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Regungen des sinnlichen Teiles frei und vernünftig durch Teilnahme. Soweit sie also unter der Herrschaft des Willens stehen, können die Leidenschaften gut oder böse werden; gut, wenn sie der Wille in den rechten Schranken hält, böse, wenn dies nicht der Fall ist. Wenn Hektor zu Andromache spricht: ,,Weib, gebiete deinen Tränen!" so fordert er sie auf, die Trauer zu mäßigen, sich nicht unvernünftig der Trauer zu überlassen. Das sinnliche Streben im Menschen soll eben unter der Herrschaft des Willens stehen 1. Sache des Weisen ist es nicht, die Leidenschaften auszurotten, was ein unmögliches Unterfangen wäre, sondern sie der Vernunft zu unterwerfen.

Da die Leidenschaften nur insofern zur sittlichen Ordnung gehören, als sie vom freien Willen abhangen, so müssen wir diese Abhängigkeit noch näher bestimmen. Auf doppelte Weise kann eine Leidenschaft vom Willen als der Ursache ausgehen oder gewollt sein: erstens durch eine Art Fortpflanzung oder Überströmen des Willensaffektes in das sinnliche Begehrungsvermögen 2. Ist der Wille heftig erregt, so strömt dieser Affekt in den sinnlichen Teil über oder teilt sich demselben mit. Diese Fortpflanzung geschieht meistens durch Vermittlung des Verstandes und der Einbildungskraft. Die heftige Willenserregung hat lebhaftere Erkenntnis zur Folge, welche auf das sinnliche Strebevermögen einwirkt. Doch kann auch unmittelbar durch eine Art Sympathie die heftige Erregung des Willens eine ähnliche Regung im niederen Strebevermögen hervorrufen, da beide Vermögen in derselben Seele wurzeln 3. Bei dieser ersten Art von Abhängigkeit haben die Leidenschaften keinen Einfluß auf den sittlichen Charakter des Willens, sie sind bloße Zeichen, aus denen man auf die schon vorhandene Gutheit oder Schlechtheit des Willens schließen kann.

Die zweite Art von Abhängigkeit ist dann vorhanden, wenn der Wille die Leidenschaft selbst mit Bewußtsein hervorruft, sei es nun daß er absichtlich die Leidenschaft erregt, oder daß er sie freiwillig zuläßt. In dieser zweiten Art von Abhängigkeit fließen die Leidenschaften ursächlich auf den Willen ein, nicht nur insofern sie sein Gegenstand find, sondern auch insofern sie selbst wieder auf ihn zurückwirken und ihn heftiger zum Guten oder Bösen antreiben.

Gezähmt und auf das Gute gerichtet sind die Leidenschaften eine mächtige Hilfe zu allem Großen. Als sinnlich-geistiges Wesen ist der Mensch in seinem Wollen von dem sinnlichen Teile vielfach abhängig, und nur wo der ganze Mensch tätig ist, gedeihen große Entschlüsse und herrliche Taten. Die Leidenschaften sind wie feurige Renner; zähmt und beherrscht sie der Mensch, so kann er mit ihnen in kürzester Zeit die weitesten Strecken zurücklegen; sind sie ungebändigt, so reißen sie ihn in den Abgrund.

Die Erfahrung bestätigt diese Wahrheit vollauf. Ein apathischer Mensch ist zu nichts Großem fähig. Er kommt nicht über die klug berechnende Mittelmäßigkeit hinaus. Selbst bei reiner Verstandesarbeit muß der Mensch durch ein gewisses Maß von Leidenschaft unterstüßt werden, soll er Großes leisten. Wer

1 Gn 4, 7: Sub te erit appetitus eius et tu dominaberis illius.

2 Per modum redundantiae, wie der hl. Thomas (1, 2, q. 24, a. 3 ad 1) sagt. 3 S. Thom., Quaest. disp. de passion. a. 3 ad 13.

Cathrein, Moralphilosophie. I. 4. Aufl.

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mit großer Begeisterung dem Studium obliegt, arbeitet nachdrücklicher, beharr= licher, und sein Verstand wird schärfer und erfinderischer. So geht es auf allen Gebieten. Wie oft erscheint der Mensch auf einmal wie umgeändert, wenn heftige Leidenschaften sich seiner bemächtigen! Dann wird er scharfsinnig, gedankenreich, beredt.

Wir werden später sehen, daß die Leidenschaften, statt die Sittlichkeit unmöglich zu machen, wie die Stoiker meinen, der sittlichen Betätigung das weiteste Feld und dem sittlichen Verdienst die reichste Quelle eröffnen. Sie erfordern einen beständigen, lebenslänglichen Kampf in uns, um das Niedere dem Höheren zu unterwerfen, nie ermüdende Arbeit, um das Gemeine aus dem Herzen zu verbannen und alles Gute und Edle darin mit sorgsamer Hand zu pflegen.

