung. Gleichwie der Moralpositivismus die ganze fittliche Ordnung als ein Erzeugnis freier menschlicher oder göttlicher Einrichtung ansieht (S. 139 ff), so erblickt der Rechtspositivismus in der gesamten Rechtsordnung eine rein menschliche Schöpfung. Doch geben manche Anhänger des Rechtspositivismus zu, in der menschlichen Natur liege der Trieb zur Rechtsbildung.

Moralpositivismus und Rechtspositivismus verhalten sich wie das Ganze zum Teil. Jeder Moralpositivist ist notwendig auch Rechtspositivist, aber nicht umgekehrt. Manche Anhänger des Rechtspositivismus anerkennen rein ethische, vom Naturgeseze auferlegte Pflichten an, aber die Beobachtung dieser Pflichten gilt ihnen als private Gewissenssache des einzelnen. Die Rechtspflichten da= gegen werden uns erst in und durch die Gesellschaft auferlegt: entweder durch den Staat oder durch die rechtsbildende Gewohnheit.

Erster Artifel.

Ift der Staat die Quelle alles Rechtes?

Daß viele Rechtsnormen unmittelbar vom Staate bzw. der gesetzgeben= den Gewalt des Staates ausgehen und von ihr allein unmittelbar ihre selbstverständlich an, daß jeder Lebende ein Recht auf seinen guten Namen hat. Warum sollte er dieses Recht durch seinen Tod verlieren? Denn die Seele, die der eigentliche Träger dieses Rechtes ist, lebt. Sie ist unsterblich. Und wer den Verstorbenen verleumdet und verdächtigt, begeht eine Rechtsverlegung (de Lugo, De iustit. et iure disp. 14, s. 3). J. G. Fichte (Grundlage des Naturrechts: WW. III 56) leugnet zwar, daß die Verstorbenen noch Rechte haben, aber nur seinem verkehrten Rechtsbegriffe zuliebe, von dem später die Rede sein wird. Es ist nun klar, daß hier von einer Zwangsbefugnis kaum die Rede sein kann. Der Verstorbene selbst kann sich nicht mehr wehren, und durchschnittlich kümmern sich die öffentlichen Geseze wenig um die Ehre der Verstorbenen, sind jedenfalls gegen die Verleumdungen und Schmähungen der Verstorbenen in den meisten Fällen ohnmächtig.

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