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es in Rom öffentlich als Recht anerkannt und sanktioniert ist; aber es gilt auch schon durch das Naturgesez und begegnet uns deshalb bei allen Völkern.

Geschichtlich entstand das ius gentium, insofern es römisches Recht ist, aus dem Peregrinenrecht, welches neben dem Zivilrecht allmählich aufkam, um den Verkehr der zahlreichen römischen Peregrinen unter sich und mit römischen Bürgern zu regeln. Dieses Peregrinenrecht entwickelte sich allmählich zu einem gemeinschaftlichen Recht aller im römischen Reiche rechtsfähigen Menschen und verschmolz endlich mit dem Zivilrecht, soweit dieses nicht verdrängt worden war, zum römischen Weltrecht. In diesem Rechte behielt man die Benennung ius civile und ius gentium bei. Ius gentium nannte man jenen Teil des römischen Rechtes, der in den Rechtsgrundsäßen der natürlichen Vernunft enthalten ist und bei allen Völkern gilt. Ius civile dagegen hießen die dem römischen Volke eigentümlichen Rechtsinstitutionen.

2. Obwohl aber das ius gentium positives Recht ist, so ist es doch seinem Inhalte nach im Naturgeseze enthalten. Es besteht in den Vernunftforderungen, die aus den allgemeinen Rechtsgrundsäßen der natürlichen Vernunft sich notwendig ergeben und also auch zum Naturrecht gehören.

Die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich aus den Eigenschaften, die dem ius gentium zugeschrieben werden. Es wird commune omnium hominum ius genannt, seine Grundlage ist die natürliche Vernunft: quod naturalis ratio inter omnes homines constituit, es findet sich überall: quod apud omnes gentes peraeque custoditur, quo omnes gentes utuntur, quod cum ipso genere humano proditum est.

Manchmal wird das ius gentium geradezu ius naturale genannt: Quarundam rerum dominium nanciscimur iure naturali, quod, sicut diximus, vocatur ius gentium 1. Von einer Erwerbsbedingung heißt es: Quod cavetur quidem lege duodecim tabularum, tamen recte dicitur et iure gentium, i. e. iure naturali id effici 2.

Das römische ius gentium umfaßt mithin inhaltlich einen Teil des Naturrechtes in unserem heutigen Sinne, und zwar jenen, der auch öffentlich anerkanntes und insofern positives menschliches Recht ist 3. Kein Mensch wird daran zweifeln, daß die Verbote des Mordes und Diebstahls in unsern Strafgesetzbüchern zum positiven menschlichen Recht gehören. Damit ist nicht gesagt, daß sie bloß positives Recht seien. Sie sind vielmehr schon im Naturgesez enthalten, aus dem sie sich als notwendige Schlußfolgerungen ergeben, und werden eben deshalb auch bei allen Völkern als einzuhaltende Rechtsordnung anerkannt 4.

1 § 11 I. (2, 1).

2 § 41 I. (2, 1). Für weitere Ausführungen vgl. Cathrein, Das ius gentium im römischen Recht und beim hl. Thomas von Aquin (Philos. Jahrbuch 1889, 373 ƒƒ). 3 Wir führen noch folgende charakteristischen Worte Ciceros (De offic. 3, 5) an: Neque vero hoc solum natura, i. e. iure gentium. . . constitutum est, und wiederum (De offic. 3, 17): Maiores aliud ius gentium, aliud ius civile esse voluerunt: quod civile, non idem continuo gentium; quod autem gentium, idem civile esse debet.

Mit Recht sagt Sohm (Institutionen des römischen Rechts (1888] 41): „Ius gentium war der Teil des römischen Privatrechtes, welcher mit dem Privatrecht anderer