§ 4. Von den konkupisziblen Leidenschaften im besondern.

I. Liebe und Haß. Es sei wieder daran erinnert, daß wir hier nur von den Leidenschaften handeln, also die Liebe, den Haß usw. nur insoweit berücksichtigen, als sie Tätigkeiten des sinnlichen Strebevermögens find. Von den analogen Affekten der Liebe, des Hasses usw. im Willen, die vielfach den Leidenschaften parallel gehen, ist hier keine Rede.

1. Die Liebe ist der Grundaffekt und die Wurzel aller übrigen Leidenschaften. Sie besteht in einem einfachen Gefallen (Wohlgefallen) unseres finn= lichen Begehrungsvermögens an dem ihm entsprechenden oder zusagenden Gut. Erkennen wir ein sinnliches Gut irgendwie als angemessen, so entsteht im Strebevermögen eine Art Anpassung oder Hinneigung zu demselben oder eine Art sinnlichen Wohlgefallens. Diese erste, ursprüngliche Regung heißt sinnliche Liebe. Sie unterscheidet sich von der geistigen Liebe dadurch, daß sie aus der finnlichen Erkenntnis hervorgeht und sich im sinnlichen Strebevermögen vollzieht, während die geistige Liebe im Willen ist und aus der geistigen Erkenntnis entsteht 2.

Man unterscheidet zwei Arten von Liebe: die begehrliche und die wohlwollende Liebe (amor concupiscentiae et benevolentiae). Die erstere erstrebt das Gut, insofern es uns nüzlich und zuträglich ist, die lettere

1 Unter geistiger Liebe verstehen wir hier jede aus dem geistigen Willen hervor= gehende Liebe, mag sie nun auf geistige oder materielle Dinge gerichtet sein.

2 K. Lange (Über Gemütsbewegungen, überseht von Kurella, Leipzig 1887, 5ff) unterscheidet einfache und zusammengesette Gemütszustände. Zu den ersteren, die er allein als Gemütsbewegungen bezeichnet wissen will, rechnet er Kummer, Schreck, Zorn; zu den lezteren Liebe, Haß, Neid usw. Aber die legtgenannten Beispiele sind sicher schlecht gewählt. Liebe und Haß sind die ursprünglichsten Leidenschaften und werden von allen übrigen als ihre gemeinsame Wurzel vorausgesetzt. Sie können also unmöglich aus andern zusammengesezt sein. Übrigens kann man von zusammengesetzten, oder richtiger, gemischten Gemütsbewegungen nur insofern reden, als mehrere fast gleichzeitig auftreten und deshalb auch eigentümliche Gemütszustände zur Folge haben. Lange bringt sehr schäzenswertes Material zur Kenntnis der physiologischen Vorgänge bei den Gemütsbewegungen bei, aber die philosophische Kenntnis der Leidenschaften die ja nicht rein physiologische Vorgänge find — hat er nur wenig gefördert.

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dagegen um seiner selbst willen. Obwohl die wohlwollende Liebe im strengen. Sinne des Wortes bloß im Willen sich findet, so läßt sich doch auch im finnlichen Teil des Menschen, ja sogar bei den Tieren neben der begehrlichen Liebe eine Art wohlwollender Liebe unterscheiden, wenn man hierunter jedes Erstreben einer in sich guten Sache um ihrer selbst willen versteht 1. Wenn sich die Henne für ihre Küchlein abmüht, so tut sie dies zwar aus unbewußtem Naturtrieb, aber ihre Sorge ist nur auf das Wohl der Küchlein, nicht auf das eigene Wohl gerichtet.

Die Ursache der Liebe ist das erkannte Gut. Die Angemessenheit des= selben zum Begehrungsvermögen bewirkt im lezteren das Wohlgefallen. Natürlich muß die Angemessenheit irgendwie erkannt werden. Weil es vor allem die Ähnlichkeit mit dem Begehrenden ist, welche einen Gegenstand als ange= messen erscheinen läßt, so ist sie eine der Hauptursachen der Liebe, wie das alte Sprichwort bezeugt: Gleiches und Gleiches gesellt sich gern (simile simili gaudet). Doch kann aus zufälligen Umständen die Ähnlichkeit zuweilen der Grund des Haffes sein, insofern derjenige, der einem andern ähnlich ist, diesem in der Erreichung eines Gutes hinderlich im Wege steht. Der Töpfer haßt den Töpfer“, weil er ihm die Kunden abwendig macht. Der „Brotneid" ent= zweit die Herzen.

