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Soll unsere Darstellung nicht allzu lückenhaft sein, so dürfen wir einen so beträchtlichen Bestandteil des Menschengeschlechtes, wie ihn die Anhänger Mohammeds bilden, nicht übergehen. Obwohl die Bekenner des Islam in zahlreiche Sekten gespalten sind, so erkennen sie doch alle den Koran als das gemeinsame religiöse Grundgesetzbuch an. Wir brauchen also nur die Offenbarungen des Propheten aufzuschlagen, um die gemeinsamen sittlichen An= schauungen der Moslemin kennen zu lernen.

Bekannt ist, daß der Koran mancherlei Widersprüche enthält und daß manche seiner Satzungen mit christlichen Anschauungen, ja sogar mit den Fordederungen des Naturgesezes im Widerspruch stehen. Wir erinnern nur an das Zugeständnis der Vielweiberei und des ehelichen Zusammenlebens mit Sklavinnen 1; ferner an das Gebot, den Islam mit dem Schwerte zu verbreiten und an den Feinden Rache zu nehmen 2; endlich an den sinnlichen Himmel, der dem Muselmann verheißen ist.

Bei alledem bleibt wahr, daß sich die Sittenlehre Mohammeds weit über die der meisten heidnischen Völker erhebt. Eine große Anzahl von Vorschriften hat der Koran der christlichen Bibel entlehnt, ja er gibt an einigen Stellen sogar vor, nur eine allerdings sonderbare Bestätigung und Erklärung der Schriften des Moses und der Propheten zu sein 3.

1 Der Koran, das Gesetz der Moslemin, übersezt von Wahl, Halle 1828, Sure 4, 64. Ebd. Sure 2, 9 und Sure 5, 91.

2 Ebd. Sure 2, 490.

Am reinsten ist im Koran die Lehre von Gott vorgetragen. Nicht nur wird die Einheit und Einzigkeit Allahs betont, sondern auch seine Allwissenheit, Weisheit, Allmacht, Ewigkeit und unendliche Vollkommenheit. Allah schaut in die Tiefen des menschlichen Herzens, erkennt die Guten und Bösen, beschüßt die einen, haßt die andern. Nach diesem irdischen Leben steht ein allgemeines Gericht bevor, zu dem Gute und Böse durch Posaunenschall gerufen werden. Dann findet die Scheidung zwischen Guten und Bösen statt1.

„Dann wollen wir ihnen ihre Taten im hellsten Lichte anzeigen, denn wir waren nicht abwesend. Richtig sollen an diesem Tage die Handlungen der Menschen gewogen werden. Glückselig sollen die sein, deren gute Werke die Wagschale beschweren; die hingegen, deren Wagschalen zu leicht erfunden werden, die werden beweisen, daß sie durch ungerechtes Betragen gegen unsere Offenbarungen ihre Seelen verderbt haben."2 Die Guten gelangen in das Paradies, die Gottlosen in die höllische Qual3.

Schon aus dem Gesagten erhellt, daß die Sittenvorschriften des Korans als Gebote Gottes gelten, deren Beobachtung vom Menschen unbedingt ge= fordert wird und über sein ewiges Los entscheidet. In Bezug auf die einzelnen Pflichten genüge die Bemerkung, daß die sittlichen Gebote des fünften Buches Moses', wenn auch nicht in derselben Form, so doch der Sache nach im Koran wiederkehren. Gottesfurcht, Gehorsam und Dankbarkeit gegen Gott und häufiges Gebet werden vorgeschrieben, Gößendienst, Unglaube und Gotteslästerung streng verboten. Nur reinen Herzens und Leibes soll der Moslem beten, deshalb foll er sich vor dem Gebete waschen und reinigen. Die Kinder sollen ihre Eltern lieben, ehren, ihnen gehorchen, außer wenn sie Böses befehlen, und sie unterstüßen. Die Eltern hingegen sollen die Kinder zum Glauben anhalten und für sie beten. „Der Kindermord ist eine entsegliche Sünde. Enthaltet euch der Hurerei, denn sie ist ein Laster. . . . Tötet keinen Menschen, den ihr nach dem Geseze Gottes nicht töten sollt; nur eine nach Gerechtigkeit verhängte Lebensstrafe ist zugelassen. . . . Rühret das Vermögen der Waise nicht eher an, als wenn ihr es erweitern könnt, und laßt es ihr, bis sie mündig geworden. Erfüllet den Bund (Vertrag), den ihr gemacht . . ., messet mit einem richtigen Maße und wieget mit einem richtigen Gewichte. . . Tritt nicht stolz im Lande einher."5 Auch die Gebote der Wahrhaftigkeit, des Gehorsams gegen die Vorgesetzten, die Barmherzigkeit, die Gastfreiheit, Eintracht und Geduld werden eingeschärft, Zorn, Neid und ähnliche Laster unter Androhung ewiger Strafen verboten.