Das römische ius gentium ist also nichts anderes als das moketindv dixanov quoixóv des Aristoteles. Der große griechische Denker unterscheidet, wie schon oben (S. 534) gesagt wurde, ein doppeltes im Staate geltendes (politisches) Recht: das natürliche (nodetinòv díxatov quoixóv) und das gefelide Medt (πολιτικὸν δίκαιον νομικόν). Senes gilt gleidmäßig bei allen Völkern, und zwar nicht bloß deshalb, weil es der Staat zum Recht erhebt, sondern auch unabhängig davon. Dieses dagegen ist bei verschiedenen Völkern verschieden, bezieht sich auf an und für sich sittlich gleichgültige Dinge und wird erst durch das Staatsgesetz zum Recht. Das staatliche Verbot des Mordes, Ehebruchs usw. ist zwar auch staatliches Gesetz; es wird von der Staatsgewalt erlassen und sanktioniert und ist insofern ein positives Gesez. Aber die Handlungen, auf welche sich dieses Gebot bezieht, sind schon durch das Naturgeseh verboten, weil sie ihrer Natur nach schlecht sind. Daß in der Tat die römische Auffassung mit der Aristotelischen übereinstimmt, zeigt die berühmte Stelle aus den Institutionen des Gajus (Inst. I. § 1), die man fast als eine freie Übersetzung der Aristotelischen Ausführungen ansehen kann, und die sowohl in die Institutionen Justinians als in die Pardekten aufgenommen wurde: Omnes populi, qui legibus et moribus reguntur, partim suo proprio, partim communi omnium hominum iure utuntur: nam quod quisque populus ipse sibi ius constituit, id ipsius proprium est, vocaturque ius civile (das Ariftotelische díxacov voμzóv), quasi ius proprium civitatis; quod vero naturalis ratio inter omnes homines constituit, id apud omnes populos peraeque custoditur, vocaturque ius gentium, quasi quo iure omnes utuntur. Populus itaque Romanus partim suo proprio, partim communi omnium hominum iure utitur. Das ius gentium ist also ein ius quo populus Romanus utitur und insofern ein positives Recht.

3. Wie verhält sich nun das ius gentium zum ius naturale? Bei den älteren römischen Juristen bis auf Gajus einschließlich erscheint das ius naturale ungefähr in unserem heutigen Sinne. Wir verstehen unter Naturrecht sämtliche Rechtsnormen und Institutionen, zu denen die natürliche Vernunft unabhängig von einem menschlichen Gebot gelangt. Das ius gentium hat also bloß einen Teil des Naturrechtes zum Gegenstand. Was zum ius gentium gehört, gehört auch zum Naturrecht, aber nicht umgekehrt. Denn das ius gentium enthält weder die ganz allgemeinen, abstrakten Rechtsgrundsäze noch alle Schlußfolgerungen aus denselben, sondern nur solche, die sich zu öffentlichen, staatlichen Gesezen eignen und tatsächlich wenigstens durch Gewohnheit allgemeine Anerkennung fanden.

Erst von Ulpian an tritt neben der genannten Bedeutung des Naturrechtes stets noch eine andere auf. Während noch Gajus alles im ius gentium Enthaltene als zum Naturrecht gehörig behandelt, erhält seit Ulpian das Naturrecht eine engere Bedeutung, so daß auch inhaltlich das ius gentium sich

Völker . . . übereinstimmte. Mit andern Worten: Ius gentium war derjenige Teil des römischen Rechtes, welcher schon den Römern als ratio scripta, als gemeingültiges und gemeinmenschliches Recht erschien."

vom ius naturale unterscheidet. Lezteres bezeichnet jezt nur mehr jenen Teil der Rechtsgrundsäße und Rechtsinstitutionen, die sich unmittelbar und unabhängig von Vernunftschlüffen aus den Neigungen der menschlichen Natur ergeben und dem Gegenstande nach den Menschen und Tieren ge= meinsam sind 1. Was also der menschlichen Natur entspricht, wenn man sie absolut in sich betrachtet, gehört zum Naturrecht; was sich dagegen erst durch Schlußfolgerungen ergibt, die man unter verschiedenen Vorausseßungen und Bedingungen gewinnt, gehört zum ius gentium 2. Während deshalb das ius naturale völlig unwandelbar ist 3, läßt das ius gentium gewisse Veränderungen zu.

Weil die beiden genannten Bedeutungen des ius naturale im corpus iuris civilis nicht immer scharf auseinandergehalten werden, so ist eine gewisse Unklarheit vorhanden, die zu manchen Streitfragen Veranlassung gegeben hat*.

II. Das ius gentium beim hl. Thomas von Aquin.

Der hl. Thomas schließt sich in seiner Auffassung des ius gentium nach dem Vorgange Isidors von Sevilla 5 im wesentlichen den römischen Juristen an, auf die er sich wiederholt ausdrücklich beruft. Auch er versteht unter ius gentium jenen Teil des positiven Rechtes, der notwendige Schlußfolgerungen aus dem Naturrecht enthält und mithin eine doppelte Quelle seiner Verpflichtung hat.

Wir wollen aber diese Übereinstimmung mit den Ansichten der römischen. Juristen aus den Worten des heiligen Lehrers selbst nachweisen, weil man

1 Nach Cicero (De republ. 3, 8) scheint zuerst Pythagoras von einem den Tieren und Menschen gemeinsamen Recht gesprochen zu haben.

