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Verbietet das Gesez eine Handlung, so haben wir eine negative Pflicht, d. h. die Pflicht zu einer Unterlassung; gebietet es eine Handlung, so ist die Pflicht eine affirmative. Die affirmative Pflicht wird auch oft positive Pflicht genannt.

Je nach der Verschiedenheit der Personen, auf die sich die Pflicht bezieht, unterscheidet man Pflichten gegen Gott, gegen sich selbst und gegen den Nächsten. Unter dem Nächsten wird hier jeder Nebenmensch verstanden. Man unterscheidet ferner absolute und hypothetische oder bedingte Pflichten. Die absoluten Pflichten ergeben sich notwendig aus dem Wesen des Menschen und sind daher allen Menschen unter allen Umständen gemeinsam, z. B. die Pflicht der Gottesverehrung, die Pflicht, dem Gewissen zu folgen. Auch die vom Naturgesetz auferlegten negativen Pflichten sind absolute Pflichten. Die hypothetischen Pflichten treten nur unter bestimmten Voraussetzungen ein, z. B. die Pflicht der Eltern, für ihre Kinder zu sorgen.

Wichtiger für unsern Zweck ist die Unterscheidung der Pflichten in juri dische und nicht juridische Pflichten (Rechtspflichten und rein ethische Pflichten, reine Gewissenspflichten). Rechtspflichten sind diejenigen, die uns durch ein Rechtsgesetz auferlegt werden und denen von seiten derjenigen, gegen welche die Pflicht vorhanden ist, ein eigentliches Recht entspricht. Sie können nicht übertreten werden ohne Rechtsverletzung und umfassen alles, was die Tugend der Gerechtigkeit vorschreibt. Nur darf man unter Gerechtigkeit nicht bloß die ausgleichende Gerechtigkeit verstehen.

Nicht juridische Pflichten sind solche, denen kein eigentliches Recht entspricht, deren übertretung mithin noch keine Rechtsverletzung enthält. Dazu gehören die Pflichten des Menschen gegen sich selbst, die Pflichten der Nächstenliebe, Dankbarkeit, Bescheidenheit u. dgl. Dieselben werden nicht selten rein ethische Pflichten genannt. Doch ist dieser erst durch die Kantische Schule aufgekommene Ausdruck sehr mißverständlich, weil er den Gedanken nahelegt, die Rechtspflichten seien in geringerem Grade sittliche Pflichten als die übrigen, oder sie enthielten ein Element, das mit der Sittlichkeit nichts zu schaffen habe. Das ist aber nicht richtig. Man könnte der Rechtspflicht bloß aus einem doppelten Grund den Charakter der vollkommenen ethischen Pflicht bestreiten. Erstens, weil sie auf eine äußere, materielle Leistung gerichtet ist. Das gilt aber auch von vielen Pflichten, die von allen als rein sittlich bezeichnet werden, so z. B. von der Pflicht der Mäßigkeit, des Anstandes, der Barm= herzigkeit u. dgl.

Oder will man die Rechtspflichten deshalb für nicht rein ethisch erklären, weil sie erzwingbar sind? Dies scheinen die Anhänger Kants zu meinen. Aber es gibt manche wahre Rechtspflichten, die ihrer Natur nach nicht erzwingbar sind, so z. B. alle Pflichten der austeilenden Gerechtigkeit; ferner die Pflichten, welche uns verbieten, über andere, Lebende oder Verstorbene, frevelhaft zu urteilen.

Mag man also erzwingbare und nicht erzwingbare Pflichten unterscheiden, je nachdem die Pflicht auf eine Leistung gerichtet ist, welche man im Notfall erzwingen darf, oder auf eine Leistung, für die man andern nicht verantwortlich ist. Aber diese Einteilung ist nicht gleichbedeutend mit der

Einteilung in juridische und nicht juridische Pflichten. Außerdem sind die erzwingbaren Pflichten ebensogut sittliche Pflichten oder Gewissenspflichten als alle übrigen.

Kant mit seiner Schule unterscheidet die Rechtspflichten und ethischen Pflichten dadurch, daß bloß die letteren die Handlung zur Pflicht und diese Pflicht zugleich zur Triebfeder machten. Aber um davon abzusehen, daß nach dieser Einteilung die Rechtspflichten keine ethischen (Gewissens-) Pflichten sein sollen: ist es denn wahr, daß die sittlichen Pflichten immer die Pflicht als Triebfeder vorschreiben? Ganz gewiß nicht. Ja man kann vielen sittlichen Pflichten sogar ohne einen sittlich guten Beweggrund genügen1. So 3. B. genügt man den negativen sittlichen Geboten als solchen, wenn man unterläßt, was sie verbieten. Wer nicht lügt und nicht lügen will, genügt dem Verbot, die Unwahrheit zu sagen, auch wenn er es aus bloßer Menschenfurcht oder aus Stolz nicht tut. Wer ferner einem Armen in großer Not ein Almosen gibt, genügt dem Gebote des Almosengebens, auch wenn er es nur tut, um sich des lästigen Bettlers zu entledigen.