Zweites Kapitel.

Die Naturvölfer.

Die Anhänger des Darwinismus haben sich in neuester Zeit große Mühe gegeben, ihrer Behauptung von der tierischen Abstammung des Menschen eine

1 Der Koran, das Gesetz der Moslemin, übersezt von Wahl, Sure 37, 437 und

Sure 42, 488.

2 Ebd. Sure 7, 117.
5 Ebd. 17, 229.

3 Ebd. Sure 37, 438 ff.

♦ Ebd. 17, 228.

ethnologische Grundlage zu geben und den Nachweis zu erbringen, daß es wirklich Menschen gebe, denen alle sittlichen Begriffe fehlen. So sagte schon John Lubbock: „Ich glaube in der Tat, man muß von den niederen Rassen des Menschengeschlechtes sagen, daß sie jeder Vorstellung von Recht und Unrecht entbehren. . . . Daß es überhaupt Menschen gebe, die so vollkommen des sittlichen Gefühles ermangeln, war durchaus den vorgefaßten Ansichten entgegengesetzt, mit denen ich an die Untersuchung des Lebens der Wilden herantrat, und ich bin nur Schritt für Schritt und sogar mit Widerstreben zu jenem Schluffe gelangt."1 Neuestens beruft sich H. Spencer in einem Artikel der Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik" 2 auf diese Behauptung und sucht dieselbe durch andere gleichwertige Behauptungen zu bekräftigen, um darauf die selbstbewußte Folgerung zu gründen, „die heutige induktive Forschung“ könne die Allgemeinheit und Einheitlichkeit des Gewissens, welche von Kants Ethik vorausgesetzt werde, nicht anerkennen.

Solchen Äußerungen stellen wir die Behauptung gegenüber, daß kein noch so verwahrloftes Volk auf Erden anzutreffen sei, dem die Unterscheidung von gut und bös, von recht und unrecht ab= gehe und das nicht eine unter dem Schuße übermenschlicher Mächte stehende sittliche Ordnung anerkenne, die den Dekalog im wesentlichen in sich begreift (S. 394 ff).

Es ist aber nicht zu vergessen, daß wir es bei den Naturvölkern mit einer Entartung und Verkümmerung der menschlichen Natur zu tun haben. Die wilden Völker können uns also nicht dazu dienen, ein vollständig richtiges Urteil über die sittlichen Anlagen und Eigenschaften der menschlichen Natur zu gewinnen. Wer genau erfahren will, was die Eiche ist, wie tief fie ihre Wurzeln in die Erde schlägt und wie hoch sie ihre Krone in die Luft erhebt, geht nicht auf eine dürre Heide, wo ihm vielleicht ein zwerghaftes, verkrüppeltes Exemplar derselben begegnen mag, sondern er geht in die Tiefe des Waldes, wo sie unter günstigen Bedingungen sich frei entfalten kann, und bildet sich hier sein Urteil über die Eiche. Nach denselben Grundsäßen müssen wir bei Erforschung der menschlichen Natur und des in ihr wurzelnden Naturgesehes verfahren. Daraus, daß wir viele sittliche Vorschriften bei den Naturvölkern mißachtet und durch unsinnige und abergläubische Gebräuche ersetzt sehen, folgt noch nicht, daß diese Vorschriften nicht zum Naturgesez gehören.