2 Cf. pr. I. (1, 2): lus naturale est, quod natura omnia animalia docuit. Nam ius istud non humani generis proprium, sed omnium animalium. . . . Hinc descendit maris atque feminae coniugatio, quam nos matrimonium appellamus, hinc liberorum procreatio et educatio, videmus enim cetera quoque animalia istius iuris peritia censeri. § 4 eod.: Ius gentium est, quo gentes humanae utuntur, quod a naturali recedere facile intelligere licet, quia illud omnibus animalibus, hoc solis hominibus inter se commune est.

3 L. 32 D. (50, 17): Quod ad ius naturale attinet, omnes homines aequales sunt. L. 11 D. (1, 1): Id quod semper aequum ac bonum est, ius dicitur, ut est ius naturale.

So viel geht aber aus den obigen Auseinandersetzungen mit voller Evidenz hervor, daß die römischen Juristen ein eigentliches Naturrecht annahmen, welches bei allen Völkern gilt, göttlichen Ursprungs und unwandelbar ist (§ 11 [1, 2]: Naturalia quidem iura, quae apud omnes gentes peraeque servantur, divina quadam providentia constituta, semper firma atque immutabilia permanent), welches über den Menschen steht und von ihnen nicht abgeschafft werden kann (L. 2, § 1 D. [7, 5]: Nec enim naturalis ratio auctoritate Senatus commutari potuit; § 3 I. [1, 15]: Quae rerum natura prohibentur, nulla lege confirmata sunt; § 11 1. [3, 1]: Naturalia enim iura civilis ratio perimere non potest; L. 8 D. [4, 5]: Civilis ratio naturalia iura corrumpere non potest). Die großen römischen Juristen waren troß ihrer Anerkennung der unumschränkten kaiserlichen Gewalt und des allen Römern eigenen Gemeinsinnes weit entfernt, in der Berufung auf das Naturrecht eine Gefahr für das öffentliche Wohl oder das Ansehen der Staatsgesetze zu erblicken.

5 Etymolog. 1. 5, c. 4—6.

sich speziell auf ihn als einen Begünstiger des Sozialismus berufen hat. Denn er behaupte, das Privateigentum sei iuris gentium, beruhe mithin auf positivem menschlichen Rechte und könne von den Menschen unter Umständen wieder abgeschafft werden.

1. Die von uns behauptete Erklärung des ius gentium gibt der hl. Thomas mit solcher Klarheit, daß man kaum begreift, wie andere Erklärungen aufkommen konnten. In der Summa theol. (1, 2, q. 95, a. 4) lehrt er aus= drücklich, das ius gentium gehöre zum positiven Recht oder zu den menschlichen Gesezen. Denn er handelt dort von der Einteilung der menschlichen Geseze und behauptet: Est de ratione legis humanae, quod sit derivata a lege naturae, . . . et secundum hoc dividitur ius positivum in ius gentium et civile.

Daran ist also kein Zweifel möglich: das ius gentium gehört nach dem hl. Thomas zu den menschlichen Gesezen oder zum positiven Recht. Es fragt sich also nur noch, welchen Teil der positiven menschlichen Geseze bildet das ius gentium? Darauf antwortet Thomas selbst, indem er zwei Arten von positiven menschlichen Geseßen unterscheidet: die eine wird aus dem Naturgesetz hergeleitet durch Schlußfolgerung, und diese ist das ius gentium; die andere aber durch nähere Bestimmung, und diese ist das ius civile. Also das ius gentium ist jener Teil der menschlichen Geseze, welcher notwendige Schlußfolgerungen aus dem Naturgesetz enthält. Hören wir ihn selbst. Nachdem er behauptet, das positive menschliche Recht werde in das ius gentium und das ius civile eingeteilt, fährt er fort: Ad ius gentium pertinent ea, quae derivantur ex lege naturae sicut conclusiones ex principiis, ut iustae emptiones et venditiones et alia huiusmodi, sine quibus homines ad invicem convivere non possunt; quod est de lege naturae.

Höchstens könnte man noch zweifeln, ob der hl. Thomas von notwendigen Schlußfolgerungen aus dem Naturgeseze rede. Aber daß es sich um solche notwendige Schlußfolgerungen handle, geht schon aus den Worten sine quibus homines ad invicem convivere non possunt hervor. Übrigens sind nach dem hl. Thomas alle wahren Schlußfolgerungen notwendig. Aus denselben Prämissen folgen auch immer dieselben Schlußfolgerungen 1.