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Die hauptsächlichste Wirkung der Liebe ist die Vereinigung des Liebenden mit dem Gegenstand seiner Liebe, und zwar zunächst die Vereinigung dem Affekte nach (unio affectiva), dann aber auch der Wirklichkeit nach (unio effectiva). Des Liebenden Sinnen und Trachten geht auf den Gegenstand der Liebe. Erreicht sie im Menschen einen hohen Grad, so bewirkt sie, daß er wie außer sich ist und alles andere vergißt.

Eine andere Wirkung der Liebe ist die Eifersucht, d. h. das Streben, alles zu beseitigen, was der Erreichung oder dem Besize des geliebten Gegen= standes hinderlich sein könnte. Die aus der begehrlichen Liebe hervorgehende Eifersucht ist immer mit einer Art Neid verbunden.

2. Der Haß besteht im Mißfallen an einer als schädlich und widrig erkannten Sache. Er ist das Gegenteil der Liebe und läßt sich deshalb aus dem über die Liebe Gesagten leicht begreifen. Unrichtig definiert Burdach den Haß: „einen eingewurzelten Zorn und ein heftiges Streben, die Gemeinschaft mit einem Individuum zu meiden". Wir können das Böse haffen ohne jede Spur von Zorn. Das Verlangen, die Gemeinschaft mit einem Individuum zu meiden, ist eher eine Wirkung des Haffes als der Haß selbst und findet sich eigentlich nur beim Haß der Feindschaft. Der doppelten Liebe entspricht nämlich ein doppelter Haß: der Haß des einfachen Mißfallens (odium abominationis) und der Haß der Feindschaft (odium inimicitiae). Ersterer besteht in einem bloßen Mißfallen an einem als böse erkannten Gegenstand, letterer dagegen in einem Mißfallen an einer Person und ist mit dem Streben, ihr Böses zuzufügen, verbunden.

1 Vgl. Suarez, De passionibus, sect. 5, n. 2 et 3.

2 Der Mensch nach den verschiedenen Seiten seiner Natur. Anthropologie, Stutt= gart 1854, 402.

II. Begierde (Verlangen) und Abscheu.

1. Die Begierde (concupiscentia) besteht in der Erstrebung des abwesenden Angenehmen durch das niedere Begehrungsvermögen. Wir verlangen nur nach dem, was wir noch nicht besigen. Während also die Liebe auf das Gute schlechthin gerichtet ist, gleichviel, ob es gegenwärtig oder abwesend sei, geht die Begierde nur auf Abwesendes. Während ferner die Liebe nur in einer Art Anpassung des Strebevermögens an den ihm zusagenden Gegenstand besteht, ist die Begierde eine aus der Liebe hervorgehende Hinbewegung zu demselben. Die Begierde strebt, trachtet nach Vereinigung mit dem abwesende Guten. 2. Der Begierde entgegengesezt ist die Scheu (Abscheu, fuga, horror). Wie die Begierde das abwesende Gut erstrebt, so flieht die Scheu vor dem abwesenden Übel.

III. Lust und Schmerz haben das gegenwärtige sinnliche Gut oder Übel zum Gegenstand. Die Lust ist die Ruhe des sinnlichen Begehrungsver= mögens in dem Besize des Angenehmen. Diese Ruhe ist aber nicht Abwesenheit jeder Betätigung, sondern lebendige Erfassung des gegenwärtigen Gutes. Das Streben beginnt mit der Liebe, im Verlangen bewegt es sich zum abwesenden Gute hin, in der Lust kommt es zum Abschluß. Die Lust bildet den lezten Zweck des sinnlichen Strebens und ist in Ansehung der Absicht das Erste, obwohl es das Lezte ist, bei dem das Strebevermögen in Wirklichkeit anlangt.

Die Luft heißt auch Ergözung, Befriedigung und Genuß. Nicht zu ver= wechseln mit der Lust ist die Freude1. Jede Freude ist eine Lust, aber nicht umgekehrt. Die Freude ist nur eine Art von Lust. Während nämlich jede Ruhe des Begehrungsvermögens Luft heißen kann, bedeutet die Freude im eigentlichen Sinne nur jene Lust oder Befriedigung, die aus der inneren Wahrnehmung (des Verstandes, oder wenn es sich um die sinnliche Freude handelt, der Einbildungskraft) hervorgeht. Wurzelt die Lust bloß in der Erkenntnis der äußeren Sinne, so nennen wir sie nicht Freude. Speise und Trank bereiten uns, solange sie bloß den Gaumen angenehm berühren, wohl Lust oder Genuß, aber keine eigentliche Freude.