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1 Entstehung der Zivilisation (deutsche Ausgabe) 340. Mit diesem „Widerstreben“ Lubbocks war es wohl nicht weit her. Das geht schon daraus hervor, daß er mit einer großen Leichtigkeit Tatsachen behauptete, die sich hinterher als falsch er= wiesen. Den Tasmaniern z. B. hatte er die Kenntnis des Feuers abgesprochen, obwohl schon „der erste Entdecker Rauchsäulen aus dem Innern der Insel hatte aufsteigen sehen“ (Peschel, Völkerkunde 136). Ebenso hatte er den Bewohnern von Fakaafo die Bekanntschaft mit dem Feuer abgestritten, und zwar aus völlig ungenügenden Gründen und obwohl das Gegenteil schon ausdrücklich von Reisenden nachgewiesen worden war, deren Reisebeschreibungen ihm bekannt sein mußten (Peschel a. a. D. 137). In gleicher Weise hatte er behauptet, manche wilden Stämme seien nicht einmal im stande, ihre eigenen Finger zu zählen, noch weniger könne bei ihnen von irgend einer Religion die Rede sein.

2 XCV, 1. §ft, 58.

Wir haben es hier eben mit einer Verkümmerung und Entartung der menschlichen Natur zu tun. Wohl aber können wir umgekehrt mit voller Sicherheit schließen: Finden wir gewisse Anschauungen und Begriffe bei allen Völkern aller Zeiten und Zonen, auch bei den verwahrloftesten, so sind wir vollkommen. berechtigt, dieselben als in der Natur des Menschen begründet und unzertrennlich mit ihr verbunden anzusehen.

Unserem Zwecke entsprechend werden wir uns also nicht dabei aufhalten, die sittliche Verkommenheit der Naturvölker: ihren Kannibalismus, ihre geschlechtlichen Ausschweifungen, ihre wilde Grausamkeit, ihre Unmäßigkeit, ihre Rachsucht, ihre Sorglosigkeit und Trägheit zu schildern. Das alles ist zu bekannt, als daß es von uns dargetan zu werden brauchte. Wenn wir dasselbe mit Stillschweigen übergehen, so geschieht es nicht, um es in Abrede zu stellen, sondern bloß deshalb, weil wir es als bekannt vorausseßen und es nicht zum Zweck unserer Darstellung gehört.

Übrigens müssen wir vor einem sehr verbreiteten Irrtum warnen. Aus der häufigen übertretung eines Sittengesezes darf man nicht sofort auf gänzliche Unkenntnis desselben schließen. Was würden wir sagen, wenn ein Reisender aus einem unbekannten Weltteile unsere Großstädte besuchte und nach mehrwöchiger Beobachtung unserer Zustände aus dem Vorhandensein der unzähligen Prostituierten, die aus der Schande ein Handwerk machen, aus der Zahl der unehelichen Geburten und ähnlichen Tatsachen den Schluß zöge, die Europäer hätten sehr mangelhafte Begriffe in Bezug auf die Keuschheit, ja hielten die größten Vergehen für nicht sündhaft? Eine solche Schlußfolgerung wäre unrichtig, und zwar einfach deshalb, weil man aus Leidenschaft sehr häufig gegen seine bessere Überzeugung handelt, namentlich wenn man zum Sklaven der Leidenschaft geworden. Gilt dies bei den Kulturmenschen, so noch viel mehr bei den Kindern der Wildnis, die es nie gelernt, sich zu überwinden, und durch äußere soziale Schranken in ihrem sittlichen Tun weniger gehindert werden als wir Zivilisierten. Es ist deshalb nichts weniger als wissenschaftlich, wenn Reisende eine oder zwei Wochen einen wilden Stamm in seinem Treiben beobachten und dann der Welt als Resultat ihrer Forschungen den Sag verkünden, diesen Wilden fehle jeder sittliche Begriff.

Erster Artikel.

Die Naturvölker Ozeaniens.

§ 1. Die Auftralneger.

Mehrere Reisende, so der uns schon bekannte John Lubboc, hatten den Eingebornen des australischen Festlandes alle religiösen und sittlichen Ideen abgesprochen. Diese Ansicht ist längst widerlegt. Aus den übereinstimmenden Zeugnissen einer großen Zahl von Beobachtern wissen wir jezt“, schreibt Tylor1, „daß die Eingebornen von Australien schon zur Zeit der Entdeckung

"

1 Die Anfänge der Kultur I, Leipzig 1873, 413. S. auch Razel, Völkerkunde II (1886) 86.

von einem höchst lebhaften Glauben an Seelen, Dämonen und Gottheiten erfüllt gewesen und immer geblieben sind."