Allerdings, damit jemand die Tugend der Barmherzigkeit, Wahrhaftigkeit usw. übe, muß er die ihnen entsprechenden Handlungen aus den Beweggründen dieser Tugenden vollbringen; das gilt aber in ganz gleicher Weise von der Gerechtigkeit. Die Tugend der Gerechtigkeit übt nicht derjenige, welcher 3. B. aus bloßer Furcht seine Schulden bezahlt, sondern derjenige, der dies aus Liebe zur Gerechtigkeit tut oder weil er verpflichtet ist, jedem das Seinige zu geben.

3. Noch ein Wort bleibt uns zu sagen von dem Widerstreit der Pflichten. Es kann geschehen, daß jemand in der Unmöglichkeit ist, mehreren Pflichten zugleich zu genügen. Das nennt man Kollision oder Widerstreit der Pflichten.

Dieser Widerstreit kann nur ein scheinbarer, nie ein wirklicher, objektiver sein. Denn jede Pflicht wurzelt wenigstens mittelbar im Naturgesez bzw. im Willen Gottes. Gott kann aber nicht von uns verlangen, daß wir zugleich zweierlei vollbringen, wenn uns das unmöglich ist. Kein Gesetzgeber kann Unmögliches gebieten.

Es kann ferner nie ein Widerstreit eintreten zwischen mehreren rein neg a= tiven oder Unterlassungspflichten, weil es nicht unmöglich ist, mehreres gleichzeitig zu unterlassen, sondern nur zwischen negativen und positiven oder zwischen positiven untereinander.

Selbstverständlich hören beim Widerstreit nicht alle Pflichten auf, son= dern man soll ihnen genügen, soweit man kann, und kann man nur eine Pflicht von mehreren erfüllen, so muß man die höchste und wichtigste den übrigen vorziehen. Um sich hierüber ein Urteil zu bilden, achte man auf drei Dinge, von denen der Charakter der Pflicht bedingt wird: erstens

1 Wir sagen nicht, daß man allen Pflichten genügen oder das ganze Natur= gesetz in seinem vollem Umfange erfüllen könne durch eine Handlung, die keinen sittlich guten Zweck hat. Das wäre unrichtig. Wohl aber kann man vielen einzelnen Ge= boten des Naturgefeßes durch derartige Handlungen genügen.

auf das Gesez, von dem sie ausgeht; zweitens auf den Gegen= stand, auf den sie gerichtet ist; drittens auf die Person, gegen welche die Pflicht besteht.

a) Man frage sich also zunächst, welches das wichtigste und höchste unter den Gesezen ist, von denen uns mehrere Pflichten gleichzeitig auferlegt werden. Das Naturgesez steht höher als das positive, das göttliche höher als das menschliche; die negativen Gebote des Naturgesezes stehen höher als die affir= mativen; das Gesetz des höheren Gesetzgebers verdient den Vorzug vor dem des niedrigeren.

b) Man berücksichtige ferner den Gegenstand der Pflichten. Die Pflicht, welche einen höheren, wichtigeren, allgemeineren und notwendigeren Gegenstand hat, verdient an und für sich den Vorzug vor den übrigen. Die Pflichten in Bezug auf die Seele stehen über den Pflichten gegen den Leib und diese wieder über denen gegen äußere Güter. Die Pflichten gegen das allgemeine Wohl gehen den Pflichten gegen das Privatwohl vor, wenn sie in der gleichen Ord= nung sich befinden. Zuerst kommt das Notwendige, dann das Nüzliche und zulezt das bloß Angenehme.

c) Endlich sehe man auf die Person, gegen die man verpflichtet ist. Die Pflichten gegen Gott kommen an erster Stelle, dann die sittlichen Pflichten gegen uns selbst, die sich auf geistliche Güter beziehen, weiterhin die Pflichten gegen diejenigen, die uns näher stehen, wie Eltern, Kinder, Pflege= befohlene usw. 1

§ 4. Bom Träger des Rechtes.