Der Schmerz ist das bittere Gefühl im Begehrungsvermögen bei der Gegenwart des Übels. Er bildet den Gegensatz zur Lust. Wie es eine doppelte Lust gibt, die Sinnenluft im engeren Sinne, welche durch die äußere Sinneswahrnehmung verursacht wird, und die Freude, welche aus der inneren Wahrnehmung entsteht, so gibt es auch einen doppelten Schmerz: den leiblichen Schmerz und die Trauer. Die Trauer verhält sich zum Schmerz, wie die Freude zur Lust. Wie nur jene Lust Freude heißt, die aus der inneren Wahrnehmung hervorgeht, so heißt nur jener Schmerz Trauer, der durch die innere Wahrnehmung verursacht wird. Der hl. Laurentius, der auf dem glühenden Rost seiner Peiniger spottete, empfand wohl Schmerzen, aber keine Trauer. Wer sich

1 S. Thom., S. th. 1, 2, q. 35, a. 2. An einer andern Stelle scheint der hl. Thomas den Namen Freude auf die geistige Freude zu beschränken (1, 2, q. 31, a. 3). Wenn wir hier von geistiger und sinnlicher Freude oder Luft 2c. reden, so ge= brauchen wir diese Ausdrücke nur mit Rücksicht auf das Prinzip, aus dem sie hervorgehen, ohne Rücksicht auf ihren Gegenstand.

einer Operation unterziehen muß, empfindet Schmerzen, braucht aber nicht traurig zu sein, es sei denn, daß auch die innere Erkenntnis die Operation als ein Übel wahrnehme. Wir können ferner leibliche Schmerzen nur dann empfinden, wenn ein Übel gegenwärtig und von den äußeren Sinnen (vom Tastsinn) wahrgenommen wird. Trauer dagegen können wir auch über abwesende, vergangene und zukünftige übel empfinden 1.

Zur Trauer gehören als Unterarten: Mitleid, Neid, Trübsinn und Kummer2. Mitleid heißt die Trauer über fremdes Leid, das irgendwie als unser eigenes angesehen wird; Neid die Trauer über das Gut eines andern, das wir als ein Übel für uns betrachten. Obwohl man auch bei den Tieren eine Art Neid findet, so ist doch der eigentliche Neid ein Affekt des Willens und kommt somit nur im Menschen vor. Denn der Neid im strengen Sinne bedeutet die Betrübnis über fremdes Wohlergehen, insofern es als eine Verminderung oder Verdunkelung unserer eigenen Vorzüge an= gesehen wird. Dieser Erkenntnis ist nur ein Vernunftwesen fähig.

Scheint fast jede Ausflucht aus dem Übel, das uns betrübt, abgeschnitten, so wird die Trauer zum Kummer3, in dem das Begehrungsvermögen gewiffer= maßen in die Enge getrieben wird. Die anhaltende, in leiblicher Erschlaffung sich äußernde Trauer heißt Trübsinn (Niedergeschlagenheit, Gram).

§ 5. Von den irasziblen Leidenschaften im besondern.

I. Hoffnung und Verzweiflung.

Hoffnung ist die Erstrebung eines abwesenden Gutes, dessen Erreichung zwar schwierig, aber möglich ist.

Was

Gegenstand der Hoffnung ist das abwesende oder zukünftige Gut. wir schon besizen, hoffen wir nicht mehr. Seine Erreichung muß sodann als möglich erscheinen, weil niemand im Ernst Unerreichbares erstrebt. Sie muß ferner schwierig sein. Denn was wir ohne Schwierigkeit haben können, besigen wir sozusagen schon. Durch diese Schwierigkeit des Gegenstandes unterscheidet fich die Hoffnung von der Begierde (Verlangen). Die Begierde nach etwas, was wir mühelos erlangen können, ist keine Hoffnung.

Wie ist es aber möglich, daß eine sinnliche, an ein leibliches Organ ge= bundene Fähigkeit sich in Bezug auf Abwesendes und Zukünftiges betätige? Zur Anregung der sinnlichen Hoffnung genügt, daß der Gegenstand derselben durch irgend ein Zeichen oder eine Wirkung gegenwärtig sei. Der Hund sieht vielleicht den Gegenstand seiner Hoffnung, z. B. die Ankunft seines Herrn, nicht, aber

1 S. Thom., S. th. 1, 2, q. 35, a. 2 ad 2.

2 Ebd. q. 35, a. 8.

3 Lange (Gemütsbewegungen 13) schreibt: „Der auffallendste Zug in der Physiologie und damit in der Physiognomie des Kummers ist vielleicht seine lähmende Wirkung auf den willkürlichen Bewegungsapparat . . ., es ist ein Ge= fühl von Müdigkeit, und wie bei jeder Müdigkeit, geschehen die Bewegungen nur lang= jam, träge, kraftlos . . ., die Stimme ist schwach und klanglos. . . . Die Gefäßmuskeln dagegen ziehen sich stärker zusammen als gewöhnlich, so daß das Blut aus den feinen Gefäßen herausgepreßt wird und die Gewebe und Organe des Körpers blutarm werden."

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