2. Der hl. Thomas gebraucht das Wort Recht (ius) hauptsächlich in doppeltem Sinne: erstens im Sinne von Gesez (Rechtsnorm) und zweitens im Sinne vom Gerechten (iustum) oder dem Gegenstand (Inhalt) des Rechtsgejezes (Recht im ersten Sinne, S. 450 ff). Die lettere Bedeutung ist

1 S. th. 1, 2, q. 95, a. 4: Est de ratione legis humanae, quod sit derivata a lege naturae ... et secundum hoc dividitur ius positivum in ius gentium et ius civile, secundum duos modos quibus aliquid derivatur a lege naturae. . . . Nam ad ius gentium pertinent ea quae derivantur ex lege naturae sicut conclusiones ex principiis ut iustae emptiones, venditiones et alia huiusmodi, sine quibus homines ad invicem convivere non possunt, quod est de lege naturae, quia homo est naturaliter animal sociale. . . . Quae vero derivantur a lege naturae per modum particularis determinationis, pertinent ad ius civile, secundum quod quaelibet civitas aliquid sibi accommode determinat.

nach dem hl. Thomas die ursprünglichere 1. Aber auch in der ersteren redet er häufig von Recht2.

Wir behaupten nun zweierlei; erstens: Wo der hl. Thomas von ius im Sinne von Gesez redet, zählt er das ius gentium zum positiven menschlichen Recht; zweitens: Wo er von ius im Sinne von Gerechtem (iustum) spricht, zieht er das ius gentium zum ius (iustum) naturale und bezeichnet dasselbe als Schlußfolgerungen aus dem Naturgesez. Daraus ergibt sich von selbst die von uns vertretene Ansicht.

a) Im Sinne von Gesez rechnet der hl. Thomas das ius gentium zum positiven menschlichen Recht.

Beim Beweise dieser Behauptung brauchen wir uns nicht lange aufzuhalten, da sie von den Gegnern zum Ausgangspunkt ihrer Erklärung genommen wird. Sie ergibt sich auch unmittelbar aus den klaren Worten, die wir soeben angeführt haben aus der Summa 1, 2, q. 95, a. 4. Man vergleiche noch daselbst 1, 2, q. 95, a. 2, wo dieselbe Behauptung wiederkehrt.

b) Im Sinne von iustum rechnet der hl. Thomas das ius gentium zum ius (iustum) naturale.

a) Den ersten Beweis für diese Behauptung liefert uns der Kommentar zur Nikomachischen Ethikt. Hier erklärt er die früher (S. 541) erwähnte Ariftotelice Ginteilung δεξ δίκαιον πολιτικόν in ba3 δίκαιον φυσικόν unb δίκαιον vojzóv. Daß an dieser Stelle von ius im Sinne von iustum die Rede ist, braucht nicht erst bewiesen zu werden, weil Aristoteles nur davon handelt und der hl. Thomas es mehrmals ausdrücklich sagt.

Zu welchem Recht im Sinne von iustum zählt nun der hl. Thomas das ius gentium? 3um iustum naturale des Aristoteles. Unter ius naturale versteht er mit dem Stagiriten das iustum, quod habet ubique eandem potentiam et virtutem. . . . Quod quidem contingit, eo quod natura, quae est huius iusti causa, eadem est upud omnes. . . . Iustum naturale non consistit in videri et non videri, i. e. non oritur ex aliqua opinione humana, sed natura. Dieses ius naturale des Aristoteles teilt nun Thomas in das ius naturale et gentium der Juristen. Naturrecht (iustum naturale) ist dasjenige, so führt er aus, wozu die Natur den Menschen hinneigt. Nun kann man aber eine doppelte Natur im Menschen unterscheiden, eine tierische und eine vernünftige; jene ist ihm mit den Tieren gemeinsam, diese bildet seine besondere Auszeichnung. Die Juristen nennen aber nur dasjenige Naturrecht (ius naturale), was sich aus der Neigung der Natur ergibt, die dem Menschen mit den Tieren gemeinsam ist. Dasjenige Recht hingegen, das aus der menschlichen Natur folgt, insofern sie vernünftig ist, nennen sie ius gentium, weil es bei allen Völkern im Gebrauch ist, wie z. B., daß man die Verträge halten solle, daß die Gesandten bei den Feinden sicher seien u. ä.

1 S. th. 2, 2, q. 57, a. 1 ad 1: Nomen ius primo impositum est ad significandam ipsam rem iustam.

2 In 4 dist. 33, q. 1, a. 1: Naturalis conceptio est ei indita... quae lex naturalis vel ius naturale dicitur.

3 In V. Ethic. Nicom. 1. 12.

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