Die Australier glauben

wenigstens der übergroßen Mehrzahl nach an ein höchstes Wesen, welches allmächtig ist und alles erschaffen hat. Daneben glauben sie allerdings auch an eine Unzahl von bösen und guten Geistern, die das Leben des Menschen fördern oder hemmen 1. Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele und die jenseitige Vergeltung ist unter den Australiern allgemein, wenn auch die Vorstellungen vom Leben nach dem Tode sehr verschieden und meistens grob finnlich sind. Mit Recht nennt Schneider die Tatsache bedeutungsvoll, daß der Gedanke an ein fünftiges Leben im Geiste eines Volkes eine Heimstätte findet, welches sorglos in den Tag hineinlebt. „In einer Umgebung, in der nichts beständig ist als der Wechsel . . . dem Sensenmann zum Troh, der nach Willkür seine Opfer aus den Reihen der Mitlebenden holt, auf ein Fortleben hoffen, wie sollte dies dem Wilden, der nicht zu spekulieren pflegt, in den Sinn kommen, wenn nicht der Zug nach einer besseren Welt ihm angeboren, die Hoffnung darauf ihm in den Schoß ge= legt wäre?" 2

Die Pietät gegen die verstorbenen Angehörigen ist allgemein.

In Bezug auf die Familienverhältnisse gilt von den Australiern, was von fast allen nichtchriftlichen Völkern: die Frau ist die Sklavin des Mannes. Im übrigen ist der Eingeborne sehr liebevoll gegen seine Frau. Ist sie krank, so verpflegt er sie; wird das Übel schlimmer, so trauert er die ganze Nacht; verschwindet alle Hoffnung, so bleibt er an ihrem Lager und sorgt für sie, so gut er kann.“ 3 Die Frauen sind troß ihres harten Loses den Männern aufrichtig zugetan. Aus Pietät gegen den verstorbenen Mann trägt in manchen Gegenden die Frau die Haut desselben beständig bei sich und benußt seinen Schädel als Trinkgefäß.

1 Vgl. Dr Wilh. Schneider, Die australischen Eingeborenen, Frankfurt 1883 (Frankfurter Broschüren V, 3. Hft). Ferner von demselben Verfasser: Die Naturvölker II, Paderborn 1885, 94. Das leptere vortreffliche Werk werden wir im folgenden sehr häufig benußen, desgleichen Razel, Völkerkunde III (1885-1886); Peschel, Völkerfunde (1885).

2 Schneider, Die Naturvölker II 107.

3 Aus dem Berichte des Missionärs P. Strele. Katholische Missionen, Freiburg 1885, 199. Wir werden uns im folgenden mit Vorzug an die Zeugnisse der Missionäre halten, die jahrelang im vertrautesten Verkehr mit den Wilden gelebt haben und deren Zeugnis deshalb weit zuverlässiger ist als die Berichte eines Reisenden, der ein paar Tage oder Wochen sich bei einem Stamme aufgehalten hat und ihre Sprache entweder gar nicht oder sehr unvollkommen kennt. „Sproat, ein Völkerkundiger ersten Ranges..., bemerkt treffend: „Ein Reisender muß jahrelang unter Wilden wie einer der Ihrigen gelebt haben, ehe seine Ansicht über ihre geistigen Zustände irgend einen Wert beanspruchen kann“ (Peschel a. a. O. 272). Auch darauf sei noch aufmerksam gemacht, daß uns bei neueren Ethnologen oft große Widersprüche begegnen. So behauptet z. B. Sengstake (Globus LXI 248) von den Papuainfulanern der Torresstraße, „der Glaube an das Dasein einer Seele sei bei ihnen nicht entschieden ausgesprochen“; hinterher aber schildert er eingehend (nach Haddon), daß nach dem Tode der „Mari“ (Geist, Schatten) den Körper verlasse und nach einer fernen Insel auswandere.

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