Wir unterschieden (S. 549) im Rechtsverhältnis den Träger (Subjekt), den Gegenstand, den Titel und den Terminus des Rechtes oder die Person, auf die sich das Recht bezieht. Was der Rechtstitel im allgemeinen sei, ist früher (S. 450 u. 456) genügend erklärt worden. Auf welche Rechtstitel sich die einzelnen Rechte im besondern stüßen, wird im speziellen Teil der Moralphilosophie zur Sprache kommen. Ebenso wird im zweiten Teil im einzelnen zu untersuchen sein, auf welche Gegenstände der Mensch ein Recht haben kann. Da sich endlich aus dem Begriff der Rechtspflicht von selbst ergibt, daß nur ein vernünftiges freies Wesen derselben fähig ist und mithin nur ein solches der Rechtsterminus sein kann: so bleibt uns nur noch zu untersuchen, wer Träger des Rechtes sein könne.

1. An die Spize unserer Untersuchungen stellen wir den Grundsaß, daß Gott das höchste und vollkommenste Recht über alle geschaffenen Dinge, auch über den Menschen, hat.

a) Gott hat das höchste Eigentumsrecht (dominium proprietatis) an allen Geschöpfen. Gegenstand des Rechtes ist, was in besonderer Beziehung zu uns steht, so daß es vor allem zu unserem Nußen oder unserer Verfügung gestellt ist und wir mithin im Gebrauch desselben vor allen andern den Vorzug haben. Alle Geschöpfe stehen aber im innigsten Verhältnis dieser Zu

1 S. Thom., S. th. 2, 2, q. 26. Meyer, Instit. iur. nat. I 479.

gehörigkeit zu Gott. Den Grund hiervon deutet das wunderbar tiefsinnige Wort des hl. Paulus an: „Aus ihm und durch ihn und in ihm (els autóv) ist alles." 1

Aus ihm ist alles. Alle Dinge verdanken ihr Dasein Gottes Schöpferhand. Die Abhängigkeit einer Wirkung von ihrer Ursache ist um so größer und allseitiger, je mehr die Wirkung alles, was sie ist und hat, einer einzigen Ursache verdankt. Die Abhängigkeit des Gefäßes vom Töpfer wäre gewiß viel größer, wenn es nicht nur die Form, sondern auch den Stoff der Tätig= feit des Töpfers verdankte, und zwar ohne die Mitwirkung irgend welcher Werkzeuge.

Nun aber verdanken alle Geschöpfe, der Mensch nicht minder als der Wurm der Erde, der Grashalm auf dem Felde und das Sandkorn am Meere alles, was sie sind und haben, wenigstens mittelbar einzig und allein dem Schöpferworte des Allmächtigen. Nur weil er sie von Ewigkeit her als möglich erkannt und freiwillig in der Zeit zu erschaffen beschlossen, deshalb sind sie. Keines Stoffes bedurfte er, um sie zu formen. Er sprach, und das Universum wurde und fing an sich nach den Geseßen zu bewegen, die er ihm vorgeschrieben. Alle Dinge sind seiner Hände Werk und gehören schon deshalb ihm.

Durch ihn ist alles. Nicht genügte es, daß Gott die Dinge schuf. Wie sie auf seinen Wink ihr Dasein beginnen, so bedürfen sie auch beständig der Erhaltung durch ihn. Ohne dieselbe würden sie gleich wieder in dem Abgrund des Nichts verschwinden, aus dem er sie freiwillig gezogen. Alle Ge= schöpfe haben eben keinen Augenblick den Grund ihres Daseins in sich selbst. Nur von seiner erhaltenden Hand gestüßt, vermögen sie ihr Dasein zu behaupten. Noch mehr. Nicht bloß die christliche Offenbarung, sondern auch die gesunde Philosophie vermag mit dem bloßen Lichte der natürlichen Vernunft den Nachweis zu erbringen, daß wir ohne göttliche Mitwirkung keiner Tätigkeit fähig sind. Wie unser Sein, so ist auch unser Handeln ein wesentlich abhängiges, bedingtes. Ohne ihn vermögen wir nichts. Und zwar muß Gott, wenn wir z. B. sehen oder hören, nicht bloß mit uns mitwirken, sondern auch mit all den übrigen Geschöpfen, deren wir bedürfen, damit ein Akt des Sehens oder Hörens zu stande komme.

Auf ihn hin ist alles. Alle Dinge sind vor allem für seine Verherrlichung geschaffen. Er ist der höchste und letzte Zweck aller Dinge. Sie können ihm zwar keinen Nußen bringen, da er, der Unendliche, ihrer nicht bedarf, wohl aber sollen sie zu seiner Verherrlichung, zur Offenbarung seiner unendlichen Weisheit, Macht, Güte und Gerechtigkeit beitragen. Für die vernünftigen Wesen ist überdies Gott noch in besonderer Weise Ziel und Ende, weil sie ihn erkennen und lieben und dadurch in ihm jene vollkommene Glückseligkeit erreichen sollen, nach der die Seele unaufhörlich hungert und dürstet. Er ist der Mittel- und Ruhepunkt des rastlosen Sehnens und Strebens aller menschlichen Herzen.

Weil wir also mit jeder Faser unseres Seins und mit jedem Pulsschlag unseres Herzens aus Gott, durch Gott und für Gott sind, und zwar nicht

1 Röm 11, 36.

bloß zufällig, sondern unserem innersten Wesen nach, so ist er der absolute, unumschränkte, wesentliche Herr über uns. Mit unendlich höherem Recht als der Töpfer das Gebilde seiner Hand, kann der Ewige jeden von uns sein nennen und ihn als sein volles Eigentum betrachten, über welches ihm wesentlich, immer und überall und unter allen Umständen jedes erdenkbare Verfügungsrecht zusteht, das mit seiner unendlichen Weisheit und Güte vereinbar ist.

Vielleicht könnte man gegen die eben vorgebrachte Beweisführung einwenden, daraus, daß Gott die Dinge geschaffen, folge nicht, daß er ihr Herr sei. Denn nach unsern früheren Ausführungen könne jeder nur das sein nennen, was für ihn, für seinen Nugen bestimmt ist (S. 451). Daraus aber, daß Gott der Schöpfer der Dinge sei, folge nicht, daß sie für ihn und für seinen Nußen bestimmt seien und er mithin ihr Herr oder Eigentümer sei. Allein die wirkende Ursache und die Zweckurjache hangen innig zusammen und der Zweck der wirkenden Ursache, insofern sie wirkend, ist der Wirkende selbst. Denn wir gebrauchen das, was wir hervorgebracht, für uns. Wir können allerdings auch für einen andern etwas hervorbringen oder bewirken, aber immer nur, weil dies uns selbst entweder nüßlich oder angenehm oder endlich um seiner selbst willen angemessen ist, so daß wir selbst immer irgendwie der Endzweck unseres Schaffens sind. Da nun aber Gott mittelbar oder unmittelbar die bewirkende Ursache aller Dinge ist, so folgt gerade daraus, daß sie alle ihn zu ihrem lezten Endzwecke haben und er mithin als Eigentümer und Herr über sie verfügen kann 1.

b) Wie das höchste Eigentumsrecht über alles Geschaffene, so steht Gott auch die höchste Regierungsgewalt (dominium iurisdictionis) über alle vernünftigen Wesen zu. Eben weil sie sein eigen sind, kann er ihnen Gesetze geben, Rechte unter fie verteilen, wie es ihm nach seiner Weisheit und Heiligkeit gefällt. Jede irdische Regierungs- und Gesetzgebungsgewalt, sei es die Gewalt des Herrn über seinen Knecht, des Vaters über seine Kinder, des Königs über seine Untertanen, ist nur ein matter Abglanz, eine geringe Teilnahme an der ewigen Regierungsgewalt Gottes über seine Geschöpfe.

Mit Recht wird deshalb Gott in auszeichnender Weise der Herr genannt, ja im vollkommensten und wesenhaften Sinne ist er allein Herr: Tu solus Dominus.

2. Durch göttliche Belehnung sind aber auch alle vernünftigen freien Wesen Rechtsträger.

Jeder Mensch tritt mit einer hohen Aufgabe betraut auf die Erde. Er hat Pflichten zu erfüllen und dadurch sein ewiges Ziel zu erreichen. Dazu bedarf er der nötigen Mittel und des Rechtes der freien, unabhängigen Verfügung über dieselben innerhalb der Schranken, die mit dem Gesellschaftsleben vernünftiger Geschöpfe geboten sind. Gott konnte ihm dieses Recht nicht vor

1 S. Thom., C. gent. 1. 3, c. 17: Finis ultimus cuiuslibet facientis, in quantum est faciens, est ipsemet; utimur enim factis a nobis propter nos; et, si aliquid aliquando propter alium homo faciat, hoc refertur in bonum suum, vel utile, vel delectabile, vel honestum. Deus autem est causa factiva rerum omnium, quarundam quidem immediate, quarundam autem mediate sive mediantibus aliis causis. . . Est igitur ipsemet finis rerum omnium.

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